Beschluss vom 12.09.2022 -
BVerwG 20 F 7.22ECLI:DE:BVerwG:2022:120922B20F7.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.09.2022 - 20 F 7.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:120922B20F7.22.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 7.22

  • OVG Berlin-Brandenburg - 02.05.2022 - AZ: 95 A 3/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 12. September 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und Dr. Henke
beschlossen:

  1. Die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Landes Berlin wird beigeladen.
  2. Die Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt die Klägerin (weitere) Auskunft über die beim Beklagten zu ihrer Person gespeicherten Daten.

2 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Beweisbeschluss vom 17. November 2020 aufgefordert, den vollständigen und ungeschwärzten Verwaltungsvorgang sowie die ungeschwärzten Originaldokumente vorzulegen. Der Beklagte hat einen Teil des Verwaltungsvorgangs mit Schwärzungen vorgelegt, aber die vollständige und ungeschwärzte Vorlage des Verwaltungsvorgangs sowie der ungeschwärzten Originaldokumente unter Vorlage einer Sperrerklärung seiner Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport vom 22. März 2021 verweigert.

3 Die Klägerin hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung im Hinblick (nur) auf die Sperrung eines Abschnitts auf Blatt 8 des Verwaltungsvorgangs, die Schwärzungen in der ersten Zeile der Tabelle auf Blatt 51 des Verwaltungsvorgangs sowie des Originaldokuments zu dem "dort geschwärzt referierten Vorgang" beantragt, wobei beim Originaldokument die Sperrung von Daten dritter Personen ausgenommen sei. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren zur Durchführung eines "In-Camera"-Verfahrens an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts abgegeben.

4 Die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Beklagten hat mit Schriftsatz vom 10. Juli 2021 die Sperrerklärung im Hinblick auf den vorenthaltenen Abschnitt auf Blatt 8 des Verwaltungsvorgangs teilweise und im Hinblick auf die Schwärzungen in der ersten Zeile in der Tabelle auf Blatt 51 des Verwaltungsvorgangs vollständig aufgehoben und die Sperrerklärung im Übrigen aufrechterhalten und erläutert.

5 Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 2. Mai 2022 den Antrag der Klägerin als unbegründet abgelehnt. Hiergegen richtet sich ihre Beschwerde.

II

6 Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Im Beschwerdeverfahren war die von § 99 Abs. 2 Satz 6 VwGO vorgeschriebene Beiladung der obersten Aufsichtsbehörde (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 15. August 2002 - 2 AV 3.02 - BVerwGE 117, 42 f.) nachzuholen. Der Antrag der Klägerin auf Feststellung der teilweisen Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

7 1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat den Antrag sachgerecht dahingehend ausgelegt, dass er sich nur (noch) auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung hinsichtlich der nach ihrer teilweisen Aufhebung verbliebenen Schwärzungen auf Blatt 8 des Verwaltungsvorgangs sowie die Vorenthaltung des Originaldokuments zu der dort und auf Blatt 51 des Verwaltungsvorgangs vormals geschwärzten Vorgangsnummer bezieht, soweit beim Originaldokument keine personenbezogenen Daten Dritter in Rede stehen.

8 2. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Sperrerklärung ist im Hinblick auf die genannten Aktenbestandteile rechtmäßig.

9 a) Sie genügt den formalen Anforderungen. Aus der Sperrerklärung in der Fassung des Schriftsatzes vom 10. Juli 2021 ergibt sich hinreichend genau, welche Weigerungsgründe zu welchen der verbliebenen Schwärzungen auf Blatt 8 des Verwaltungsvorgangs und zu dem vorenthaltenen Originaldokument geltend gemacht werden.

10 b) Die Sperrerklärung ist, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.

11 aa) Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat die für die geltend gemachten Weigerungsgründe des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO zutreffenden rechtlichen Maßstäbe aufgezeigt.

12 (1) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO u. a. dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 16). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Zu solchen Rückschlüssen geeignet sind z. B. Vorgangsblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2021 - 20 F 14.20 u. a. - juris Rn. 9).

13 (2) Personenbezogene Daten sind ihrem Wesen nach grundsätzlich geheimhaltungsbedürftig i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Sie werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst, welches die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2020 - 1 BvR 3214/15 - BVerfGE 156 und juris Rn. 71). Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn sie Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 2020 - 20 F 13.17 u. a. - juris Rn. 13). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2021 - 20 F 3.21 - juris Rn. 7).

14 bb) Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen.

15 Dies gilt zunächst für die verbliebenen Schwärzungen auf Blatt 8 des Verwaltungsvorgangs. Die Dienstbezeichnung, der Name und die Telefonnummer des Sachbearbeiters werden als personenbezogene Daten vom Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO umfasst. Hinsichtlich der weiteren Schwärzungen liegt der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO vor. Denn eine Offenlegung der Ereigniszeit und des Ereignisortes der polizeilichen Maßnahme sowie der Angaben zum Vorgangsstatus ließe Rückschlüsse auf die Art und Weise der Informationsbeschaffung zu. Die Kenntnis des Inhalts der handschriftlichen Verfügung, welche Arbeitshinweise enthält, würde Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörde ermöglichen.

16 Das vorenthaltene Originaldokument ist größtenteils bereits nicht antragsgegenständlich, weil es im Wesentlichen personenbezogene Daten dritter Personen enthält. Soweit dies nicht der Fall ist, besteht der geltend gemachte Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO. Insoweit wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Erwägungen des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Bezug genommen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen. Bloße Teilschwärzungen des Originaldokuments kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2021 - 20 F 12.20 - juris Rn. 11 m. w. N.). Dies gilt auch für die in dem von der Klägerin mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Tätigkeitsbericht bereits offengelegten, ohne den konkreten Sinnzusammenhang jedoch bedeutungslosen, vom Beklagten erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin, die unter 2.3.1 und 2.3 .2 auf Blatt 2 des Originaldokuments aufgeführt sind und deren Kenntnis seitens des Beklagten der Klägerin aufgrund des von ihr vorgelegten Tätigkeitsberichts bekannt ist.

17 cc) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass die Beigeladene in ihrer Sperrerklärung die gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen bezogen auf die betreffenden Aktenbestandteile abgewogen und so eine Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m. w. N.) genügt.

18 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.