Beschluss vom 15.12.2022 -
BVerwG 8 B 39.22ECLI:DE:BVerwG:2022:151222B8B39.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.12.2022 - 8 B 39.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:151222B8B39.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 39.22

  • OVG Magdeburg - 10.03.2022 - AZ: 8 K 7/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. März 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin ist Eigentümerin von drei Grundstücken, die in dem vom Flurbereinigungsverfahren Calvörder Drömling umfassten Gebiet liegen. Das Oberverwaltungsgericht hat ihre Klage gegen den Flurbereinigungsplan abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2 Die hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der die Klägerin Verfahrensmängel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, bleibt ohne Erfolg.

3 1. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen die Gewährleistung rechtlichen Gehörs ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

4 Im gerichtlichen Verfahren verpflichten Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO das Gericht, nach seiner Rechtsauffassung rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Eine Verletzung dieser Pflicht ist allerdings nicht schon anzunehmen, wenn eine Entscheidung nicht auf jedes Element des Vortrags eingeht, sondern erst, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (stRspr, siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 22. April 2022 - 8 B 55.21 - juris Rn. 8 m. w. N.).

5 a) Mit dem Vortrag, das Oberverwaltungsgericht sei nicht darauf eingegangen, ob und inwieweit mit den im Flurbereinigungsverfahren konkret getroffenen Maßnahmen dessen Zweck erfüllt werden könne, ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargelegt.

6 Dem erstinstanzlichen schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin und dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, welches den wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs wiedergibt, lässt sich schon nicht entnehmen, dass sie konkrete Einwände gegen die Eignung der Neuzuordnung ihrer Grundstücke zur Erreichung des vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Zwecks des Flurbereinigungsverfahrens, unterschiedliche Nutzungsansprüche zu entflechten, vorgetragen hat und diese zu dem wesentlichen Kern ihres Vorbringens gehörten. Unabhängig hiervon geht das angegriffene Urteil auf die Eignung des angeordneten Flurbereinigungsverfahrens zur Verwirklichung der damit verfolgten Ziele ein. Wegen der unterschiedlichen Beschränkungen für eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Flurstücken in den Schutzzonen des betroffenen Naturschutzgebiets und der vorgesehenen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen temporärer Wiedervernässung bejaht es einen fortbestehenden Handlungsbedarf zur Verbesserung der Agrarstruktur und erklärt, solche Maßnahmen könnten im Rahmen der angeordneten Flurbereinigung durchgeführt werden (UA S. 8). Den schriftsätzlichen Einwand der Klägerin, eine Vernässung von Flächen könne durch mildere Mittel erreicht werden, hat es mangels gleicher Eignung zur dauerhaften Agrarstrukturverbesserung zurückgewiesen (UA S. 9).

7 b) Soweit die Klägerin rügt, das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht mit ihren Ausführungen zur Wertermittlung der Einlage- und Abfindungsgrundstücke und der Frage der Nachsichtgewährung im Sinne von § 134 Abs. 2 FlurbG auseinandergesetzt, begründet auch dies keine Verletzung der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs.

8 Die Klägerin weist selbst darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht ihren entsprechenden Vortrag wiedergegeben - und damit auch zur Kenntnis genommen - hat. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Angriffen der Klägerin gegen die Wertermittlung erübrigte sich, da sie nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz bereits im Rahmen des bestandskräftig abgeschlossenen Wertermittlungsverfahrens hätten vorgebracht werden müssen.

9 Mit dem Vortrag, die Klägerin habe die Wertermittlung im gerichtlichen Verfahren nicht angreifen können, ist nicht dargelegt, dass die Vorinstanz aus ihrer Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen zurückgewiesen oder übergangen hätte. Die Kritik an der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagte sei nicht an die Bodenschätzung der katasterführenden Landesbehörde gebunden, richtet sich gegen materiell-rechtliche Annahmen, die nicht Gegenstand von Verfahrensrügen sein können. Der Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe dem Beklagten keine inhaltliche Begründung für eine Abweichung von den im Kataster angegebenen Werten abverlangt, zielt auf materiell-rechtliche Annahmen, soweit er den Maßstab zur Rechtfertigung von Abweichungen betrifft. Im Übrigen beanstandet er die Verhandlungsführung des Oberverwaltungsgerichts, ohne einen Verstoß gegen prozessuale Normen aufzuzeigen.

10 Vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts aus kam es auch nicht auf die Einzelheiten des Vorbringens zur Nachsichtgewährung gemäß § 134 Abs. 2 FlurbG an. Da die Klägerin im Rahmen des Wertermittlungsverfahrens keine Einwendungen erhoben hat, lagen nach Ansicht des Flurbereinigungsgerichts die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung im Sinne von § 134 Abs. 2 FlurbG nicht vor.

11 Die Erheblichkeit des weiteren Vorbringens zur Nachsichtgewährung ist nicht mit dem Hinweis auf die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts dargetan, eine Nachsichtgewährung nach § 134 Abs. 2 FlurbG komme insbesondere bei Wertveränderungen nach unanfechtbarer Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung in Betracht (UA S. 9). Die Klägerin legt nicht dar, dass es nach der angewandten und vom Oberverwaltungsgericht gebilligten Methode der Wertermittlung im Flurbereinigungsverfahren zu Wertveränderungen der streitgegenständlichen Grundstücke nach Abschluss des Wertermittlungsverfahrens gekommen sein könnte und sie diesen Umstand - vom Flurbereinigungsgericht übergangen - bereits in der Vorinstanz vorgebracht hat.

12 2. Der geltend gemachte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß substantiiert (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Vorbringen der Klägerin bezeichnet keine Anhaltspunkte für ein Übergehen entscheidungserheblichen Prozessstoffs, für aktenwidrige Feststellungen oder für Schlussfolgerungen, die gegen Denkgesetze verstoßen oder sonst objektiv willkürlich sind (zu diesen Kriterien vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2022 - 8 B 4.22 - juris Rn. 10).

13 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.