Beschluss vom 20.03.2017 -
BVerwG 2 WD 16.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200317B2WD16.16.0
Leitsatz:
Zur Ablehnung von Richtern, wenn die Besorgnis ihrer Befangenheit aus der Mitwirkung an einer Verfügung hergeleitet wird, mit der die Ladung einer Zeugin zur Berufungshauptverhandlung abgelehnt wurde.
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Rechtsquellen
WDO § 91 Abs. 1 Satz 1 StPO § 24, § 244 Abs. 5 -
Instanzenzug
TDG Nord 4. Kammer - 26.07.2016 - AZ: TDG N 4 VL 44/14
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 20.03.2017 - 2 WD 16.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:200317B2WD16.16.0]
Beschluss
BVerwG 2 WD 16.16
- TDG Nord 4. Kammer - 26.07.2016 - AZ: TDG N 4 VL 44/14
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
am 20. März 2017 beschlossen:
Das gegen die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. A, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. B und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. C gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Gegen den Soldaten wurden mit Urteil des Truppendienstgerichts Nord - N 4 VL 44/14 - vom 26. Juli 2016 wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 48 Monaten verhängt und seine Dienstbezüge für die Dauer von 30 Monaten um ein Zehntel gekürzt. Hiergegen hat der Soldat mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 26. September 2016 Berufung eingelegt.
2 Mit Verfügung vom 16. Dezember 2016 hat die Vorsitzende des 2. Wehrdienstsenats Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 23. März 2017 anberaumt und hierzu die Ladung mehrerer Zeugen, darunter des Obermaats K., angeordnet.
3 Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 22. Dezember 2016 beantragte der Soldat, zu seiner Entlastung auch die bisher nicht geladene Ehefrau des deutschen Botschafters im X. als Zeugin zu laden, weil diese ausweislich von Blatt 54 der Akten den der Anschuldigung zugrundeliegenden Vorfall beobachtet habe.
4 Mit Schreiben vom 9. Januar 2017 teilte der Erste Offizier der Fregatte ... dem Gericht mit, dass sich die Fregatte ..., auf der der Zeuge Obermaat K. Dienst leiste, seit 12. Dezember 2016 bis voraussichtlich 13. April 2017 im Rahmen einer NATO-Operation in See befinde, weshalb ein Erscheinen des Zeugen zur Berufungshauptverhandlung nur sehr aufwändig realisierbar und mit operativen Einschränkungen für das Schiff verbunden sei. Es werde daher gebeten, auf das Erscheinen des Zeugen zum Termin zu verzichten.
5
Mit Verfügung und gleichlautenden Schreiben vom 10. Januar 2017 an den Bundeswehrdisziplinaranwalt und die Verteidiger des Soldaten teilte die Berichterstatterin daraufhin (u.a.) Folgendes mit:
"Der Senat hält eine persönliche Anhörung des Zeugen K. für geboten und beabsichtigt, dem Ersten Offizier daher mitzuteilen, dass trotz des hohen Aufwandes und der ggf. dadurch entstehenden Prozesskosten ein Erscheinen des Zeugen zum Termin zu gewährleisten ist. Sie haben bis zum 18. Januar 2017 Gelegenheit, Einwände hiergegen vorzubringen.
Zugleich weise ich darauf hin, dass nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO, § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO eine Ladung der Ehefrau des - soweit hier bekannt auch aktuell - amtierenden deutschen Botschafters im X., I. R., zum Termin zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sein dürfte. Bei der Entscheidung über einen Beweisantrag, mit dem die Vernehmung eines im Ausland zu ladenden Zeugen beantragt wird, ist das Gericht vom Verbot der Beweisantizipation befreit (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 - 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60 ff.).
Bei den Akten befindet sich eine von R. verfasste und dem Kommandanten der Fregatte ... am 20. Mai 2013 per e-mail übersandte Wiedergabe der Beobachtungen seiner Ehefrau. Hiernach hat R. weder bekundet, das Zeigen des 'Hitlergrußes' gesehen, noch die dem Soldaten unter Punkt 2 b der Anschuldigungsschrift vorgeworfene Äußerung gehört zu haben. Allerdings war sie ausweislich dieser Stellungnahme auch zeitweise beim Schwimmen und im Hotelrestaurant, also nicht den gesamten von der Anschuldigungsschrift erfassten Zeitraum in der Nähe des Soldaten. Daher dürften ihre zu erwartenden Bekundungen weder die Vorwürfe bestätigen, noch einen Beweiswert haben, der die Glaubhaftigkeit der Bekundungen von Zeugen erschüttern könnte, die ggf. die Vorwürfe aus eigener Wahrnehmung in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft bestätigen werden.
Auch hierzu erhalten Sie binnen der genannten Frist Gelegenheit zur Stellungnahme."
6 Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2017 erklärten die Verteidiger des Soldaten, sie bestünden darauf, dass die Ehefrau des deutschen Botschafters als Zeugin zum Termin geladen werde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass deren Ladung entbehrlich sei, gleichzeitig aber der ebenfalls ortsabwesende Zeuge Obermaat K. mit einem weit höheren Kostenaufwand zurück ins Bundesgebiet verbracht werde. Die Aussagen der Ehefrau des deutschen Botschafters seien, auch wenn sie zeitweise abwesend gewesen sein sollte, wozu sie persönlich noch keine Ausführungen gemacht habe, unerlässlich, um den Beweiswert der Aussagen des bisherigen Hauptbelastungszeugen zu erschüttern oder zu widerlegen. Der Senat werde gebeten, bis zum 25. Januar 2017 zu bestätigen, dass die Ehefrau des deutschen Botschafters zum Termin geladen werde.
7 Mit Verfügung vom 3. Februar 2017 ordnete die Berichterstatterin des 2. Wehrdienstsenats die Übersendung eines Schreibens des Bundeswehrdisziplinaranwalts vom 1. Februar 2017 an die Verteidiger des Soldaten mit dem Zusatz an, dass, wenn Einsicht in das (in dem Schreiben des Bundeswehrdisziplinaranwalts erwähnte) Heft 4 der Marinedienstvorschrift 160/1 gewünscht werde, um Mitteilung bis zum 10. Februar 2016 (richtig: 2017) gebeten werde.
8 Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 15. Februar 2017 lehnte der Soldat den Senat als befangen ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Senat keine Kosten scheue, den Obermaat K. von der im Rahmen einer NATO-Operation in See befindlichen Fregatte ... aus einfliegen zu lassen, das Einfliegen der Ehefrau des deutschen Botschafters im X. jedoch ablehne. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Senat meine, sich unter Abstützung auf den Bundesgerichtshof vom Verbot der Beweisantizipation befreien zu können, und es gleichzeitig für unerlässlich halte, einen ebenfalls im Ausland stehenden Soldaten mit weitaus höherem Kostenaufwand nach Deutschland heimfliegen zu lassen. Hierdurch werde eindeutig und unwiderlegbar der Eindruck der Befangenheit erweckt. Er, der Berufungsführer, befürchte, dass ihn nur noch ein Verfahren erwarte, dessen Ergebnis bereits feststehe. Der Eindruck der Befangenheit werde auch durch die kurzen Fristen für die Rückäußerungen der Verteidigung erweckt. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum der Senat mit Verfügung vom 3. Februar 2017, zugegangen am 6. Februar 2017, eine Frist zum 10. Februar 2017 setze und warum die Verteidiger binnen vier Arbeitstagen dem Senat eine Rückantwort zu erteilen hätten. Die Fristsetzung erscheine willkürlich und nur zur Demonstration der Macht des Senats angeordnet. Alle genannten Ereignisse erzeugten den Eindruck der vollständigen Befangenheit insbesondere der Berichterstatterin. Diese werde wie der gesamte Senat abgelehnt, da eine Trennung zwischen den Verfügungen der Berichterstatterin und dem Rest des Senats aus Sicht der Verteidigung nicht mehr möglich sei.
9 Die drei berufsrichterlichen Mitglieder des 2. Wehrdienstsenats haben unter dem 28. Februar, 1. März und 2. März 2017 dienstliche Äußerungen zu dem Befangenheitsantrag abgegeben. Die Verteidiger des Soldaten haben sich hierzu mit Schriftsatz vom 14. März 2017, per Fax eingegangen bei Gericht am 17. März 2017, geäußert. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
10 Wegen aller Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen. Dem Senat haben bei der Beratung die Gerichtsakten beider Instanzen samt Beiakten vorgelegen.
II
11 Über das Ablehnungsgesuch entscheidet der Senat in der sich aus der Vertretungsregelung des Geschäftsverteilungsplans des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsjahr 2017, Abschnitt C II. Satz 2 (Vertretung der Vorsitzenden) und Abschnitt C III. Nr. 1 und 4 (Vertretung der Beisitzenden) ergebenden Besetzung (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 1 und 2 StPO).
12 Die Ablehnung der drei regelmäßigen berufsrichterlichen Mitglieder des 2. Wehrdienstsenats wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet, weil kein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen deren Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 24 Abs. 1 und 2 StPO).
13 1. Das Ablehnungsgesuch vom 15. Februar 2017 ist unter Berücksichtigung seiner Begründung zulässig.
14 Ungenügend ist allerdings die einleitende Antragstellung, wonach "der Senat" als befangen abgelehnt wird. Denn abgelehnt werden können nur einzelne Richter oder einzelne Mitglieder eines Gerichts, nicht ein Kollegialgericht als Ganzes (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 24 Rn. 3 m.w.N.). Als einzelne Richterin bezeichnet hat der Soldat in der Begründung des Gesuchs nur die für das Verfahren zuständige Berichterstatterin Dr. C. Zulässig ist es jedoch, alle Richter abzulehnen, die an einer bestimmten Entscheidung mitgewirkt haben (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1969 - 5 StR 468/69 - BGHSt 23, 200 <202> und Beschluss vom 10. Juli 2014 - 3 StR 262/14 - NStZ 2014, 725); Entsprechendes gilt bei der Mitwirkung an prozessleitenden Verfügungen, wie hier der Ladung von Zeugen zur Hauptverhandlung.
15 Der Soldat beanstandet vor allem die Verfügung vom 10. Januar 2017, die nach ihrem Wortlaut ("Der Senat hält ...") und der dienstlichen Äußerung der Berichterstatterin auf einer Zwischenberatung der Berufsrichter beruht. Insofern kann zugunsten des Soldaten die in der Begründung des Gesuchs enthaltene Formulierung, dass "eine Trennung zwischen den Verfügungen der Berichterstatterin und dem Rest des Senates aus Sicht der Verteidigung nicht mehr möglich" sei, als hinreichend individualisierter Ablehnungsantrag auch gegen die Senatsvorsitzende Dr. A und den Mitberichterstatter Prof. Dr. B verstanden werden.
16 Das Ablehnungsgesuch erstreckt sich dagegen ersichtlich nicht auf ehrenamtliche Richter, die nur innerhalb der Hauptverhandlung mitwirken (§ 80 Abs. 3 Satz 1 WDO) und an den hier inmitten stehenden Verfügungen und deren Vorbereitung nicht beteiligt waren.
17 2. Das Ablehnungsgesuch ist jedoch unbegründet.
18 Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. Scheuten, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 24 Rn. 3a mit Nachweisen zur stRspr). Eine den Verfahrensgegenstand berührende Vortätigkeit des Richters ist dabei, soweit sie der Gesetzgeber nicht zum Ausschließungsgrund erhoben hat, regelmäßig kein Ablehnungsgrund, soweit nicht besondere Umstände hinzukommen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. Scheuten, a.a.O., § 24 Rn. 8 mit Nachweisen zur stRspr). Insbesondere rechtfertigen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mitwirkung des Richters an Zwischenentscheidungen in dem anhängigen Verfahren und die dabei geäußerten Rechtsmeinungen in der Regel nicht die Annahme der Befangenheit (vgl. auch zum Folgenden, BGH, Beschluss vom 10. September 2002 - 1 StR 169/02 - BGHSt 48, 4 <8>). Selbst Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen oder sogar unhaltbaren Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass sachliche und rechtliche Fehler für sich nicht geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit eines Richters zu begründen. Allerdings gilt dieser Maßstab dann nicht, wenn dessen Entscheidungen abwegig sind oder sogar den Anschein der Willkür erwecken.
19 Nach diesen Maßstäben ergibt sich aus der Ladung von Obermaat K. als Zeugen einerseits und der Nichtladung der Ehefrau des deutschen Botschafters im X. als Zeugin andererseits keine Besorgnis der Befangenheit der beteiligten Richter.
20 Aus der Ladung von Obermaat K. (als solcher) folgt schon deshalb kein Ablehnungsgrund, weil die Verteidigung selbst nicht geltend gemacht hat, dass dessen persönliche Anhörung in der Hauptverhandlung entbehrlich sei. Sie hat vielmehr dessen Ladung in dem Ablehnungsgesuch allein zu dem Zweck aufgegriffen, um die Kosten, die mit der Anreise dieses geladenen Zeugen von der (sich im Rahmen einer NATO-Operation in der ... befindenden) Fregatte ... anfallen, den Kosten, die mit einer Anreise der nicht geladenen Ehefrau des deutschen Botschafters im X. verbunden wären, gegenüberzustellen und (unter anderem) hieraus den Eindruck der Befangenheit herzuleiten.
21 Was die Ehefrau des deutschen Botschafters im X. betrifft, so wurde diese jedoch nicht wegen der möglichen Kosten ihrer Anreise, sondern - wie sich eindeutig aus der Verfügung vom 10. Januar 2017 ergibt - auf der Grundlage von § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht als Zeugin geladen. Nach dieser Vorschrift kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn die Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Die Verfügung vom 10. Januar 2017 legt demgemäß - unter Bezugnahme auf das in dem Ladungsantrag vom 22. Dezember 2016 angeführte Schreiben des deutschen Botschafters im X. (Bl. 54 der Gerichtsakte) und die dort wiedergegebenen Beobachtungen und Aussagen seiner Ehefrau - die Gründe dar, aus denen der Senat die Vernehmung der Ehefrau des deutschen Botschafters im Sinne des § 244 Abs. 5 StPO für nicht erforderlich zur Erforschung der Wahrheit hält. Zusammenfassend heißt es dazu, dass "ihre zu erwartenden Bekundungen weder die Vorwürfe bestätigen, noch einen Beweiswert haben, der die Glaubhaftigkeit der Bekundungen von Zeugen erschüttern könnte, die ggf. die Vorwürfe aus eigener Wahrnehmung in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft bestätigen werden".
22 Der Antrag vom 22. Dezember 2016, die Ehefrau des deutschen Botschafters im X. als Zeugin zur Hauptverhandlung zu laden, wurde damit nach den Vorschriften des maßgeblichen Prozessrechts in einer Weise behandelt, die - im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - nicht abwegig ist oder den Anschein der Willkür erweckt. Ein berechtigter Anlass, an der Unvoreingenommenheit der beteiligten Richter zu zweifeln, könnte deshalb nur dann bestehen, wenn besondere Umstände hinzukämen, die die Besorgnis der Befangenheit begründeten.
23 Solche besonderen Umstände liegen jedoch nicht vor. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass sich die von dem Soldaten abgelehnten Richter mit der Darlegung der Gründe für die Nichtladung der Ehefrau des deutschen Botschafters für die Hauptverhandlung festgelegt hätten und den Berufungsführer, wie er geltend macht, nur noch ein Verfahren erwarte, dessen Ergebnis bereits feststehe.
24 Zum einen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die in der Verfügung vom 10. Januar 2017 hingewiesen wurde, das Gericht bei der Entscheidung über einen Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO, anders als bei der Bescheidung sonstiger Beweisanträge gemäß § 244 Abs. 3 StPO, vom Verbot der Beweisantizipation befreit; es darf also seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 - 1 StR 745/93 - BGHSt 40, 60 <62>). Gehört die Bewertung der bisherigen Beweislage und die Würdigung der zu erwartenden Ergebnisse einer weiteren Beweisaufnahme aber zum gesetzlichen Tatbestand, so kann die richterliche Anwendung dieses Tatbestands nicht die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründen (ebenso Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 24 Rn. 14; Temming, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2012, § 24 Rn. 18).
25 Zum anderen stellen die in der Verfügung vom 10. Januar 2017 mitgeteilten rechtlichen Erwägungen, wie sich aus deren konjunktivischer oder hypothetischer Formulierung ergibt, ersichtlich eine vorläufige Einschätzung dar, die die Vorgehensweise des Gerichts bei der Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung erläutert. Welche Ergebnisse die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung tatsächlich hervorbringen wird und wie diese dann zu würdigen sein werden, ist damit nicht vorgezeichnet. Ebensowenig ist vorbestimmt, wie im Lichte der Ergebnisse dieser Beweisaufnahme über einen ggf. in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag, die Ehefrau des deutschen Botschafters im X. als Zeugin zu vernehmen, zu entscheiden sein wird, was im Falle der Ablehnung dann eines Gerichtsbeschlusses bedarf (§ 244 Abs. 6 StPO).
26 Ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. C zu rechtfertigen, folgt schließlich nicht aus deren Verfügung vom 3. Februar 2017, mit der sie die Verteidiger des Soldaten um Mitteilung bis zum 10. Februar 2016 (richtig und von der Verteidigung auch so verstanden: 2017) bat, wenn Einsicht in das von der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft vorgelegte Heft 4 der Marinedienstvorschrift 160/1 gewünscht werde. Auch wenn diese Verfügung erst am 6. Februar 2017 (vormittags) zugegangen ist, ist nicht erkennbar, warum - wie die Verteidiger geltend machen - es willkürlich sei und eine unzulässige Ausübung von Druck darstelle, wenn im Zuge der Vorbereitung einer in rund eineinhalb Monaten anstehenden Berufungshauptverhandlung innerhalb von fünf Werktagen eine Antwort auf eine einfache Frage erbeten wird, zumal bejahendenfalls mit einer weiteren Frist Einsicht in die Marinedienstvorschrift zu gewähren wäre. Sofern der Beantwortung der Frage für das Gericht nicht erkennbare Hindernisse entgegengestanden haben sollten, hätten diese, was im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen ist, ohne Weiteres mit einem Antrag auf Fristverlängerung vorgebracht werden können.
27 3. Der in dem Schriftsatz der Verteidiger des Soldaten vom 14. März 2017 gestellte weitere Antrag, den für den 23. März 2017 angesetzten Termin der Berufungshauptverhandlung zu verlegen und die Entscheidung dem 1. Wehrdienstsenat zu übertragen, ist nicht Gegenstand dieses Beschlusses.
Urteil vom 23.03.2017 -
BVerwG 2 WD 16.16ECLI:DE:BVerwG:2017:230317U2WD16.16.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 23.03.2017 - 2 WD 16.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:230317U2WD16.16.0]
Urteil
BVerwG 2 WD 16.16
- TDG Nord 4. Kammer - 26.07.2016 - AZ: TDG N 4 VL 44/14
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 23. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Fregattenkapitän Oxenfart und
ehrenamtlicher Richter Obermaat Theuer,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Hauptsekretärin ...,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
- Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 26. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens und die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Soldaten auferlegt.
Gründe
I
1 ...
2 ...
3 ...
4 ...
5 ...
6 ...
7 ...
II
8 1. Das Verfahren ist mit Verfügung des Inspekteurs der Marine vom 19. Mai 2014, dem Soldaten ausgehändigt am 26. Mai 2014, eingeleitet worden. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte der Soldat am 1. Juli 2013 widersprochen. Vor der Einleitung hatte der Verteidiger des Soldaten Akteneinsicht erhalten und er war unter Hinweis auf die beabsichtigte Einleitung um Mitteilung gebeten worden, ob sein Mandant sich zur Sache nicht oder ausschließlich über ihn äußern werde. Unter dem 15. Juli 2013 hatte der Verteidiger eine Stellungnahme angekündigt. Nachdem diese nicht erfolgte, schrieb die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Verteidiger unter dem 4. Mai 2014, dass man davon ausgehe, eine Stellungnahme werde nicht gewünscht. Andernfalls werde um kurzfristige Äußerung gebeten. Darauf erfolgte keine Reaktion.
9
Nach Gewährung des Schlussgehörs am 14. Oktober 2014 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 22. Oktober 2014, zugestellt am 31. Oktober 2014, folgenden Sachverhalt als vorsätzliches, in Anschuldigungspunkt 2 c zumindest fahrlässiges Dienstvergehen zur Last gelegt:
"1. Der Soldat konsumierte am 11. Mai 2013 in ... zu einem nicht mehr konkret ermittelbaren Zeitpunkt nach 11:30 Uhr und vor 13:30 Uhr Ortszeit das von ihm und mit Wissen von Obermaat K. von Bord der Fregatte ... mitgebrachte Flaschenbier der Sorte 'Salitos' im Poolbereich des Hotels ..., obgleich der Erste Offizier, der Zeuge Fregattenkapitän W., bei der in Anwesenheit des Soldaten erfolgten Einlaufmusterung vom ... auf das dem Soldaten bekannte Verbot nach MDv 160/1, Ziffer 4131, wonach in Auslandshäfen keine alkoholischen Getränke an Land mitzunehmen sind, hinwies.
2. Nach dem Genuss von Alkohol hat der Soldat am ... im Poolbereich des Hotels '...' in ... zu einem nicht mehr konkret ermittelbaren Zeitpunkt zwischen 11:30 Uhr und 14:00 Uhr Ortszeit
a. zumindest einmal gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Obermaat K. den 'Hitlergruß' gegenüber dem Zeugen Obermaat L. ausgeführt,
b. in Zusammenhang mit seiner Essensbestellung das Hotelpersonal zum Teil in Richtung der Zeugen Obermaat L. und Stabsgefreiten J. und H. mehrfach als 'Neger' bzw. 'Nigger' bezeichnet und
c. aus ca. drei Metern Entfernung eine der von Bord mitgebrachten gläsernen 'Salitos'-Flaschen den in den Pool springenden Obermaat K. und dem Zeugen Obermaat E. hinterher geworfen. Den Bruch der Flasche, das Verteilen der Scherben am Poolrand und im Pool und das sich daraus ergebende Verletzungsrisiko für Dritte, das sich in der stark blutenden Fußverletzung des Zeugen E. realisierte, nahm der Soldat dabei hin, zumindest hätte er beides erkennen können und müssen."
10 2. Die 4. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 26. Juli 2016 gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 48 Monaten verbunden mit einer Bezügekürzung um 1/10 für die Dauer von 30 Monaten verhängt.
11
Die Kammer hat Folgendes festgestellt: Nach der Einlaufmusterung im Hafen von ... sei auch der Soldat auf das Verbot aus der Marinedienstvorschrift 160/1, in Auslandshäfen alkoholische Getränke von Bord an Land mitzunehmen, hingewiesen worden. Als er am ... zivil gekleidet die Fregatte ... verlassen habe, um mit Kameraden einen freien Tag an einem Hotelpool zu verbringen, hätten sie mit seinem Wissen einen Bundeswehrrucksack mit einigen Flaschen eines Bier-Tequila-Gemisches mitgenommen und im Hotel gegen 11.30 Uhr konsumiert, obwohl dort der Konsum mitgebrachter Getränke gänzlich und der Konsum von Alkohol vor 12.00 Uhr nicht gestattet gewesen sei.
Zwischen 11.30 Uhr und 14.00 Uhr habe der Soldat während dieses Landganges auf einer Sonnenliege am Hotelpool für Dritte sichtbar seinen rechten Arm mit ausgestreckter Hand zum Hitlergruß erhoben, was vom Zeugen H. beobachtet worden sei. Das Bestreiten des Soldaten sei durch die glaubhafte Aussage des Zeugen H. widerlegt, den die Kammer wegen der Bedeutung seiner Aussage vereidigt habe. Auch der Zeuge L. habe die Ausführung eines Hitlergrußes bestätigt, sich aber nicht mehr an den Ausführenden erinnert.
12 Der Soldat habe nach einer Pizzabestellung am Pool den auf dem Weg zum Hotelrestaurant befindlichen Zeugen J. und L. zugerufen: "Frag' mal den Nigger, wann unsere Pizza fertig ist". Das Wort "Nigger" habe der Zeuge J. deutlich gehört. Der Zeuge L. habe das Wort "Neger" gehört. Die Kammer gehe davon aus, dass diese Wahrnehmung der lautmalerischen Nähe zum Wort "Nigger" geschuldet sei und stelle den Soldaten von dem Vorwurf des mehrmaligen Verwendens der Worte "Neger" bzw. "Nigger" frei. Von dem Vorwurf, eine Glasflasche hinter dem Zeugen E. hergeworfen zu haben, werde der Soldat ebenfalls freigestellt. Die Beweisaufnahme habe keinen gezielten Wurf ergeben.
13 Die Mitnahme alkoholischer Getränke von Bord entgegen einem Befehl habe die Gehorsamspflicht (§ 11 Satz 1 SG) und die Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Das Ausführen des Hitlergrußes verletze die Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG), zum Anerkennen der und Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (§ 8 SG), die Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) und die Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG). Die Bezeichnung eines farbigen Hotelangestellten als "Nigger" verletze die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 SG. Der Soldat habe damit vorsätzlich ein Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 SG) begangen und als Vorgesetzter ein schlechtes Beispiel gegeben (§ 10 Abs. 1 SG).
14 Das Dienstvergehen, dessen Schwerpunkt das Ausführen des Hitlergrußes bilde, habe erhebliches Gewicht. Der Soldat habe gravierend gegen die Pflicht zum treuen Dienen und die politische Treuepflicht verstoßen. Die Verwendung der Grußform des nationalsozialistischen Unrechtssystems erwecke den Eindruck, der Soldat würde ein Regime verehren, das die Menschenwürde mit Füßen getreten und eine totalitäre Gewaltherrschaft errichtet habe. Zudem habe er dem Bestreben der Bundesrepublik entgegen gewirkt, die auf ihr aufgrund der nationalsozialistischen Verbrechen noch lastende Hypothek abzutragen. Das Entbieten des Hitlergrußes untergrabe den dienstlichen Zusammenhalt, störe den Dienstbetrieb und beeinträchtige damit die Einsatzbereitschaft der Truppe. Die Bezeichnung farbiger Hotelbediensteter als "Nigger" stelle auch im Gebrauch gegenüber Kameraden ein hochgradig beleidigendes Schimpfwort dar. Die Verwendung des Hitlergrußes und die Titulierung farbigen Hotelpersonals als "Nigger" seien geeignet, das Ansehen der Bundeswehr und die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten ernsthaft zu beeinträchtigen. Die Gehorsamspflicht gehöre zu den zentralen soldatischen Pflichten. Die Wohlverhaltenspflicht habe funktionalen Bezug zur Erfüllung der Aufgaben der Bundeswehr und sei keine bloße Nebenpflicht. Das Maß der Schuld sei von vorsätzlichem Handeln geprägt. Der Soldat habe zum Tatzeitpunkt den herausgehobenen Dienstgrad eines Obermaaten bekleidet und entgegen § 10 Abs. 1 SG ein schlechtes Beispiel gegeben. Zu seinen Lasten falle ins Gewicht, dass er von seiner Funktion abgelöst und nach Deutschland zurückgeführt worden sei. Erschwerend wirke das Handeln während eines Auslandseinsatzes. Die selbstverschuldete Trunkenheit mindere die Schuld nicht. Für den Soldaten sprächen seine ordentlichen dienstlichen Leistungen und seine Unbescholtenheit. Zudem sei er kein von nationalsozialistischem Gedankengut durchdrungener "Überzeugungstäter". Das längste mögliche Beförderungsverbot sei insgesamt tat- und schuldangemessen, müsse zur nachhaltigen Pflichtenmahnung und aus generalpräventiven Gründen aber mit einer spürbaren Bezügekürzung verbunden werden.
15 3. Gegen das ihm am 19. September 2016 zugestellte Urteil hat der Soldat am 26. September 2016 Berufung eingelegt. Er will eine Teilfreistellung von den Vorwürfen nach den Anschuldigungspunkten 2 a und b erreichen.
16 Das Urteil sei falsch und die rechtliche Würdigung sei fehlerhaft. Der Zeuge Oberstabsgefreiter H. habe zum Anschuldigungspunkt 2 a nicht schlüssig ausgeführt und ein Motiv für eine Falschaussage gehabt. Seine Vereidigung habe im alleinigen Interesse der Kammer gestanden. Die Verhandlung sei zulasten des Soldaten einseitig geführt worden. Ein nicht vereidigter Zeuge, der sich nicht habe erinnern können, sei in einschüchternder Form befragt worden. Dies sei auch in der laufenden Verhandlung beanstandet worden. Die Würdigung der Aussage des Zeugen H. sei fehlerhaft. Es sei auffällig, dass dieser sich nicht erinnert habe, wie er in das Hotel und wieder zurück an Bord gelangt sei, den Hitlergruß des Berufungsführers aber gesehen haben wolle. Die Masse der Zeugen habe den Tatvorwurf der wesentlichen Anschuldigungspunkte nicht bestätigen können. Das Urteil sei auch im Disziplinarmaß überzogen. Die Feststellungen des Truppendienstgerichts begründeten für den Soldaten, der sich in einer Ausbildung zum Beamten auf Widerruf befinde, einen unerträglichen Makel. Die Stadt ... werde ihn nicht als Beamten auf Probe einstellen, wenn der Vorwurf nicht ausgeräumt werden könne. Auch zu Anschuldigungspunkt 2 b sei die Beweiswürdigung fehlerhaft. Der Gebrauch des Wortes "Neger oder Nigger" sei nicht nachgewiesen. Die Auswirkung dieses Verstoßes auf das Disziplinarmaß sei unklar. Die Beweiswürdigung sei floskelhaft und verwerte die Aussage eines angeblichen Zeugen, der gar nicht gehört worden sei. Die Verurteilung in den Anschuldigungspunkten 2 a und b sei aufzuheben. Die für den Berufungsführer unerträgliche Behauptung einer Nähe zum Nationalsozialismus belaste ihn massiv in seinen Rechten.
17 Schriftsätzlich hat der Verteidiger im Berufungsverfahren beantragt, zur Entlastung des Soldaten die Ehefrau des deutschen Botschafters zu laden, weil diese sich ausweislich Blatt 54 der Akten in der Nähe des Soldaten aufgehalten habe und deshalb eine wertvolle Zeugin sei.
III
18 1. Die Abwesenheit des Soldaten und seines Verteidigers in der Berufungshauptverhandlung steht deren Durchführung sowie der Entscheidung des Senats in der Sache nicht entgegen.
19 a) Gemäß § 124 WDO findet außer in den Fällen des § 104 Abs. 1 WDO die Berufungshauptverhandlung auch dann ohne den Soldaten statt, wenn dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Der Soldat ist mit Ladung vom 16. Dezember 2016, ihm am 2. Januar 2017 ausgehändigt, zum Termin der Berufungshauptverhandlung geladen worden. Diese Ladung enthielt den Hinweis, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.
20 Der Soldat hat weder selbst noch durch seinen Verteidiger mitgeteilt, dass er auf die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung wert legt, noch hat er - sei es auch nur sinngemäß - selbst oder durch seinen Verteidiger einen mit seiner Erkrankung begründeten Verlegungs-, Aussetzungs- oder Vertagungsantrag gestellt, obwohl er nach eigenen Angaben seit dem Vortag des Termins erkrankt ist, also ohne weiteres die Möglichkeit bestanden hätte, am 22. März 2017, an dem seine Verteidiger am späten Nachmittag noch dem Senat mehrere Schriftsätze übersandt hatten, auch diesen Antrag für ihn stellen zu lassen.
21 Der Soldat hat um 7.11 Uhr des Terminstages die Geschäftsstelle des Senats telefonisch über seine Erkrankung seit dem Vortag des Termins und die Absicht, am Terminstag einen Arzt aufzusuchen, informiert. Er ist daraufhin umgehend telefonisch aufgefordert worden, durch amtsärztliches Attest eine Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit nachzuweisen. Ein solcher Nachweis ist bis zur Verkündung des Urteils am 23. März 2017 um 16.33 Uhr nicht vorgelegt worden. Stattdessen hat vor 8.30 Uhr des Terminstages der Truppenarzt, bei dem sich der Soldat am selben Tage vorgestellt hatte, unter Hinweis auf die Entbindung von der Schweigepflicht durch den Soldaten die Vorsitzende telefonisch darüber informiert, dass er den Soldaten für zwei Tage krankgeschrieben habe, weil er zwar keine speziellen Feststellungen habe treffen, die vom Soldaten vorgebrachten Symptome aber auch nicht habe widerlegen können. Er habe den Soldaten darauf hingewiesen, dass eine "kzH"- Bescheinigung zur Vorlage bei Gericht nicht geeignet sei. Die Sache habe für ihn einen "negativen Beigeschmack". Eine Bescheinigung werde dem Senat im Laufe des Vormittages übermittelt werden. Dies ist nicht geschehen. Eine einfache Krankschreibung ist für sich genommen nicht geeignet, die Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit nachzuweisen.
22 Der Soldat hat somit zu einem Zeitpunkt eine Erkrankung angezeigt und den zuständigen Truppenarzt in ... aufgesucht, zu dem er - wäre eine Terminsteilnahme beabsichtigt gewesen - bereits in Leipzig hätte sein müssen. War er - wie er der Geschäftsstelle des Senats gegenüber angegeben hat - bereits am Vortag des Termins erkrankt, hätte sich ihm - bei Absicht einer Terminsteilnahme - die Notwendigkeit aufdrängen müssen, sich unverzüglich um einen Nachweis eines Verhinderungsgrundes zu bemühen und sofort einen Arzt zur Abklärung und zum Nachweis der angegebenen Symptome aufzusuchen. Dies ist nicht geschehen.
23 Da der Soldat keinen Vertagungsantrag gestellt hat noch hat stellen lassen, obwohl er wusste, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann, konnte die Berufungshauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt werden. Da er zudem seinen prozessualen Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt hat, ist seine Nichtteilnahme am Termin auch nicht entschuldigt.
24 b) Das Nichterscheinen des Verteidigers zur Berufungshauptverhandlung steht deren Durchführung ebenfalls nicht entgegen.
25 Der Wahlverteidiger Rechtsanwalt Sch. hat mit Schriftsatz vom 22. März 2017 mitteilen lassen, er sei "seit dem heutigen Tage erkrankt" und werde der Verhandlung "auf jeden Fall" fernbleiben. Es könne "aufgrund der im ... Raum grassierenden Grippe" auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Verteidiger Dr. Wi., der bereits ebenfalls unter "Grippebeschwerden" leide, ausfallen werde.
26 Eine notwendige Verteidigung nach § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO liegt nicht vor, weil im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) die Verhängung der Höchstmaßnahme ausgeschlossen ist, die Sache weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweist, denen ohne juristischen Sachverstand nicht angemessen begegnet werden kann und es keine in der Person des Soldaten liegende Umstände gibt, die ihm die Wahrnehmung seiner Rechte unzumutbar erschweren (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 WD 6.14 - Buchholz 450.2 § 90 WDO 2002 Rn. 23 ff.). Damit gibt nach § 91 Abs. 1 WDO in Verbindung mit § 228 Abs. 2 StPO die Verhinderung des Verteidigers dem Soldaten grundsätzlich kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. Hier ist ein solches Verlangen weder sinngemäß geäußert noch begründet worden.
27 Zwar kann sich nach § 90 Abs. 1 Satz 1 WDO ein Soldat in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Dem Rechtsstaatsgebot lässt sich jedoch kein Anspruch entnehmen, dass das Gericht unter allen Umständen mit der Verhandlung innehalten muss, wenn der vom Soldaten gewählte Anwalt verhindert ist. Es kann nicht allein in die Hand des Verteidigers gegeben sein, unter Hinweis auf andere Aufgaben oder persönliche Gründe eine Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung herbeizuführen. Von Rechtsstaats wegen haben auch die Durchführbarkeit des Verfahrens sowie seine Beschleunigung Gewicht. Diese Ziele sind mit dem Interesse des beschuldigten Soldaten am Beistand des von ihm gewählten Verteidigers zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 1983 - 2 BvR 1724/82 - juris Rn. 5).
28 Im Lichte dieser Anforderungen hat der Senat unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, namentlich der Bedeutung der Sache, der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, der Lage des Verfahrens bei Eintritt des Verhinderungsfalles, dem Anlass, der Voraussehbarkeit und der voraussichtlichen Dauer der Verhinderung sowie der Fähigkeit des beschuldigten Soldaten, sich selbst zu verteidigen (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 1983 - 2 BvR 1724/82 - juris Rn. 6) auch ohne einen entsprechenden Antrag von Amts wegen eine Vertagung geprüft, jedoch beschlossen, dem Beschleunigungsgrundsatz des § 17 Abs. 1 WDO Vorrang vor dem Interesse des Soldaten an der Teilnahme seines Wahlverteidigers an der Berufungshauptverhandlung zu geben.
29
Maßgeblich hierfür sind die folgenden Erwägungen:
Ein mit der Verhinderung des Verteidigers begründeter Verlegungs- oder Vertagungsantrag ist nicht gestellt worden. Dies ist auch dann nicht geschehen, als der Verteidigung per Fax am 22. März 2017 um 17.51 Uhr mitgeteilt worden war, der Termin werde stattfinden und sie darüber informiert wurde, dass ein per Fax um 15.47 Uhr am Vortag des Termins gestelltes und im Kern mit der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages durch die Vorsitzende begründetes, gegen den gesamten Senat gerichtetes zweites Befangenheitsgesuch als unzulässig verworfen worden war.
30
Die Vorwürfe betreffen einfach gelagerte Sachverhalte und werfen keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, die in der Rechtsprechung des Senats nicht bereits geklärt wären. Die Berufungsbegründung wirft solche Fragen auch nicht auf. Der Soldat hat daher auch die Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen, ist aber nicht genügend entschuldigt der Verhandlung ferngeblieben.
Das Verfahren betrifft einen fast vier Jahre zurückliegenden Sachverhalt. Die Berufungsbegründung macht dessen Aufklärung durch Zeugenbeweis erforderlich. Die Erinnerung eines Zeugen wird mit längerem Zeitablauf schwächer, so dass sich die Aufklärungsmöglichkeiten durch längeren Zeitablauf weiter verschlechtern würden, wenn eine Vertagung erfolgte. Die Berufungshauptverhandlung ist durch Ladung von sieben, aus ..., ..., ..., ..., ... und von einer Fregatte in der Ägäis aus anreisenden Zeugen mit hohem Aufwand vorbereitet worden. Die Mehrzahl der Zeugen sind aktive Soldaten der Marine. Diese werden nicht durchgängig im Inland eingesetzt, so dass jeder neue Termin mit dem Risiko einer Verhinderung notwendiger Zeugen und damit weiteren Verzögerungen einer Entscheidung einschließlich der damit verbundenen Verschlechterung der Aufklärungsmöglichkeiten behaftet wäre.
Der Verteidiger hat zwar vage eine Erkrankung behauptet, aber schon diese nicht durch eine ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht. Nach seinem Schreiben ist unklar, ob ihm durch einen Mediziner eine echte Influenza diagnostiziert worden ist oder ob er nur an einzelnen Beschwerden leidet, die er als - soweit dem Senat bekannt - medizinischer Laie als Symptome eines grippalen Infektes wertet. Er nimmt für sich in Anspruch, ein erfahrener Verteidiger in Disziplinarsachen zu sein. Dann weiß er aber auch, dass nicht jede Erkältungserkrankung zu einer Arbeitsunfähigkeit eines Rechtsanwaltes führt und diesem die Wahrnehmung eines Termins unzumutbar macht. Ihm muss auch bekannt sein, dass für die kurzfristige Aufhebung eines mit hohem Aufwand vorbereiteten Termins in erster Linie ein entsprechender - hier gerade nicht gestellter - Antrag und zu dessen Begründung eine substantiierte Darlegung des Verhinderungsgrundes sowie eine Glaubhaftmachung desselben benötigt wird. Dem ist zu keiner Zeit Rechnung getragen worden. Ein zweiter Wahlverteidiger hat per Fax vom 22. März 2017, 16.12 Uhr, kurz vor dem Termin und damit zur Unzeit sowie ohne Nachweis der Beendigung der Mandatsbeziehung im Verhältnis zum Soldaten die Niederlegung des Mandats angezeigt. Dies geschah weniger als eine halbe Stunde, nachdem er das genannte Befangenheitsgesuch zeichnend auch für den angeblich erkrankten Kollegen gestellt, auf dessen Erkrankung hingewiesen und eine eigene Erkrankung für den Folgetag in Aussicht gestellt hatte. Der Senat würdigt dieses Vorgehen der Verteidigung als Ausdruck der Absicht, die auf prozessual ordnungsgemäßem Wege erfolglos beantragte Terminsverlegung nunmehr ohne Antrag durch die Schaffung von Fakten zu erzwingen und den Prozess zu verschleppen. Der Senat ist wegen dieser Umstände davon überzeugt, dass anwaltliche Terminsvertretung möglich gewesen wäre.
In der Gesamtbetrachtung überwiegen mithin die für eine Durchführung des Termins sprechenden Aspekte.
31 2. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
32 Zwar will die Berufungsbegründung allein eine Teilfreistellung von den Anschuldigungspunkten 2 a und b erreichen. Wegen des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens (§ 18 Abs. 2 WDO) ist eine Beschränkung der Berufung auf einzelne Anschuldigungspunkte nicht möglich (vgl. Dau, 6. Aufl. 2013, WDO, § 116 Rn. 16 m.w.N.), sodass die Berufung als unbeschränkte zu behandeln ist. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
33 a) Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung folgender Sachverhalt fest:
34 aa) Anlässlich der Einlaufmusterung in den Hafen von ... am ... wies der 1. Offizier der Fregatte ..., der Zeuge W., in Anwesenheit auch des Soldaten darauf hin, dass die Mitnahme alkoholischer Getränke von Bord an Land verboten ist. Damit hatte er zum wiederholten Male auf das Verbot aus der MDv 160/1 Ziffer 4131 hingewiesen. In Kenntnis dieses Verbotes nahm der Soldat für einen Landgang am ... wissentlich und willentlich mindestens drei Flaschen eines Bier-Mix-Getränkes ("Salitos") in einem Bundeswehrrucksack mit sich. Am Pool des Hotels "..." in ... öffnete er vor 12.00 Uhr eine der Flaschen und trank daraus, obwohl in dem Hotel, wie dem Soldaten bekannt war, der Konsum mitgebrachter Lebensmittel und der Alkoholkonsum vor 12.00 Uhr nicht erlaubt waren.
35 Dies steht zur Überzeugung des Senats zum einen auf der Grundlage der insoweit geständigen Einlassungen des Soldaten fest, die dieser vor dem Truppendienstgericht abgelegt hatte. Seine in dem Protokoll der Hauptverhandlung der Vorinstanz festgehaltene Aussage wurde nach § 106 Abs. 2 Satz 3 WDO durch Verlesen eingeführt. Verlesen wurden auch die das Teilgeständnis bestätigenden Ausführungen des Schriftsatzes seines Verteidigers vom 9. Januar 2017 (vgl. Dau, 6. Aufl. 2013, WDO, § 106 Rn. 11).
36 Bestätigt wird die Richtigkeit seines Geständnisses durch die Aussagen der Zeugen W. und Mü.. Die Aussage des Zeugen Obermaat Mü. vom 18. Mai 2013 in der Vernehmung durch Fregattenkapitän Ku. wurde nach § 106 Abs. 2 Satz 3 und 4 WDO durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführt. Dieser Zeuge hatte bestätigt, dass der Soldat während der Einlaufmusterung anwesend gewesen war und dass der Erste Offizier in dieser das Verbot, Alkohol von Bord mitzunehmen, unterstrichen hatte. Dass er dieses Verbot besonders betont hatte, hat auch der Zeuge W. selbst in der Berufungshauptverhandlung überzeugend ausgeführt. Hinzu kommt, dass der Zeuge E. in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft erläutert hatte, der Soldat hätte anlässlich des in Rede stehenden Landganges in seinem Bundeswehrrucksack einige Flaschen des Biermixgetränkes "Salitos" mitgenommen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Soldat das in Rede stehende Verbot kannte und ihm bewusst durch die Mitnahme von Alkohol von Bord an Land zuwider handelte.
37
Die Ziffer 4131 der MDv 160/1 hatte im Tatzeitpunkt auszugsweise folgenden, in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Wortlaut:
"(...)
(2) Alkohol
(...)
In Auslandshäfen ist die Mitnahme alkoholischer Getränke an Land verboten."
38
Vor dem Inhaltsverzeichnis des Heftes 4 - Innendienst - der MDv 160/1 Bestimmungen für den Dienst an Bord heißt es unter dem Datum "Glücksburg, 29.05.2008":
"Flottenkommando - Befehlshaber der Flotte
Ich genehmige im Auftrag des Inspekteurs der Marine die Marinedienstvorschrift MDv 160/1 VS-NfD Bestimmungen für den Dienst an Bord, Heft 4 Innendienst,
Stricker, Vizeadmiral"
39 bb) Zur Überzeugung des Senats steht weiter fest, dass der Soldat wissentlich und willentlich zu einem nicht mehr genauer bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 11.30 Uhr und 14.00 Uhr Ortszeit auf einer Liege am Rand des Pools des Hotels "..." in ... die rechte Hand zu einem sog. "Hitlergruß" erhob.
40 Der Soldat hat diesen Vorwurf bestritten. Sein Bestreiten ist aber durch das Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung widerlegt.
41
Die Überzeugung des Senats stützt sich maßgeblich auf die Aussage des Zeugen H.. Dieser hat in der Berufungshauptverhandlung beschrieben, dass der Soldat und der Zeuge K. auf Liegen am Pool liegend den rechten Arm gehoben und einen "Hitlergruß" gezeigt hätten. Beide hätten gleichzeitig in die gleiche Richtung gegrüßt. Der Zeuge sei in seiner Sicht nicht behindert gewesen und sich der Beobachtung des "Hitlergrußes", gezeigt auch durch den Obermaat ...., sicher.
Der Zeuge ist wie schon in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht wegen der Bedeutung seiner Aussage vereidigt worden, was seiner Aussage wegen der hohen Sanktionsdrohung für einen Meineid hohes Gewicht verleiht. Der Zeuge hat den von ihm beobachteten Vorfall detailliert, farbig und in sich stimmig beschrieben. Seine Aussage in der Berufungshauptverhandlung entspricht seiner Aussage vor dem Truppendienstgericht und seinen Angaben in den vorangegangenen Vernehmungen, ist also in allen Verfahrensstadien im Kern gleich geblieben. Der Zeuge hat keinen Belastungseifer gegenüber dem Soldaten gezeigt, vielmehr deutlich gemacht, dass er nicht alle dem Soldaten vorgeworfenen Verhaltensweisen diesem zuordnet. Dass der Zeuge mithin differenziert ausgesagt hat, spricht dafür, dass er bemüht war, nur seine tatsächlichen Erinnerungen wahrheitsgemäß wiederzugeben. Er hat unter Hinweis auf seinen niedrigeren Dienstgrad schon vor dem Truppendienstgericht plausibel erläutert, warum er nicht eingeschritten ist. Der Senat bewertet seine Aussage daher als glaubhaft. Ein durchgreifendes Indiz gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage liegt auch nicht darin, dass der Zeuge Erinnerungslücken in Randbereichen des Geschehens hat. Dies ist nachvollziehbar dem Zeitablauf geschuldet. Ein Motiv für eine bewusste Falschaussage ist nicht ersichtlich. Der Zeuge hat in allen Verfahrensstadien deutlich gemacht, dass ihm die Anwesenheit der alkoholisierten Obermaate ..., K. und E. nicht angenehm war, äußerte aber keine Feindschaft ihnen gegenüber. Es ist nachvollziehbar und kein plausibles Motiv für eine Falschaussage, dass der Zeuge den Wunsch gehabt hat, in seiner Freizeit einem Kameraden auszuweichen, dessen Verhalten ihm unangenehm und peinlich war und zu dem er privat keine nähere Beziehung hatte. In der Berufungshauptverhandlung hat er plausibel erläutert, dass er den Soldaten privat nicht kennt und dass es nur wenig dienstliche Kontakte und keinen Streit in dienstlichen oder privaten Angelegenheiten mit diesem gegeben hatte. Etwas Abweichendes hatte der Soldat zu keinem Zeitpunkt vorgetragen. Es liegt fern, dass der Zeuge den Soldaten - zumal durch einen Meineid - falsch belasten könnte, weil ihm - wie er offen geschildert hat - von einem der Obermaate eine in Plexiglas eingeschweißte Getränkekarte entgegen geworfen worden war. Ein Motiv für eine Falschaussage zu Lasten des Soldaten sieht der Senat auch dann nicht, wenn der Soldat über dem Zeugen eine Mütze oder ein Handtuch ausgewrungen haben sollte, woran sich der Zeuge nicht einmal erinnern konnte. Es gibt keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen.
42 Hinzu kommt, dass die Aussage des Zeugen H. durch die Aussage des Zeugen L. gestützt wird, der sich jedenfalls an Teile des vom Zeugen H. berichteten Geschehens erinnern konnte und damit bestätigt hat, dass der Zeuge H. das von ihm beschriebene Geschehnis nicht erfunden hat. Der Zeuge L. hat in der Berufungshauptverhandlung zunächst ausgeführt, dass seiner Erinnerung nach an dem fraglichen Tag der Hitlergruß gezeigt worden war. Er hatte zunächst angegeben, dass dies durch den Zeugen K. erfolgt sei. Was der Soldat getan habe, wisse er nicht mehr. Auf Vorhalt seiner Aussage in der Vernehmung vom 12. Mai 2013, nach der auch der Soldat den Hitlergruß gezeigt habe, hatte er nur erläutert, wenn er das damals so gesagt habe, dann sei das so gewesen. Dieser Zeuge war in der Berufungshauptverhandlung erkennbar bemüht, sich das damalige Geschehen in Erinnerung zurückzurufen und nur seine tatsächlichen Erinnerungen wiederzugeben. Er hat in seiner Aussage in der Berufungshauptverhandlung deutlich gemacht, an welche Wahrnehmungen er sich noch erinnern konnte und wo seine Erinnerung durch den Zeitablauf auch nach Vorhalten lückenhaft war. Ein Grund für eine Falschbelastung des Soldaten ist nicht ersichtlich. Der Zeuge hat keinen Belastungseifer gezeigt. Insbesondere hat er auf Nachfrage ausgeführt, bei keiner anderen Gelegenheit rechtsextreme Gesten oder rassistische Äußerungen des Soldaten wahrgenommen zu haben. Der Senat hat daher keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben und der Glaubwürdigkeit des Zeugen.
43
Die Überzeugung des Senates wird nicht durch die Aussagen der Zeugen K. und E. erschüttert.
Der Zeuge E. hat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, er habe einen "Hitlergruß" nicht wahrgenommen. Auf Vorhalt seiner anderslautenden Aussagen in der Vernehmung vom 13. Mai 2013 hat er erläutert, er habe bereits damals eine Entfernung dieser Aussagen aus dem Protokoll erbeten, was ihm verweigert worden sei. Er habe sich von dem Vernehmenden unter Druck gesetzt und nicht korrekt belehrt gesehen. Er habe damals entsprechende Angaben zwar gemacht, aber eigene Wahrnehmung und Hörensagen vermischt. Es kann dahinstehen, ob diese Aussage des Zeugen E. glaubhaft ist. Selbst wenn er die fraglichen Gesten tatsächlich nicht wahrgenommen haben sollte, ist damit nicht bewiesen, dass sie nicht gezeigt wurden. Es handele sich um ein kurzes, nicht von lauten Geräuschen begleitetes Geschehen, das ohne weiteres der Aufmerksamkeit auch einer in der Nähe befindlichen Person entgehen konnte. Es ist nicht nur theoretisch möglich, vielmehr nach der Lebenserfahrung naheliegend, dass Personen, die sich - wie der Zeuge E. - zur Erholung auf dem Hotelgelände aufhalten, ihre Aufmerksamkeit nicht ununterbrochen auf einzelne Personen richten, vielmehr zeitweise auf ihre eigenen Aktivitäten und zeitweise auch auf andere Personen fokussiert sind. Dass weitere Zeugen die glaubhaften Angaben eines, ein angeschuldigtes Geschehen detailliert beschreibenden Zeugen - wie hier der Zeuge H. - nicht bestätigen können, beweist daher nicht, dass der fragliche Zeuge lügt oder sich irrt. Dies gilt umso mehr, als hier noch nicht einmal feststellbar ist, zu welchem genauen Zeitpunkt innerhalb des angeschuldigten Zeitraumes die fragliche Geste ausgeführt worden ist, so dass auch nicht feststellbar ist, ob der die Geste nicht wahrnehmende Zeuge sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt in räumlicher Nähe des Geschehens befand. Die fehlende Wahrnehmung des Zeugen E. erschüttert daher die auf der Grundlage der glaubhaften Aussage des Zeugen H. gewonnene Überzeugung des Senats nicht.
44 Der Zeuge K. hat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, einen "Hitlergruß" hätte an dem fraglichen Tag keiner gezeigt. Er selbst habe sicher keinen "Hitlergruß" ausgeführt. Dies habe er zwar in dem gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahren eingeräumt und einen Disziplinargerichtsbescheid deswegen hingenommen. Dies sei aber nur erfolgt, um seine Weiterverpflichtung zu erreichen. Er habe auch nie gesehen, dass der Soldat einen "Hitlergruß" ausgeführt habe, wenn er zu ihm hingesehen habe. Der Senat hält diese Aussage für unglaubhaft. Der Zeuge K. hat sich bereits zu seinem eigenen Verhalten wechselnd eingelassen und selbst angeführt, dass er seine Aussagen in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren von taktischen Erwägungen zu dem für seine Interessen Nützlichen abhängig macht. Bereits damit erschüttert er seine Glaubwürdigkeit schwer. Es ist zudem nicht plausibel, dass der Zeuge geglaubt haben will, einer weiteren Karriere bei der Bundeswehr stünde eine Disziplinarmaßnahme wegen der Verletzung der politischen Treuepflicht nicht entgegen. Seine Aussage ist von Selbstschutzinteresse geprägt. Der Zeuge hat ausgeführt, den Soldaten seit der Schulzeit zu kennen und mit ihm zumindest zeitweise auch enge Kontakte gepflegt zu haben. Er hat nach eigenen Angaben bis unmittelbar vor dem Termin der Berufungshauptverhandlung auch über verfahrensbezogene Fragen mit dem Soldaten kommuniziert. Der Senat ist daher überzeugt, dass der Inhalt seiner Aussage von dem Wunsch beeinflusst ist, einem Kameraden beizustehen und einem Freund aus Schultagen zu helfen. Auffällig ist und gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen spricht auch, dass dieser Zeuge - zudem noch ohne entsprechende Nachfrage - in der Berufungshauptverhandlung genaue, teilweise minutengenaue Angaben zum Ablauf des Geschehens machte, was er bei seinen vorangegangenen Vernehmungen und in der Verhandlung vor dem Truppendienstgericht nicht getan hatte. Da Erinnerungen von Zeugen nach längerer Zeit typischerweise weniger genau und detailliert werden, liegt hierin ein Indiz dafür, dass der Zeuge nicht seine tatsächliche Erinnerung wieder gegeben hat, sondern ein ihm für seine Zwecke zielführend erscheinendes Konstrukt. Seiner Aussage kommt daher keine entlastende Wirkung zu.
45
Der Senat ist davon überzeugt, dass die vom Soldaten als mögliche Zeugin benannte Frau R., die Ehefrau des deutschen Botschafters im ..., den "Hitlergruß" nicht wahrgenommen hat.
Der Zeuge W. hat in der Berufungshauptverhandlung detailliert und daher glaubhaft beschrieben, dass die Ermittlungen auch gegen den Soldaten durch ein Telefonat des deutschen Botschafters im ... mit dem Kommandanten der Fregatte ... angestoßen worden waren. Der Botschafter habe dem Kommandanten mitgeteilt, dass sich Soldaten der Fregatte im Hotel "..." in ... "daneben benommen" hätten. Daraufhin habe ihn der Kommandant angerufen und der Zeuge habe seinen eigenen Landgang abgebrochen, um die Ermittlungen aufzunehmen. Die betroffenen Soldaten seien noch am Abend identifiziert worden. Erst im Laufe der Vernehmungen sei herausgekommen, dass auch das Zeigen des "Hitlergrußes" und rassistische Äußerungen in Rede gestanden hätten. Daraufhin seien weitere Vernehmungen erfolgt und detailliert protokolliert worden.
Bereits diese Ausführungen bestätigen, dass Frau R. die fragliche Geste nicht gesehen hat, denn es gibt keinen Hinweis darauf, dass der deutsche Botschafter dies dem Kommandanten gegenüber angeführt hat. Bestätigt wird dies durch die vom Verteidiger des Soldaten in seiner Beweisanregung im Schriftsatz vom 22. Dezember 2016 in Bezug genommenen und in der Berufungshauptverhandlung einschließlich der Anlage verlesenen E-Mail des deutschen Botschafters an den Kommandanten der ... und an Fregattenkapitän Ku.. In der Anlage zu dieser E-Mail heißt es:
"Meine Frau R. nahm am Samstag, 11.05. kurz nach 11.00 Uhr einen Liegestuhl am Pool des ... Hotels ein. Ich ging mit unserer Tochter zum Tennisplatz.
Meine Frau hält ihre Beobachtung wie folgt fest:
Ein Liegestuhl unter dem nächsten Schirm war mit einem jungen Mann besetzt. Zwei weitere gesellten sich dazu, einen Rucksack tragend, der klirrte. Das Gespräch der drei jungen Männer drehte sich um den bevorstehenden Alkoholkonsum 'aus eigener Quelle'. Gleich danach öffneten sie Flaschen, die wie 0,33 Flaschen mit sehr hellem Bier aussahen. Eine Bedienung des Hotels kam daraufhin auf die drei zu, und monierte auf Englisch: Flaschen seien am Pool verboten, mitgebrachte ohnehin. Alkohol dürfe vor 12.00 Uhr mittags nicht ausgeschenkt werden. Die Unterhaltung wurde etwas lauter, da es im Englischen zu Verständigungsproblemen kam. Schließlich wurden Cocktails bestellt, die auch nach 12.00 Uhr serviert wurden. Aus den mitgebrachten Glasflaschen tranken die 3 Männer jedoch weiter.
Als ich vom Tennisplatz zurückkam, erzählte mir meine Frau von den Vorkommnissen. Da wir von der Anwesenheit der Fregatte '...' in ... und vom 'Freigang' wussten und auch noch weitere junge deutschsprechende Männer in der Pool - und Restaurantebene anwesend waren, schlossen wir auf 'Landgänger der ...'.
In der Annahme, dass die Ermahnung des Hotelpersonals wirken würde, unterließen wir eine direkte Einmischung, gingen schwimmen und gegen 12.45 Uhr zum Essen. (...)."
46 Der Senat ist überzeugt, dass der deutsche Botschafter, der bereits eine laut geführte Kontroverse alkoholisierter Soldaten mit Hotelpersonal zum Anlass einer Information des Vorgesetzten der Soldaten genommen hatte, Beobachtungen zu einem "Hitlergruß" oder rassistische Äußerungen unmissverständlich in den Mittelpunkt seiner Rüge gestellt hätte, hätten er oder seine Ehefrau dem Ansehen Deutschlands im Ausland derart abträgliche Verhaltensweisen von deutschen Soldaten beobachtet. Dass dies hier nicht geschehen ist, lässt daher den Schluss zu, dass weder er selbst noch seine Ehefrau diese dem Soldaten vorgeworfenen Verhaltensweisen wahrgenommen haben. Da Gegenstand eines Zeugenbeweises nur sein kann, was ein Zeuge wahrgenommen hat, nicht aber der Beweisgewinn, den sich der Beschuldigte von dem begehrten Zeugenbeweis erhofft (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - 5 StR 279/93 - BGHSt 39, 251 <253> = juris Rn. 11 f.), bedarf es auch im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz des § 106 Abs. 1 WDO keiner Vernehmung von Frau R. als Zeugin. Der Senat ist nämlich bereits im Ergebnis der Beweisaufnahme der Berufungshauptverhandlung davon überzeugt, dass die mögliche Zeugin das dem Soldaten vorgeworfene Fehlverhalten nicht wahrgenommen hat. Er leitet daraus allerdings nicht den vom Verteidiger angenommenen Beweisgewinn ab. Denn der Umstand, dass Frau R. einen durch den Soldaten gezeigten "Hitlergruß" nicht gesehen hat, erschüttert die auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen H. und L. gewonnene Überzeugung des Senats nicht. Im Hinblick auf diese Zeugin gilt das zum Zeugen E. Ausgeführte entsprechend. Es ist mangels Beobachtungen von Zeugen zu den genauen Zeitpunkten der vorgeworfenen Geste weder feststellbar, dass sich Frau R. gerade in diesem Moment in unmittelbarer Nähe des Soldaten aufgehalten hat, noch muss sie - selbst wenn sie sich in diesem Moment in der Nähe des Soldaten befunden hat - die Geste notwendig bemerkt haben. Ihre fehlende Beobachtung macht die Aussage des Zeugen H. nicht unglaubhaft.
47 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass auch der Zeuge J. einen "Hitlergruß" nicht beobachtet hat. Dass dieser Zeuge die fragliche Geste nicht wahrgenommen hatte, erklärt sich bereits damit, dass er nach eigenen glaubhaften Angaben teilweise geschlafen und im Übrigen Kopfhörer aufgesetzt hatte und dadurch abgelenkt war.
48 Im Lichte des festgestellten objektiven Geschehens gibt es keinen Zweifel daran, dass der Soldat auch wissentlich und willentlich handelte. Es liegt fern, dass eine anders gemeinte Geste missdeutet worden ist oder dass der Soldat bloß reflexhaft "handelte".
49 cc) Der Senat ist des Weiteren überzeugt, dass der Soldat wissentlich und willentlich zu einem nicht mehr genauer bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 11.30 Uhr und 14.00 Uhr Ortszeit im Poolbereich des Hotels "..." in ... dem Zeugen J. gegenüber sinngemäß äußerte, dieser solle nachfragen, wann der oder die "Nigger" oder "Neger" die Pizza bringen, wobei er mit der Bezeichnung "Nigger" oder "Neger" einen oder mehrere farbige Hotelbedienstete meinte. Einen mehrfachen Gebrauch der fraglichen Bezeichnung kann der Senat dagegen nicht feststellen und stellt den Soldaten von diesem Teil des Vorwurfes daher frei.
50 Der Soldat hat auch diesen Vorwurf insgesamt bestritten. Sein Bestreiten ist aber durch die glaubhafte Aussage des in der Berufungshauptverhandlung vereidigten Zeugen J. hinsichtlich des einmaligen Gebrauches des fraglichen Wortes widerlegt. Dieser Zeuge hat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, der Soldat habe ihn direkt angesprochen, als er selbst auf dem Weg zum Essen gewesen wäre, er solle nachfragen, wann die "Nigger" die Pizza bringen. Er habe sich dafür "fremdgeschämt", aber nichts zu dem Soldaten gesagt. Diese Schilderung ist in sich stimmig und steht auch in Übereinstimmung mit den Angaben dieses Zeugen in allen seinen vorangegangenen Vernehmungen. Der Zeuge hat keinen Belastungseifer gezeigt, vielmehr deutlich gemacht, dass er nicht alle gegen den Soldaten erhobenen Vorwürfe bestätigen kann. Ein Motiv, den Soldaten mit einer Falschaussage zu belasten, ist nicht ersichtlich und vom Soldaten auch nie geltend gemacht worden. Es ist auch plausibel, dass der dienstgradniedrigere Zeuge einem angetrunkenen Obermaat keine Vorhaltungen wegen eines rassistischen Begriffes machte. Zudem liegt es fern, dass der Zeuge wegen eines über ihm ausgewrungenen Handtuches fälschlich gravierende Vorwürfe gegen einen Kameraden erfinden würde. Der Zeuge hat nachvollziehbar deutlich gemacht, dass er sich darüber zwar geärgert, es aber nicht als sehr schlimm empfunden hatte. Auch dieser Zeuge wurde wegen der Bedeutung seiner Aussage vereidigt, was seiner Aussage hohe Überzeugungskraft verleiht. Der Senat bewertet seine Aussage als glaubhaft und hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen.
51
Seine Aussage wird zudem partiell durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen L. und E. gestützt.
Der Zeuge L. hat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, dass das Wort "Neger" oder "Nigger" gefallen sei und dass dies im Zusammenhang mit einer Pizzabestellung gestanden habe. Er konnte zwar zunächst nicht angeben, wer diesen Begriff gebraucht hatte. Auf Vorhalt seiner Aussage in der Vernehmung vom 12. Mai 2013 konnte er sich aber wieder erinnern, dass es sich um eine Äußerung des Soldaten gehandelt habe und war sich insofern auch sicher. Der Senat hält seine Aussage aus den oben angeführten Gründen für glaubhaft.
52 Auch der Zeuge E. hat in der Berufungshauptverhandlung bestätigt, dass das Wort "Neger" gefallen sei. Man habe lange auf das bestellte Essen gewartet. Das sei Gesprächsthema gewesen. Dabei sei das Wort gefallen. Er wisse aber nicht mehr von wem. Damit ist jedenfalls bestätigt, dass die fragliche rassistische Beleidigung wie vom Zeugen J. angegeben geäußert wurde und dass dies in dem vom Zeugen J. angeführten Kontext gestanden hat. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge E., der bemüht war, seine Erinnerung an den Vorfall korrekt wiederzugeben und Erinnerungslücken wegen des Zeitablaufes und sonstige Unsicherheiten deutlich zu machen, falsche Angaben zu Lasten des Soldaten machen sollte. Diese Aussage ist daher glaubhaft. Ob der verwendete Begriff "Neger" oder "Nigger" lautete, ist unerheblich, weil es sich bei beiden Worten um rassistische Abwertungen der Ehre und der Würde der gemeinten Person handelt. Dass die Zeugen hier unterschiedliche Angaben machen, ist ohne weiteres durch die phonetische Nähe der beiden Begriffe zu erklären und kein Indiz für widersprüchliche Aussagen.
53 Geringes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang der Aussage des Zeugen H. zu. Dieser erinnerte sich zwar daran, dass das Wort "Neger" oder "Nigger" gefallen war. Er konnte sich aber nicht an einen Zusammenhang mit einer Frage nach einer Pizzabestellung erinnern. Vielmehr konnte sich dieser Zeuge nur an den Gebrauch des fraglichen Wortes im Zusammenhang mit der Bestellung einer Coladose erinnern. Durch diese Aussage ist auch kein mehrfacher Gebrauch des Wortes "Neger" oder "Nigger" durch den Soldaten belegt, da der Zeuge H. die Aussage dem Soldaten nicht zuordnen konnte.
54 Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Aussage des Zeugen K.. Dieser hatte in der Berufungshauptverhandlung angegeben, dass Wort "Nigger" oder "Neger" selbst nicht gehört zu haben. Dies habe ihm nur später der Zeuge E. berichtet. Aus den bereits ausgeführten Gründen hält der Senat die Aussage des Zeugen K. nicht für glaubhaft, so dass diese Angabe den Soldaten schon deshalb nicht entlastet.
55 Der Senat ist davon überzeugt, dass die vom Soldaten als mögliche Zeugin benannte Frau R. auch die Bezeichnung eines farbigen Hotelbediensteten als "Nigger" nicht wahrgenommen hat, sieht aber auch hierin seine auf der Grundlage der Aussagen der genannten Zeugen gewonnene Überzeugung nicht erschüttert. Hier gilt das oben zum Vorwurf nach dem Anschuldigungspunkt 2 a Ausgeführte entsprechend. Der Senat ist überzeugt, dass der deutsche Botschafter rassistische Äußerungen deutscher Soldaten im Ausland, hätten er oder seine Frau sie gehört, dem Kommandanten gegenüber eindeutig in der Rüge angesprochen hätten, schließt also aus dem - wie oben ausgeführt zum Gegenstand der Beweisaufnahme der Berufungshauptverhandlung gemachten - Ablauf der Ermittlungen darauf, dass Frau R. diese Äußerung nicht gehört hat. Einer Vernehmung von Frau R. bedarf es für diesen Beweisgegenstand nicht. Diese fehlende Wahrnehmung erschüttert aber eine auf der Grundlage einer glaubhaften Aussage eines vereidigten Zeugen gewonnene Überzeugung nicht. Denn selbst wenn sich Frau R. zum Zeitpunkt der Äußerung nicht nur auf dem Hotelgelände, sondern auch in der Nähe des Soldaten aufgehalten hätte, müsste sie nicht notwendigerweise auch die fragliche Äußerung gehört haben. Wer Freizeitaktivitäten an einer Poolanlage nachgeht, ist in seiner Aufmerksamkeit zeitweise auf die eigenen Aktivitäten und zeitweise auf andere Personen fokussiert und verfolgt daher nicht zu jedem Zeitpunkt eine Konversation ihm persönlich unbekannter Dritter. Dass Frau R. die Äußerung nicht gehört hat, beweist folglich nicht, dass sich der Zeuge J. irrt oder er die Unwahrheit sagt.
56 Es ist kein Umstand ersichtlich, der Zweifel daran begründen könnte, dass dem Soldaten der rassistische und die Person des Gemeinten abwertende Gehalt einer Bezeichnung als "Nigger" oder "Neger" zur Tatzeit bewusst war.
57 dd) Von dem Vorwurf, wissentlich und willentlich eine Flasche in Richtung der Zeugen E. und K. geworfen und die Gefahr einer Verletzung dadurch zumindest erkannt haben zu müssen, stellt der Senat den Soldaten nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" frei.
58 Der Soldat hat diesen Vorwurf bestritten und beim Truppendienstgericht ausgeführt, dass ihm eine Flasche "Salitos" nur versehentlich aus der Hand geglitten sei. Diese Aussage lässt sich nicht widerlegen.
59
Kein Zeuge hat in der Berufungshauptverhandlung einen Wurf der Flasche durch den Soldaten bekundet.
Der Geschädigte, der Zeuge E., hat in seiner Aussage in der Berufungshauptverhandlung deutlich gemacht, dass er den Wurf der Flasche nicht gesehen hat. Er hatte lediglich den Knall der zerspringenden Flasche gehört und daraus auf einen Wurf durch den Soldaten, der unstreitig eine Flasche der in Rede stehenden Art in Händen gehalten hatte, geschlossen. Die Angaben des Zeugen E. sind in diesem Punkt schon deshalb glaubhaft, weil er sorgfältig bemüht war, zwischen dem von ihm selbst Wahrgenommenen und seiner Vermutung zu differenzieren. Er hat auch deutlich gemacht, dass der Soldat sich zwar bei ihm wegen der erlittenen Verletzung entschuldigt hat, dass dieser dabei aber nicht geäußert hatte, er habe die Flasche geworfen.
Der Zeuge L. hat nach seinen - wie ausgeführt glaubhaften - Angaben in der Berufungshauptverhandlung zwar beobachtet, dass es zu einem "Aufruhr" am Hotelpool gekommen war, als er beim Essen gesessen habe. Der Zeuge E. sei verletzt gewesen. Dieser sei wohl in Glasscherben getreten. Er habe aber nicht gesehen, wie eine Flasche zu Bruch gegangen sei.
Auch der wie ausgeführt glaubhafte Zeuge J. hat in der Berufungshauptverhandlung angegeben, keinen Wurf einer Flasche beobachtet zu haben. Er hatte zwar gesehen, dass der Zeuge E. im Pool in Scherben getreten sei und dadurch verletzt war, konnte aber nicht angeben, wie die Scherben in den Pool gekommen waren.
60 Dafür, dass der Soldat die Flasche geworfen hat und sie ihm nicht lediglich entglitten ist, würden zwar die räumlichen Verhältnisse sprechen, wenn sich der Soldat zum Zeitpunkt des Zerbrechens der Flasche bei den Liegen am Pool befunden hätte. Denn nach den Angaben des Zeugen E. in der Berufungshauptverhandlung betrug der Abstand von den Liegen zum Pool etwa vier Meter, so dass Scherben der Flasche nicht in den Pool geglitten sein könnten, wenn diese dem Soldaten bei den Liegen aus der Hand geglitten wäre. Jedoch ist nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Sicherheit feststellbar, dass sich der Soldat beim Zerschellen der Flasche tatsächlich bei den Liegen befunden hatte. Der Zeuge H. hat sich nämlich - aus den genannten Gründen glaubhaft - erinnert, dass der Soldat zu diesem Zeitpunkt am Poolrand gestanden hatte. Er habe nicht gesehen, ob der Soldat eine Flasche mitgenommen habe. Es habe so ausgesehen, als ob alle drei Obermaate in den Pool gewollt hätten.
61 Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht ausschließen, dass die Abläufe tatsächlich so waren wie vom Soldaten beschrieben. Zwar kann der Senat nicht "im Zweifel für den beschuldigten Soldaten" entscheiden, ohne zuvor alle ihm zur Verfügung stehenden entscheidungserheblichen Beweismittel ausgeschöpft zu haben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Dezember 2009 - 2 WD 36.09 - Buchholz 450.2 § 106 WDO 2002 Nr. 1 und vom 8. März 2012 - 2 WD 30.11 - Rn. 16). Eine weitere Aufklärungsmöglichkeit besteht hier jedoch auch im Hinblick auf den im "Incident Report" des Hotels genannten möglichen Zeugen Commander S., Royal Navy, nicht. Da dieser Zeuge im ... zu laden, seine Ladung mithin im Ausland zu bewirken wäre, sieht der Senat entsprechend § 91 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO von einer Vernehmung ab, weil er zugunsten des Soldaten davon ausgeht, dass dieser Zeuge, der im Verfahren bislang nicht zu dem Vorfall vernommen wurde, sich wegen des Zeitablaufes und der relativen Geringfügigkeit des Geschehens - eine leichte Verletzung nach einem Flaschenwurf durch angetrunkene Hotelgäste - nicht mehr an den Vorfall und die Beteiligung gerade des Soldaten erinnern kann. Wird die Vernehmung eines im Ausland zu ladenden Zeugen beantragt, ist das Gericht vom Verbot der Beweisantizipation befreit (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 - 1 StR 745/93 - BGHSt 40, 60 ff.). Nichts anderes gilt, wenn im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes über eine weitere Beweiserhebung zu entscheiden ist.
62 b) Damit hat der Soldat vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
63 aa) Der Soldat hat wissentlich und willentlich und damit vorsätzlich gegen seine Gehorsamspflicht aus § 11 Abs. 1 Satz 1 SG verstoßen, indem er entgegen dem Befehl, keinen Alkohol von Bord an Land zu bringen, in seinem Rucksack mindestens drei Flaschen eines an Bord erworbenen Bier-Mixgetränks in das Hotel "..." mitbrachte.
64 Einen Befehl im Sinne des § 2 Nr. 2 WStG stellen sowohl die mündliche Weisung des 1. Offiziers, des Zeugen W., anlässlich der Einlaufmusterung als auch die MDv 160/1 Ziffer 4131 dar. Beide erfüllen als verbindliche und konkrete Verhaltensanweisungen eines militärischen Vorgesetzten die vom Senat in Anwendung der genannten Legaldefinition geforderten Kriterien (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2006 - 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1, 23 ff. und vom 13. März 2008 - 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 49 Rn. 41) und sind von der Anschuldigung erfasst.
65 Durch den Ungehorsam ist auch - aus dem genannten Grund vorsätzlich - die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1997 - 2 WD 24.96 - BVerwGE 113, 48, <54>, vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war bei dem vorsätzlichen Verstoß gegen die dienstliche Weisung der Fall.
66 bb) Durch das wissentliche und willentliche Ausführen des "Hitlergrußes" hat der Soldat vorsätzlich die Pflicht verletzt, die freiheitlich demokratische Grundordnung anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Einhaltung einzutreten (§ 8 SG); (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4, S. 23 f. und Beschluss vom 29. August 2002 - 2 WDB 6.02 - S. 11).
67
Diese Kernpflicht des Soldaten gebietet, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, der er dienen soll, zu identifizieren. Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlangt ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten wie auch dem Richter und Beamten auferlegt ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie, die von ihren Bürgern die Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet. Das Prinzip der streitbaren Demokratie gilt auch für die innere Ordnung der Bundeswehr. Dementsprechend verlangt die politische Treuepflicht von jedem Soldaten die Bereitschaft, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten. Daher gehört die Verletzung der politischen Treuepflicht zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten. Ein solcher Verstoß liegt dann vor, wenn sich ein Soldat für Ziele einsetzt, die geeignet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung auszuhöhlen, oder wenn er sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerwG, Urteil vom 28. September 1990 - 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 <327> = NZWehrr 1991, 32 m.w.N.).
Durch den Hitlergruß hat der Soldat die Gewalt- und Willkürherrschaft des Nazi-Regimes sichtbar verherrlicht und sich dadurch jedenfalls nicht von ihr distanziert. In der fehlenden Distanzierung vom Nationalsozialismus liegt zugleich das Unterbleiben des Eintretens für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes. Wer sich nämlich - wie hier - in der Öffentlichkeit nationalsozialistischer Symbolik bedient, begründet damit für den neutralen Betrachter objektiv den Anschein, er stehe nicht mehr hinter dem Staat des Grundgesetzes und verletzt die Pflicht, sich von derartigen Bestrebungen zu distanzieren.
68 Der Senat lässt offen, ob damit zugleich die Treuepflicht aus § 7 SG verletzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - S. 22 f. und Beschluss vom 29. August 2002 - 2 WDB 6.02 - S. 11), weil damit jedenfalls kein die Schwere der Dienstpflichtverletzung erhöhender Umstand gegeben wäre. Fraglich ist dies deswegen, weil § 7 SG nur insoweit zur Anwendung kommt, als die in den §§ 8 ff. SG normierten Dienstpflichten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich ihm nicht als speziellere Vorschrift vorgehen (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2010 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 45).
69 Darüber hinaus war das vom Soldaten gezeigte Verhalten auch geeignet, sein dienstliches Ansehen bei Untergebenen, Gleichgestellten und Vorgesetzten ernsthaft zu beeinträchtigen, so dass er auch vorsätzlich gegen seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4, S. 24 zur innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht). Die ernsthafte Beeinträchtigung des Vertrauens in seine Integrität folgt hier nicht aus einer in der Begehung einer Straftat liegenden mangelnden Rechtstreue. Sie folgt vielmehr daraus, dass die Nutzung einer nationalsozialistischen Grußform das Vertrauen des Dienstherrn und der Kameraden, der Soldat werde seiner politischen Treuepflicht jederzeit genügen, schwer erschüttert.
70 Eine Verletzung der Kameradschaftspflicht liegt dagegen nicht vor, weil nicht feststellbar war, dass der Soldat den "Hitlergruß" gegenüber einem bestimmten Kameraden gezeigt hat und damit dessen Ehre und Würde verletzt hätte. Der Umstand allein, dass durch eine Verhaltensweise Unruhe in den Kameradenkreis getragen wird, reicht für die Annahme einer Kameradschaftspflichtverletzung nicht aus. Hiermit ist vielmehr lediglich ein Bemessungskriterium angesprochen.
71 cc) Durch die wissentliche und willentliche Bezeichnung eines farbigen Hotelangestellten als "Nigger" oder "Neger" im Gespräch mit einem Kameraden hat der Soldat vorsätzlich seine Dienstpflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verletzt.
72
Es handelt sich um außerdienstliches Verhalten im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 SG, da der Soldat das Verhalten sowohl außer Dienst als auch außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen zeigte (zum kumulativen Erfordernis: BVerwG, Urteile vom 14. Oktober 2009 - 2 WD 16.08 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 43 Rn. 39 und vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 50). Bei der in Rede stehenden Bezeichnung eines farbigen Hotelangestellten als "Nigger" oder "Neger" handelt es sich um eine vorsätzliche Beleidigung im Sinne von § 185 Satz 1 StGB, weil die Bezeichnung eine rassistische und diskriminierende Abwertung der Person darstellt. Die Beleidigung muss gegenüber einem Dritten, aber - wie hier - nicht notwendig dem Beleidigten gegenüber geäußert werden.
Erlaubt die Sanktionsdrohung der Strafrechtsnorm - wie hier § 185 StGB - noch keine Freiheitsstrafe im mittleren Bereich, bedarf es zur Begründung einer allein aus Zweifeln an der Rechtstreue des Soldaten resultierenden Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Fehlverhaltens zusätzlicher Umstände (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - a.a.O. Rn. 61). Negative Rückschlüsse auf die Integrität, die dienstliche Zuverlässigkeit und die Verwendbarkeit eines Soldaten können sich auch aus den Umständen der Begehung des Dienstvergehens ergeben. Derartige Umstände liegen hier darin, dass es sich um eine bewusst in der Kommunikation mit Kameraden gebrauchte rassistische Bezeichnung handelt. Wer in Gegenwart eines Kameraden rassistische Bemerkungen macht, erweckt damit den Eindruck, rassistischem Denken nahezustehen. Solches Verhalten kann suggerieren, rassistische Gedanken und Verhaltensweisen seien akzeptabel und dadurch zu ihrer Ausbreitung beitragen. Rassistische Äußerungen von Angehörigen der Streitkräfte verhindern, dass die Streitkräfte, die ihre Aufgaben auch im Ausland in engem Kontakt mit fremden Ethnien und gemeinsam mit Angehörigen fremder Streitkräfte zu erfüllen haben, den Anforderungen an sie gerecht werden können. Zudem können rassistische Äußerungen Konflikte in eine Armee hineintragen, deren Angehörige zunehmend auch aus Staatsbürgern mit Migrationshintergrund bestehen, und dadurch die Kameradschaft als Grundvoraussetzung der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte schwer belasten. Rassistische Diskriminierungen in Gegenwart von Kameraden erwecken damit auch außerdienstlich schon unabhängig von ihrer Strafbarkeit ernsthafte Zweifel daran, dass der Soldat für die Tätigkeit in den Streitkräften geeignet ist.
73 Vorsätzlich verletzt ist auch die Pflicht aus § 10 Abs. 6 SG. § 10 Abs. 6 SG erfasst alle "Äußerungen" die geeignet sind, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern. Auch ehrverletzende und diffamierende Aussagen sind "Äußerungen", die gegen die Pflicht zur Zurückhaltung verstoßen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 Rn. 86 = NZWehrr 2009, 33 m.w.N.). Die Norm verpflichtet Vorgesetzte, ihre Meinung unter Achtung der Rechte anderer besonnen, tolerant und sachlich zu vertreten (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 2 WD 6.07 - a.a.O. Rn. 87 m.w.N. und vom 13. Februar 2014 - 2 WD 4.13 - juris Rn. 38). Diese Pflicht ist durch § 185 StGB unterfallende, rassistische Bemerkungen über Dritte im Gespräch mit Kameraden verletzt.
74 c) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
75 aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen sehr schwer.
76
Sein Schwerpunkt liegt in der Nutzung eines nationalsozialistischen Grußes gegenüber einem Kameraden in der Öffentlichkeit:
Die Bundeswehr als Organ der Exekutive der Bundesrepublik Deutschland kann erwarten und muss davon ausgehen, dass sich die Soldaten zu den rechtsstaatlichen Anforderungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes, insbesondere zu den Grundrechten, bekennen und für ihre Verwirklichung einsetzen (BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1997 - 2 WD 24.96 - BVerwGE 113, 58 und vom 20. Oktober 1999 - 2 WD 9.99 - BVerwGE 111, 25 <27>). Die politische Treuepflicht fordert von jedem Angehörigen des öffentlichen Dienstes, dass er nicht nur die Grundordnung des Staates anerkennt, sondern auch die Bereitschaft zeigt, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten.
Da die politische Treuepflicht zu den elementarsten soldatischen Pflichten gehört, ist ihre Verletzung eine der schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten (BVerwG, Urteile vom 24. Januar 1984 - 2 WD 40.83 - NZWehrr 1984, 167, vom 22. Januar 1997 - 2 WD 24.96 - BVerwGE 113, 58, vom 28. September 1990 - 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321, vom 25. Januar 2000 - 2 WD 43.99 - BVerwGE 111, 45, vom 7. November 2000 - 2 WD 18.00 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 40, vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4 S. 24 f. und vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 39 Rn. 49).
Gegen diese Pflicht verstößt ein Soldat in eklatanter Weise, wenn er - wie hier - nationalsozialistische Symbole präsentiert und damit zumindest den Eindruck erweckt, dass er sich zu ihnen bekennt und für sie eintritt, mithin nicht bereit ist, sich auf den Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu stellen und jederzeit für sie einzutreten. Der sog. Hitlergruß ist Ausdruck der Verehrung eines diktatorischen und verbrecherischen Regimes, das gegen die Menschenwürde verstoßen und eine totalitäre Gewaltherrschaft errichtet hat. Begeht ein Soldat eine derartige Pflichtwidrigkeit, so verletzt er die fundamentalen Pflichten eines Soldaten, weil er nicht nur die Grundlagen, auf denen die Bundeswehr aufgebaut ist, sondern auch die Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaates in Frage stellt.
77
Auch im Übrigen sind zentrale soldatische Pflichten von hohem Gewicht verletzt:
Der Gehorsamsverstoß wiegt schwer (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - juris Rn. 48). Die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG) gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten. Alle Streitkräfte beruhen auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Vorsätzlicher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen dar (BVerwG, Urteil vom 16. März 2011 - 2 WD 40.09 - juris Rn. 52 m.w.N.). Fehlt die Bereitschaft zum Gehorsam, kann die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr in Frage gestellt sein.
78 Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, BVerwG, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.
79 Schwer wiegt auch die Verletzung der Pflicht aus § 10 Abs. 6 SG. Eine derartige Pflichtverletzung stellt die Eignung als Vorgesetzter in Frage. Es handelt sich auch hier nicht um eine bloße Nebenpflicht, vielmehr um eine Pflicht mit funktionellem Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebes (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 60 jeweils Rn. 105). Die in § 10 Abs. 6 SG von jedem Offizier und Unteroffizier bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen verlangten Beschränkungen (Achtung der Rechte anderer, Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit) sind für einen Vorgesetzten nach der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung unerlässlich, um seine dienstlichen Aufgaben erfüllen und seinen Untergebenen im Sinne von § 10 Abs. 1 SG in Haltung und Pflichterfüllung Vorbild sein zu können (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - a.a.O. Rn. 33).
80 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Obermaat in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO Nr. 29 m.w.N., vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 6>).
81 Bestimmend für Eigenart und Schwere des Dienstvergehens ist auch, dass der Soldat während eines Auslandseinsatzes und mehrfach versagt hat.
82 bb) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den Dienstbetrieb. Der Soldat musste ausgeschifft und, wie der Zeuge W. in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft erläutert hat, mit hohem Aufwand unter Inanspruchnahme der Unterstützung der US-Marine in das Bundesgebiet zurückgebracht werden. Er stand nicht mehr für die Aufgaben zur Verfügung, die er an Bord der ... erfüllen sollte. Das Vergehen ist zudem nach den Angaben dieses Zeugen im Kameradenkreis bekannt geworden und hat dort, weil es Anlass zu einer Modifikation und Verschärfung bestehender Regeln gab, für Unruhe und Unmut gesorgt.
83 cc) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Der Soldat hat sich aus eigennützigen Gründen über die Befehlslage hinweggesetzt und alkoholbedingt enthemmt durch einen nationalsozialistischen Gruß und eine rassistische Bezeichnung provoziert, auch wenn nicht ersichtlich ist, dass er nationalsozialistische und rassistische Denkweisen teilt. Sein Verhalten spricht aber für ein erhebliches Maß an persönlicher Unreife.
84 dd) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.
85 Die Blutalkoholkonzentration des Soldaten bei den Pflichtverletzungen ist unerheblich, da nichts für einen dadurch bewirkten Ausschluss der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit und nichts für eine Alkoholkrankheit spricht. Ist ein Soldat für Art und Umfang seines Alkoholkonsums selbst verantwortlich, führt eine dadurch verminderte Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit nicht zu einer Milderung der Disziplinarmaßnahme (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2003 - 2 WD 10.03 - DokBer 2004, 193 = Blutalkohol 2005, 179, vom 24. November 2005 - 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127, vom 2. April 2008 - 2 WD 13.07 - Rn. 36 f. und vom 7. Februar 2013 - 2 WD 36.12 - Rn. 46).
86
Der Senat hält dem Soldaten allerdings im Hinblick auf den "Hitlergruß" und die Nutzung des Begriffs "Nigger" oder "Neger" jeweils den Milderungsgrund in den Umständen der Tat (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. September 2008 - 2 WD 18.07 - m.w.N.) in der Form einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und bewährten Soldaten zugute.
Kein Zeuge hat in der Berufungshauptverhandlung auf Nachfrage Aussagen dazu machen können, dass der Soldat abgesehen von dem in Rede stehenden Tag durch rechtsextreme oder rassistische Äußerungen aufgefallen wäre. Hierfür gibt es auch nach seinen Beurteilungen und den Erläuterungen der Leumundszeugen keine Anhaltspunkte. Der Senat geht daher davon aus, dass das dem Soldaten in den Anschuldigungspunkten 2 a und b vorgeworfene Verhalten jeweils persönlichkeitsfremd ist.
Eine Augenblickstat ist dann gegeben, wenn der Entschluss zum Tun oder Unterlassen nicht geplant oder wohl überlegt, sondern spontan und aus den Umständen eines Augenblickszustandes gekommen ist. Die jeweilige Zeitspanne der Verwirklichung eines Tatentschlusses ist von der Situation des Einzelfalles abhängig und lässt als solche noch keinen sicheren Rückschluss darauf zu, ob das Verhalten spontan oder geplant bzw. vorbereitet war. Entscheidend ist insoweit, ob der Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand begangen hat, in dem er die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht bedacht hat, wozu ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit gehört (BVerwG, Urteile vom 19. September 2001 - 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48 und vom 30. März 2011 - 2 WD 5.10 - juris Rn. 52). Da der Soldat nach Einschätzung aller Zeugen in dem von der Anschuldigung erfassten Zeitraum alkoholisiert und das Verhalten ihm persönlichkeitsfremd war, waren die fraglichen Handlungen in erster Linie seiner alkoholbedingten Enthemmung geschuldet. In ihnen kommt die Neigung nicht weniger alkoholisierter Personen zum Durchbruch, durch ihr Verhalten zu provozieren und auf sich aufmerksam zu machen. Weder der Ausführung der in Rede stehenden Geste noch dem Gebrauch des einen Wortes "Nigger" oder "Neger" ist eine Phase der Planung oder Überlegung vorangegangen. Es handelt sich bei beiden Verhaltensweisen um unbedachte Kurzschlusshandlungen, die auch verschiedene - zeitlich getrennte und ihrer Art nach unterscheidbare - Pflichtverletzungen darstellen und nicht mehrere Akte einer Pflichtverletzung.
Der Annahme dieses Milderungsgrundes für beide Pflichtverletzungen steht auch nicht entgegen, dass er für "einmalige" Pflichtverletzungen eingreifen kann. Beide Pflichtverletzungen unterscheiden sich qualitativ: Die eine ist durch eine Geste und die andere durch ein Wort begangen. Nicht jede rassistische Äußerung drückt für den objektiven Betrachter bereits eine Nähe zum Nationalsozialismus aus. Das Erfordernis der Einmaligkeit der Pflichtverletzung steht in engem Zusammenhang mit der Persönlichkeitsfremdheit des Versagens. Es greift daher auch dann ein, wenn mehrfach in je unterschiedlicher Weise persönlichkeitsfremd gehandelt wird.
87 ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sind dem Soldaten seine durch die Beurteilungen und die Bekundungen des Leumundszeugen W. ausgewiesenen ordentlichen Leistungen vor dem Dienstvergehen zugute zu halten.
88 Zu seinen Gunsten ist in der Gesamtabwägung auch eine Nachbewährung zu berücksichtigen. Eine solche setzt nicht nur eine Steigerung der Leistungen in fachlicher Hinsicht voraus. Zusätzlich ist erforderlich, dass der Soldat sich während des Verfahrens in jeder Hinsicht ohne Anlass zu Beanstandungen durch seine Vorgesetzten führt. Denn von einer Nachbewährung kann nur dann gesprochen werden, wenn durch das Gesamtverhalten des Soldaten im Laufe des gerichtlichen Disziplinarverfahrens deutlich wird, dass das Verfahren selbst nachhaltig pflichtenmahnend auf den Soldaten wirkt und dieser unter dem Eindruck des Verfahrens durch seine dienstliche Führung in jeder Hinsicht dokumentiert, dass er die durch die Dienstpflichtverletzungen begründeten Zweifel an seiner charakterlichen Integrität und fachlichen Eignung durch besonders korrekte Pflichterfüllung ausräumen will (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - juris Rn. 48). Im Hinblick darauf, dass die Sonderbeurteilung im Vergleich zur letzten planmäßigen Beurteilung eine - wenn auch nur leichte - Steigerung ausweist, der Leumundszeuge Mi. eine Kontinuität dieser Leistungssteigerung sowie die tadelfreie Führung bekundet und der Soldat sich auch nach dem Dienstvergehen in besonders fordernden Auslandseinsätzen bewährt hat, liegt eine Nachbewährung vor.
89 Für ihn spricht auch die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da der Soldat hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.
90 ff) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände wiegt im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die von der Vorinstanz ausgesprochene Maßnahme nicht zu schwer.
91 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
92 aaa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".
93 Hierbei geht der Senat von der den Schwerpunkt des Dienstvergehens bildenden Verletzung der politischen Treuepflicht aus § 8 SG aus. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei Verletzungen dieser Pflicht durch das Zeigen eines "Hitlergrußes" ist grundsätzlich die Höchstmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4 S. 24 und Beschluss vom 29. August 2002 - 2 WDB 6.02 - S. 15 f.). Es bedarf keiner Entscheidung, ob angesichts der Bandbreite denkbarer Verletzungen der politischen Treuepflicht bei Pflichtverletzungen, die allein in der unterbliebenen Distanzierung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen bestehen, die mildere Maßnahmeart einer Dienstgradherabsetzung als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen dem Gewicht der Pflichtverletzung bereits gerecht würde. Denn selbst wenn der Senat zugunsten des Soldaten hiervon ausgeht, ist auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen eine mildere als die von der Vorinstanz verhängte Maßnahme nicht mehr tat- und schuldangemessen.
94 bbb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
95 Geht man zugunsten des Soldaten im Hinblick auf den Schwerpunkt des Dienstvergehens vom Erfordernis einer Dienstgradherabsetzung aus, ist dem Vorliegen des gewichtigen Milderungsgrundes der persönlichkeitsfremden Augenblickstat durch eine Abmilderung in der Maßnahmeart Rechnung zu tragen. Daher ist ein Beförderungsverbot grundsätzlich tat- und schuldangemessen, welches allerdings, da es bereits eine Abmilderung der grundsätzlich veranlassten Maßnahmeart darstellt, am oberen Rand des gesetzlich Zulässigen zu bemessen ist. Im Hinblick auf das anstehende Dienstzeitende kann sich dieses Beförderungsverbot nicht mehr in der vollen angemessenen Länge auswirken, so dass nach § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO regelmäßig zusätzlich eine Bezügekürzung veranlasst ist. Im Hinblick auf deren Bemessung ist nicht nur den guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Soldaten Rechnung zu tragen. In der Gesamtabwägung sind auch die noch nicht berücksichtigten hinzutretenden erschwerenden Aspekte - namentlich die beim Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen noch außer Betracht gebliebenen weiteren Pflichtverletzungen nach den Anschuldigungspunkten 1 und 2 b - den weiter mildernden Aspekten, dem Milderungsgrund in den Umständen der Tat hinsichtlich der Pflichtverletzung nach Anschuldigungspunkt 2 b, den ordentlichen Leistungen des Soldaten und seiner Nachbewährung, in Ausgleich zu bringen. Hiernach ist die von der Vorinstanz verhängte zusätzliche Bezügekürzung nach Ausmaß und Dauer nicht unangemessen hart.
96 Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 4 WDO stehen einem Beförderungsverbot in Kombination mit der Bezügekürzung entgegen.
97 3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 WDO.
Beschluss vom 22.06.2017 -
BVerwG 2 WD 6.17ECLI:DE:BVerwG:2017:220617B2WD6.17.0
Leitsatz:
Der von Art. 103 Abs. 1 GG geschützte Anspruch auf Teilnahme an einer Berufungshauptverhandlung wird nicht verletzt, wenn von der naheliegenden Möglichkeit eines Terminsverlegungsantrages kein Gebrauch gemacht und der Verhinderungsgrund nicht substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht wird.
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Rechtsquellen
WDO §§ 121a, 124 GG Art. 103 Abs. 1 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 22.06.2017 - 2 WD 6.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:220617B2WD6.17.0]
Beschluss
BVerwG 2 WD 6.17
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 22. Juni 2017 beschlossen:
- Die Anhörungsrüge des Soldaten gegen das Urteil des Senats vom 23. März 2017 wird zurückgewiesen.
- Der Soldat trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.
Gründe
I
1 Die Anhörungsrüge wendet sich gegen das dem Soldaten am 4. Mai 2017 zugestellte Urteil vom 23. März 2017 (BVerwG 2 WD 16.16 ), mit dem dessen Berufung zurückgewiesen worden war. Zu der Berufungshauptverhandlung waren weder der Soldat noch sein Verteidiger erschienen. Der Soldat war am 2. Januar 2017 zu der Berufungshauptverhandlung vom 23. März 2017 geladen worden. In dieser Ladung wurde er auch darauf hingewiesen, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.
2 Nach Zurückweisung mehrerer Befangenheitsanträge und eines Terminsverlegungsgesuches, wies das Gericht die beiden Verteidiger am 22. März 2017 nochmals darauf hin, dass die Berufungshauptverhandlung am 23. März 2017 stattfinden werde. Der Wahlverteidiger Dr. W. teilte in dem erneuten Ablehnungsgesucht mit, dass der Verteidiger S. erkrankt sei und zu der Berufungshauptverhandlung nicht erscheinen werde. Etwa eine halbe Stunde später zeigte Dr. W. die Niederlegung seines Mandats an.
3 Am 23. März 2017 informierte der Soldat um 7.11 Uhr die Geschäftsstelle des Senates telefonisch darüber, dass er sich seit gestern nicht wohl fühle und heute zum Arzt gehe. Er melde sich krank. Daraufhin wurde er gebeten, die ärztliche Bescheinigung und eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung wenn möglich noch vor 9.00 Uhr an das Gericht zu faxen. Eine Stunde später wurde er telefonisch informiert, dass eine Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit durch einen Amtsarzt bescheinigt werden müsse. Eine Bestätigung der Reiseunfähigkeit durch den Truppenarzt reiche nicht aus. Gegen 8.30 Uhr teilte der Truppenarzt Oberstabsarzt A. der Vorsitzenden fernmündlich mit, der Soldat habe sich um 7.22 Uhr bei ihm vorgestellt und angegeben, seit gestern an Übelkeit, Erbrechen und Durchfall zu leiden. Er könne diese Symptome nicht widerlegen, habe aber auch nichts Spezielles gefunden und werde den Soldaten "im Zweifel für den Patienten" für zwei Tage "KzH" schreiben. Es habe für ihn einen negativen Beigeschmack, dass sich der Soldat am Tage der Verhandlung so vorstelle. Er habe deshalb eine "fragliche Gastroenteritis" aufgeschrieben und den Soldaten informiert, dass ein Krankenschein "kzH" nicht zur Vorlage bei Gericht geeignet sei. Ein mit der Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit des Soldaten oder seines Verteidigers begründeter Verlegungs- oder Vertagungsantrag wurde nicht gestellt.
4 Eine Vertagung von Amts wegen wurde mit in der Berufungshauptverhandlung verkündetem Beschluss abgelehnt und im Berufungsurteil näher begründet.
5 Am Tag nach der Berufungshauptverhandlung ging eine truppenärztliche Bescheinigung zur Erkrankung des angeschuldigten Soldaten vom 23. März 2017 ein. Wegen des Inhalts wird auf den Beschluss im Verfahren BVerwG 2 WDB 2.17 verwiesen.
6 Am 4. Mai 2017 hat der Verteidiger Anhörungsrüge erhoben und beantragt, das Verfahren fortzuführen. Das Urteil beruhe auf Verletzungen des rechtlichen Gehörs. Dieses sei zum einen durch die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der Ehefrau des deutschen Botschafters im B. als Zeugin verletzt. Der Senat habe ihre Ladung trotz ausdrücklichen Verlangens der Verteidigung verweigert. In der Hauptverhandlung hätte die Verteidigung mit der Zeugin herausarbeiten können, dass die Dinge im B. sich anders zugetragen hätten, als in der Vorinstanz angenommen. Der Senat stelle ohne Not auf Zeugen vom Hören-Sagen ab und habe eine Vernehmung der Zeugin per Videokonferenz nicht erwogen. Wäre sie geladen worden, wäre der Berufung möglicherweise zumindest teilweise stattgegeben worden. Zum anderen sei rechtliches Gehör durch die Durchführung der Berufungshauptverhandlung in Abwesenheit des Soldaten und seines Verteidigers verletzt worden. Der Soldat habe durch ein wehrmedizinisches Gutachten nachgewiesen, erkrankt und reiseunfähig gewesen zu sein. Auch der Verteidiger sei reise- und verhandlungsunfähig gewesen. Von einem erkrankten Verteidiger könne kein Verlegungs- und Verteidigungsantrag erwartet werden. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte auf Hinweis des Gerichts vorgelegt werden können. Der Verteidiger sei schwerbehindert und leide an orthopädischen Beschwerden. Mit dem Antrag ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für S. vom 22. März 2017 für den Zeitraum 22. März 2017 bis 31. März 2017 und ein Rezept vom 23. März 2017 durch einen Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin vorgelegt worden, in dem es heißt: "Der Pat. ist seit dem 22.3.17 bis zum 31.3.17 nicht reisefähig". Der Senat habe sein Vertagungsermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Soldat hat Oberstabsarzt A. als Zeugen dafür benannt, dass dieser sein Attest vorab per Fax übersandt und am 29. März 2017 als Einschreiben auf den Weg gebracht habe. Ihm sei die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung wichtig gewesen.
7 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt tritt dem Antrag entgegen.
II
8 Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und nach § 121a WDO statthafte Anhörungsrüge ist unbegründet. Das Berufungsverfahren ist nicht fortzusetzen, weil das angegriffene Urteil nicht auf einer Verletzung des Grundrechtes auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht.
9 1. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, dass das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 5. April 2017 - 8 B 6.17 - juris Rn. 2 und BVerfG, vgl. Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678, 679, 680, 681, 683/81 - BVerfGE 64, 1 <12>). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, dass das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Die Nichtberücksichtigung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisangebotes verstößt nur dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 <311> m.w.N.). Ein Rechtssuchender muss die nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen, wenn er dessen Verletzung mit Erfolg rügen will (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220 <225>). Insbesondere muss er einen nach der konkreten Sachlage zumutbaren und nicht von vornherein als aussichtslos einzustufenden erneuten Vertagungsantrag nutzen (BVerfG, Beschluss vom 15. April 2003 - 2 BvR 628/98 - juris Rn. 3). Rechtliches Gehör wird auch dann verletzt, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>).
10 2. Nach diesen Maßstäben ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs weder ausreichend dargelegt noch liegt sie vor.
11 a) Dies gilt zunächst wegen der unterbliebenen Ladung von C. als Zeugin zum Termin der Berufungshauptverhandlung.
12 Der Senat hat den mit der Anhörungsrüge nur wiederholten Vortrag des Soldaten aus dem Berufungsverfahren ausdrücklich erwogen, von der Ladung der Zeugin aus den in den Randnummern 45 und 55 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils dargelegten Erwägungen aber abgesehen. Damit hat der Senat den Vortrag des Soldaten berücksichtigt, ist ihm jedoch aus Rechtsgründen nicht gefolgt. Die Anhörungsrüge legt nicht dar, warum die genannten Teile der Entscheidungsgründe im Prozessrecht keine Stütze finden sollten. Auch mit der Anhörungsrüge ist zudem keine konkrete Tatsachenbehauptung vorgebracht worden, die Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin und damit der Beweiserhebung sein könnte. Es fehlt des Weiteren an einer Darlegung der Erheblichkeit der von der Zeugin zu bekundenden Wahrnehmungen. Kommt es auf die Vernehmung der Zeugin nicht an, ist auch unerheblich, ob sie im Wege einer Videokonferenz hätte vernommen werden können. Die Anhörungsrüge genügt damit nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsverletzung.
13 b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann der Soldat auch nicht wegen der Durchführung der Berufungshauptverhandlung in seiner und seines Verteidigers Abwesenheit mit Erfolg rügen.
14 Zwar schützt Art. 103 Abs. 1 GG das Recht auf Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung und das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen (§ 90 Abs. 1 Satz 1 WDO). Daher ist bei einer unverschuldeten Verhinderung eines Verfahrensbeteiligten, der alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, um sich rechtliches Gehör auch im Verhandlungstermin zu verschaffen, eine Terminsverlegung oder Vertagung geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1994 - 3 C 28.92 - BVerwGE 96, 368 <369 f.>). Jedoch kann sich ein Beteiligter, der von der Möglichkeit, sich im Rahmen des Zumutbaren selbst rechtliches Gehör zu verschaffen, nicht Gebrauch gemacht hat, später nicht darauf berufen, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 4 m.w.N.). Er muss daher, wenn - wie hier - eine Verhandlung auch ohne ihn und ohne seinen Verteidiger durchgeführt werden kann, schlüssig und substantiiert zu den Voraussetzungen einer Terminsverlegung vortragen, sodass das Gericht in die Lage versetzt wird, ggf. von Amts wegen über die Terminsverlegung zu entscheiden.
15 aa) Hiernach stand das Fernbleiben des Verteidigers von der Berufungshauptverhandlung deren Durchführung auch im Lichte des Art. 103 Abs. 1 GG nicht entgegen. Denn die Verteidigung hat es versäumt, einen mit ihrer Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit begründeten Terminsverlegungsantrag zu stellen oder durch rechtzeitigen substantiierten Vortrag, der geeignet gewesen wäre, die unverschuldete Verhinderung und den Teilnahmewillen glaubhaft zu machen, eine Vertagung oder Terminsverlegung von Amts wegen zu erreichen.
16 Ein mit der Erkrankung des Verteidigers begründeter Verlegungsantrag ist nie gestellt worden, obwohl dem Verteidiger nach dem Beschluss der Vorsitzenden vom 21. März 2017 klar war, dass die Berufungshauptverhandlung stattfinden würde. Der Einwand, dies könne von einem erkrankten Verteidiger nicht erwartet werden, greift nicht durch, weil die Erkrankung von Rechtsanwalt S. in einem von dem zweiten Wahlverteidiger Dr. W. gezeichnetem Schriftsatz behauptet worden ist. Dr. W. war nicht gehindert, einen mit einer Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit von Rechtsanwalt S. begründeten Terminsverlegungsantrag zu stellen. Die Niederlegung seines Mandates hatte er mit einem späteren Schriftsatz angezeigt. Dass er durch die behaupteten, aber nie glaubhaft gemachten Grippesymptome an der Verfassung von Schriftsätzen gehindert gewesen wäre, ist nicht einmal behauptet worden. Es ist auch sonst kein Grund ersichtlich, der den Verteidiger Dr. W. - bei entsprechendem Teilnahmeinteresse des Soldaten oder des Verteidigers S. - an einem Terminsverlegungsantrag gehindert hätte.
17 In den Schriftsätzen vom 22. März 2017 war zudem zu einem Verlegungsgrund nicht schlüssig und substantiiert vorgetragen worden. Es fehlt bereits aus den in Randnummer 30 der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils dargelegten Gründen an hinreichenden Angaben zur Art und zur Schwere der Erkrankung von Rechtsanwalt S., die dem Senat eine kurzfristig eingetretene Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit des Verteidigers hätten plausibel machen und zu einer Vertagung von Amts wegen hätten drängen müssen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, der die Verteidigung gehindert hätte, vor dem Beginn der Berufungshauptverhandlung, den Vortrag zu der kurzfristigen Erkrankung von Rechtsanwalt S. zu ergänzen, hätte denn ein Wille zur Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung bestanden. Die erst mit der Anhörungsrüge vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für Rechtsanwalt S. ist am Vortag der Berufungshauptverhandlung ausgestellt worden. Es wäre Rechtsanwalt Dr. W. auch in Vertretung des erkrankten Kollegen möglich und zumutbar gewesen, entsprechenden Vortrag auch vor Niederlegung des Mandates zu tätigen und glaubhaft zu machen.
18 Hierzu bedurfte es auch keines vorherigen Hinweises des Senates. Denn die Notwendigkeit, einen Verhinderungsgrund substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, muss sich einem Rechtsanwalt aufdrängen, entspricht dies doch den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 4 m.w.N., Nds OVG, Beschluss vom 20. April 2011 - 11 LA 57/11 - juris Rn. 3, BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 11 ZB 16.30121 - juris Rn. 8, OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Januar 2017- 2 L 34/16 - juris Rn. 4). Die Möglichkeit, einen Terminsverlegungsantrag zu stellen, war der Verteidigung ausweislich des Antrages vom 14. März 2017 zudem sicher bekannt.
19 Da beide Verteidiger zuvor bereits einen Verlegungsantrag gestellt hatten, nach dessen Zurückweisung aber davon absahen, wegen neuer Gründe einen weiteren zu stellen und nur vage dazu vortrugen, warum Rechtsanwalt S. nicht erscheinen werde, war aus diesem Verhalten auch auf den fehlenden Willen, an der Berufungshauptverhandlung teilzunehmen, zu schließen. Diese Würdigung des Verhaltens der Verteidiger stützt sich zudem auf deren vorangegangenes prozessuales Verhalten in der Form mehrere Ablehnungsanträge und des Terminsverlegungsantrages wegen der unterbliebenen Ladung einer Zeugin. Auch hieraus schließt der Senat, dass die Verteidiger die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung verweigern wollten, um das Verfahren zu verzögern.
20 bb) Die Durchführung der Berufungshauptverhandlung verletzte auch wegen der Abwesenheit des Soldaten nicht dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Denn auch er hat die Möglichkeit versäumt, sich durch die Anzeige der Absicht der Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung und der Gründe für eine unverschuldete Verhinderung zumutbar selbst rechtliches Gehör zu verschaffen. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses im Verfahren BVerwG 2 WDB 2.17 verwiesen.
21 cc) Der Senat hat den Vortrag der Erkrankung des Wahlverteidigers und des Soldaten auch nicht übergangen, ihn vielmehr zum Anlass genommen, in der Berufungshauptverhandlung eine Vertagung von Amts wegen zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs zu prüfen. Die für den diese ablehnenden Beschluss maßgeblichen Erwägungen sind in den Randnummern 24 bis 30 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wiedergegeben. Die Anhörungsrüge setzt sich mit den dort angestellten Erwägungen nicht auseinander.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 WDO.