Verfahrensinformation



Die Klägerin wendet sich gegen ihre Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags. Sie macht geltend, der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfehle seinen gesetzlichen Auftrag strukturell, weil er kein vielfältiges und ausgewogenes Programm biete und als Erfüllungsgehilfe der vorherrschenden staatlichen Meinungsmacht diene. Dieses strukturelle Versagen beruhe auch auf einer mangelnden Staatsferne der Aufsichtsgremien. Damit fehle es an einem individuellen Vorteil, der die Beitragspflicht rechtfertige. Der Klägerin stehe deswegen ein Leistungsverweigerungsrecht zu.


Für die Verkündung - nicht auch für die Verhandlung - sind Ton-, Fernseh- und Filmaufnahmen zugelassen (§ 169 Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz). Das Akkreditierungsverfahren hierfür ist abgeschlossen.


Pressemitteilung Nr. 70/2025 vom 01.10.2025

Verkündungstermin in der Verwaltungsstreitsache BVerwG 6 C 5.24

Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig wird am 15. Oktober 2025, 14.00 Uhr, im Großen Sitzungssaal in der Verwaltungsstreitsache BVerwG 6 C 5.24 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2025 eine Entscheidung verkünden.



Die Plätze für Medienvertreterinnen und -vertreter werden in einem Akkreditierungsverfahren vergeben. Das Akkreditierungsverfahren beginnt mit Veröffentlichung der Pressemitteilung und endet am Freitag, den 10. Oktober 2025 um 12.00 Uhr.


Für Akkreditierungsgesuche ist ausschließlich das bereitgestellte ~l~%3Clink+beschreibung%3D%22Anmeldeformular%22+url%3D%22https%3A%2F%2Fwww.bverwg.de%2Faktuelles%2Femoe%3Femoe%3D1%26amp%3Baz%3DBVerwG%25206%2520C%25205.24%22%3E~l~Anmeldeformular~l~%3C%2Flink%3E~l~ auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Dieses muss vollständig ausgefüllt sein. Das Akkreditierungsgesuch kann auch unter Verwendung des Formulars per E-Mail an die Adresse ~l~%3Clink+beschreibung%3D%22pressestelle%40bverwg.bund.de%22+url%3D%22mailto%3Apressestelle%40bverwg.bund.de%22%[email protected]~l~%3C%2Flink%3E~l~ übermittelt werden. Akkreditierungsgesuche an sonstige E-Mail-Adressen oder Telefaxanschlüsse des Gerichts werden nicht berücksichtigt. Der gültige Presseausweis ist vor Ort vorzulegen.


Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Nach Ablauf der Frist versendet die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts eine Benachrichtigung über die erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Akkreditierung.


Für Medienvertreterinnen und -vertreter stehen im Sitzungssaal 32 Sitzplätze zur Verfügung. Die Plätze werden nach der Reihenfolge des Akkreditierungseingangs vergeben. Aufgrund der begrenzten Kapazität steht nur ein Sitzplatz je Medienorgan zur Verfügung.


Ein gesonderter Medienarbeitsraum steht zur Verfügung. Ein Platzanspruch besteht nicht.



1. Gemäß den Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind Foto-, Film- und Tonaufnahmen im Sitzungssaal nur bis zum Beginn des Verkündungstermins zulässig. Danach haben Fotografinnen und Fotografen und Kamerateams den Sitzungssaal zu verlassen.


2. Der 6. Senat hat darüber hinaus Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts gemäß § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Abs. 3 GVG zugelassen. Dafür werden Medienpools gebildet. Zugelassen werden Fernsehteams (ein öffentlich-rechtliches und ein privat-rechtliches Medienunternehmen mit jeweils einer Kamera) sowie zwei Fotografinnen und Fotografen. Die Fernseh- und Filmaufnahmen dürfen nur mit ortsfesten Kameras an den dafür im Sitzungssaal vorgesehenen Standplätzen gemacht werden. Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen die Zahl der im jeweiligen Medienpool zur Verfügung stehenden Plätze, ist Voraussetzung für eine Zulassung die im Akkreditierungsgesuch erklärte Bereitschaft zur Übernahme der Poolführung. Medienvertreterinnen und -vertreter, die die entsprechenden technischen Voraussetzungen nicht erfüllen, können die Poolführung nicht übernehmen. Die Poolführung ist verpflichtet, abgelehnten Bewerbern des Medienpools die gefertigten Aufnahmen auf Anfrage unverzüglich in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Die Zulassung zum jeweiligen Medienpool und ggfs. die Vergabe der Poolführung erfolgen nach der Reihenfolge des Akkreditierungseingangs; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los.


Die Bestimmung der konkret mitwirkenden Personen bleibt den Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografinnen und Fotografen selbst überlassen.


3. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Wachtmeisterinnen und Wachtmeister und der Pressestelle ist Folge zu leisten. Foto- und Filmaufnahmen sind ausschließlich mit geräuscharmen Apparaten ohne Blitzlicht gestattet.


4. Nach Schluss des Verkündungstermins sowie in den Pausen sind Interviews sowie Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen lediglich außerhalb des Sitzungssaals zugelassen.



Einlass in den Sitzungssaal wird ab eine Stunde vor Beginn der Verkündung gewährt. Medienvertreterinnen und -vertreter dürfen nur die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Geräte und Taschen mit sich führen.


Andere Foto- und Filmaufnahmen sowie das Telefonieren, das Posten in Sozialen Medien und sonstige Versenden von Nachrichten, aus dem Sitzungssaal sind nicht gestattet. Für diese Zwecke nutzbare elektronische Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptop-Computer oder Tablet-Computer, dürfen im Sitzungssaal nicht verwendet werden. Medienvertreterinnen und -vertretern wird während des Verkündungstermins die Nutzung dieser Geräte im Offline-Betrieb zur Eingabe von Text, nicht aber für Ton- und Bildaufnahmen sowie Datenübermittlungen gestattet. Der Betrieb der Geräte ist nur im Flugzeug- und Lautlosmodus zulässig. In den Sitzungspausen und nach Schließung der Sitzung dürfen Medienvertreterinnen und -vertreter diese Geräte im bzw. aus dem Sitzungssaal zum Telefonieren, zur sonstigen Kommunikation, zum Abrufen von Daten sowie zu jeglicher sonstigen Nutzung des Internets verwenden.


BVerwG 6 C 5.24

Vorinstanzen:

VG München, VG M 6 K 22.3507 - Urteil vom 21. September 2022 -

VGH München, VGH 7 BV 22.2642 - Urteil vom 17. Juli 2023 -


Pressemitteilung Nr. 80/2025 vom 15.10.2025

Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags erst bei gröblicher Verfehlung der Programmvielfalt

Die Erhebung des Rundfunkbeitrags steht erst dann mit Verfassungsrecht nicht mehr in Einklang, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin wendet sich gegen ihre Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags für die Monate Oktober 2021 bis März 2022. Sie macht geltend, ihr stehe ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk kein vielfältiges und ausgewogenes Programm biete und er der vorherrschenden staatlichen Meinungsmacht als Erfüllungsgehilfe diene. Damit fehle es an einem individuellen Vorteil, der die Beitragspflicht rechtfertige. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sein Berufungsurteil darauf gestützt, dass der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende Vorteil allein in der individuellen Möglichkeit liege, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können. Auf die Frage, ob strukturelle Defizite bei der Erfüllung des Funktionsauftrags vorlägen, komme es daher nicht an. Der Klägerin stehe die Möglichkeit einer Programmbeschwerde offen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, weil es die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – verkennt. Dieses Urteil stützt sich – wie durch die Kammerbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2023 – 1 BvR 601/23 – und vom 17. Juni 2025 – 1 BvR 622/24 – verdeutlicht wird – für die materiell-verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Beitragspflicht tragend darauf, dass der die Beitragserhebung rechtfertigende individuelle Vorteil in der Möglichkeit der Nutzung eines den Anforderungen des Funktionsauftrags entsprechend ausgestalteten Programms liegt. Dieser Funktionsauftrag besteht darin, Vielfalt zu sichern und als Gegengewicht zum privaten Rundfunk Orientierungshilfe zu bieten.


Die einfachgesetzliche Ausgestaltung des § 2 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) sieht allerdings eine wechselseitige Verknüpfung zwischen Beitragspflicht und Erfüllung des Funktionsauftrags nicht vor. Deshalb kann die Klägerin angebliche Defizite im Programm der Beitragspflicht nicht unmittelbar entgegenhalten. Auch Bestimmungen des Medienstaatsvertrages, die auf die Rundfunkbeitragspflicht Bezug nehmen, stellen eine solche Verknüpfung nicht her. Vielmehr strebten die Landesgesetzgeber mit dem Übergang von der Gebührenpflicht zur Beitragspflicht an, ein Erhebungs- und Vollzugsdefizit zu verhindern und den Verwaltungsaufwand für die Erhebung in einem Massenverfahren zu verringern. Deshalb haben sie sich bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung von Praktikabilitätserwägungen mit dem Ziel der Einfachheit der Erhebung leiten lassen. Sie konnten im Vertrauen auf die zur Sicherung von Vielfalt und Ausgewogenheit geschaffenen Strukturen und Vorgaben von einer Prüfung der Erfüllung des Funktionsauftrags im Einzelfall absehen.


Die Klägerin kann der Durchsetzung ihrer Beitragspflicht auch kein subjektiv-öffentliches Recht auf Erfüllung des Rundfunkauftrags entgegenhalten. Ein solches Recht ergibt sich weder aus der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG noch aus der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Rundfunkfreiheit.


Allerdings fehlt es an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Beitragspflicht des § 2 Abs. 1 RBStV, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt. Die Schwelle für eine Verletzung des Äquivalenzgebots ist jedoch hoch. Sie muss dem weiten Spielraum des Gesetzgebers bei Ausgestaltung einer Beitragspflicht Rechnung tragen und setzt daher ein grobes Missverhältnis zwischen Abgabenlast und Programmqualität voraus. Zudem ist es schwierig festzustellen, ob die gebotene Abbildung der Meinungsvielfalt und deren ausgewogene Darstellung im Gesamtprogrammangebot tatsächlich gelingt. Denn die programmliche Vielfalt und Ausgewogenheit ist ein Zielwert, der sich stets nur annäherungsweise erreichen lässt. Schließlich ist der grundrechtlich verbürgten Programmfreiheit Rechnung zu tragen. Diese berechtigt und verpflichtet die Rundfunkanstalten, die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen – ergebenden Anforderungen an die Erfüllung des Rundfunkauftrags eigenverantwortlich sicherzustellen und anhand anerkannter Maßstäbe zu bestimmen, was der Rundfunkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt.


Vor diesem Hintergrund ist die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags erst dann in Frage gestellt, wenn das aus Hörfunk, Fernsehen und Telemedien bestehende mediale Gesamtangebot aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt erkennen lässt.


Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2018 die sachliche Rechtfertigung der Rundfunkbeitragspflicht für das damalige öffentlich-rechtliche Programmangebot nicht in Zweifel gezogen. Damit hat es zu diesem Zeitpunkt eine verfassungsrechtliche Äquivalenz zwischen Beitragspflicht und Programmqualität bejaht. Ob sich hieran inzwischen etwas geändert hat, obliegt der tatrichterlichen Würdigung, ohne dass den Rundfunkanstalten insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht. In den Blick zu nehmen ist eine längere Zeitspanne von nicht unter zwei Jahren, die mit dem in dem angefochtenen Bescheid abgerechneten Zeitraum endet. Bietet das klägerische Vorbringen – in aller Regel durch wissenschaftliche Gutachten unterlegt – hinreichende Anhaltspunkte für evidente und regelmäßige Defizite, hat ein Verwaltungsgericht dem nachzugehen. Bestätigt sich dies im Rahmen der Beweiserhebung zur Überzeugung des Gerichts, so hat es die in § 2 Abs. 1 RBStV verankerte Rundfunkbeitragspflicht dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vorzulegen.


Der Verwaltungsgerichtshof ist auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung dieser Frage nicht nachgegangen. Da dem Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz eine Sachverhaltsaufklärung hierzu verwehrt ist, war der Rechtsstreit an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Allerdings erscheint es nach dem bisherigen tatsächlichen Vorbringen derzeit überaus zweifelhaft, ob die Klägerin eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wird erreichen können.


BVerwG 6 C 5.24 - Urteil vom 15. Oktober 2025

Vorinstanzen:

VG München, VG M 6 K 22.3507 - Urteil vom 21. September 2022 -

VGH München, VGH 7 BV 22.2642 - Urteil vom 17. Juli 2023 -


Beschluss vom 23.05.2024 -
BVerwG 6 B 70.23ECLI:DE:BVerwG:2024:230524B6B70.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.05.2024 - 6 B 70.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:230524B6B70.23.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 70.23

  • VG München - 21.09.2022 - AZ: M 6 K 22.3507
  • VGH München - 17.07.2023 - AZ: 7 BV 22.2642

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 23. Mai 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 17. Juli 2023 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit vorläufig - für das Revisionsverfahren auf jeweils 63,53 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Revision der Klägerin ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden kann, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle (vgl. BVerfG, Beschluss vom ‌24. April 2023 - 1 BvR 601/23 - NVwZ 2024, 55 Rn. 9).

2 Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 3 GKG; die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 6 C 5.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch die Beschwerdeführerin bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 15.10.2025 -
BVerwG 6 C 5.24ECLI:DE:BVerwG:2025:151025U6C5.24.0

Konnex zwischen Rundfunkbeitragspflicht und Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Leitsätze:

1. Der den Rundfunkbeitrag rechtfertigende individuelle Vorteil liegt in der Möglichkeit, ein den Anforderungen des klassischen Funktionsauftrags entsprechend ausgestaltetes Programm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten empfangen zu können (im Anschluss an BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - BVerfGE 149, 222, Rn. 81 sowie Kammerbeschlüsse vom 24. April 2023 - 1 BvR 601/23 - NVwZ 2024, 55 Rn. 9 und vom 17. Juni 2025 - 1 BvR 622/24 - K&R 2025, 484 Rn. 13).

2. Die einfachrechtliche Ausgestaltung der Beitragspflicht aus § 2 Abs. 1 RBStV enthält keinen Konnex zwischen Beitragspflicht und Programmqualität, der es ermöglicht, der Zahlungspflicht eine Schlecht- oder Nichterfüllung der programmlichen Anforderungen des Funktionsauftrags entgegenzuhalten.

3. Der durch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Wege einer Vorzugslast ausgelöste Konnex zwischen Beitragspflicht und Vorteilhaftigkeit des Programmangebots findet seine Verankerung allein in der sachlichen Rechtfertigung der Beitragspflicht des § 2 Abs. 1 RBStV auf verfassungsrechtlicher Ebene. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags steht aber erst dann mit Verfassungsrecht nicht mehr im Einklang, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt.

4. Diese materiell-verfassungsrechtliche Schwelle schlägt sich in den Anforderungen nieder, die an einen substantiierten, die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO auslösenden, klägerischen Vortrag zu stellen sind.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 94 Abs. 4 Satz 1, Art. 100 Abs. 1
    BVerfGG § 31 Abs. 1
    RBStV §§ 1, 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 10, § 4 Abs. 2
    MStV §§ 26, 34
    BGB § 273 Abs. 1
    VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1, § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2

  • VG München - 21.09.2022 - AZ: M 6 K 22.3507
    VGH München - 17.07.2023 - AZ: 7 BV 22.2642

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 15.10.2025 - 6 C 5.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:151025U6C5.24.0]

Urteil

BVerwG 6 C 5.24

  • VG München - 21.09.2022 - AZ: M 6 K 22.3507
  • VGH München - 17.07.2023 - AZ: 7 BV 22.2642

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp am 15. Oktober 2025 für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juli 2023 aufgehoben.
  2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen. Sie ist Inhaberin einer Wohnung in B. Mit Bescheid vom 1. April 2022 setzte der Rundfunk-Beitragsservice des Beklagten gegenüber der Klägerin einen Zahlbetrag von 63,53 € fest. Der Betrag errechnete sich aus den Rundfunkbeiträgen für Oktober 2021 bis März 2022 zuzüglich eines Säumniszuschlags und abzüglich bereits gezahlter Beträge. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 2022 zurück.

2 Das Verwaltungsgericht München hat die Klage mit Urteil vom 21. September 2022 abgewiesen. Auch in zweiter Instanz ist die Klägerin unterlegen. Mit Urteil vom 17. Juli 2023 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin sei gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag beitragspflichtig und daher zu Recht zur Zahlung der rückständigen Rundfunkbeiträge nebst Säumniszuschlag herangezogen worden. Das Gericht sehe sich an einer erneuten Prüfung der zur Verfassungskonformität der Beitragspflicht aufgeworfenen Rechtsfragen infolge der Bindung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - gehindert. Diese Bindung betreffe auch die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags als Vorzugslast, deren konkrete Gegenleistung allein in der Möglichkeit des Rundfunkempfangs bestehe. Auf dieser Grundlage könne der Beitragspflicht nicht der Einwand entgegengehalten werden, der öffentlich-rechtliche Rundfunk biete kein hinreichend ausgewogenes und vielfältiges Programm. Die grundrechtlich geschützte Programmfreiheit des Beklagten setze eine institutionelle Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen voraus und schütze vor unmittelbarer und mittelbarer Einflussnahme Außenstehender. Auf die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen verfassungsgemäßen Funktionsauftrag verfehle, komme es daher nicht an; sie bedürfe keiner Aufklärung durch das Gericht. Diese Kontrolle obliege vielmehr den zuständigen Gremien als Sachwalter des Interesses der Allgemeinheit. Die Klägerin könne ihre Einwände im Wege der Programmbeschwerde geltend machen.

3 Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Mai 2024 - 6 B 70.23 - die Revision gegen das Berufungsurteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Es sei die vom Bundesverfassungsgericht in dem Kammerbeschluss vom 24. April 2023 - 1 BvR 601/23 - thematisierte Frage zu klären, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden könne, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfehlten strukturell ihren Auftrag, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle.

4 Die Klägerin macht geltend, der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu dienen. Er müsse ein vielfältiges und ausgewogenes Programmangebot gewährleisten. Dazu gehöre, dass auch Autoren der sog. alternativen Medien gleichwertig zur Sprache kämen. Demgegenüber biete der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit Jahrzehnten Meinungseinfalt statt der verfassungsrechtlich gebotenen Meinungsvielfalt. Der Beklagte verstehe die Rundfunkfreiheit einseitig als Garantie seiner journalistischen Autonomie und Unabhängigkeit gegenüber dem Souverän. Er mache sich zum Erfüllungsgehilfen der vorherrschenden staatlichen Meinungsmacht, zensiere andere Auffassungen und betreibe in diesem Sinne staatliche Indoktrination. Die Klägerin verweist auf eine zum Klageverfahren verfasste Stellungnahme von Prof. Dr. M. Der Autor komme auf der Grundlage der Auswertung verschiedener Forschungsergebnisse und eigener Fallstudien zu einer exemplarisch untersuchten Nachrichtensendung zu dem Ergebnis, dass die Kriterien von Objektivität, Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramm weder quantitativ noch qualitativ erfüllt seien. Auch aufgrund zusätzlicher Fachquellen und Erkenntnisse müsse in der Gesamtschau von einem offenkundigen Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Erfüllung seines Funktionsauftrags gesprochen werden. Jedenfalls gebiete der Amtsermittlungsgrundsatz eine gerichtliche Aufklärung dieser Frage.

5 Dazu komme, dass die Zivilgesellschaft in den zur Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk berufenen Gremien nicht ausreichend repräsentiert sei, der Einfluss der politischen Parteien konterkariere die gebotene Staatsferne. Die fehlende Meinungsvielfalt zeige sich auch im Umgang mit Programmbeschwerden. Diese würden in der Regel einstimmig oder mit großer Mehrheit entsprechend der Empfehlung des Programmausschusses der Chefredaktion behandelt. Die vom Bundesverfassungsgericht beschworene Gefahr einer Dominanz der Mehrheitsperspektive und einer Versteinerung der Zusammensetzung der Gremien habe sich bereits verwirklicht.

6 Die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag als Beitrag ausgestaltete Zahlungspflicht begründe zwischen der Klägerin und dem Beklagten eine auf Wechselseitigkeit angelegte synallagmatische Rechtsbeziehung mit subjektiven Rechten und Pflichten. Infolge des strukturellen Versagens des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Erfüllung seines Funktionsauftrags entfalle der individuelle Vorteil, der den Beitrag rechtfertige, und die Klägerin werde von ihrer Zahlungspflicht frei. Es genüge gerade nicht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt in Anspruch nehmen zu können, sondern dieser müsse auch ein seiner verfassungsrechtlichen Funktion gerecht werdendes Programmangebot bieten. § 26 Abs. 1 Satz 5 MStV nehme ausdrücklich den Vorteil der Beitragsfinanzierung in Bezug und verankere damit die Konnexität zwischen Auftragserfüllung und Beitragspflicht. Dieser Anspruch ergebe sich auch aus der als dienende Freiheit ausgestalteten Rundfunkfreiheit des Grundgesetzes und der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG garantierten Informationsfreiheit. Die verfassungsrechtlich verbürgte Finanzierungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stehe einem Entfallen der Zahlungspflicht nicht entgegen. Der Beklagte und der reformunwillige Gesetzgeber sollten durch den drohenden Verlust der Beitragszahlungen zur Erfüllung angehalten werden. Die Schwierigkeit, die Erfüllung des Rundfunkauftrags zu überprüfen, rechtfertige keine Einschränkung der gerichtlichen Prüfungstiefe. Vielmehr schulde der Beklagte seinerseits einen überprüfbaren Nachweis seiner funktionsgerechten Auftragserfüllung, etwa im Wege eines Qualitätsmanagements. Soweit sich das Berufungsurteil auf die Bindungswirkung des verfassungsgerichtlichen Urteils vom 18. Juli 2018 zum Rundfunkbeitragsrecht stütze, sei diese jedenfalls infolge der geänderten Wirklichkeit entfallen. Es verletze den Anspruch der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz, dass das Berufungsgericht sie unter Ausschluss des Rechtsweges auf die Programmbeschwerde verweise.

7 Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juli 2023, Aktenzeichen 7 BV 22.26 42 , den Bescheid des Beklagten vom 1. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2022 aufzuheben.

8 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9 Das von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erbrachte Medienangebot sei auftragskonform und im Sinne des Beitragsrechts objektiv vorteilhaft. Nach der gefestigten Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018, dem für das vorliegende Verfahren bindende Wirkung zukomme, bestehe der von der Klägerin geltend gemachte Konnex zwischen Beitragspflicht und Erfüllung des Funktionsauftrags nicht. Es gebe keine Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrechte der Klägerin, die sie ihrer gesetzlichen Beitragspflicht entgegenhalten könne. Ein subjektiv-öffentliches Recht des Rundfunkteilnehmers auf Erfüllung des Funktionsauftrags sei in § 26 Abs. 3 MStV ausdrücklich ausgeschlossen. Die Programmautonomie der Rundfunkbetreiber stehe einer Bewertung der Programmqualität durch Dritte entgegen.

10 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe nicht durch einen solchen Konnex unter wirtschaftlichen Druck gesetzt werden. Der Gesetzgeber sei vielmehr darauf verwiesen, die verfassungsrechtliche Erwartung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein vielfältiges und hochwertiges Rundfunkangebot hervorbringe, organisatorisch-prozedural abzusichern. Die gegenwärtige Ausgestaltung der Rundfunkordnung erfülle diese Funktionserwartung. Die inhaltlichen Vorgaben für die Rundfunkanstalten seien im Medienstaatsvertrag sowie den jeweiligen gesetzlichen Grundlagen der Anstalten festgeschrieben. In § 26 Abs. 1 Satz 1 MStV fänden sich eine präzisierende Aufgabenbeschreibung und Vorgaben zur Einhaltung journalistischer Standards. Diese würden durch ein Bündel von Richtlinien, Handlungsanweisungen und strukturellen Maßnahmen zur Vielfaltssicherung ergänzt. Hinsichtlich der Erfüllung der qualitativen programmlichen Anforderungen an Vielfalt und Ausgewogenheit gelte der Vorrang der Gremienkontrolle. Die Zusammensetzung des Rundfunkrats des Beklagten entspreche auch im Hinblick auf die gebotene Staatsferne den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

11 Zwar komme dem Sachgrund für die Beitragsbelastung im Bereich der Vorzugslasten rechtfertigende Kraft zu. Daher sei es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beitragsschuldner im Falle eines vollständigen Entfallens des Vorteils die Zahlungspflicht abwehren könne. Allerdings lägen die Hürden für die Annahme einer beitragsdelegitimierenden Vorteilslosigkeit sehr hoch. Die vorübergehend entfallene oder eingeschränkte Nutzbarkeit genüge dafür noch nicht. Allenfalls dann, wenn das Gesamtbild des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über einen erheblichen Zeitraum offenkundig und regelhaft auftretende Mängel hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt erkennen lasse, komme ein Wegfall der Beitragspflicht in Betracht.

12 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

II

13 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil beruht in seinem Ausgangspunkt, das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - (BVerfGE 149, 222) mit bindender Wirkung festgestellt, der den Rundfunkbeitrag rechtfertigende Vorteil liege allein in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können, auf einer Verletzung revisiblen Rechts gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (1.). Zwar kann die Klägerin ihrer Beitragspflicht auf einfachrechtlicher Ebene nicht unmittelbar entgegenhalten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Funktionsauftrag nicht erfülle (2.). Allerdings fordert die zur Rechtfertigung des Rundfunkbeitrags gebotene Vorteilhaftigkeit, dass Beitragspflicht und Erfüllung des Funktionsauftrags auf verfassungsrechtlicher Ebene miteinander verknüpft sind (3.). Deshalb muss ein Verwaltungsgericht mit Blick auf eine Vorlage des § 2 Abs. 1 RBStV nach Art. 100 GG dem substantiiert vorgetragenen Einwand nachgehen, das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfehle über einen längeren Zeitraum gröblich die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit (4.). Da das Berufungsgericht infolge seiner Rechtsauffassung diese Frage noch nicht geprüft hat, war das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (5.).

14 1. Das Berufungsgericht legt seinem Urteil zugrunde, der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende Vorteil liege nach der bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allein in der Möglichkeit, das Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nutzen zu können. Daher bestehe kein rechtlich relevanter Konnex zwischen der Rundfunkbeitragspflicht der Klägerin aus § 2 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV), eingeführt durch den Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010 (in Bayern bekannt gemacht am 7. Juni 2011, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 258, berichtigt S. 404) und der inhaltlichen Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Mit dieser Rechtsauffassung verkennt das Berufungsurteil den Inhalt des bindenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 und verstößt damit gegen Art. 94 Abs. 4 Satz 1 GG, § 31 Abs. 1 BVerfGG.

15 a. Gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Damit soll eine einheitliche Auslegung des Grundgesetzes sichergestellt und die Autorität des Bundesverfassungsgerichts als maßgeblicher Interpret des Grundgesetzes gewahrt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1999 - 6 C 9.98 - BVerwGE 108, 355 <359 f.> m. w. N.). Diese Bindungswirkung bekräftigt auch der durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember 2024 (BGBl. I Nr. 439) neu geschaffene Art. 94 Abs. 4 Satz 1 GG in sachlich unveränderter Form (vgl. BT-Drs. 20/12977 S. 8 f.). Die Bindungswirkung erfasst nicht nur die Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsnorm für mit dem Grundgesetz unvereinbar oder vereinbar erklärt, sondern auch die Fallkonstellation, in der das Bundesverfassungsgericht nur oder auch eine bestimmte Auslegung des einfachen Rechts für verfassungskonform erklärt. Die Bindungswirkung setzt voraus, dass der Fall, welcher der auslösenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt, und der Fall, welcher vom Fachgericht als Adressat der Bindungswirkung zu entscheiden ist, ein hohes Maß an Deckungsgleichheit aufweisen. Es muss sich um einen in jeder wesentlichen Beziehung gleichgelagerten Fall bzw. einen echten Parallel- oder Wiederholungsfall handeln, den die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts präjudiziert. Bei unveränderter Sach- und Rechtslage sind die Gerichte gehindert, die auf die jeweilige Rechtsnorm bezogene verfassungsrechtliche Frage dem Bundesverfassungsgericht erneut vorzulegen; vielmehr ist die bereits erfolgte verfassungsrechtliche Bewertung bei der anstehenden fachgerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2020 - 6 C 9.19 - juris Rn. 11 m. w. N.).

16 b. Mit dem zitierten Urteil vom 18. Juli 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung des Rundfunkbeitrags von dem Inhaber einer Wohnung - mit Ausnahme der hier nicht in Rede stehenden Beitragspflicht für Zweitwohnungen - mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Den tragenden Gründen dieses Urteils hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. Oktober 2020 - 6 C 9.19 - (juris Rn. 13) bereits entnommen, dass die Rundfunkbeitragspflicht formell verfassungsgemäß ist. Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich finanzverfassungsrechtlich nicht um eine Steuer, sondern um eine Vorzugslast in Gestalt eines Beitrags, für dessen Erhebung die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz besitzen. Der Rundfunkbeitrag wird für die konkrete Gegenleistung der Rundfunkempfangsmöglichkeit erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG werden durch die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich - abgesehen von der Beitragspflicht für Zweitwohnungen - eingehalten. Mit der Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft haben die Landesgesetzgeber den Kreis der Vorteilsempfänger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erfasst. Auch im Übrigen ist die Beitragspflicht verfassungsgemäß.

17 Dieses Präjudiz des Bundesverfassungsgerichts stützt sich unter Rn. 81 - wie durch die Kammerbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2023 - 1 BvR 601/23 - (NVwZ 2024, 55 Rn. 9) und vom 17. Juni 2025 - 1 BvR 622/24 - (K&R 2025, 484 Rn. 13) verdeutlicht wird - für die materiell-verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Beitragspflicht tragend darauf, dass der die Beitragserhebung rechtfertigende individuelle Vorteil in der Möglichkeit zur Nutzung eines den Anforderungen des klassischen Funktionsauftrags entsprechend ausgestalteten Programms liegt. Das im Gleichheitssatz verankerte Äquivalenzprinzip gebietet demnach, dass der Beitragspflicht ein objektiv vorteilhaftes öffentlich-rechtliches Medienangebot gegenübersteht. Der die Beitragspflicht legitimierende Vorteil liegt daher weder in der bloßen Empfangsmöglichkeit des Angebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (so - noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 2017 - 6 B 19.17 - juris Rn. 5 und vom 4. Dezember 2017 - 6 B 70.17 - juris Rn. 10) noch - wie der Beklagte anführt - in den durch die Rundfunkordnung geschaffenen Strukturen, mit denen der Gesetzgeber die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bezweckte Vielfalt und Ausgewogenheit des öffentlich-rechtlichen Programmangebots institutionell absichert. Vielmehr erweist sich die Frage einer Verfehlung des verfassungsrechtlichen Funktionsauftrags infolge einer mangelhaften Qualität der öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags als entscheidungserheblich (vgl. auch VerfGH NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2023 - 83/23.VB-1 - NWVBl. 2024, 65).

18 c. Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch um einen echten Parallel- oder Wiederholungsfall zu der in dem genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts präjudizierten Fallgestaltung. Denn der Beitragspflicht der Klägerin liegt mit § 2 Abs. 1 RBStV die identische Norm zugrunde und es geht mit der Beitragspflicht des Inhabers einer selbstgenutzten Wohnung um eine Fallgestaltung, die bereits Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung war. Die Art der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten während der Corona-Pandemie oder ein geändertes Medienkonsumverhalten sind keine Umstände, denen in Ansehung der Entscheidungsgründe des präjudiziellen Urteils Relevanz für den dortigen Entscheidungsausspruch zukommt.

19 2. Die zulässige Klage gegen den Festsetzungsbescheid ist aber nicht schon deshalb begründet, weil die Beitragspflicht der Klägerin aus § 2 Abs. 1 RBStV infolge einer Schlecht- oder Nichterfüllung des Funktionsauftrags durch das Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht entstanden, gemindert oder nicht durchsetzbar wäre. Angebliche Defizite im Programm können der Beitragspflicht nicht unmittelbar entgegengehalten werden.

20 a. Die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags unterliegt - ungeachtet seiner Zugehörigkeit zum Landesrecht - in vollem Umfang der Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß Art. 99 Alt. 2 GG i. V. m. § 13 RBStV kann in einem gerichtlichen Verfahren die Revision zum Bundesverwaltungsgericht auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung der Bestimmungen dieses Staatsvertrags beruht. Dies gilt in gleicher Weise für die Vorschriften des Medienstaatsvertrags (MStV) in der Fassung vom 28. April 2020, verkündet als Art. 1 des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland vom 14. - 28. April 2020 (in Bayern bekannt gemacht am 20. Juli 2020, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 450). Gemäß § 114 MStV sind auch dessen Normen revisibel.

21 b. Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei Rundfunkbeitragsbescheiden sind Beginn und Ende der Beitragspflicht gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 RBStV (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 - BVerwGE 167, 20 Rn. 10), vorliegend also die im Zeitraum Oktober 2021 bis März 2022 gültige Rechtslage.

22 Die Klägerin erfüllte während dieser Zeit nach den für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die tatbestandlichen Voraussetzungen der Beitragspflicht. Der Rundfunkbeitrag betrug auf der Grundlage der Zwischenregelung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 - (BVerfGE 158, 389 Rn. 113 f.) monatlich 18,36 €. Die daraus unter Abzug bereits gezahlter Beträge errechnete Höhe des geschuldeten Betrages und das Anfallen eines Säumniszuschlags sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

23 c. Demgegenüber enthält der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag keine gesetzliche Verknüpfung zwischen Beitragspflicht und Erfüllung des Funktionsauftrags, auf die sich die Klägerin für ein Entfallen ihrer Zahlungspflicht wegen angeblicher programmlicher Defizite berufen könnte. Lediglich bei objektiver Nutzlosigkeit des Rundfunkempfangs für Taubblinde (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV) und bei der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit für blinde und hörgeschädigte Menschen (§ 4 Abs. 2 RBStV) kann die Beitragspflicht entfallen. Zudem nennt die Gesetzesbegründung den Fall einer aus technischen Gründen fehlenden Empfangsmöglichkeit (vgl. dazu BayLT-Drs. 16/7001 S. 16; in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 17).

24 d. Auch aus § 1 RBStV i. V. m. § 26 bzw. § 34 MStV oder weiteren Bestimmungen des Medienstaatsvertrags, die auf die Beitragsfinanzierung Bezug nehmen, lässt sich bei einer an Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn und Zweck der Bestimmungen orientierten Auslegung nicht die von der Klägerin reklamierte einfachrechtliche Verknüpfung der Beitragspflicht mit der Programmqualität entnehmen.

25 aa. § 1 RBStV legt fest, dass der Rundfunkbeitrag der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient. Mit der Verweisung auf den Rundfunkstaatsvertrag konkretisiert § 1 RBStV die Verwendung der Beitragsmittel zur Wahrnehmung der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. BayLT-Drs. 16/7001 S. 12). Damit bringt § 1 RBStV das Ziel des Gesetzgebers zum Ausdruck, durch die finanzielle Belastung der Beitragspflichtigen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die zu ihrer bedarfsgerechten Finanzierung erforderlichen Mittel zu verschaffen. Der Wortlaut bietet aber keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber damit zugleich eine tatbestandliche Verankerung der Erfüllung des Funktionsauftrags im Sinne einer eigenständigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Beitragspflicht erreichen wollte.

26 bb. Die Begründung des Gesetzesentwurfs nennt als Belastungsgrund ausdrücklich die "Möglichkeit der Nutzung" und die "Empfangsmöglichkeit" (BayLT-Drs. 16/7001 S. 12, 13; so bereits BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 61). Der Gesetzgeber greift damit die bisherige Rechtslage zur Rundfunkgebühr auf, ersetzt aber das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts durch das Innehaben einer Wohnung als Anknüpfungspunkt für die Belastung. Auch künftig soll die Beitragspflicht daher unabhängig von der tatsächlichen Rundfunknutzung bestehen. Für einen einfachrechtlichen Konnex der Beitragspflicht mit der programmlichen Qualität des öffentlich-rechtlichen Programmangebots fehlen in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte.

27 cc. Nur in diesem Sinne lässt sich auch die von der Klägerin angeführte Norm des § 26 Abs. 1 Satz 5 MStV in der heute gültigen - für den vorliegenden Rechtsstreit aber in zeitlicher Hinsicht nicht maßgeblichen - Fassung verstehen. § 26 MStV ist die Grundnorm der staatsvertraglich ausdifferenzierten Aufgabenbeschreibung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die aktuelle Fassung des § 26 MStV geht zurück auf den Dritten Medienänderungsstaatsvertrag und resultiert aus der jahrelang geführten Diskussion um den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zu Satz 5 führt die Begründung des Gesetzesvorschlags aus, dieser stelle für die Verwirklichung des Funktionsauftrags auf die Möglichkeiten ab, die den Rundfunkanstalten aus ihrer Finanzierung durch Beiträge erwüchsen. Diese Art der Finanzierung begründe die gesetzgeberische und gleichzeitig verfassungsgerichtliche Erwartung, ein Angebot hervorzubringen, das aufgrund der Beitragsfinanzierung einer anderen Entscheidungsrationalität als der ökonomischer Anreize folge, damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffne und sich nicht allein durch Quotenorientierung, sondern durch Qualität, Innovation, Differenzierung, eigene Impulse und vielfältige Perspektiven auszeichne (BayLT-Drs. 18/25052 S. 11). Damit verleihen die Landesgesetzgeber ihrer Erwartung Ausdruck, dass die Beitragsfinanzierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu einer qualitätsvollen, ausgewogenen und vielgestaltigen Programmgestaltung befähigt (vgl. BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11 u. a. - BVerfGE 136, 9 <29>) und dieser dienlich ist. Damit ist aber entgegen dem Verständnis der Klägerin keine synallagmatische Wechselseitigkeit der Beitragspflicht gemeint. Vielmehr verweist diese Begründung darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags eine gesicherte Finanzausstattung als Vorbedingung voraussetzt (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <91>).

28 dd. Dieses Ergebnis entspricht auch dem vom Gesetzgeber mit der Ausgestaltung der Rundfunkfinanzierung als Vorzugslast verfolgten Sinn und Zweck. Denn die Landesgesetzgeber strebten mit dem Übergang von der Gebührenpflicht zur Beitragspflicht lediglich an, ein infolge des Gerätebezugs der Abgabenpflicht drohendes strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit zu verhindern und den Verwaltungsaufwand für den Erhebungsprozess zu verringern (vgl. BayLT-Drs. 16/7001 S. 11). Der mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verfolgte Zweck, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch eine Abgabenpflicht der Rundfunknutzer die erforderliche Finanzausstattung zu verschaffen, blieb dagegen unverändert bestehen. Bei der Ausgestaltung von Beitragsregelungen darf sich der Gesetzgeber aber in erheblichem Umfang auch von Praktikabilitätserwägungen mit dem Ziel der Einfachheit der Erhebung leiten lassen; dies gilt in besonderem Maße bei Massenverfahren wie der Erhebung des Rundfunkbeitrags (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 71 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2023 - 6 B 34.22 - K&R 2023, 540 Rn. 9). Die Landesgesetzgeber konnten daher im Vertrauen auf die zur Sicherung von Vielfalt und Ausgewogenheit geschaffenen Strukturen und Vorgaben von einer Prüfung der Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags im Einzelfall absehen.

29 e. Die Klägerin kann gegen die Beitragspflicht aus § 2 Abs. 1 RBStV auch keine Gegenrechte geltend machen, die eine Durchsetzbarkeit der Forderung hindern könnten.

30 aa. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht infolge der Beitragspflicht keine Beziehung, die ein Synallagma der wechselseitigen Pflichten begründen könnte. Der Rundfunkbeitrag wurzelt nicht in einer vertraglich ausgestalteten Rechtsbeziehung. Er ist vielmehr eine hoheitlich auferlegte Abgabe und entsteht unmittelbar kraft Gesetzes. Noch zur Rundfunkgebühr hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die für das Bereithalten des Empfangsgeräts zu zahlende Gebühr sei nicht Gegenleistung für eine einzelne, vom Teilnehmer in Anspruch genommene, konkret messbare Leistung, sondern das von den Ländern eingeführte Mittel zur Finanzierung des Rundfunks als einer Gesamtveranstaltung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. September 1988 - 1 BvR 1180/85 - ZUM 1988, 532 und Urteil vom 27. Juli 1971 - 2 BvF 1/68 u. a. - BVerfGE 31, 314 <329 f.>). Dies gilt erst recht für die Ausgestaltung als Beitrag, bei dem nicht mehr die konkrete Leistung, sondern lediglich die potentielle Nutzbarkeit Anknüpfungspunkt der Abgabenlast ist. Die von der Klägerin befürwortete Analogie zu einem vertraglich begründeten Dauerschuldverhältnis verbietet sich daher schon im Ansatz.

31 bb. Auch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB analog steht der Klägerin - unbeschadet der Frage einer Analogiefähigkeit dieser Norm im Abgabenrecht - nicht zu. Es fehlt bereits an einem in der rundfunkrechtlichen Beziehung wurzelnden Gegenrecht.

32 (1) Die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vermag der Klägerin eine solche Rechtsposition nicht zu vermitteln. Die Rundfunkfreiheit steht allen natürlichen und juristischen Personen zu, die Rundfunkprogramme veranstalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <310>). Eine Grundrechtsberechtigung des Rundfunknutzers lässt sich daraus nicht ableiten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. September 1988 - 1 BvR 1180/85 - ZUM 1988, 532 und vom 19. Dezember 1988 - 1 BvR 315/86 - NJW 1990, 311; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. August 1985 - 7 B 177.84 - NVwZ 1986, 379). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG weist gegenüber dem Rezipienten vielmehr nur einen objektiv-rechtlichen, "dienenden" Gehalt auf. Er fordert vom Gesetzgeber die Schaffung einer positiven Ordnung, welche sicherstellt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnimmt und wiedergibt, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <88>).

33 (2) Auch die Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG) vermittelt der Klägerin kein Gegenrecht. Dieses Grundrecht schützt den Zugang zu allgemein zugänglichen Quellen und zugleich die eigene Entscheidung darüber, sich aus solchen Quellen zu informieren (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 135 m. w. N.). Der als Abwehrrecht ausgestaltete Schutzbereich gibt aber weder ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 - BVerfGE 103, 44 <59 f.>) noch auf eine bestimmte Qualität einer allgemein zugänglichen Quelle (vgl. zum Schutzbereich im Hinblick auf rundfunkrechtliche Organisationsnormen bereits BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 1988 - 1 BvR 315/86 - NJW 1990, 311).

34 3. Der durch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Wege einer Vorzugslast ausgelöste Konnex zwischen Beitragspflicht und Vorteilhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Programmangebots findet seine Verankerung daher allein in der sachlichen Rechtfertigung der Beitragspflicht des § 2 Abs. 1 RBStV auf verfassungsrechtlicher Ebene. Das verfassungsrechtliche Äquivalenzprinzip ist allerdings nur dann verletzt, wenn die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit des Gesamtangebots gröblich verfehlt werden.

35 a. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, dass im Falle einer gesetzlich angeordneten Beitragspflicht die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Denn wesentlich für den Begriff des Beitrags ist der Gedanke der angebotenen Leistung (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 66 m. w. N.). Dabei kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn kein konkreter Bezug mehr zwischen dem gesetzlich definierten Vorteil und dem Abgabenpflichtigen erkennbar ist. Dieser Äquivalenzgedanke ist auch für die rechtliche Gestaltung und vor allem den Veranlagungsmaßstab des Beitrags von Bedeutung. Eine Vorzugslast ist aber erst dann als sachlich nicht gerechtfertigt zu beanstanden und läuft dem Gleichheitssatz zuwider, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Abgabenzwecken steht (BVerfG a. a. O. Rn. 68 f. m. w. N.). Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Äquivalenzprinzip als Ausprägung des (bundes-)verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit etabliert und verlangt, dass eine Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stehen darf (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2005 - 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589 Rn. 58 mit Verweis u. a. auf BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u. a. - BVerfGE 108, 1 <19>).

36 b. Zugleich betont das Bundesverfassungsgericht in seiner rundfunkrechtlichen Rechtsprechung, dass die Frage, ob die zur Mitwirkung an der Meinungsbildung gebotene Abbildung der Vielfalt der bestehenden Meinungsrichtungen und deren ausgewogene Darstellung im Gesamtprogrammangebot tatsächlich gelingt, nicht exakt zu bestimmen ist, weil es hierfür an eindeutigen Maßstäben fehlt; es handelt sich um einen Zielwert, der sich stets nur annäherungsweise erreichen lässt (BVerfG, Urteile vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <323 f.> und vom 4. November 1986 - 1 BvF 1/84 - BVerfGE 73, 118 <156>). Die Erfüllung der im klassischen Rundfunkauftrag formulierten verfassungsrechtlichen Zielvorstellung durch das konkret unterbreitete öffentlich-rechtliche Programmangebot kann daher entgegen der Vorstellung der Klägerin in positiver Hinsicht weder mit letzter Gewissheit empirisch belegt noch anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen kontrolliert werden.

37 c. Dieses Fehlen eindeutiger Maßstäbe wurzelt auch in der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fällt es zwar dem Gesetzgeber zu, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Vielfaltssicherung zu konkretisieren und die entsprechenden medienpolitischen und programmleitenden Entscheidungen unter anderem im Wege der Leitlinien und Programmgrundsätze zu treffen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2025 - 1 BvR 2578/24 - juris Rn. 85 m. w. N.). Als Träger der Rundfunkfreiheit sind die Rundfunkanstalten aber berechtigt und verpflichtet, die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen - ergebenden Anforderungen an die Erfüllung des Rundfunkauftrags eigenverantwortlich sicherzustellen und anhand anerkannter Maßstäbe zu bestimmen, was dieser in publizistischer Hinsicht verlangt (stRspr; vgl. m. w. N. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2025 - 1 BvR 2578/24 - ‌juris Rn. 86 und BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 19). Denn die Rundfunkfreiheit ist in ihrem Kern Programmfreiheit (stRspr; BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <87>; Beschlüsse vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 2172/96 - BVerfGE 95, 220 <234> und vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <310>). Sie gewährleistet, dass der Rundfunk frei von externer Einflussnahme entscheiden kann, wie er seine publizistische Aufgabe erfüllt (stRspr; vgl. m. w. N. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2025 - 1 BvR 2578/24 - juris Rn. 85). Die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms steht den Rundfunkanstalten zu. Eingeschlossen ist grundsätzlich auch das Recht, selbst über die benötigte Zeit und damit auch über Anzahl und Umfang der erforderlichen Programme zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 84).

38 Dieser Befund ändert aber nichts daran, dass die aus dem Äquivalenzprinzip gewonnene Notwendigkeit einer Vorteilhaftigkeit des Programmangebots der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt und nicht einer Bewertung der Rundfunkanstalten selbst oder durch dazu berufenen Gremien vorbehalten ist. Denn ein rechtfertigender Grund für eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte in Form eines Beurteilungsspielraums (vgl. dazu grundlegend BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20 ff.>) ist im Hinblick auf das den Maßstab bildende grobe Missverhältnis nicht erkennbar. Eine solche Evidenzbeurteilung überschreitet - zumal bei der Inanspruchnahme gutachterlicher Expertise - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung.

39 d. Kann daher mit Rücksicht auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Ausgestaltung der äquivalenten Gegenleistung sowie die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Programmautonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das zur Erfüllung des Funktionsauftrags Gebotene nicht positiv bestimmt werden, so muss sich die Würdigung, ob die einfachgesetzlich angeordnete Beitragspflicht infolge eines groben Missverhältnisses zwischen Beitragslast und Vorteilhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Programmangebots verfassungsrechtlich nicht mehr gerechtfertigt werden kann, an einem auch ohne eindeutigen Maßstab feststellbaren Unterschreiten der verfassungsrechtlichen Zielvorstellungen für das öffentlich-rechtliche Programmangebot orientieren. Die dafür im Lichte der Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und der Rundfunkfreiheit maßgebliche Schwelle ist aber erst erreicht, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in sämtlichen Verbreitungsmedien über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt und Ausgewogenheit erkennen lässt.

40 aa. Für die Beurteilung eines groben Missverhältnisses ist auf der Grundlage des präjudiziellen Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - (BVerfGE 149, 222 Rn. 81 und 98) das aus Hörfunk, Fernsehen und Telemedien bestehende mediale Gesamtprogrammangebot aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter, die vom Rundfunkbeitrag profitieren, in den Blick zu nehmen. Infolge der flächendeckenden Empfangsmöglichkeit sämtlicher öffentlich-rechtlicher Medienangebote (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 82) ist eine Kompensation eines defizitären Programmangebots einzelner Rundfunkanstalten durch das Programmangebot anderer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten möglich. Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne Themenfelder oder Formate des Programmangebots verengen. Für die Gesamtbetrachtung des Programms aller Sendeanstalten spricht auch der unter ihnen vorgesehene Finanzausgleich (§ 34 Abs. 2 MStV).

41 bb. Der Beurteilung muss ein angemessen langer Zeitraum zugrunde gelegt werden, der eine hinreichend breite und verlässliche Basis für die Feststellung evidenter und regelmäßiger Defizite bietet. Der Senat erachtet in Anlehnung an den für die Überprüfung der Höhe des Rundfunkbeitrags vorgesehenen 2-Jahres-Rhythmus (vgl. § 1 Abs. 1 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags) eine Zeitspanne von nicht unter zwei Jahren für sachgerecht, die mit dem im angefochtenen Bescheid abgerechneten Zeitraum endet (vgl. zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Rundfunkbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 - BVerwGE 167, 20 Rn. 10). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - (BVerfGE 149, 222) die sachliche Rechtfertigung der Rundfunkbeitragspflicht in Ansehung des damals vorgefundenen Programmangebots nicht in Zweifel gezogen, sondern bejaht, dass dem Rundfunkbeitrag eine äquivalente staatliche Leistung gegenübersteht (vgl. ebenda Rn. 97). Vor diesem Urteil liegende Zeiträume bleiben daher außer Betracht.

42 cc. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Beitragspflicht ist im Lichte der durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG gezogenen Schwelle noch nicht in Frage gestellt, wenn das öffentlich-rechtliche Programmangebot nur vereinzelt oder punktuell in ein Missverhältnis zu den verfassungsrechtlichen Zielvorgaben gerät. Vielmehr ist erforderlich, dass das Ziel eines vielfältigen und ausgewogenen Programmangebots evident und regelmäßig verfehlt wird.

43 (1) Insbesondere bieten die Unzufriedenheit mit einzelnen Inhalten, Sendungswiederholungen oder vereinzelte Verstöße gegen Vorgaben zur Vielfaltsicherung und Ausgewogenheit keinen Anlass, die Verfassungsmäßigkeit der Beitragspflicht in Zweifel zu ziehen (vgl. zur Unerheblichkeit vergleichbarer Einwände bereits BVerwG, Urteil vom 29. November 2023 - 6 C 3.22 - BVerwGE 181, 83 Rn. 40).

44 (2) Gleichfalls lässt sich ein grobes Missverhältnis nicht durch eine parteipolitisch tendenziöse Prägung einzelner journalistischer Formate oder Akteure belegen. Denn jedes Rundfunkprogramm wird durch die Auswahl und Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben, auch soweit es um die Entscheidung darüber geht, was ohne Schaden für die öffentliche Meinungsbildung vernachlässigt werden kann und wie das Gesendete geformt und gesagt werden soll. Die Rundfunkanstalten dürfen in ihrem Gesamtprogramm allerdings nicht lediglich eine Tendenz verfolgen, sondern sie müssen im Prinzip allen Tendenzen Raum geben (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u. a., 1 BvR 1461/80 - BVerfGE 59, 231 <258>). Daher läge in einer parteipolitischen Instrumentalisierung oder der Indienstnahme des Rundfunks für sonstige außerpublizistische Zwecke (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 - BVerfGE 87, 181 <201>) eine grobe Verfehlung des Funktionsauftrags.

45 (3) Entgegen dem klägerischen Vorbringen sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch nicht verpflichtet, alle zulässigen, gegebenenfalls auch in sogenannten "alternativen Medien" vertretenen Meinungen gleichgewichtig abzubilden. Dass der Rundfunk die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnimmt und möglichst breit und vollständig wiedergibt, die in der Gesellschaft insgesamt eine Rolle spielen, ist im Rahmen einer dualen Rundfunkordnung, in der öffentlich-rechtliche und private Veranstalter nebeneinanderstehen, eine durch das Gesamtangebot aller Veranstalter zu erfüllende Aufgabe. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben dabei für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme anzubieten, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags informieren und Meinungsvielfalt in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88 - BVerfGE 83, 238 <297 f.>). So können im Nebeneinander von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk verschiedene Entscheidungsrationalitäten aufeinander einwirken (vgl. BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11 u. a. - BVerfGE 136, 9 <30>). Diese wechselseitigen Einwirkungsmöglichkeiten setzen gerade voraus, dass keine Gleichgewichtigkeit sämtlicher Meinungen in der Darstellung gefordert wird. Auch hier sind die Rundfunkanstalten im Rahmen ihrer grundrechtlich gewährleisteten Programmautonomie frei, über Art und Umfang der Wiedergabe der Meinungen eigenverantwortlich zu entscheiden.

46 (4) Demgegenüber sind die von der Klägerin angeführten "Akzeptanzprobleme" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als faktisches Phänomen ohne normativen Gehalt als Maßstab für ein Unterschreiten der maßgeblichen Schwelle ebenso wenig geeignet wie eine Erfüllung des klassischen Rundfunkauftrags durch hohe Zustimmungswerte der Rundfunknutzer zu belegen wäre.

47 4. Ein zur Entscheidung über eine Klage gegen einen Rundfunkbeitragsbescheid berufenes Verwaltungsgericht muss daher dem substantiierten Einwand eines Klägers, das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weise über einen erheblichen Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt und Ausgewogenheit auf, nachgehen und prüfen, ob es aus Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet ist, die Beitragspflicht des § 2 Abs. 1 RBStV im Wege der konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Es kann einen Kläger nicht nur auf die Möglichkeit einer Programmbeschwerde oder die Gremienkontrolle verweisen.

48 Allerdings schlägt sich die unter 3. dargestellte materielle Schwelle auch in den Anforderungen nieder, die an einen substantiierten, die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO auslösenden klägerischen Vortrag zu stellen sind. Dafür wird in aller Regel ein wissenschaftlichen Anforderungen genügendes Gutachten erforderlich sein, das anhand geeigneter Indikatoren die Evidenz und Regelmäßigkeit potentieller Defizite untersucht. Als Referenz kann dabei das im Vorfeld des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 verfügbare Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dienen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die für seine Entscheidung relevante Frage der Qualität des öffentlich-rechtlichen Programmangebots nicht in Zweifel gezogen. Die Darlegung eines evidenten und regelmäßigen Zurückfallens hinter die im Jahr 2018 vorhandene Ausgewogenheit und Vielfalt des Programms stellt keine prozessuale Hürde dar, die für einen Kläger nicht zu überwinden wäre.

49 5. Das Berufungsgericht hat sich auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung nicht mit der Frage befasst, ob Anlass besteht, in eine Beweiserhebung einzutreten und aufzuklären, ob das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im maßgeblichen Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite im Hinblick auf die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit erweist sich daher gegenwärtig noch nicht als entscheidungsreif (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 563 Abs. 3 ZPO). Da dem Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz eine eigene Sachverhaltsaufklärung verwehrt ist, war der Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Auch die Entscheidung über die Kosten bleibt diesem Gericht im Rahmen der Schlussentscheidung vorbehalten.

50 Allerdings spricht aus Sicht des Senats derzeit auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin im Revisionsverfahren wenig dafür, dass damit eine Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, bereits angestoßen wäre. Denn die von ihr angeführten Erkenntnisse beschränken sich - wie die Klägerin im Schriftsatz vom 14. August 2025 selbst einräumt - über weite Strecken auf die Dokumentation und Untersuchung ausgewählter Programmangebote zu einzelnen Themen. Auch trifft der den angeführten Begutachtungen aus dem Bereich der Medienwirkungsforschung zugrunde gelegte Ansatz, eine Tendenz in der Berichterstattung aufzuzeigen oder die Qualitätseinschätzung der Rezipienten abzufragen, nicht den vorliegend relevanten Maßstab. Die angeführten Auswertungen und Analysen reichen zudem teilweise in Zeiträume zurück, die vor der verfassungsgerichtlichen Bestätigung der Verfassungskonformität des Rundfunkbeitrags im Jahr 2018 liegen. Im Übrigen belegt auch die von der Klägerin gerügte angebliche Fehlbesetzung von Aufsichtsgremien für sich genommen nicht das Erreichen der maßgeblichen materiellen Schwelle.