Urteil vom 14.01.2021 -
BVerwG 2 WD 7.20ECLI:DE:BVerwG:2021:140121U2WD7.20.0

Disziplinarische Ahndung der Ausführung eines Hitlergrußes auf einer Feier in einer Bundeswehrliegenschaft

Leitsatz:

Ein Soldat, der auf einer Feier in einer Bundeswehrliegenschaft den Hitlergruß ausführt, verletzt seine Pflicht nach § 8 Alt. 2 SG, durch sein gesamtes Verhalten für die Einhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten; ein solches Verhalten ist disziplinarisch im Regelfall mit einer Dienstgradherabsetzung zu ahnden.

  • Rechtsquellen
    SG § 1 Abs. 3, §§ 7, 8 Alt. 1 und 2, §§ 10, 17 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1
    StGB §§ 20, 21, 86a
    VorgV § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3
    WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 1 und 4, Abs. 7, § 59 Satz 1

  • TDG Nord 2. Kammer - 10.10.2019 - AZ: TDG N 2 VL 41/19

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.01.2021 - 2 WD 7.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:140121U2WD7.20.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 7.20

  • TDG Nord 2. Kammer - 10.10.2019 - AZ: TDG N 2 VL 41/19

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 14. Januar 2021, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Schoeneberg und
ehrenamtlicher Richter Stabsfeldwebel Herz,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 10. Oktober 2019 geändert.
  2. Die Dienstbezüge des Soldaten werden um 1/20 für die Dauer von 12 Monaten gekürzt.
  3. Die Kosten des gesamten Verfahrens werden dem Soldaten auferlegt, der auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft den Vorwurf des mehrfachen Ausführens des Hitlergrußes auf einer Feier in einer Bundeswehrliegenschaft.

2 Der ... geborene Soldat wurde 2009 Zeitsoldat und 2015 unter Ernennung zum Oberfähnrich als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Er wird beim ... im militärischen Nachrichtenwesen verwendet. Seit 2017 erfüllt er die Voraussetzungen für eine Ernennung zum Leutnant und Berufssoldaten.

3 In dem Anfang 2017 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat ihn die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 25. Juli 2017 beim Truppendienstgericht eines vorsätzlichen Dienstvergehens durch folgendes Verhalten angeschuldigt:
"Am Abend des ... erhob der Soldat anlässlich einer Feier im ...
1. innerhalb des bei Gebäude ... im Bereich der Terrasse des Mannschaftsheims errichteten ... zwischen 21:00 Uhr und 21:30 Uhr mindestens vier Mal den ausgestreckten rechten Arm zum 'Hitlergruß' und rief dabei mindestens einmal 'Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!'
2. hinter dem bei Gebäude ... im Bereich der Terrasse des Mannschaftsheims errichteten ... zwischen 21:30 Uhr und 22:15 Uhr mindestens einmal den ausgestreckten rechten Arm zum 'Hitlergruß'."

4 Das Truppendienstgericht hat den Soldaten mit Urteil vom 10. Oktober 2019 freigesprochen. Die Anschuldigungen seien nicht erwiesen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das "Tanz-Gehabe" des Soldaten von den Belastungszeugen als Hitlergruß missverstanden worden sei. Im sachgleichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft zuvor gemäß § 153 Abs. 1 StPO von einer Verfolgung abgesehen.

5 Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat gegen das Urteil des Truppendienstgerichts uneingeschränkt Berufung eingelegt. Sie hält die Vorwürfe mit Ausnahme des angeschuldigten Ausrufs für erwiesen.

6 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt teilt diese Auffassung, geht aber nur von einem fahrlässigen Handeln des Soldaten aus. Er hält eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von zwölf Monaten für tat- und schuldangemessen.

7 Der Soldat bestreitet die Vorwürfe. Er habe lediglich getanzt und dabei typische Rapp-Bewegungen (Arm hoch/Arm runter) gemacht. Möglicherweise habe er sich in einem Vollrausch befunden.

8 Wegen der Einzelheiten zur Person des Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Hinsichtlich der im Berufungsverfahren eingeführten Unterlagen und Augenscheinsobjekte sowie des Ergebnisses der Zeugenvernehmung durch den Senat wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

II

9 Die Berufung ist zulässig und begründet. Da sie in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung aufgrund eigener Tat- und Schuldfeststellungen über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Dabei erweist sich eine Kürzung der Dienstbezüge des Soldaten um ein Zwanzigstel für die Dauer von zwölf Monaten als angemessen.

10 1. In tatsächlicher Hinsicht steht aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass der Soldat die ihm in Anschuldigungspunkt 2 zur Last gelegte Tat begangen hat. Demgegenüber hält der Senat den Vorwurf 1 nicht für hinreichend sicher erwiesen.

11 a) Zum Anschuldigungspunkt 2 hat der Zeuge Leutnant zur See A. in der Berufungshauptverhandlung in Übereinstimmung mit seiner erstinstanzlichen Aussage bekundet, dass er zur Tatzeit hinter dem ... mit Blick auf den nur wenige Meter entfernten Soldaten stand und sah, wie dieser in Grundstellung ging und mindestens einmal eindeutig den Hitlergruß zeigte.

12 Diese Aussage ist glaubhaft. Der Zeuge gehört nach eigenen Angaben wie der Soldat der Hip-Hop-Szene an und hat sicher ausgeschlossen, dass es sich bei der Geste um eine Tanzbewegung handelte. Dies ist nachvollziehbar, weil zwischen einem förmlichen Erweisen des Hitlergrußes in angespannter Grundstellung und Tanzbewegungen deutliche optische Unterschiede bestehen. Zudem wurde nach den Erläuterungen des Zeugen hinter dem ... nicht getanzt. Die Tanzfläche befand sich vielmehr im ... Ein Abklatschen ("High Five") hat der Zeuge ebenfalls schlüssig unter Verweis darauf ausgeschlossen, dass dem Soldaten im betreffenden Moment niemand gegenüberstand.

13 Der Senat hält den Zeugen auch für glaubwürdig. Er hat authentisch seine Perplexität über den unerwarteten Vorgang auf dem Bundeswehrgelände geschildert, den er zum Anlass nahm, auf den neben dem Soldaten stehenden Zeugen Leutnant B. zuzugehen, um diesen zu bitten, dass der Soldat den Bereich verlässt. Er hat auch kein Belastungsmotiv, weil ihm der Soldat nicht persönlich bekannt ist. Nach eigenen Angaben hatte er am Tattag als Verantwortlicher nur wenig Alkohol getrunken, sodass keine Anhaltspunkte für eine verzerrte Wahrnehmung bestehen. Vor seinen Vernehmungen hat er sich auch nicht mit Kameraden über den Vorfall ausgetauscht, was zu einer Verfremdung seiner Eindrücke hätte führen können.

14 Dass der Zeuge Leutnant zur See A. vorgerichtlich ausgesagt hat, er sei nach dem dritten Mal zum Zeugen Leutnant B. gegangen, während er in der Berufungshauptverhandlung von mindestens einem Hitlergruß sprach, macht seine Aussage nicht widersprüchlich. Die Angabe "mindestens" impliziert, dass der Zeuge weitere Hitlergrüße nicht ausgeschlossen hat. In seinem Gedächtnis eingeprägt hat sich jedenfalls diejenige Geste des Soldaten, die für ihn der Auslöser war, den Zeugen Leutnant B. auf den Soldaten anzusprechen; diese hat er eindeutig und ohne Widerspruch zu früheren Aussagen als Hitlergruß identifiziert. Die fehlende sichere Erinnerung an weitere Hitlergrüße ist dem mehr als vier Jahre langen Zurückliegen der Tat geschuldet und entwertet seine sichere Erinnerung an mindestens einen Hitlergruß nicht.

15 Die Schilderungen des Zeugen Leutnant B. runden dieses Bild ab. Er hat in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, bei einem kurzen Blick hätte man meinen können, der Soldat habe den Hitlergruß gezeigt. Dies steht in Einklang mit seiner insoweit präziseren erstinstanzlichen Aussage, er habe einmal aus dem Augenwinkel eine Bewegung gesehen und gedacht, das sähe komisch aus; der Soldat sei breitbeinig in Grundhaltung gegangen, die Hand sei oben und kurz erstarrt gewesen.

16 Zwar hat der Zeuge Leutnant B. selbst die Geste nicht als Hitlergruß, sondern als Bewegungen zur Musik gewertet. Nach dem Eindruck des Senats ist dies aber eine wohlwollende, den Tatsachen nicht entsprechende Interpretation. Der Zeuge kennt den Soldaten gut. Beide hatten sich auf dem Offizierlehrgang im selben Hörsaal kennengelernt und bildeten über längere Zeit eine Fahrgemeinschaft. Auf den Senat wirkte der im Vergleich zum Soldaten deutlich ältere Zeuge wie ein fürsorglicher väterlicher Freund des Soldaten, der sehr darauf bedacht war, diesem nicht zu schaden. Angesichts der Unverkennbarkeit eines Hitlergrußes in Grundstellung und des Umstands, dass sich die Tanzfläche nicht hinter dem ..., sondern in diesem befand, hält der Senat die Aussage des Zeugen Leutnant zur See A. für überzeugender.

17 Dass weitere Soldaten, die sich zur Tatzeit hinter dem ... aufhielten, den Soldaten dort nicht den Hitlergruß ausführen sahen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Da auf dem Fest Trubel herrschte und hinter dem ... Snacks und Getränke verzehrt und Unterhaltungen geführt wurden, ist davon auszugehen, dass nicht alle Partygäste im selben Moment auf den Soldaten blickten.

18 Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Soldat es zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass er den Hitlergruß ausführte. Er hält es angesichts der typischen Charakteristika eines Hitlergrußes, der politischen Schulungen und Sensibilisierungen von Soldaten für rechtsradikale Vorgänge für ausgeschlossen, dass einem Soldaten, der bei objektiver Betrachtung den Hitlergruß erweist, dieses nicht bewusst ist. Zudem hatte der Soldat nach Aussage des Zeugen Leutnant zur See C. nur kurz zuvor im ... auf der Tanzfläche durch den Versuch eines "Abklatschens" mit ausgestrecktem rechten Arm bei Umstehenden Irritationen ausgelöst; der Zeuge Leutnant zur See C. hatte daraufhin mehrfach den rechten Arm des Soldaten heruntergedrückt und ihn mit hinter das ... genommen. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass dem Soldaten bewusst war, dass seine sodann dort in eingenommener Grundstellung ausgeführte Geste von einem neutralen Betrachter als Hitlergruß aufgefasst werden würde. Gleichwohl hat er davon um des Auslebens seiner Partystimmung willen nicht abgesehen.

19 b) Demgegenüber hat der Senat nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit erlangt, dass der Soldat auch die ihm in Anschuldigungspunkt 1 zur Last gelegten Taten im ... begangen hat.

20 Ein Ausruf des Inhalts "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!" wurde von keinem der gerichtlich vernommenen Zeugen bestätigt. Der Zeuge Leutnant zur See D., der als insoweit einziger Belastungszeuge vorgerichtlich angegeben hatte, der Soldat habe diesen Satz skandiert, hat sich daran weder in der Berufungshauptverhandlung noch in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung erinnern können.

21 Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass der Soldat im ... zur angeschuldigten Tatzeit seinen rechten ausgestreckten Arm zum Hitlergruß erhob. Insoweit fehlt es an hinreichend belastbaren Zeugenaussagen.

22 Zwar hat der Zeuge Leutnant E. in der Berufungshauptverhandlung angegeben, als ... zu später Stunde gesehen zu haben, dass ein Soldat weiter hinten im ... den Arm zum Hitlergruß erhob. Jedoch hat er auch bekundet, dass er dies nur aus einer Entfernung von etwa 20 Metern von dem nicht erhöhten Bühnenbereich aus durch das mit Soldaten gefüllte ... gesehen habe. Seine Beobachtungen seien ganz kurz gewesen, weil er sich auf die Musik habe konzentrieren müssen. Er sei zunächst davon ausgegangen, dass es Bewegungen zur Musik gewesen seien. Zu Beginn der Ermittlungen habe er den Soldaten - anders als in der Berufungshauptverhandlung - auch nicht identifizieren können, er sei sich auch nur zu 85 bis 90 Prozent sicher, dass es der Hitlergruß gewesen sei. Erstinstanzlich hatte er sogar angegeben, sich insoweit nur zu 80 Prozent sicher zu sein. Diese Angaben sind insgesamt zu vage, um den Tatvorwurf zu belegen.

23 Auch den Bekundungen des weiteren Belastungszeugen Leutnant F. kommt kein hinreichender Aussagewert zu. Er hat in der Berufungshauptverhandlung erläutert, dass er vom Bereich hinter dem ... aus den Soldaten im ... einmal bei einer langen Grußbewegung gesehen habe. Zwar habe er nicht gleich gedacht, dass es sich um den Hitlergruß handeln könnte. Da der Arm aber zu lang und zu gerade oben gewesen sei, habe er die Geste schließlich nur für den Hitlergruß halten können. Weiter hat er ausgeführt, nur noch verschwommene Erinnerungen zu haben, und hat sich daher auf seine Aussage vor der Wehrdisziplinaranwaltschaft berufen. Dort hat er indes einen gänzlich anderen Geschehensablauf beschrieben. Seinerzeit gab er an, er habe sich hinter dem ... mit dem Zeugen Leutnant B. und einer Kameradin unterhalten. Während der Unterhaltung sei der Soldat erschienen und habe erfolglos versucht, sich in das Gespräch einzubringen. Er sei daraufhin hin und her gewankt, habe mehrfach seinen rechten Arm erhoben und Worte wie "Deutschland", "deutsch" und "früher war alles besser" von sich gegeben. Er, der Zeuge Leutnant F., habe erst gedacht, es handele sich um eine Gleichgewichtsübung, habe die Geste dann aber als Hitlergruß identifiziert. Der Soldat habe sich sodann zu einer anderen Gruppe hinter dem ... begeben. An ein solches Geschehen konnte sich der Zeuge Leutnant F. wiederum auf Vorhalt in der Berufungshauptverhandlung nicht erinnern. Vielmehr hat er abschließend ausgeführt, er habe hinter dem ... gestanden und zu 100 Prozent eine ausgestreckte Hand gesehen, alles andere sei ihm nicht mehr erinnerlich. Angesichts seiner stark voneinander abweichenden Aussagen und den nur verschwommenen Erinnerungen des Zeugen steht nicht hinreichend sicher fest, was er tatsächlich beobachtet hat.

24 Des Weiteren hat zwar der Zeuge Leutnant zur See D. bekundet, der Soldat habe im ... den Hitlergruß gezeigt und der Arm sei von einem Kameraden mehrfach heruntergedrückt worden. Jedoch hat er angegeben, dass er zuvor drei bis fünf Bier getrunken und die Szene nur ganz kurz gesehen habe, die Armbewegungen des Soldaten synchron zur Musik gewesen seien und er vor seiner erst zwei Tage später erfolgten Meldung lange habe überlegen müssen, ob es ein Hitlergruß gewesen sei; erst nach einem Austausch mit ..., Klassenkameraden und Mitgliedern des Parallelhörsaales habe er den Vorfall schließlich gemeldet. Angesichts dessen kann nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass der Zeuge Leutnant zur See D. den kurzen Moment, in dem er den Soldaten auf der Tanzfläche bei Synchronbewegungen zur Musik wahrnahm, bestärkt durch Gespräche mit anderen irrtümlich als Hitlergruß gedeutet hat. Zudem wird die Aussage des Zeugen Leutnant zur See D. dadurch erheblich entwertet, dass er sich an die von ihm vorgerichtlich noch geschilderte, zeitgleiche Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" durch den Soldaten vor Gericht nicht mehr erinnern konnte. Die fehlende Erinnerung an ein derart zentrales und einprägsames Begleitelement begründet erhebliche Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Eindrücke. Überdies ereignete sich der vom Zeugen Leutnant zur See D. beobachtete Vorfall laut seiner erstinstanzlichen Aussage erst nach 22 Uhr und damit nach dem angeschuldigten Tatzeitraum.

25 Zwar hat der Zeuge Leutnant zur See C. die Beobachtungen des Zeugen Leutnant zur See D. insoweit teilweise bestätigt, als dass er angab, er habe dem Soldaten wiederholt den rechten Arm heruntergedrückt, den dieser im ... erhoben habe, weil der Soldat durch seine Armbewegungen bei Umstehenden erschrockene und erstaunte Gesichter ausgelöst habe. Der Zeuge Leutnant zur See C., der den Soldaten auf dem Fest zuvor längere Zeit begleitet hatte, ist sich aber "ziemlich sicher" gewesen, dass dessen Armbewegungen lediglich Versuche waren, mit Umstehenden "abzuklatschen", weil der Soldat an dem Abend des Öfteren mit anderen "abgeklatscht" habe. Er habe den Arm des Soldaten nur deshalb heruntergedrückt, damit es nicht zu Missverständnissen und Verwechslungen mit dem Hitlergruß komme. Diese Erläuterungen sprechen zwar dafür, dass der Soldat dem Hitlergruß ähnliche Gesten ausgeführt hat. Da sich der Vorfall aber auf der Tanzfläche ereignete und dem Soldaten in dem Moment andere Soldaten gegenüberstanden, kann nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass es sich entsprechend der Deutung des Zeugen Leutnant zur See C. in Wirklichkeit um "Abklatsch-Versuche" des Soldaten handelte. Angesichts der teilweisen Übereinstimmungen der Aussagen der Zeugen Leutnant zur See D. und Leutnant zur See C. ist zudem davon auszugehen, dass beide denselben Vorfall beobachtet haben, der sich aber - wie ausgeführt - dem Zeugen Leutnant zur See D. zufolge erst nach dem angeschuldigten Tatzeitraum ereignete.

26 Alle weiteren Zeugen haben den Vorwurf 1 ebenfalls nicht bestätigt.

27 2. Der Soldat hat durch das einmalige Zeigen des Hitlergrußes hinter dem ... nach § 23 Abs. 1 SG ein Dienstvergehen begangen.

28 a) Er hat vorsätzlich seine Pflicht nach § 8 Alt. 2 SG verletzt, durch sein gesamtes Verhalten für die Einhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten. Diese Verpflichtung geht weiter als die Pflicht zur Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gemäß § 8 Alt. 1 SG. Sie wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Wer - wie der Soldat - auf einer Feier in einer Bundeswehrliegenschaft den Hitlergruß ausführt, verherrlicht aus Sicht eines neutralen Betrachters die Gewalt- und Willkürherrschaft des Nazi-Regimes, begründet objektiv den Anschein, er stehe nicht mehr hinter dem Staat des Grundgesetzes, und verletzt damit die Pflicht, sich von derartigen Bestrebungen zu distanzieren (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4 S. 23 f. <Rn. 4>, vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 54 und vom 23. März 2017 - 2 WD 16.16 - juris Rn. 66 f., jeweils zum Ausführen des Hitlergrußes in der Öffentlichkeit).

29 b) Damit einhergeht eine vorsätzliche Verletzung der innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, weil der Soldat insoweit nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden ist, die sein Dienst als Soldat erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4 S. 24 <Rn. 6>).

30 c) Ob der Soldat durch sein Verhalten zudem gegen seine Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG verstoßen hat, bedarf keiner Entscheidung, weil damit jedenfalls kein die Schwere der Dienstpflichtverletzung erhöhender Umstand gegeben wäre.

31 d) Aus demselben Grund kann offenbleiben, ob der Soldat, der zur Tatzeit als Oberfähnrich eine Vorgesetztenstellung innehatte, mit dem Zeigen des Hitlergrußes, welches eine Meinungsäußerung darstellt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. März 2006 - 1 BvR 204/03 - NJW 2006, 3052 Rn. 13 f.), zugleich gegen seine Pflicht zur Zurückhaltung nach § 10 Abs. 6 SG verstoßen hat.

32 e) Nicht hingegen hat der Soldat auch seine politische Treuepflicht nach § 8 Alt. 1 SG verletzt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes nicht anerkennt. In seiner Sonderbeurteilung vom 16. Januar 2020 wurde vielmehr hervorgehoben, dass er sich mit den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und dem Auftrag der Bundeswehr voll und ganz identifiziere. Einem Schreiben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) vom 19. Januar 2010 zufolge wurden bei einer erweiterten Sicherheitsprüfung des Soldaten keine Sicherheitsrisiken festgestellt. Laut einem weiteren Schreiben des MAD vom 8. Januar 2017 ergaben Ermittlungen, dass sich der Soldat nicht an extremistischen Bestrebungen gegen den Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums beteiligte und derartige Bestrebungen auch nicht unterstützt hat. Der Leumundszeuge Oberstleutnant G. hat den Soldaten in der Berufungshauptverhandlung als sehr integer und korrekt beschrieben. Auch denjenigen Sachzeugen, die den Soldaten persönlich kennen, ist dieser nie in rechtsextremer Hinsicht aufgefallen.

33 3. Bei Art und Maß der für das Dienstvergehen zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde:

34 a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.

35 Erweist ein Soldat den "Hitlergruß", ohne dass damit eine entsprechende Gesinnung einhergeht, hält der Senat regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung für geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - NZWehrr 2021, 20 LS 2 und Rn. 46 m.w.N.). Denn ein derartiges Verhalten vermittelt den Eindruck einer hohen Identifikation mit dem Nationalsozialismus und erscheint Außenstehenden gegenüber als Ausdruck der Verehrung des Führers des nationalsozialistischen Unrechtsregimes. In strafrechtlicher Hinsicht errichtet § 86a StGB insoweit als abstraktes Gefährdungsdelikt ein kommunikatives "Tabu" und verbannt entsprechende Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08 - NJW 2009, 2805 Rn. 13). In disziplinarischer Hinsicht ist es entsprechend verwerflich, ohne verfassungsfeindliche Gesinnung nationalsozialistische Kennzeichen in Bundeswehrliegenschaften zu verwenden. Derartige Kennzeichen sollen nicht nur im öffentlichen Bereich insgesamt, sondern auch innerhalb der Bundeswehr grundsätzlich verbannt werden.

36 b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe angesetzten Regelmaßnahme gebieten. Liegt angesichts der be- und entlastenden Umstände kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlichen Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Situation zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht hinsichtlich des Disziplinarmaßes einen Spielraum eröffnet. Danach ist hier wegen des Vorliegens gewichtiger Milderungsgründe ein Übergang von der Regelmaßnahme der Dienstgradherabsetzung (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 WDO) um zwei Maßnahmearten zur Kürzung der Dienstbezüge (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 WDO) geboten.

37 aa) Zum einen hat sich der Soldat nachbewährt, was eine Herabsetzung um eine Maßnahmeart gebietet. Eine Nachbewährung setzt in fachlicher Hinsicht eine deutliche Leistungssteigerung oder die Beibehaltung eines hohen Leistungsniveaus voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2019 - 2 WD 18.18 - Buchholz 450.2 § 63 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 31 m.w.N.). Darüber hinaus muss sich der Soldat während des Verfahrens in jeder Hinsicht ohne Anlass zu Beanstandungen durch seine Vorgesetzten führen (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - juris Rn. 48). Beide Voraussetzungen liegen vor. Nach der Sonderbeurteilung vom 16. Januar 2020 hat sich der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung durch den Soldaten, der in der letzten planmäßigen Beurteilung vom 19. März 2015 mit 7,00 angegeben wurde, auf 8,22 gesteigert. Nach Aussage des Leumundszeugen Oberstleutnant G. in der Berufungshauptverhandlung hat sich der Soldat einwandfrei geführt.

38 bb) Die Herabsetzung um eine weitere Maßnahmeart ist geboten, weil der Soldat bereits erhebliche Nachteile im beruflichen Fortkommen durch ein mehrjähriges faktisches Beförderungsverbot erlitten hat. Ein solches liegt vor, wenn eine konkret anstehende Beförderung durch das Disziplinarverfahren verhindert wurde. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn die Aushändigung einer bereits erstellten Beförderungsurkunde aktenkundig wegen des Disziplinarverfahrens unterbleibt, sondern auch dann, wenn nach Bestehen einer beruflichen Prüfung regelmäßig eine Beförderung erfolgt und diese im konkreten Fall allein wegen des Disziplinarverfahrens entfällt. Denn dies kommt der Wirkung nach einer Degradierung im Verhältnis zu gleichaltrigen Kameraden derselben Ausbildungs- und Verwendungsreihe nahe und hat damit erhebliche pflichtenmahnende Wirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 34 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Der Soldat hat während des Disziplinarverfahrens alle Prüfungen für den Aufstieg zum Offizier des militärfachlichen Dienstes bestanden und wäre den Angaben des Leumundszeugen Oberstleutnant G. zufolge ohne das Disziplinarverfahren bereits 2017 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten zum Leutnant ernannt worden.

39 cc) Die danach gebotene Kürzung der Dienstbezüge besteht nach § 59 Satz 1 WDO in der bruchteilmäßigen Verminderung der jeweiligen Dienstbezüge um mindestens ein Zwanzigstel und höchstens ein Fünftel für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Der Senat hält im Fall des Soldaten an sich eine Kürzung der Dienstbezüge im mittelbaren Bereich für angemessen.

40 (1) Zwar fällt erschwerend ins Gewicht, dass der Soldat zur Tatzeit als Oberfähnrich eine Vorgesetztenstellung innehatte (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Nach § 10 SG war er damit zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet. Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 - 2 WD 20.19 - juris Rn. 40 m.w.N.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass es der Soldat innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 2018 - 2 WD 3.18 - BVerwGE 163, 16 Rn. 62 m.w.N.). Auch hatte das Dienstvergehen - allerdings vergleichsweise überschaubare - nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn. Denn es hat zu Unruhe unter den Kameraden geführt.

41 (2) Jedoch ist erheblich mildernd zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Dienstvergehen um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten handelt. Davon ist auszugehen, wenn der Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand beging, in dem er die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht bedacht hat, wozu ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit gehört (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2013 - 2 WD 36.12 - juris Rn. 50). Dies ist hier anzunehmen. Bei dem weder strafrechtlich noch disziplinar vorbelasteten Soldaten, der sich ansonsten - wie ausgeführt - tadellos geführt und dienstlich bewährt hat, ist es in erster Linie aufgrund alkoholbedingter Enthemmung zu fortgeschrittener Stunde zu einer unüberlegten Provokationshandlung gekommen, die nach dem Eindruck, den der Senat in der Berufungshauptverhandlung vom Soldaten gewonnen hat, und den Beschreibungen seiner Person durch diejenigen Zeugen, die ihn persönlich kennen, seinem eigentlichen Wesen nicht entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 - 2 WD 16.16 - juris Rn. 86).

42 (3) Weitere mildernde Umstände liegen indes nicht vor. Insbesondere ist nicht in weitergehendem Umfang mildernd zu berücksichtigen, dass der Soldat vor der Tat viel Alkohol zu sich nahm. Denn ein Soldat ist grundsätzlich für die Art und den Umfang seines Alkoholkonsums selbst verantwortlich und hat ihn einzustellen, bevor es zu einer alkoholbedingten Enthemmung kommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 2 WDB 5.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 42 m.w.N.).

43 Der Senat geht davon aus, dass sich der Soldat infolge seines Alkoholkonsums im Tatzeitpunkt allenfalls in einem Zustand der verminderten Schuldfähigkeit, nicht der Schuldunfähigkeit befand. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2 ‰ in Betracht zu ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2015 - 2 StR 146/15 - NJW 2015, 3525 Rn. 5 m.w.N.). Ab einer BAK von 3 ‰ liegt eine Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB nahe (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1996 - 2 StR 391/96 - BGHSt 42, 294 Rn. 15). Mangels Blutprobe ist die BAK des Soldaten zum Tatzeitpunkt unbekannt. Sie kann auch nicht anhand der sog. Widmark-Formel (dazu BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 - 2 StR 229/20 - juris Rn. 21 m.w.N.) verlässlich geschätzt werden, weil die Einlassungen des Soldaten keine auch nur ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung seines Alkoholkonsums ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2010 - 5 StR 135/10 - NStZ-RR 2010, 257 Rn. 13). Er hat sich zwar daran erinnert, während der sich über den ganzen Tattag erstreckenden Willkommensveranstaltung "kleine Klopfer", Bier und Wodka Red Bull getrunken zu haben. Er konnte aber nicht einschätzen, wieviel er getrunken hat.

44 Die Beurteilung einer Einschränkung seiner Schuldfähigkeit richtet sich daher nach psychodiagnostischen Kriterien (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 20 Rn. 15 m.w.N.). Nach eigenen Angaben war der Soldat "gut betrunken", hatte Probleme beim Laufen und am Folgetag noch erhebliche Nachwirkungen. Auch hat der Soldat Erinnerungslücken. Unmittelbar nach der Tat war er allerdings noch in der Lage, auf Ansprache angemessen zu reagieren und von seiner Stube aus mit seiner Freundin zu telefonieren. In dem in der Berufungshauptverhandlung vorgespielten Videomitschnitt der abendlichen Feier sehen die Bewegungen des Soldaten koordiniert und kontrolliert aus. Allerdings haben die Zeugen teilweise Ausfallerscheinungen beim Soldaten beobachtet. Dem Zeugen Leutnant zur See D. zufolge torkelte der Soldat an dem Abend und rempelte andere an. Der Zeuge Leutnant F. hat ausgesagt, der Soldat habe keine geraden Vor- und Rückwärtsbewegungen mehr machen können. Der Zeuge Leutnant zur See A. hat bekundet, der Soldat habe geschwankt und Probleme mit dem Gleichgewicht gehabt. Der Zeuge Oberleutnant H. hat den Soldaten als "sehr alkoholisiert" bezeichnet, aber keine auffälligen Verhaltensweisen erkennen können. Der Zeuge Leutnant zur See C. hat ausgesagt, der Soldat sei am Abend stark betrunken gewesen, habe aber wiederholt mit anderen Soldaten "abgeklatscht". Nach den Angaben des Zeugen Leutnant B. war der Soldat sehr stark alkoholisiert, aber in der Lage, Bewegungen zur Musik zu machen. Die genannten Ausfallerscheinungen und das noch vorhandene Handlungsvermögen des Soldaten, der nach eigenen Angaben allgemein keine Alkoholprobleme hat, lassen zwar auf eine starke Alkoholisierung, nicht aber auf einen Alkoholisierungsgrad von mehr als 2 ‰ zum Tatzeitpunkt schließen.

45 Zwar kann das Wehrdienstgericht eine danach allenfalls in Betracht kommende alkoholbedingte verminderte Schuldfähigkeit entsprechend § 21 StGB mildernd berücksichtigen. Dies kommt aber regelmäßig nur in Betracht, wenn ein Soldat aufgrund einer Alkoholabhängigkeit seinen Alkoholkonsum nur eingeschränkt steuern kann und daher für eine dadurch verursachte Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht voll verantwortlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 2 WD 21.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 65 Rn. 35 m.w.N.). Der Soldat war jedoch nicht alkoholabhängig.

46 dd) Zusätzlich muss in Fällen, in denen eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme geboten ist, eine gegen Art. 6 EMRK und Art. 19 Abs. 4, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßende Überlänge des Verfahrens aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2020 - 2 WD 18.19 - juris Rn. 75 m.w.N.). Hier weist das Verfahren unter Berücksichtigung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umstände eine Überlänge von insgesamt etwa einem Jahr und drei Monaten auf. Das etwa zwei Jahre und zweieinhalb Monate lange erstinstanzliche Verfahren war um etwa ein Jahr und zwei Monate überlang. Zwar war eine Beweisaufnahme erforderlich. Jedoch handelte es sich um vergleichsweise übersichtliche Tatvorwürfe, deren rechtliche Beurteilung nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden war. Daher wäre zu erwarten gewesen, dass das Urteil binnen eines guten Jahres ergeht. Aus entsprechenden Gründen war das etwa 13 Monate lange Berufungsverfahren um etwa einen Monat überlang.

47 Die Überlänge des Verfahrens wird hier dadurch berücksichtigt, dass die Dauer und die Höhe der Bezügekürzung weiter reduziert wird. Insgesamt hält der Senat eine im unteren Bereich der nach § 59 Satz 1 WDO möglichen Dauer angesetzte Bezügekürzung von zwölf Monaten um ein Zwanzigstel für angemessen.

48 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 1, § 139 Abs. 1 Satz 2, § 140 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 WDO.