Verfahrensinformation



Die Kläger der gemeinsam zu verhandelnden Verfahren sind ein im Gebiet Nordgaza geborener 34-jähriger Mann ungeklärter Staatsangehörigkeit (BVerwG 1 C 18.24) und ein 32-jähriger somalischer Staatsangehöriger (BVerwG 1 C 19.24). Ihnen wurde in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die in Deutschland gestellten weiteren Asylanträge als unzulässig ab (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) und drohte den Klägern die Abschiebung nach Griechenland an.


Die hiergegen erhobenen Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen, da ihnen unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung geforderten hohen Schwelle der Erheblichkeit bei einer Rückkehr nach Griechenland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK) drohe. Zwar weise das griechische Aufnahmesystem für anerkannte Schutzberechtigte weiterhin erhebliche Defizite auf. Diese führten aber nicht allgemein zu systemischen Mängeln, die jedenfalls nicht für arbeitsfähige, gesunde und alleinstehende junge männliche Schutzberechtigte bestünden. Angehörige dieser Gruppe könnten die ersten sechs Monate, in denen kein Anspruch auf ein garantiertes Mindesteinkommen bestehe, im Allgemeinen durch Eigeninitiative bei der Suche nach einer Unterkunft und einer Arbeit überwinden. Dies gelte insbesondere, wenn sie Teil einer zahlenmäßig starken Einwanderungsgruppe aus demselben Sprach- und Kulturkreis seien. Über die hiergegen gerichteten Revisionen der Kläger entscheidet das Bundesverwaltungsgericht als sogenannte Tatsachenrevisionen im Asylrecht (§ 78 Abs. 8 AsylG), bei denen es die aktuelle allgemeine asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Abschiebezielstaat (hier Griechenland) für die genannte Personengruppe zu beurteilen hat.


Pressemitteilung Nr. 30/2025 vom 16.04.2025

Keine unmenschliche oder erniedrigende Aufnahmesituation für nichtvulnerable anerkannte Flüchtlinge in Griechenland

Alleinstehenden, erwerbsfähigen und nichtvulnerablen international Schutzberechtigten drohen aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen, die eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 der EU-Grundrechtecharta zur Folge haben. Asylanträge dieses Personenkreises in Deutschland können daher nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Einklang mit dem Unionsrecht als unzulässig abgelehnt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und damit die obergerichtlich umstrittene abschiebungsrelevante Lage im Zielstaat Griechenland grundsätzlich geklärt.


Die Kläger, ein in Nord-Gaza geborener 34-jähriger Mann (BVerwG 1 C 18.24) und ein 32-jähriger somalischer Staatsangehöriger (BVerwG 1 C 19.24), wurden in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt. Sie verließen Griechenland und reisten in das Bundesgebiet ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die hier gestellten weiteren Asylanträge als unzulässig ab und drohte den Klägern die Abschiebung nach Griechenland an. Die dagegen erhobenen Klagen blieben in den Vorinstanzen erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen, da ihnen unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung geforderten hohen Schwelle der Erheblichkeit bei einer Rückkehr nach Griechenland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung (Art. 4 GRCh) drohe.


Die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof als sogenannte Tatsachenrevisionen nach § 78 Abs. 8 AsylG wegen einer Abweichung von der Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Griechenland durch andere Oberverwaltungsgerichte zugelassenen Revisionen hatten keinen Erfolg. Die allgemeine Lagebeurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof erweist sich auch für das Bundesverwaltungsgericht auf der maßgeblichen Grundlage der aktuellen Erkenntnislage als im Wesentlichen zutreffend. Danach ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass nach Griechenland zurückkehrende arbeitsfähige, gesunde und alleinstehende junge männliche Schutzberechtigte dort in eine extreme materielle Notlage geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen. Zwar haben wegen bürokratischer Hürden und Wartezeiten bis zum Erhalt erforderlicher Dokumente viele Schutzberechtigte unmittelbar nach der Ankunft keinen Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen, insbesondere aus dem aktuellen Überbrückungsprogramm, dem Integrationsprogramm Helios+ oder dem staatlichen Grundeinkommen. Sie können aber voraussichtlich zumindest in temporären Unterkünften oder Notschlafstellen mit grundlegenden sanitären Einrichtungen unterkommen, die unter anderem auf kommunaler Ebene und durch nichtstaatliche Hilfsorganisationen betrieben werden. Ihre weiteren Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung können sie durch eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls in der sogenannten Schattenwirtschaft, decken, zu dem gegebenenfalls Unterstützungsleistungen der genannten Stellen hinzutreten. Eine medizinische Notfall- und Erstversorgung ist gewährleistet.


BVerwG 1 C 18.24 - Urteil vom 16. April 2025

Vorinstanzen:

VG Gießen, VG 2 K 2137/20.GI.A - Urteil vom 21. Februar 2022 -

VGH Kassel, VGH 2 A 1131/24.A - Urteil vom 06. August 2024 -

BVerwG 1 C 19.24 - Urteil vom 16. April 2025

Vorinstanzen:

VG Gießen, VG 8 K 4675/19.GI.A - Urteil vom 23. August 2021 -

VGH Kassel, VGH 2 A 489/23.A - Urteil vom 06. August 2024 -


Urteil vom 16.04.2025 -
BVerwG 1 C 18.24ECLI:DE:BVerwG:2025:160425U1C18.24.0

Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage für männliche nichtvulnerable Schutzberechtigte in Griechenland

Leitsatz:

Nichtvulnerablen männlichen Drittstaatsangehörigen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist, drohen aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine mit Art. 4 GRC unvereinbaren Lebensbedingungen. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie in eine Lage extremer materieller Not geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene zu befriedigen.

  • Rechtsquellen
    AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, §§ 35, 78 Abs. 8
    AufenthG §§ 11, 60 Abs. 5 und 7
    GRC Art. 4
    EMRK Art. 3

  • VG Gießen - 21.02.2022 - AZ: 2 K 2137/20.GI.A
    VGH Kassel - 06.08.2024 - AZ: 2 A 1131/24.A

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.04.2025 - 1 C 18.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:160425U1C18.24.0]

Urteil

BVerwG 1 C 18.24

  • VG Gießen - 21.02.2022 - AZ: 2 K 2137/20.GI.A
  • VGH Kassel - 06.08.2024 - AZ: 2 A 1131/24.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. August 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Der in der Hellenischen Republik (im Folgenden Griechenland) als Flüchtling anerkannte Kläger wendet sich im Verfahren der sogenannten Tatsachenrevision gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig und die Androhung seiner Abschiebung nach Griechenland.

2 Der Kläger ist im September 1990 im Gaza-Streifen geboren und ist staatenlos. Seinen eigenen Angaben zufolge verließ er seine Herkunftsregion im September 2018 und reiste über Ägypten und die Türkei nach Griechenland, wo ihm antragsgemäß internationaler Schutz zuerkannt wurde. Er hielt sich für circa 11 Monate in Griechenland auf und reiste im März 2020 in das Bundesgebiet ein.

3 Dort stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erneut einen Asylantrag. Ein Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 8. Mai 2020 wurde von den griechischen Behörden unter dem 18. Mai 2020 mit der Begründung zurückgewiesen, dem Kläger sei am 30. September 2019 der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine vom 30. September 2019 bis 29. September 2022 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt worden.

4 Daraufhin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 25. Mai 2020 den Antrag des Klägers gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihm die Abschiebung nach Griechenland oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfte oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei, an, wobei der Kläger nicht in sein Herkunftsland abgeschoben werden dürfe (Ziffer 3). Zudem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt (Ziffer 5). Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Griechenland führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung von Art. 3 EMRK oder von Art. 4 GRC vorliege beziehungsweise beachtlich wahrscheinlich erscheine.

5 Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Februar 2022 abgewiesen.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 6. August 2024 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG für die Ablehnung des Asylantrages des Klägers als unzulässig lägen vor. Er habe in Griechenland den Flüchtlingsstatus erhalten und seine Überstellung dorthin verstoße bei einer Gesamtbetrachtung der ihn voraussichtlich erwartenden Lebensumstände nicht gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Das griechische Aufnahmesystem weise in Bezug auf anerkannte Schutzberechtigte, die nach der Anerkennung das Land verlassen hätten und erst nach einem Auslandsaufenthalt von mehr als einem Jahr nach Griechenland zurückkehrten, in mehreren Bereichen erhebliche Defizite auf. Für sie sei zumindest in den ersten sechs Monaten nach Rückkehr der Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen - unabhängig von ihren Bemühungen - mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden. Sie seien nach ihrer Ankunft für die Regelung ihres legalen Aufenthalts sowie der Beschaffung einer Unterkunft und der existenznotwendigen Güter mit verschiedenen bürokratischen Hürden konfrontiert. Sie müssten in Griechenland nach ihrer Anerkennung weitgehend selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen und seien auf eigene Arbeit angewiesen. Der Zugang für anerkannte Schutzberechtigte zum Arbeitsmarkt gestalte sich schwierig, wobei die größten Chancen die Schattenwirtschaft biete. Sie seien zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse auf finanzielle Unterstützung sowie auf die Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen Gütern angewiesen. Diese Defizite erreichten allerdings nicht für alle anerkannten Schutzberechtigten die notwendige besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, die eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK infolge systemischer Schwachstellen begründe. Den Erkenntnisquellen sei zu entnehmen, dass Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen kein augenscheinliches Massenphänomen sei. Dies sei auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzungen innerhalb der jeweiligen Landsleute zurückzuführen. Durch das Anwachsen sozialer Strukturen unter den anerkannten Schutzberechtigten sei die Obdachlosigkeit zurückgedrängt worden. Für Rückkehrer bestehe die Möglichkeit, in verschiedenen Unterkünften kurzfristig und zeitweise Obdach zu erhalten, sodass nicht festgestellt werden könne, dass anerkannte männliche, gesunde, junge und arbeitsfähige Schutzberechtigte, die allein nach Griechenland zurückgekehrt seien, allgemein mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Obdachlosigkeit betroffen seien. Informelle Unterkünfte oder mit mehreren Personen bewohnte, angemietete Unterkünfte könnten nicht mehrheitlich als prekär und damit als menschenunwürdig betrachtet werden. Die Erkenntnisquellen aus den Jahren 2023 und 2024 gäben hinsichtlich der Arbeitsmarktlage in Griechenland und damit für die Erwerbschancen anerkannter Schutzberechtigter und die Finanzierbarkeit einer Unterkunft gegenüber älterer Rechtsprechung ein günstigeres Bild ab. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass für Angehörige der vorgenannten Gruppe die beachtliche Wahrscheinlichkeit bestehe, das notwendige Existenzminimum nicht durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft erwirtschaften zu können. Die Bewertung gelte in besonderem Maße für Personen, die eine zahlenmäßig starke Einwanderungsgruppe aus demselben Kulturkreis bildeten. Der angefochtene Bescheid erweise sich auch im Übrigen als rechtmäßig. Die Revision wurde nach § 78 Abs. 8 Satz 1 AsylG wegen einer von anderen Oberverwaltungsgerichten abweichenden Beurteilung zugelassen.

7 Zur Begründung der Revision verweist der Kläger im Wesentlichen auf von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs abweichende verwaltungsgerichtliche und oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung sowie auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 15. Oktober 2024 (Nr. 13337/19). Es bedürfe jedenfalls einer individuellen Zusicherung Griechenlands, die gewährleiste, dass es im Fall einer Abschiebung nach Griechenland nicht zu einer mit Art. 4 GRC nicht mehr zu vereinbarenden Situation komme. Eine solche Zusicherung liege im Falle des Klägers indes nicht vor. Zudem ergebe sich aus aktuellen Äußerungen der griechischen Regierung, dass diese keine Flüchtlinge aus Deutschland zurücknehme. Die von Griechenland durch den Abschluss bilateraler Abkommen mit asiatischen Ländern geförderte Arbeitsmigration stehe der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen im Bereich der Landwirtschaft entgegen. Der Verweis auf informelle Netzwerke unter Landsleuten sei nicht tragfähig, da hierdurch die Sicherung einer menschenwürdigen Unterkunft und Zugang zu einem (legalen) Beschäftigungsverhältnis nicht zuverlässig gewährleistet werden könnten. Palästinenser und Syrer nutzten Griechenland nur als Transitland. Generell stütze das Berufungsgericht seine Lagebeurteilung nicht auf aktuelle und solide Erkenntnismittel. Bei Zugrundelegung aktueller Erkenntnismittel seien weiterhin erhebliche bürokratische Hürden sowie mangelnde staatliche Unterstützung festzustellen. Schutzberechtigte in Griechenland seien daher mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage, eine gesicherte Unterkunft zu finden und ihren Lebensunterhalt durch eine legale Beschäftigung oder staatliche Unterstützung zu gewährleisten.

8 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Lagebeurteilung des Berufungsgerichts und trägt ergänzend zur aktuellen Erkenntnislage vor.

II

9 Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war. Hierauf ist der Klägerbevollmächtigte in der am 20. Dezember 2024 zugestellten Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).

10 Die auf § 78 Abs. 8 AsylG gestützte Revision ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.). Der Verwaltungsgerichtshof hat die allgemeine abschiebungsrelevante Lage für in Griechenland anerkannte nichtvulnerable Schutzberechtigte im Ergebnis zutreffend dahin beurteilt, dass diese bei einer Rückkehr dorthin nicht beachtlich wahrscheinlich mit Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) unvereinbaren Lebensbedingungen ausgesetzt sein werden (§ 78 Abs. 8 Satz 3 AsylG). Dies gilt auch für den Kläger.

11 1. Die Revision des Klägers ist gemäß § 78 Abs. 8 Satz 1 AsylG als sogenannte Tatsachenrevision statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage im Zielstaat Griechenland in Bezug auf den genannten Personenkreis von der Beurteilung durch andere, im Einzelnen bezeichnete, Oberverwaltungsgerichte (OVG Saarlouis, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 81/22 [ECLI:​​DE:​​OVGSL:​​2022:​​1115.2A81.22.00] - juris Rn. 20 und 27; OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2022 - 5 A 492/21 A [ECLI:​​DE:​​OVGSN:​​2022:​​0427.5A492.21A.00] - juris Rn. 42; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. November 2021 - 3 B 54.19 [ECLI:​​DE:​​OVGBEBB:​​2021:​​1123.OVG3B54.19.00] - juris Rn. 20 und 46; VGH Mannheim, Urteil vom 27. Januar 2022 - A 4 S 2443/21 [ECLI:​​DE:​​VGHBW:​​2022:​​0127.A4S2443.21.00] - juris Rn. 22 ff. und 36; OVG Münster, Beschluss vom 05. April 2022 - 11 A 314/22.A [ECLI:​​DE:​​OVGNRW:​​2022:​​0405.11A314.22A.00] - juris Rn. 44 und 81; OVG Bremen, Urteil vom 16. November 2021 - 1 LB 371/21 [ECLI:​​DE:​​OVGHB:​​2021:​​1116.1LB371.21.00] - juris Rn. 37 und 51; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. April 2021 - 10 LB 244/20 [ECLI:​​DE:​​OVGNI:​​2021:​​0419.10LB244.20.00] - juris Rn. 28 und 49; VGH München, Beschluss vom 27. September 2019 - 13a AS 19.32891 [ECLI:​​DE:​​BAYVGH:​​2019:​​0927.13A.AS19.32891.00] - juris Rn. 34) entscheidungserheblich abgewichen (§ 78 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 AsylG), und er hat die Revision wegen dieser Abweichung zugelassen (§ 78 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 AsylG).

12 2. Die Revision ist unbegründet.

13 2.1 a) Prüfungsgegenstand der (Tatsachen-)Revision nach § 78 Abs. 8 AsylG ist - neben den von Amts wegen stets zu prüfenden, hier unzweifelhaften Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage und Berufung - allein die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat (§ 78 Abs. 8 Satz 3 AsylG), hier der abschiebungsrelevanten Lage im Zielstaat Griechenland. Der Begriff der Beurteilung umfasst sowohl den Prüfungsmaßstab in rechtlicher Hinsicht als auch die Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Erkenntnislage zwecks Subsumtion unter die rechtlichen Vorgaben. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Abs. 2 VwGO nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Die Befreiung von der Bindungswirkung des § 137 Abs. 2 VwGO beschränkt sich auf die allgemeine asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevante Lage; sie erfasst hingegen nicht auch Tatsachenfeststellungen zu individuellen Umständen in der Person des jeweiligen Klägers, die sich positiv oder negativ auf die Gefahrenprognose auswirken können. Eine weitere Tatsachenermittlung oder Sachaufklärung zu den individuellen Schutzgründen und eine diesbezügliche Beweisaufnahme finden nicht statt (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 [ECLI:​​DE:​​BVerwG:​​2024:​​211124U1C24.23.0] - juris Rn. 14 unter Hinweis auf BT-Drs. 20/4327 S. 44).

14 b) Bezugsrahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage ist der von der Divergenz betroffene, abstrakt bestimmte Personenkreis, der zumindest so weit gezogen werden muss, dass er die jeweils klagende Person nach den - insoweit für das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich bindenden - Feststellungen des Berufungsgerichts zu deren individuellen Verhältnissen einschließt (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 - juris Rn. 15). Danach ist hier die Gruppe der männlichen nichtvulnerablen Drittstaatsangehörigen in den Blick zu nehmen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist. Dieser Personenkreis umfasst bezogen auf den Zielstaat Griechenland alle volljährigen Schutzberechtigten ohne minderjährige Kinder, die erwerbsfähig sind und nicht an einen besonderen Schutzbedarf begründenden Krankheiten leiden. Hierzu zählt nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch der Kläger, der sich mit 34 Jahren im arbeitsfähigen Alter befindet, keine minderjährigen Kinder hat und auch keine derart erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen aufweist, dass seine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt oder ein erhöhter Schutzbedarf festzustellen wäre.

15 c) Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der von ihm eigenständig vorzunehmenden Beurteilung der allgemeinen abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat alle erforderlichen rechtlichen Konsequenzen für weitere Entscheidungen - wie hier die Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot - zu ziehen. Nur insofern sind diese von der allein als Tatsachenrevision zugelassenen Revision erfasst. Eine davon unabhängige Überprüfung auf Bundesrechtsverstöße jeglicher Art findet dagegen nicht statt (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 - juris Rn. 16).

16 d) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der allgemeinen Lage ist der in § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG genannte Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Gemäß § 78 Abs. 8 Satz 5 AsylG berücksichtigt das Bundesverwaltungsgericht dafür diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Vorrangig gelten auch hier die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gerichtliche Sachaufklärungspflicht: Als über allgemeine asyl- und abschiebungsrelevante Situationen befindendes Tatsachengericht ist das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, auf der Grundlage tagesaktueller Erkenntnisse zu entscheiden und dabei alle aktuellen Erkenntnismittel von Relevanz zu berücksichtigen. Welche Erkenntnismittel es in diesem Sinne für relevant hält, unterliegt seiner vom Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt überprüfbaren fachgerichtlichen Einschätzung (stRspr, BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. März 2017 - 2 BvR 681/17 [ECLI:​​DE:​​BVerfG:​​2017:​​rk20170327.2bvr068117] - NVwZ 2017, 1702 Rn. 11 f.; vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. April 2025 - 2 BvR 1425/24 [ECLI:​​DE:​​BVerfG:​​2025:​​rk20250401.2bvr142524] - juris Rn. 18 ff.). Die Frage, ob in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt Schutzberechtigten eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung droht, die ein Abschiebungsverbot auslöst, erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zu der jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen. Dabei kommt regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zu (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 [ECLI:​​DE:​​BVerfG:​​2016:​​rk20160421.2bvr027316] - NVwZ 2016, 1242 Rn. 11).

17 2.2 Nach diesem Prüfungsprogramm ist die zutreffend mit der Anfechtungsklage angegriffene Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides rechtlich nicht zu beanstanden. Die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig beruht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat, diesem also entweder die Flüchtlingseigenschaft oder die Eigenschaft als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt hat. Diese, stets im Einzelfall festzustellende, Voraussetzung unterliegt hier nicht der Überprüfung; von ihrem Vorliegen ist vielmehr nach den insoweit bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs auszugehen.

18 Gleichwohl kann eine auf diese Vorschrift gestützte Unzulässigkeitsentscheidung aus unionsrechtlichen Gründen rechtswidrig sein. Das ist der Fall, wenn die Lebensverhältnisse, die den Betroffenen als anerkannten Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180 S. 60) – RL 2013/32/EU - eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen (vgl. EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u. a. [ECLI:​​EU:​​C:​​2019:​​964], Hamed u. a. - Rn. 35; Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. [ECLI:​​EU:​​C:​​2019:​​219], Ibrahim u. a. - Rn. 88). Verstöße gegen Art. 4 GRC im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung sind damit nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen, sondern führen bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 - 1 C 8.23 [ECLI:​​DE:​​BVerwG:​​2024:​​240424U1C8.23.0] - juris Rn. 9 m. w. N.).

19 2.2.1 Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der Senat angeschlossen hat, gilt für die Annahme unmenschlicher oder erniedrigender Lebensbedingungen ein strenger Maßstab. Allein der Umstand, dass die Lebensverhältnisse in diesem Mitgliedstaat nicht den Bestimmungen der Art. 20 ff. im Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9) – Anerkennungsrichtlinie; nachfolgend RL 2011/95/EU - gerecht werden, führt angesichts der fundamentalen Bedeutung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu einer Einschränkung der Ausübung der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU vorgesehenen Befugnis, solange die Schwelle der Erheblichkeit des Art. 4 GRC nicht erreicht ist. Vielmehr darf jeder Mitgliedstaat - vorbehaltlich außergewöhnlicher Umstände - davon ausgehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten. Diese Vermutung gilt im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch bei der Anwendung des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU. Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 GRC führen, hindern die Mitgliedstaaten daher nicht, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eingeräumte Befugnis auszuüben. Gleiches gilt, wenn der Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaates behandelt zu werden und der ernsthaften Gefahr einer gegen Art. 4 GRC verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. - Rn. 83 ff. und Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u. a. - Rn. 34).

20 Systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fallen nur dann unter Art. 4 GRC, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falls abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst bei durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund derer die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK besteht nicht bereits dann, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Falle einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur für den Fall, dass die Befriedigung eines der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und der Drittstaatsangehörige dadurch Gefahr läuft, erheblich in seiner Gesundheit beeinträchtigt zu werden oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 - juris Rn. 21 m. w. N.). Allein die einseitige Aussetzung der Aufnahme oder Wiederaufnahme von betroffenen Personen begründet keine systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC mit sich bringen. Eine solche Feststellung kann nur nach Prüfung aller relevanten Daten auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben erfolgen (zu Dublin-Überstellungen: EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2024 - C-185/24 und C-189/24 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​1036] - Rn. 47).

21 Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK, die der EuGH seiner Auslegung des Art. 4 GRC maßgeblich zugrunde legt, müssen die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses "Mindestmaß" an Schwere (minimum level of severity) erreichen, um ein Abschiebungsverbot zu begründen (vgl. EGMR <GK>, Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/​Belgien - Rn. 174; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:​​EU:​​C:​​2017:​​127], C. K. u. a. - Rn. 68). Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen (EGMR <GK>, Urteile vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M. S. S./Belgien und Griechenland - Rn. 219 und vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10 - Rn. 174). Allerdings enthält Art. 3 EMRK weder eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, noch begründet Art. 3 EMRK eine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR <GK>, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09 - Rn. 249). Der EGMR hat aber für die als besonders verletzlich gewertete Gruppe der Asylsuchenden eine aus der Aufnahmerichtlinie (aktuell: RL 2013/33/EU) folgende gesteigerte Verantwortlichkeit der EU-Mitgliedstaaten gesehen (EGMR <GK>, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09 - Rn. 250 ff.), die mit Blick auf die Richtlinie 2011/95/EU auch für international Schutzberechtigte anzunehmen ist. Auch bei ihnen kann das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere im Zielstaat der Abschiebung erreicht sein, wenn sie ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 [ECLI:​​DE:​​BVerwG:​​2018:​​080818B1B25.18.0] - NVwZ 2019, 61 Rn. 9 ff.).

22 Für die Erfüllung der vorbezeichneten Grundbedürfnisse gelten - gerade bei nichtvulnerablen Personen - nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. Dabei sind nicht nur staatliche Unterstützungsleistungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 - NVwZ 2019, 61 Rn. 11), sondern auch Unterstützungsangebote nichtstaatlicher Hilfsorganisationen zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 3.21 [ECLI:​​DE:​​BVerwG:​​2021:​​070921U1C3.21.0] - InfAuslR 2022, 152 Rn. 25 ff.).

23 Der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert eine zeitliche Nähe des Gefahreneintritts. Die ernsthafte Gefahr eines Schadenseintritts ist nicht schon dann gegeben, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung des Art. 4 GRC anzustellende Gefahrenprognose ist vielmehr grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen oder Unterstützungsleistungen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Ablauf dieser Unterstützungsmaßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Hilfeleistungen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit einer Verelendung nach diesem Zeitraum sein (vgl. zu Rückkehrhilfen bei Rückkehr nach Afghanistan: BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 [ECLI:​​DE:​​BVerwG:​​2022:​​210422U1C10.21.0] - BVerwGE 175, 227 Rn. 21 ff.). Diese Maßstäbe hat der Senat im Zusammenhang mit der Anwendung des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Drittstaaten entwickelt; sie gelten aber ohne Weiteres auch für die Auslegung des Art. 4 GRC bei der Abschiebung anerkannter Schutzberechtigter in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 - juris Rn. 26).

24 2.2.2 Gemessen daran hat das Berufungsgericht die allgemeine abschiebungsrelevante Lage von in Griechenland anerkannten, arbeitsfähigen, gesunden und alleinstehenden jungen, männlichen Schutzberechtigten im Ergebnis zutreffend dahin beurteilt, dass diese nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von ihren persönlichen Entscheidungen in eine Lage extremer materieller Not geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen. Diese Einschätzung erweist sich auf der Grundlage der für das Bundesverwaltungsgericht maßgeblichen aktuellen Erkenntnislage als zutreffend. Danach haben viele Schutzberechtigte unmittelbar nach der Ankunft wegen bürokratischer Hürden und Wartezeiten bis zum Erhalt erforderlicher Dokumente zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keinen Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen (a). Sie können aber voraussichtlich zumindest in temporären Unterkünften oder Notschlafstellen mit grundlegenden sanitären Einrichtungen unterkommen (b). Ihre weiteren Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung können sie durch eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls aus einer Beschäftigung in der sogenannten Schattenwirtschaft, decken, zu dem gegebenenfalls Unterstützungsleistungen verschiedener Stellen hinzutreten (c). Eine medizinische Notfall- und Erstversorgung ist gewährleistet (d).

25 a) Es erscheint nicht beachtlich wahrscheinlich, dass nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte unmittelbar nach der Ankunft in eine unmenschliche oder erniedrigende Situation geraten. Sie können sich über Hilfsangebote und das Verfahren zum Erhalt von Unterstützungsleistungen informieren (aa). Bürokratische Hürden und lange Verfahrensdauern beim Erhalt erforderlicher Dokumente für den Zugang zu Hilfsleistungen führen allerdings dazu, dass sie in den ersten Wochen bis Monaten nach der Rückkehr keinen Zugang zu staatlichen sowie teilweise auch nichtstaatlichen Unterstützungsangeboten haben (bb). Bestehende staatliche Unterstützungs- und Integrationsprogramme für anerkannt Schutzberechtigte in Griechenland sind nur für einen beschränkten Personenkreis zugänglich und ebenfalls an bürokratische Hürden geknüpft (cc).

26 aa) Einerseits wird berichtet, dass mit Ankunft am Flughafen die prekäre Lage der Schutzberechtigten unmittelbar beginne und ein direkter Übergang in die Obdachlosigkeit zu befürchten sei. Bei der Ankunft am Flughafen Athen erhielten Schutzberechtigte von griechischen Behörden keinerlei Informationen, wohin sie sich in Bezug auf Unterbringungsmöglichkeiten, Unterstützung oder für behördliche Angelegenheiten wenden können (zuletzt Refugee Support Aegean RSA/Stiftung Pro Asyl, Stellungnahme zur Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2025 - im Folgenden: RSA/Pro Asyl, April 2025 –, S. 9 und 42 ff.). Andererseits wird berichtet, dass Rückkehrern ein Informationsblatt in griechischer Sprache ausgehändigt wird (u. a. Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 3. August 2022, Griechenland als sicherer Drittstaat, S. 6). Ungeachtet dessen sind eine Reihe von Informationen staatlicher und nichtstaatlicher Stellen zu Anlaufstellen für rückkehrende Schutzberechtigte sowie zu erforderlichen Dokumenten in Englisch, teilweise auch in weiteren Sprachen jedenfalls im Internet verfügbar (zu Unterkünften und Hilfsleistungen: u. a. UNHCR Greece, Athens Coordination Center for Migrant and Refugee Issues/​Refugee.Info Greece, City guide for asylum-seekers, refugees and stateless people - Athens 2024, https://help.unhcr.org/​greece/wp-content/​uploads/​sites/6/2024/01/2024-City-Guide-Athens.pdf; zu Thessaloniki: https://help.unhcr.org/​greece/wp-content/​uploads/​sites/6/2024/01/2024-City-Guide-Thessaloniki.pdf; City of Athens Reception and Solidarity Center, Integrated Homeless Centre, https:/kyada-athens.gr/en/​integrated-homeless-centre/; UNHCR Greece, Distribution of Food and Basic Items and Shelters and Day Centers in Athens, https://help.unhcr.org/​greece/wp-content/​uploads/​sites/6/2025/01/English.-Distribution-of-food.-Updated-1.pdf; Refugee.Info Greece, Services for basic needs and emergency in Athens and Thessaloniki, https://greece.refugee.info/en-us/​articles/11277548566813; UNHCR Greece, Useful Helplines and Services in Greece for asylum-seekers and refugees, https://help.unhcr.org/​greece/wp-content/​uploads/​sites/6/2025/01/English.-Useful-helplines.-Updated-1.pdf; Hellenic Republic, Ministry of Migration & Asylum, Information Guide for Beneficiaries of International Protection, April 2024, https://migration.gov.gr/wp-content/​uploads/2024/04/​ENGLISH_BROCHURE.pdf; zu erforderlichen Dokumenten, z. B. zum Reiseausweis: https://migration.gov.gr/en/​gas/aitoyntes-kai-dikaioychoi/​taxidiotika-eggrafa/). Sollten Rückkehrer allenfalls rudimentäre Informationen erhalten, ist zu berücksichtigen, dass Angehörige der Referenzgruppe bereits Erfahrungen und Orientierung in Griechenland haben. Sie haben ein Asylverfahren durchlaufen, ihnen wurde der Schutzstatus zuerkannt und sie haben Kontakt mit griechischen Behörden gehabt. Sie haben sich bereits - oftmals für eine längere Zeit, wie der Kläger - in Griechenland aufgehalten und das dortige Leben kennengelernt, sodass zumindest eine erste Orientierung vorausgesetzt werden kann. Die im Internet verfügbaren Informationen sind für Rückkehrer bereits in Deutschland, gegebenenfalls mit Unterstützung von Flüchtlingshilfeorganisationen, verfügbar.

27 bb) Für den legalen Aufenthalt in Griechenland, den Zugang zu existenzsichernden Leistungen und zum legalen Arbeitsmarkt sind für anerkannte Schutzberechtigte eine Reihe von Dokumenten (u. a. Aufenthaltserlaubnis, Reiseausweis, Sozialversicherungsnummer, Steueridentifikationsnummer) erforderlich (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl <BFA>, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, Version 9, 17. Dezember 2024 - im Folgenden BFA, Länderinformation Version 9 –, S. 23 ff.). Die vom Berufungsgericht (UA S. 14 ff. <juris Rn. 50 ff.>) und einigen divergierenden Gerichten (OVG Bremen, Urteil vom 16. November 2021 - 1 LB 371/21 - juris Rn. 58 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A - juris Rn. 102; OVG Saarlouis, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 81/22 - juris Rn. 31; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. November 2021 - 3 B 54.19 - juris Rn. 24 ff; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. April 2021 - 10 LB 244/20 - juris Rn. 53 ff.) festgestellten erheblichen Herausforderungen bei der Erlangung dieser Dokumente, die durch hohe Verwaltungshürden und schwerwiegende Verzögerungen im Ausstellungsverfahren verursacht sind, bestehen nach der aktuellen Erkenntnislage fort (RSA/Pro Asyl, April 2025, S. 10 ff.; BFA, Länderinformation Version 9, S. 23 ff.). Schutzberechtigte sind deshalb über einen längeren Zeitraum von staatlichen Leistungen, aber auch vom (legalen) Arbeitsmarkt ausgeschlossen (Stiftung Pro Asyl/​Refugee Support Aegean, Recognised refugees 2025, Access to documents and socio-economic rights, März 2025, S. 4 ff.). Nach einer von UNHCR zwischen Juli 2022 und Juni 2023 durchgeführten Umfrage unter 424 Schutzberechtigten (BFA, Länderinformation Version 9, S. 26 ff.) und einer am 31. Dezember 2024 abgerufenen institutionenübergreifenden Analyse des UNHCR (Inter-Agency Protection Monitoring of Refugees in Greece, Key findings) hat die überwiegende Zahl der befragten Schutzberechtigten die erforderlichen Dokumente sowie einen Zugang zum Steuerverwaltungssystem TAXISnet zwar erhalten und konnte ein Bankkonto eröffnen, wobei die Dauer der Erteilungsverfahren jedoch offenbleibt. In den staatlichen Migrantenintegrationszentren erhalten Schutzberechtigte nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums unter anderem Unterstützung bei der sozialen Integration sowie Informationen zur Erteilung von unter anderem Aufenthaltserlaubnissen, Flüchtlingsausweisen und Sozialversicherungsnummern (https://migration.gov.gr/en/​migration-policy/​integration/​draseis-koinonikis-entaxis-se-ethniko-epipedo/​kentra-entaxis-metanaston/). Für die Gewährung der mit dem internationalen Schutzstatus verbundenen Rechte und Ansprüche sind in Griechenland mindestens sechs verschiedene Ministerien verantwortlich. In ein und demselben Verwaltungsverfahren können verschiedene Behörden involviert sein, die jeweils unterschiedlichen Ministerien unterstehen. An dem Verfahren zur Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis für international Schutzberechtigte sind sowohl die Asylbehörde als auch die griechische Polizei beteiligt. Es wird berichtet, dass tatsächliche Verzögerungen zum Beispiel durch die sperrige IT-Infrastruktur entstehen und zu Fehlern in Bescheiden führen. Verfahrensabläufe seien weiterhin nicht vereinheitlicht und entsprechend besonders fehleranfällig. Zugesagte technische Modernisierungen, die zur Verbesserung der Abläufe führen sollen, würden regelmäßig nicht in die tatsächlichen Arbeitsabläufe der Behördenpraxis übernommen, weshalb die angeblichen Reformbemühungen bei den Menschen nicht ankämen. Die Europäische Kommission hat in ihrem Dialog mit Griechenland die Notwendigkeit betont, einen Rahmen für die reibungslose Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen verschiedenen Behörden und Ministerien zu schaffen, um einen einheitlichen und kohärenten Ansatz für den Integrationsprozess zu gewährleisten. Die griechische Regierung hat deshalb 2024 eine Task Force für die Integration von Migranten gegründet, um bereichsübergreifende Probleme bei der Integration von Geflüchteten anzugehen. Laut der Europäischen Kommission scheint diese Task Force jedoch bisher keine Lösungen für die fortdauernden rechtlichen und praktischen Hindernisse erarbeitet zu haben, mit denen international Schutzberechtigte beim Zugang zu Dokumenten und sozioökonomischen Rechten in Griechenland konfrontiert sind. Zu diesen Hindernissen gehören zentrale Punkte, die im Hinblick auf die Integration und die damit verbundenen Herausforderungen besorgniserregend sind (z. B. Sozialversicherungsnummer, Bankkonten, Helios+, Aufenthaltserlaubnisse, garantiertes Mindesteinkommen, Zugang zu Bildung usw.), worüber die Europäische Kommission ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht hat (RSA/Pro Asyl, April 2025, S. 9 f. m. w. N.).

28 cc) Es erscheint nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die elementarsten Bedürfnisse der überwiegenden Zahl der Schutzberechtigten unmittelbar nach der Rückkehr durch bestehende Überbrückungs- und Integrationsprogramme abgedeckt werden. Das gilt jedenfalls für denjenigen Personenkreis, dessen Schutzzuerkennung bei der Rückkehr nach Griechenland schon länger als 20 Monate zurückliegt.

29 Bei dem Programm Helios+ handelt es sich um ein Portfolio von 13 regionalen Integrationsprojekten, eines in jeder griechischen Region, das sich der Förderung der Integration von Drittstaatsangehörigen in Griechenlands Arbeitsmarkt und Gesellschaft widmet. Entworfen wurde es von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit Unterstützung der griechischen Regierung und baut auf der Gründung des Projekts Helios (2019 - 2024) auf. Helios+ wird vom Europäischen Sozialfonds+ im Rahmen der Regionalprogramme 2021 bis 2027 kofinanziert. Das Programm setzt sich dafür ein, in Griechenland lebende Schutzberechtigte zu stärken, indem es ihnen die Werkzeuge und Ressourcen zur Verfügung stellt, die für die sozioökonomische Unabhängigkeit und die aktive Teilnahme an der griechischen Gemeinschaft erforderlich sind, während sie gleichzeitig Eigenständigkeit und Inklusion durch eine umfassende Reihe von Dienstleistungen fördern, die auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sind. Helios+ Dienste umfassen Karriereentwicklung, die Stärkung und Erleichterung des Zugangs der Zielgruppe zum Arbeitsmarkt durch Gruppen- und Einzelsitzungen der Berufsberatung, Berufsausbildung und Vernetzung mit lokalen Arbeitgebern, den Zugang zu Sozial- und öffentlichen Diensten, die Stärkung von Sprach- und Kommunikationskompetenz sowie die Stärkung des unabhängigen Lebens in Griechenland durch die Bereitstellung von Unterstützung für die Sicherung der Unterkunft, einschließlich Mietzuschüsse. Zugangsberechtigt sind Schutzberechtigte, die nachgewiesen arbeitslos sind, deren Anerkennung als Schutzberechtigte bei der Anmeldung für das Programm nicht länger als 24 Monate zurückliegt und die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen. Erwachsene, die bereits Leistungen aus dem Vorgängerprogramm Helios erhalten haben, erhalten keine Mietzuschüsse (IOM, Helios+, Comprehensive actions for the integration of third-country nationals into the labour market, regional implementation, project regulations handbook, April 2025, S. 2 f.).

30 Im Jahr 2024 ist es zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem griechischen Ministerium für Migration und Asyl zu einer Verständigung über die Konzeption eines aus EU-Mitteln finanzierten griechischen Überbrückungsprojekts in das Programm Helios+ gekommen, welches von der internationalen Organisation für Migration IOM umgesetzt wird (vgl. auch Bericht der EU-Kommission zum Stand des Migrationsmanagements auf dem griechischen Festland vom 4. April 2025, COM <2025> 170 final, S. 13). Das Programm soll eine Laufzeit von 12 Monaten haben und dann eigenständig von Griechenland weitergeführt werden. Ziel des Projekts ist es, Personen, die nach einer Schutzgewährung in Griechenland nach Deutschland weitergezogen sind und hier einen weiteren Asylantrag gestellt haben, bei der Rückkehr in den für sie zuständigen Mitgliedstaat Griechenland zu unterstützen und ihnen dort eine langfristige Integration zu ermöglichen. Zur Teilnahme an dem Unterstützungsprogramm berechtigt sind Personen, deren Schutzerteilung in Griechenland nicht länger als 20 Monate zurückliegt. Diese Frist beruht darauf, dass für den Zugang zu dem Integrationsprogramm Helios+ die Schutzerteilung nicht länger als 24 Monate zurückliegen darf und eine Teilnahme am Überbrückungsprojekt bis zu vier Monaten möglich ist. Das Überbrückungsprogramm stellt für Rückkehrende nach Abholung am vereinbarten Flughafen eine Grundversorgung (Unterkunft, Verpflegung, Sozialberatung) in den ersten bis zu vier Monaten nach der Ankunft sicher. Außerdem werden die notwendigen Unterlagen vorbereitet, um eine möglichst rasche und nahtlose Aufnahme in das griechische nationale Integrationsprogramm Helios+ in die Wege zu leiten (vgl. auch RSA/Pro Asyl, April 2025, S. 43 ff.). Für eine im Februar 2025 freiwillig zurückgekehrte Person ist die Unterstützung nach Angaben der Beklagten in der beschriebenen Form im Rahmen des Überbrückungsprogramms erfolgt; weitere Personen sind im März 2025 im Rahmen des Programms zurückgeführt worden (vgl. hierzu auch RSA/Pro Asyl, April 2025, S. 45).

31 Danach erscheint die Deckung der elementarsten Bedürfnisse für zurückkehrende Schutzberechtigte, die an dem Überbrückungsprogramm teilnehmen können, unmittelbar nach der Ankunft und darüber hinaus gesichert. Dabei können Schutzberechtigte auf das Programm verwiesen werden, auch wenn es nur für freiwillige Rückkehrer gilt. Denn extrem schlechte materielle Lebensverhältnisse, welche die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK begründen, können durch eigene Handlungen (z. B. den Einsatz der eigenen Arbeitskraft) oder die Inanspruchnahme der Hilfs- oder Unterstützungsleistungen Dritter (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfs- oder Unterstützungsorganisationen) abgewendet werden, sodass schon nicht mehr die ernsthafte Gefahr einer Situation extremer materieller Not besteht, die unter Umständen eine staatliche Schutzpflicht zu (ergänzenden) staatlichen Leistungen auslösen kann (BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 - BVerwGE 175, 227 Rn. 17 m. w. N.).

32 Schutzberechtigte erhalten im Rahmen des Überbrückungsprogramms Unterkunft und Verpflegung für bis zu vier Monate und werden dann in das Programm Helios+ überführt, im Rahmen dessen es dann weitere Unterstützungsleistungen, unter anderem durch Vermittlung von Wohnraum, Mietzuschüsse und bei der Arbeitsplatzsuche gibt. Von diesen Programmen werden aber nur Personen erfasst, denen innerhalb der letzten 20 (Überbrückungsprogramm) bzw. 24 Monate (Helios+) internationaler Schutz in Griechenland gewährt wurde. Diejenigen Schutzberechtigten, deren Schutzgewährung in Griechenland schon länger zurückliegt, darunter auch der Kläger, haben hingegen aller Voraussicht nach keinen Zugang zu den genannten Unterstützungsprogrammen.

33 dd) Soweit danach ein erheblicher Teil der nach Griechenland zurückkehrenden Schutzberechtigten in den ersten Wochen bis Monaten unmittelbar nach der Rückkehr mangels einer realistischen Möglichkeit zum Erhalt der erforderlichen Dokumente keinen Zugang zu staatlichen, teilweise auch zu nichtstaatlichen, Unterstützungsleistungen und zum legalen Arbeitsmarkt hat und die Betroffenen ihre elementarsten Bedürfnisse auch nicht im Rahmen von Überbrückungs- bzw. Integrationsprogrammen decken können, erscheint es nach den folgenden Ausführungen gleichwohl nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sie ihre Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene auch in der Anfangszeit nicht durch eigenes Erwerbseinkommen, gegebenenfalls ergänzt durch nichtstaatliche Hilfsangebote, decken können.

34 b) Hinsichtlich der Unterkunft gilt ebenfalls der vom EuGH zu Art. 4 GRC entwickelte strenge Maßstab. Eine Verletzung dieses Grundrechts ist danach erst dann anzunehmen, wenn die physische oder psychische Gesundheit der Schutzberechtigten beeinträchtigt würde oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt würden, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Den Anforderungen von Art. 4 GRC genügt es, wenn dem Schutzberechtigten ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten "informellen Siedlung" zur Verfügung steht, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen, wobei dies auch eine erreichbare Möglichkeit umfasst, sich zu waschen (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 - juris Rn. 44 m. w. N.).

35 Hiervon ausgehend besteht für nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte zwar weder die Möglichkeit einer Unterkunft in staatlichen Einrichtungen (aa), noch ist der Zugang zu einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt hinreichend wahrscheinlich (bb). Sie können jedoch zumindest eine - gegebenenfalls temporäre, wechselnde - Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen erhalten (cc).

36 aa) Personen, denen ein internationaler Schutzstatus in Griechenland zugesprochen wurde, sind verpflichtet, die Unterkünfte für Asylsuchende spätestens 30 Tage nach dem positiven Asylentscheid zu verlassen. Sie haben dann unter denselben Bedingungen Zugang zum Wohnungsmarkt wie alle legal im Land aufhältigen Drittstaatsangehörigen. Unterkünfte für Personen mit internationalem Schutzstatus werden von staatlicher Seite nicht vorgehalten (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus, 24. Oktober 2022; AIDA/ECRE, Country Report Greece, 2022 Update; BFA, Länderinformation Version 9, S. 10). Staatlicherseits werden nur Notunterkünfte für Obdachlose, einschließlich griechischer Staatsbürger, bereitgestellt (Deutsche Botschaft in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Februar 2023); der griechische Staat hält keine sozialen Mietwohnungen vor (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus, 24. Oktober 2022; BFA, Länderinformation Version 9, S. 32). Zu 75 % besteht Wohneigentum und ein Viertel der Haushalte lebt zur Miete.

37 bb) Mietangebote auf dem freien Wohnungsmarkt gibt es auf Onlineportalen, in Zeitungsinseraten oder durch Schilder an den Mietobjekten selbst. Für das Anmieten einer Wohnung benötigen Personen mit internationalem Schutzstatus eine Identitätskarte oder Aufenthaltserlaubnis (ADET), eine Steueridentifikationsnummer (AFM) und die Registrierung auf der Steuerplattform TAXISnet, auf der der abgeschlossene Mietvertrag eingestellt wird. Die Steueridentifikationsnummer ist auch für die Eröffnung eines Bankkontos erforderlich, das für den Abschluss eines Mietvertrages benötigt wird. Eine Kaution von ein bis zwei Monatsmieten ist üblich. Den Online-Immobiliensuchportalen zufolge sind auf dem Wohnungsmarkt trotz der aktuellen Herausforderungen diverse Angebote in Athen, Thessaloniki und Patras verfügbar, wobei sich die monatliche Miete für eine Wohnung/​Zimmer auf 120 bis 200 € – abhängig von der jeweiligen Stadt - beläuft (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus, 24. Oktober 2022; BFA, Länderinformation Version 9, S. 32 f.). Quadratmeterpreise im 4. Quartal 2024 werden mit 4,36 € (Umgebung von Thessaloniki) bis 12,96 € (Athen-Süd) angegeben. Unter anderem die Zunahme der Airbnb-Wohnungen, der Kauf von Immobilien durch Investoren aus dem Ausland, Vermieter, die ihre Einkommensverluste aufgrund der großen Wirtschaftskrise der letzten Jahre ausgleichen wollen, und Nicht-EU-Ausländer, die in Griechenland hochwertige Immobilien kaufen, führten dazu, dass die Wohnungspreise in Griechenland in den letzten Jahren gestiegen sind. Einer Studie zufolge fehlen landesweit aktuell 212 000 Wohnungen (BFA, Länderinformation Version 9, S. 33 f.).

38 Neben den Leistungen aus dem oben beschriebenen Integrationsprogramm Helios+ durch Wohnraumvermittlung und einem bis zu 12-monatigen Mietzuschuss können Schutzberechtigte nach einem 5-jährigen Aufenthalt ab Stellung des Asylantrages Wohngeld beantragen. Reist der Begünstigte aus, wird der Wohngeldbezug am ersten Tag des darauffolgenden Monats unterbrochen und beginnt bei Rückkehr nach Griechenland erneut zu laufen. Der Beitrag lag Anfang 2023 bei 70 € monatlich für begünstigte Personen und bei 35 € für jedes weitere Haushaltsmitglied, maximal 210 € pro Monat. Das Wohngeld muss alle 6 Monate neu beantragt werden. Der Antrag kann entweder elektronisch über die Website des Programms unter Verwendung der persönlichen Passwörter für TAXISnet oder in einem Gemeindezentrum der Wohnsitzgemeinde gestellt werden. Für Angehörige von Drittstaaten sollen sogar 12 Jahre rechtmäßiger und dauerhafter Wohnsitz in Griechenland erforderlich sein (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus, 24. Oktober 2022; BFA, Länderinformation Version 9).

39 Danach erscheint der Zugang zu einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt für anerkannte Schutzberechtigte zumindest für einen längeren Zeitraum nach der Rückkehr kaum erreichbar. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der reguläre (private) Wohnungsmarkt nach Griechenland zurückkehrenden international Schutzberechtigten im Regelfall schon aufgrund unzureichender finanzieller Mittel nicht offensteht.

40 cc) Nach dem oben dargelegten strengen Maßstab für eine Verletzung des Art. 4 GRC hinsichtlich der Unterkunftsbedingungen können Schutzberechtigte zwar nicht auf sämtliche Unterkünfte in informellen Siedlungen, Zeltstädten oder Slums verwiesen werden, insbesondere nicht auf illegale Siedlungen und besetzte Häuser, die von einer staatlichen Räumung bedroht sind, oder auf Unterkünfte, die nicht ein Mindestmaß an Platz oder keine Möglichkeit bieten, sich zu waschen, sofern eine solche auch sonst - etwa über Hilfsorganisationen - nicht erreichbar ist. Abgesehen davon sind aber auch behelfsmäßige Unterkünfte, mit staatlichen Mitteln errichtete Wohncontainer, geduldete Siedlungen und sonstige einfachste Camps mit in Betracht zu nehmen. Eine abgelegene Lage oder ein fehlender Zugang zu weiteren Dienstleistungen sind nach diesem Maßstab nicht unzumutbar. Eine Art. 4 GRC widersprechende Verelendung droht einem nichtvulnerablen Schutzberechtigten ferner nicht schon dann, wenn dieser nur eine temporäre, nicht auf längere Sicht ausgelegte, (Not-)Unterkunft finden kann (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 - juris Rn. 83).

41 Die Berichte über eine Vielzahl von Unterkunftsmöglichkeiten verschiedenster Art rechtfertigen die Prognose, dass es alleinstehenden männlichen, nichtvulnerablen Schutzberechtigten mit einer hinreichenden, das "real risk" einer Verletzung von Art. 4 GRC ausschließenden Wahrscheinlichkeit, möglich ist, eine solche zeitweilige und gegebenenfalls provisorische, aber noch menschenwürdige Unterkunft zu finden, auch wenn es keine Daten über die gesamte Anzahl derartiger - durch sehr verschiedene Anbieter zur Verfügung gestellter - Unterkunftsplätze gibt. Nach jüngsten Angaben des griechischen Ministeriums für soziale Eingliederung und Familienangelegenheiten werden für Obdachlose landesweit 17 Schlafsäle, 7 Hostels und 12 Tageszentren mit einer Kapazität von bis zu über 1 000 Betten betrieben (Hellenic Republic, Ministry of Social Cohesion and Family Affairs, Homeless Structures, zuletzt abgerufen am 29. Januar 2025). Allein in Athen bestehen mehrere Unterkunftsmöglichkeiten. Das Angebot wird zudem am Standort Piräus, welches gemeindlich ebenfalls zu Athen gehört, ergänzt (BFA, Länderinformation Version 9, S. 55 f.). Eine substantiiert ermittelte und aktuell festgestellte Überfüllung der Unterkünfte lässt sich nicht positiv feststellen. Informationen zu Unterkünften stellt auch UNHCR im Internet zur Verfügung (UNHCR Greece, Distribution of Food and Basic Items and Shelters and Day Centers in Athens). Das Zentrum für Obdachlose in Athen beschreibt seine Kapazitäten und Leistungen auf der eigenen Internetpräsenz dahingehend, dass es sich um ein modernes Obdachlosenheim handelt, das rund um die Uhr geöffnet ist. Es befindet sich am Vathi-Platz und besteht aus 55 Wohnungen mit durchschnittlich drei Schlafzimmern. Die Einrichtung bietet Platz für bis zu 400 Personen und deckt damit den Bedarf der Stadt vollständig ab. Das Zentrum besteht aus einem Wohnheim, einem Hostel und einem Tageszentrum, das Unterkunft, Verpflegung, psychologische Unterstützung und medizinische Versorgung bietet (City of Athens Reception and Solidarity Center <KYADA> - Integrated Homeless Center, https://kyada-athens.gr/en/​integrated-homeless-centre/). Weitere Unterkünfte werden in der von Médecins du Monde (MDM) betriebenen Übernachtungsstelle für Obdachlose in Athen (https://mdmgreece.gr/en/​action/​night-shelter), der "Relief" Notunterkunft für Obdachlose des Hilfswerks der Stadtverwaltung Piräus (KODEP, https://kodep.gr/​service/​xenonas-vracheias-filoxenias-astegon-peiraia-anakoufisi/), dem Kareas Social Shelter by EKKA (https://ekka.org.gr/​index.php/en/​domes-ypiresies-en/​ksenones-en), der UNESCO, Übernachtungsstellen und Tageszentren in Nikaia und Piräus (UNESCO, Night Shelter and Day-Center Nikaia and Piraeus, https://www.unescopireas.gr/​index.php/en/), den Praksis Tageszentren für Obdachlose in Athen und Piräus (Praksis Open Day Center for Homeless: https://praksis.gr/​akha/, https://praksis.gr/​cms/files/2021/02/AKHA-EN.pdf) und von Wave Thessaloniki (https://wave-thessaloniki.com/, Facebook: https://www.facebook.com/​WaveThessaloniki/) vorgehalten. Mazí Housing ist eine Plattform, die seit 2020 vor allem unbegleitete alleinstehende Männer unter den Asylbewerbern und Flüchtlingen in Griechenland unterstützt. Die Institution bietet diesen Menschen eine Unterkunft und unterstützt sie dabei, Selbstständigkeit und Stabilität zu erlangen, um ihre Situation langfristig zu verbessern. Dabei wird ein Netzwerk geschaffen, das besonders für diejenigen wichtig ist, die keine familiären oder sozialen Netzwerke in Griechenland haben, was für viele Neuankömmlinge, insbesondere aus Nicht-EU-Ländern, eine große Herausforderung darstellt (https://mazihousing.org/​what/). Personen mit internationalem Schutzstatus können am Programm "Wohnen und Arbeiten für Obdachlose" teilnehmen. Dies sieht einen Mietzuschuss für einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten und die Deckung der grundlegenden Kosten für Wohn- und Haushaltsbedarf sowie einen Beschäftigungszuschuss für einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten vor. Zielgruppe des Programms sind unter anderem Personen, die in Übergangsunterkünften und Wohnheimen für Obdachlose untergebracht sind. Im Rahmen des zweijährigen Programms wird den Begünstigten ein Plan zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erstellt und bei der Suche nach einer adäquaten und leistbaren Unterkunft geholfen, die sie nach Ablauf des Programms mit den dann zur Verfügung stehenden Sozialhilfeinstrumenten auch bezahlen können. Nach erfolgreichem Durchlaufen des zweijährigen Programms können Personen für weitere zwei Jahre Wohngeld beantragen. Das örtliche Integrationszentrum für Migranten (KEM) oder das Gemeindezentrum können darüber informieren, ob das Programm am jeweiligen Ort angeboten wird. Berichten zufolge entscheiden sich viele Schutzberechtigte für eine informelle Unterkunft. Diese Unterkünfte werden beispielsweise in der afghanischen Community als Masafarhanas bezeichnet (Solomon/​Papangeli, Iliana et al., Masafarhana: inside the invisible refugee houses in Athens, https://wearesolomon.com/​mag/focus-area/​migration/​masafarhana-inside-the-invisible-refugee-houses-in-athens/). Obwohl ihre tatsächliche Anzahl unbekannt ist, gibt es heute schätzungsweise mindestens 20 Masafarhanas in Athen. Die meisten befinden sich in der Innenstadt von Athen, in der Nähe von Stadtvierteln mit einer starken afghanischen Präsenz wie Acharnes, Pedion tou Areos und Victoria Square. Einige liegen außerhalb des Zentrums in Vorstadtgebieten, in denen es eine Nachfrage nach körperlicher Arbeit gibt. Die üblichen Kosten für eine Übernachtung in einer Masafarhana liegen zwischen 5 und 7 €, während ein Monat zwischen 100 und 200 € pro Person kosten kann. Die Wohnungen sind in der Regel in einem schlechten Zustand und beherbergen im Verhältnis zu ihrer Kapazität viele Menschen. Die Masafarhanas - ähnliche Unterkünfte gibt es auch für andere Nationalitäten, wie Syrer oder Ivorer - bieten eine günstige Unterkunft für Menschen in Not. Durch diese informelle Anmietung kann man oft auch eine Tätigkeit im Bereich der Schattenwirtschaft finden, oder umgekehrt kann man eine solche Wohnung durch eine Tätigkeit im Bereich der Schattenwirtschaft erlangen. Für Obdachlose existieren nachts geöffnete Unterkünfte, Übergangswohnheime und unterstützte Wohnungen. Im Winter werden je nach Witterungsverhältnissen gesetzlich vorgeschriebene zusätzliche Kälteschutzräume bereitgestellt. Ebenso waren im Hitzesommer 2022 in Athen tagsüber gekühlte Räume in Betrieb, um Schutz vor der Hitze zu verschaffen. Einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung der Unterkünfte leisten Tageszentren, Straßensozialarbeiter und die Integrationszentren für Migranten (BFA, Länderinformation Version 9, S. 40 ff.).

42 In der Vergangenheit wurde verschiedentlich berichtet, dass die vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte den - wegen der Beendigung der Unterbringung in Asylbewerberunterkünften seit März 2020 erhöhten - Bedarf nicht decken würden, es bestünden lange Wartelisten, es müssten verschiedene medizinische Nachweise vor einer Aufnahme erbracht werden und der Zugang für anerkannt Schutzberechtigte gestalte sich schwierig. Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass belastbares und aktuelles Zahlenmaterial nicht vorliegt. Die letzte statistische Erhebung der Obdachlosenzahlen datiere von 2018, wobei auch detailliert über Unterbringungsmöglichkeiten und Programme für Obdachlose berichtet wurde (Mobile Info Team, The living conditions of applicants and beneficiaries of international protection, Februar 2021; International Rescue Committee, Homeless and Hopeless - An assessment of the housing situation of asylum applicants and beneficiaries of international protection in Greece, Januar 2022; Schweizer Staatssekretariat für Migration, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus, 24. Oktober 2022; Deutsche Botschaft in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Februar 2023; AIDA/ECRE, Country Report Greece, 2023 Update; Ministerie van Buitenlandse Zaken, Verslag feitenonderzoek naar statushouders in Griekenland <Bericht über die sachliche Untersuchung von Statusinhabern in Griechenland>, 3. September 2024). Nach Angaben der OECD von Frühjahr 2024 soll es in Griechenland in 2023 "geschätzt" 1 387 Obdachlose gegeben haben, was 0,01 % der Bevölkerung ausmache (OECD, Country Note: Data on Homelessness in Greece und Indicator HM1.1. Housing stock and construction, Affordable Housing Database, April bzw. Mai 2024), wobei es sich dabei nur um offiziell registrierte Obdachlose handelt. Nach Berichten aus jüngerer Zeit seien Personen, denen in Griechenland internationaler Schutz gewährt wurde, nach wie vor stark von Obdachlosigkeit und Mittellosigkeit bedroht, da materielle Leistungen unmittelbar nach Schutzgewährung eingestellt werden und der Zugang zu den erforderlichen Dokumenten und Ressourcen, die zur Sicherung einer Unterkunft benötigt werden, nicht rechtzeitig möglich sei. Schutzberechtigte würden zum Verlassen der Lager gezwungen und seien selbst in besonders schutzbedürftigen Fällen weiterhin obdachlos und ohne Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts. Der Auszug aus den "Closed Controlled Access Centres" auf Inseln wie Leros und Kos werde strikt durchgesetzt. Es gebe keine aussagekräftigen Statistiken über Obdachlose in Griechenland, auch nicht über obdachlose Personen, die internationalen Schutz genießen. Ein vom Immigration Policy Lab, der ETH Zürich und dem University College London erstellter Bericht bezieht sich auf eine Stichprobe von 3 755 Befragten, von denen 3 % angaben, obdachlos zu sein. Aus dem Bericht geht nicht hervor, ob die Stichprobe Personen umfasst, denen vor kurzem internationaler Schutz in Griechenland gewährt wurde, oder ob Personen mit mehrjährigem Aufenthalt im Land darin stärker vertreten seien. Der Zugang von Schutzberechtigten zu bestehenden Obdachlosenunterkünften sei angesichts der formalen Anforderungen und Bedingungen sowie aufgrund der stark begrenzten Anzahl von Betten in Unterkünften erheblich eingeschränkt. Die Zahl von "unsichtbaren Obdachlosen", die in prekären, von Räumung bedrohten Verhältnissen, in ungeeigneten Wohnungen und unter ungeeigneten Lebensbedingungen leben, nehme zu, während Zwangsräumungen von solchen Orten weiterhin stattfänden. In einem Bericht des Europäischen Netzwerks zur Bekämpfung der Armut vom Oktober 2024 (The European Anti-Poverty Network, Poverty Watch National Report: Greece 2024, https://www.eapn.eu/wp-content/​uploads/2024/10/eapn-Greece_Poverty-Watch-6023.pdf) werden die wichtigsten Probleme genannt, die im Jahr 2024 im Vergleich zu 2023 in den Bereichen Unterkunft, Gesundheit, Arbeit, Ernährung und Gewalt aufgetreten seien bzw. sich verschärft hätten, wobei "der Bedarf an Wohnraum und Nahrung am größten zu sein scheine" (Refugee Support Aegean <RSA>, Aktuelle Situation für international Schutzberechtigte, die nach Griechenland abgeschoben wurden, 27. November 2024).

43 Dies zugrunde gelegt, ist aktuell nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Schutzberechtigte ohne besondere Vulnerabilitäten im Falle einer Rückkehr nach Griechenland dort nicht zumindest eine (ggf. temporäre, wechselnde) Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen, die von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betrieben werden, finden können. Anders als noch in der Zeit nach Schließung der Erstaufnahmeeinrichtungen für anerkannte Schutzberechtigte im März 2020 lassen die aktuellen - nur sehr begrenzt vorliegenden - Daten nicht den Schluss zu, dass Obdachlosigkeit insgesamt ein weit verbreitetes Problem darstellt, auch nicht unter Schutzberechtigten. Dass es keine entsprechende Garantie gibt und es auch nicht allen Schutzberechtigten durchgängig gelingen wird eine Unterkunft zu erhalten, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. In die Beurteilung ist auch einzustellen, dass der hier zu beurteilenden Personengruppe der nichtvulnerablen männlichen Schutzberechtigten ein höheres Maß an Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative abzuverlangen ist als vulnerablen Personen und dass bei ihr auch keine besonderen Bedürfnisse bei der Unterbringung zu berücksichtigen sind.

44 c) International Schutzberechtigte können in Griechenland eine Beschäftigung aufnehmen und mit dem Erwerbseinkommen - gegebenenfalls in Verbindung mit Unterstützungsleistungen nichtstaatlicher Hilfsorganisationen und karitativer Einrichtungen - ihr Existenzminimum im Sinne der elementarsten Bedürfnisse sicherstellen.

45 aa) Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite, jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten zählen auch Tätigkeiten für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten "Schatten- oder Nischenwirtschaft" angesiedelt sind. Soweit die Schattenwirtschaft bei einer weiten Definition auch kriminelle und andere staatlich sanktionierte Tätigkeiten erfasst, können Schutzberechtigte darauf zur Existenzsicherung allerdings nicht verwiesen werden. Eine Tätigkeit, bei der die Schutzberechtigten selbst einer straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfolgung ausgesetzt wären, ist ihnen nicht zuzumuten. Anders verhält es sich bei einer Erwerbstätigkeit, die im Prinzip auch legal ausgeübt werden kann, die jedoch den öffentlichen Stellen zur Vermeidung von Steuern und Sozialbeiträgen nicht gemeldet wird, sofern dies für den Schutzberechtigten als Arbeitnehmer nicht sanktionsbewehrt ist oder Sanktionen gegen ihn jedenfalls tatsächlich nicht verhängt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist Schutzberechtigten daher - zumindest für eine Übergangszeit - auch Schwarzarbeit zumutbar (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 - juris Rn. 100 f. m. w. N.). Diese Auffassung ist weder unionsrechts- noch verfassungswidrig (BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. April 2025 - 2 BvR 1425/24 - juris Rn. 25). Mit dem oben unter 2.2.1 beschriebenen, in der Rechtsprechung des EuGH und des EGMR begründeten, strengen Maßstab bei der Annahme systemischer Schwachstellen bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigen Situation ist geklärt, dass Schutzberechtigte auf alle zumutbaren Maßnahmen verwiesen werden können, um ihren elementarsten Lebensunterhalt zu sichern. Dazu gehören auch alle zumutbaren faktischen Möglichkeiten zur Erlangung eines Erwerbseinkommens, ohne dass es insoweit einer weiteren Klärung durch den EuGH oder den EGMR bedarf. In der Rechtsprechung des EuGH ist vielmehr anerkannt, dass zur Existenzsicherung auch auf ein ohne Arbeitserlaubnis erzieltes Erwerbseinkommen verwiesen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. Oktober 2019 - C-93/18 [ECLI:​​EU:​​C:​​2019:​​809] - Rn. 49 und 53). Soweit die Mitgliedstaaten - auch bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit - an das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit gebunden sind (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 EUV), trifft diese Verpflichtung zunächst nur die Mitgliedstaaten untereinander. Diese auf die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen von Schwarzarbeit zielende Verpflichtung kann einem Verweis darauf wegen der nach der oben genannten Rechtsprechung erforderlichen Einzelfallprüfung nicht entgegengehalten werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verweis auf eine unangemeldete Erwerbstätigkeit - wie im Falle Griechenlands - nicht auf Dauer, sondern lediglich für eine vorübergehende Zeit (hier bis zur Erlangung der für den Zugang zum legalen Arbeitsmarkt erforderlichen Dokumente) erfolgt.

46 bb) Bei Anwendung dieses Maßstabes erscheint es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass männliche nichtvulnerable Schutzberechtigte ihr wirtschaftliches Existenzminimum im Sinne der Grundbedürfnisse in Griechenland nicht durch Erwerbseinkommen decken können. Soweit für den Zugang zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (ebenfalls) eine Reihe von Dokumenten erforderlich ist, deren Erteilung sich wegen der eingangs geschilderten bürokratischen Hürden und Verfahrensdauern in den ersten Wochen bis zu Monaten nach der Rückkehr verzögert, ist es Schutzberechtigten möglich und zumutbar, während dieser Zeit eine Tätigkeit in der Schattenwirtschaft aufzunehmen.

47 Die vom Berufungsgericht festgestellte Verbesserung der Wirtschaftslage und Arbeitsmarktsituation in Griechenland (UA S. 27 ff. <juris Rn. 106 ff.>) spiegelt sich in der aktuellen Erkenntnislage wider. Die griechische Wirtschaft hat sich in der jüngeren Vergangenheit insgesamt erholt (Handelsblatt/​Höhler, Gerd, Arbeitslosigkeit in Griechenland fällt unter Vorkrisenniveau, 7. November 2023; Deutsche Bank, Griechenland: Wirtschaft auf dem Erholungspfad, 27. Februar 2024; Statista, Griechenland - Wirtschaftswachstum <BIP> bis 2029). Das Bruttoinlandsprodukt ist nach Angaben des griechischen Wirtschaftsministeriums in 2024 real um 2,5 % gewachsen und für 2025 wird ein Wachstum von 2,6 % prognostiziert (https://minfin.gov.gr/wp-content/​uploads/2024/05/2024-EL_Stability_Programme_2024.pdf). Die Inflationsrate lag im September 2024 bei 3 % und soll in 2025 auf 2,1 % sinken (European Commission, Autumn 2024 Economic Forecast: A gradual rebound in an adverse environment: Greece, 15. November 2024). Das Wirtschaftswachstum wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus. Die Arbeitslosenquote sinkt seit 2009 stetig und lag zuletzt im Januar 2024 bei unter 9 %, prognostisch weiter sinkend (Deutsche Bank, Griechenland: Wirtschaft auf dem Erholungspfad, 27. Februar 2024; Statista, Griechenland - Arbeitslosenquote bis 2029; European Commission, Autumn 2024 Economic Forecast: A gradual rebound in an adverse environment: Greece, 15. November 2024; Hellenic Statistical Authority, Labour Force Survey: January 2025, vom 4. März 2025). Bei Migranten, davon etwa 30 % international Schutzberechtigte, liegt die Arbeitslosenquote höher; sie sind nur zu etwa 30 % legal beschäftigt. Andere Quellen berichten, dass sich die Arbeitslosenquote von Migranten und Griechen angenähert habe. Ein Indiz für den Bedarf an ausländischen Arbeitskräften sind die staatlichen Anwerbungsprogramme und Programme zur Umwandlung von illegaler in legale Arbeit (OECD, International Migration Outlook 2024, 48th Edition, S. 56 und 212). Trotz hoher Arbeitslosigkeit besteht eine hohe Nachfrage an Arbeitnehmern, insbesondere von Ausländern. Der Arbeitskräftemangel zeichnet sich zu Beginn des zweiten Quartals eines jeden Jahres durch nicht weniger als 400 000 offene Stellen aus. Die Bedarfsermittlung für den Prozess der Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland für saisonale oder nicht saisonale Beschäftigung für die Jahre 2023 und 2024 beziffert die offenen Stellen auf 168 000 von insgesamt 380 000 Arbeitgeberanfragen aus den Regionen. Als die fünf wichtigsten Hindernisse für den Zugang zur Beschäftigung werden mangelnde Kenntnis der griechischen Sprache, das Fehlen der erforderlichen Dokumente, ungleiche Behandlung durch die Unternehmen, das Fehlen eines sozialen Netzwerkes und fehlende Berufserfahrung in Griechenland genannt (Kapsalis, Expert Opinion, Employment prospects of recognized refugees in Greece: the case of Somali and Palestinian citizens, März 2025). In Griechenland gibt es für legale Beschäftigung einen gesetzlichen Mindestlohn, der zum 1. April 2025 bei einer Vollzeittätigkeit von ledigen Arbeitnehmern ohne Berufserfahrung bei 880 € brutto pro Monat und für Tagelöhner bei 39,30 € pro Tag lag (Hellenic Republic, Ministry of Labour and Social Security, Minimum Wage, https://ypergasias.gov.gr/en/​labour-relations/​collective-employment-relations/​minimum -wage/).

48 Trotz verschiedener Arbeitsvermittlungsangebote, auch speziell für Schutzberechtigte (UNHCR Greece, Generating Livelihood Opportunities for Refugees, October 2024, January 2025; BFA, Länderinformation Version 9, S. 42 f.), bestehen Schwierigkeiten beim Zugang zum legalen Arbeitsmarkt. Schutzberechtigte bedürfen hierzu zwar keiner Arbeitserlaubnis, jedoch einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, einer aktiven Steueridentifikationsnummer, einer Sozialversicherungsnummer, der Registrierung beim nationalen Versicherungsfond EFKA und der Eröffnung eines Bankkontos für Gehaltszahlungen (BFA, Länderinformation Version 9, S. 42 f.; Hellenic Republik, Ministry of Labour and Social Security, Work for third country nationals in Greece; Hellenic Republik, Ministry of Migration & Asylum, Information Guide for Beneficiaries of International Protection, April 2024, S. 23 f.; RSA/Pro Asyl, April 2025, S. 40 f.). Bürokratische Hürden und lange Verfahrenszeiten zur Erfüllung der Voraussetzungen (RSA/Pro Asyl, April 2025, S. 40 f.; Deutsche Botschaft in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Februar 2023, S. 6 f.) führen dazu, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Schutzberechtigten jedenfalls in den ersten Wochen, wenn nicht gar Monaten nach der Rückkehr nach Griechenland nicht erreichbar erscheint.

49 Dagegen besteht ein Arbeitskräftebedarf in der Schattenwirtschaft, die einen erheblichen Teil der griechischen Wirtschaft ausmacht. Für das Jahr 2024 lag das Verhältnis der prognostizierten Schattenwirtschaft und dem Bruttoinlandsprodukt bei 21,9 %, für das Jahr 2025 soll es bei circa 21,8 % liegen (Schneider/​Boockmann, Die Größe der Schattenwirtschaft - Methodik und Berechnungen für das Jahr 2025, 15. Januar 2025, S. 26), obwohl die griechische Regierung weitreichende rechtliche Maßnahmen und institutionelle Veränderungen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ergriffen hat (Handelsblatt/​Höhler, Gerd, Griechische Regierung will härter gegen Steuersünder vorgehen, 15. Juli 2023; European Labour Authority, Factsheet on undeclared work - Greece, March 2023, February 2024; vgl. auch Kapsalis, a. a. O., S. 4). Eine genaue Schätzung des Umfangs der informellen Wirtschaft ist naturgemäß schwierig, da diese Aktivitäten den Behörden nicht gemeldet werden. Es gibt jedoch Belege dafür, dass ein Großteil des informellen Arbeitsmarktes eher unterdeklarierte als vollständig nicht deklarierte Erwerbstätigkeit umfasst. Laut einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2019 gaben 59 % der Griechen an, nicht deklarierte Tätigkeiten auszuüben oder Personen zu kennen, die diese ausüben. Dieser Wert liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt (33 %). Migranten, sowohl mit als auch ohne Papiere, gehören nach wie vor zu den am stärksten von Schwarzarbeit betroffenen Bevölkerungsgruppen in Griechenland. Um das Problem der illegalen Migration zu bekämpfen, hat Griechenland im Laufe der Jahre mehrere Regularisierungsprogramme umgesetzt, im Rahmen derer illegale in legale Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden können (Generation 2.0 for Rights Equaliy & Diversity and Solidarity Now, Revealing the Unseen Migrant Workers, S. 11 ff.). In Regionen, in denen die lokale Wirtschaft auf dem Tourismus oder der Landwirtschaft basiert, herrscht oft ein Arbeitskräftemangel, sodass Schutzberechtigte gute Chancen haben, in diesen Bereichen eine Beschäftigung zu finden (BFA, Länderinformation Version 9, S. 43; Handelsblatt/​Höhler, Gerd, Griechenland sucht "Gastarbeiter" für sein Wirtschaftswunder, https://www.handelsblatt.com/​politik/​international/​arbeitskraeftemangel-griechenland-sucht-gastarbeiter-fuer-sein-wirtschaftswunder/100023360.html; eKathimerini.com/​Triantafillou, Dimitra, Shortage of skilled and experienced workers in Greek tourism industry, https://www.ekathimerini.com/​economy/1233855/shortage-of-skilled-and-experienced-workers-in-greek-tourism-industry/).

50 Als Maßnahme zur Bekämpfung von Schwarzarbeit wurde durch Gesetz 4808/21 das griechische Arbeitsinspektorat (SEPE) als unabhängige Behörde eingeführt. Dieses nahm im Juli 2022 die Arbeit auf. Die unabhängige Institution überwacht die Einhaltung der Arbeits- und Sozialversicherungsvorschriften. Arbeitsinspektoren sind verantwortlich für die Überwachung der Arbeitsbedingungen und die Verhängung von Strafen und Sanktionen gegenüber Unternehmen. Sofern diese unregistrierte bzw. illegal beschäftigte Arbeiter antreffen, verhängen sie auf Grundlage des Gesetzes 4554/2018 eine Strafe von 10 500 € für jeden Arbeiter; wenn es sich dabei um einen Drittstaatsangehörigen ohne erforderliche Dokumente handelt, erhöht sich die Strafe auf 15 500 €, die unter Umständen, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis binnen zehn Tagen legalisiert wird, reduziert werden kann. Beschäftigt ein Arbeitgeber binnen drei Jahren erneut einen Arbeitnehmer illegal, wird für den ersten Wiederholungsfall ein Bußgeld in Höhe von 21 000 € fällig, das sich für jeden weiteren Wiederholungsfall auf 31 500 € erhöht, wobei dann die Möglichkeit der Reduzierung der Höhe des Bußgelds durch Legalisierung des betroffenen Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfalle entfällt. Dagegen werden Arbeitnehmer, die entweder nicht sozialversichert sind oder für die die erforderlichen Dokumente fehlen, nicht verfolgt. Diese können über Arbeitnehmervertretungen die Arbeitgeber anzeigen. Sanktionen werden ausschließlich gegen Arbeitgeber verhängt. Gleichwohl sind Arbeitsinspektoren rechtlich verpflichtet, beim Antreffen von nicht angemeldeten drittstaatsangehörigen Arbeitnehmern die Ausländerbehörde zu informieren. Nach Angaben der griechischen Behörden besteht dagegen keine gesetzliche Pflicht zur Unterrichtung der Ausländerbehörden. Dies erfolge nur im Einzelfall, insbesondere beim Auffinden gefälschter Dokumente (GRETA, Report concerning the implementation of the Council of Europe Convention on Action against Trafficking in Human Beings by Greece, 23. März 2023, S. 19). Soweit Arbeitsverhältnisse in der Schattenwirtschaft als prekär und ausbeuterisch beschrieben werden (u. a. unangemessene Löhne, saisonale bzw. befristete Beschäftigung, mobile Flexibilität, schlechte Arbeitsbedingungen, lange Arbeitszeiten, kein Urlaubsgeld und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) und bei der Entdeckung von Schwarzarbeit zwar keine staatliche Sanktionierung, wohl aber Repressionen des Arbeitgebers drohen (Entlassung, Aufrechnung von Bußgeldern mit Lohn, vgl. insgesamt, Kapsalis, a. a. O., S. 5 f. und 8 f.; Generation 2.0 for Rights Equaliy & Diversity and Solidarity Now, a. a. O., S. 30 f. und 36), führt dies nicht dazu, dass den Betroffenen diese Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens zur Deckung der elementarsten Bedürfnisse für die Übergangszeit bis zur Erfüllung der Voraussetzungen für einen Zugang zum legalen Arbeitsmarkt grundsätzlich unzumutbar wäre.

51 cc) Zur Gewährleistung der weiteren Grundbedürfnisse, namentlich des Verpflegungsbedarfs, können nach Griechenland zurückkehrende nichtvulnerable Schutzberechtigte im Falle eines zu geringen oder fehlenden Erwerbseinkommens zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht auf staatliche Sozialleistungen zurückgreifen.

52 Die Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach anerkannte Schutzberechtigte unter den gleichen rechtlichen Voraussetzungen Zugang zu Sozialleistungen wie griechische Staatsangehörige haben, derartige Ansprüche (auch) für anerkannt Schutzberechtigte aber in der Regel einen rechtmäßigen und längerfristigen Aufenthalt in Griechenland voraussetzen, Schwierigkeiten beim Zugang zu den Leistungen wegen bürokratischer Hürden bestehen und sie jedenfalls in den ersten sechs Monaten vom staatlichen Mindesteinkommen ausgeschlossen sind (UA S. 30 ff. <juris Rn. 120 ff.>), entsprechen der aktuellen Erkenntnislage. In Griechenland gibt es zwei Arten von Ansprüchen auf Sozialleistungen: Die erste basiert auf der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und kann nur von Personen beansprucht werden, die in Griechenland gearbeitet haben. Die zweite basiert auf der Bedürftigkeit und setzt in der Regel eine bestimmte Dauer des legalen Aufenthalts in Griechenland voraus. Schutzberechtigte fallen regelmäßig unter das zweite Sozialleistungssystem. Sozialleistungen, wie eine Familienförderung oder der 2019 eingeführte Wohngeldzuschuss, verlangen den Nachweis eines legalen Aufenthalts von zehn bzw. fünf Jahren Dauer (Deutsche Botschaft in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Februar 2023, S. 4 ff.). Das garantierte Mindesteinkommen wurde im Februar 2017 eingeführt (Schweizer Staatssekretariat für Migration vom 31. Oktober 2022, Notiz Griechenland: Garantiertes Mindesteinkommen). Außer ihm gibt es in der Praxis keine weiteren wirksamen staatlichen Sozialleistungen (AIDA/ECRE, Country Report Greece, 2023 Update, S. 273 ff., 275 ff.). Für den Antrag auf das garantierte Mindesteinkommen müssen diverse Unterlagen eingereicht werden, wobei auch registrierte Obdachlose anspruchsberechtigt sind. Das Mindesteinkommen bietet neben der finanziellen Einkommensunterstützung berufliche Integration und soziale Dienstleistungen, die Abgabe von Lebensmitteln und materiellen Gütern und es gilt ein Sozialtarif für die Elektrizitäts- und Wasserversorgung und ein Sozialtarif der Gemeinden und kommunalen Unternehmen. Es werden Beiträge von derzeit maximal 216 € pro Monat für Einpersonenhaushalte mit schrittweisen Erhöhungen je nach Zusammensetzung des Haushaltes, maximal 972 €, gezahlt (AIDA/ECRE, Country Report Greece, 2023 Update, S. 181). Ob die Inanspruchnahme überhaupt einen ununterbrochenen legalen Voraufenthalt voraussetzt und wenn ja, von welcher Dauer, wird in den Erkenntnismitteln unterschiedlich beurteilt, ist wohl aber keine gesetzlich festgeschriebene Voraussetzung. Die Voraussetzung eines Einkommensnachweises der letzten sechs Monate durch Vorlage einer Steuererklärung führt zumindest faktisch dazu, dass ein gewisser Voraufenthalt für die Beantragung des Mindesteinkommens in Griechenland notwendig ist. Ungeachtet dessen ist die Beantragung mit einem erheblichen administrativen Aufwand und einer gewissen Bearbeitungsdauer verbunden.

53 dd) Es werden aber Angebote von Hilfsorganisationen und karitativen Einrichtungen vorgehalten, die neben dem Erwerbseinkommen zur Abwendung einer extremen materiellen Notlage zumindest beitragen, sodass eine Verelendung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

54 Zusätzlich zu den bereits genannten Tagesunterkünften für Obdachlose in Athen und Umgebung, die meist auch eine Versorgung mit Nahrungsmitteln und Getränken sowie Waschgelegenheiten anbieten, gibt es noch Hilfsangebote von kommunaler, kirchlicher oder karitativer Seite. Das Aufnahme- und Solidaritätszentrum der Stadt Athen verteilt täglich 900 bis 1 000 Vollmahlzeiten. Mehr als 300 Begünstigte erhalten viermal im Monat haltbare Lebensmittel. KYADA unterstützt außerdem alle Obdachloseneinrichtungen der Stadt mit Vollmahlzeiten. Die Streetwork-Teams von KYADA verteilen täglich Mahlzeiten an Obdachlosenunterkünfte und an Menschen, die auf der Straße leben (https://kyada-athens.gr/en/​meals-and-food-bank/), die Caritas Athens verteilt montags bis freitags über 200 warme Mahlzeiten an Bedürftige (https://caritasathens.gr/en/​fields-of-action-en/​refugee-program-en/​soup-kitchen-en.html) und das Centre of Hope International Athens, eine kirchliche Einrichtung auf Spendenbasis, verteilt von Freiwilligen gepackte Mahlzeiten, Kleidung, Schuhe, Decken, Hygieneprodukte und Babybedarf in den Straßen von Athen und Umgebung (https://centerofhopeint.org/).

55 Das Zentrum für Barmherzigkeit bietet in Griechenland gestrandeten Flüchtlingen, Obdachlosen und armen Griechen verschiedene Dienstleistungen an (https://www.wortundtat.de/​hilfe-in-griechenland/). Food Bank Greece unterhält insgesamt sieben "Tafeln" und zwar in Athen, Thessaloniki, Thessalien, Drama, Epirus, Heraklion und Patras. Im Jahr 2023 wurden 333 karitative Einrichtungen, darunter sechs Einrichtungen für Flüchtlinge und 208 Suppenküchen und 128 303 Personen, hiervon 11 960 Migranten, in ganz Griechenland mit Lebensmitteln versorgt. In Nordgriechenland werden 98 Suppenküchen und ähnliche Einrichtungen mit Lebensmitteln vorgehalten, die Tafel in Thessalien hat 24 Suppenküchen und vergleichbare Einrichtungen, die Tafel in Drama sechs Suppenküchen, die Tafel in Epirus 18 Suppenküchen und vergleichbare Einrichtungen, die Tafel in Kreta 20 Suppenküchen und vergleichbare Einrichtungen (Food Bank, Annual Report 2023, Juni 2024, https://foodbank.gr/wp-content/​uploads/2024/06/FoodBank_Statistics2023_EN.pdf). Die Nichtregierungsorganisation Ithaka bietet unter anderem Obdachlosen über die Einrichtung stationärer Waschsalons in Obdachloseneinrichtungen, aber auch über mobile Teams im Raum Attika und Patras die Möglichkeit, Wäsche zu waschen, und versorgt bedürftige Personen im Rahmen von Kooperationsprojekten mit anderen Einrichtungen mit Nahrung und anderen Dingen des täglichen Bedarfs, wie Schuhen (Ithaca, Annual Report 2023, April 2024). Des Weiteren gibt es die Möglichkeit der Unterstützung seitens des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD). Ausweislich der Projektbeschreibung der für die Umsetzung des Programms in Griechenland zuständigen Behörde "Organization for Welfare Benefits and Social Solidarity" können unter anderem Lebensmittel, warme Mahlzeiten (Suppenküchen), Haushalts- und Hygieneartikel bezogen werden. Die Leistungen werden in ganz Griechenland über Partnerorganisationen angeboten. Monatlich nehmen im Durchschnitt 300 000 Personen teil. Berechtigt sind in Griechenland ansässige Personen, die eine Sozialversicherungsnummer haben, weshalb anerkannte Schutzberechtigte hier mit denselben Zugangshindernissen konfrontiert sind, wie bei der Inanspruchnahme des garantierten Mindesteinkommens. Jedoch geht aus einer offiziellen Präsentation der Behörde aus dem Juli 2024 hervor, dass auch nicht registrierte Personen mittelbar von dem Programm profitieren, da Lebensmittelpakete, die nicht von registrierten Teilnehmern abgeholt werden, an Suppenküchen weitergegeben werden (https://teba.opeka.gr/​programma/).

56 Wenn darüber hinaus auch die Möglichkeit besteht, als Teil einer zahlenmäßig starken Einwanderungsgruppe Unterstützung durch Netzwerke von Menschen aus demselben Sprach- und Kulturkreis zu erlangen (UA S. 43 ff. <juris Rn. 166 ff.>), kann dies zwar zur Deckung der elementarsten Bedürfnisse von Schutzberechtigten beitragen und wäre entsprechend zu berücksichtigen. Da eine Verelendung aber bereits ohne eine solche Unterstützung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, lässt der Senat offen, ob und gegebenenfalls für welche Einwanderungsgruppen die Erkenntnisquellen derartige landsmannschaftliche Unterstützungsleistungen hinreichend belastbar hergeben.

57 d) Nach der aktuellen Auskunftslage erscheint es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland auch ohne Einkommen und ohne erforderliche Dokumente keine medizinische Notfall- und Erstversorgung im öffentlichen Gesundheitssystem erhalten.

58 Anerkannte Schutzberechtigte haben in Griechenland rechtlich in gleichem Maße Zugang zu staatlicher medizinischer Grundversorgung wie griechische Staatsangehörige. Nach Angaben des griechischen Ministeriums für Migration und Asyl haben Schutzberechtigte Anspruch auf kostenlosen Zugang zur primären, sekundären und tertiären Gesundheitsversorgung. Sie können sich in öffentlichen Krankenhäusern, öffentlichen medizinischen Zentren, Gesundheitszentren und städtischen Kliniken behandeln lassen. Viele Gemeinden verfügen über medizinische Zentren, in denen alle Personen mit internationalem Schutzstatus, auch ohne Sozialversicherungsnummer, Zugang zu den dort angebotenen primären Gesundheitsleistungen haben. Hingewiesen wird auch auf medizinische Zentren und Polikliniken verschiedener Nichtregierungsorganisationen, die Personen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland verschiedene medizinische Leistungen anbieten. Für weitere Informationen zu diesen Kliniken, einschließlich der Adressen und der verfügbaren medizinischen Leistungen, und für die Terminvereinbarung sind Telefonnummern verschiedener Anbieter angegeben. Um Medikamente und Arzneimittel kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr zu erhalten, müssen Schutzberechtigte ein Rezept eines Arztes eines öffentlichen Krankenhauses oder medizinischen Zentrums vorlegen (Hellenic Republic, Ministry of Migration & Asylum, Information Guide for Beneficiaries of International Protection, April 2024, S. 42 ff.). Nach einem Bericht der EU-Kommission vom 4. April 2025 (Bericht der EU-Kommission zum Stand des Migrationsmanagements auf dem griechischen Festland vom 4. April 2025, COM <2025> 170 final, S. 7 f.) werden Gesundheitsdienste sowohl in den Empfangszentren für Asylbewerber als auch für anerkannt Schutzberechtigte in anderen Einrichtungen, wie von Nichtregierungsorganisationen geführten Kliniken oder öffentlichen Krankenhäusern, angeboten (zum Beispiel Médecins Du Monde Greece, Annual Report 2023 vom 3. Oktober 2024 und Key Findings: July 2022 - June 2023, Protection Monitoring of Refugees in Greece, August 2023). Anerkannt Schutzberechtigte haben freien Zugang zur Gesundheitsversorgung wie griechische Bürger. Einige haben Schwierigkeiten wegen verwaltungstechnischer Hinderungsgründe bei der erstmaligen Ausgabe einer Sozialversicherungsnummer nach der Schutzgewährung gehabt oder es hat ein Informationsdefizit hinsichtlich der Verfahren und der erforderlichen Dokumente gegeben. Diese Schwierigkeiten sind der Task Force für Integration bei dem Ministerium für Migration und Asyl zur Kenntnis gebracht worden. Trotz berichteter Schwierigkeiten beim Zugang zu einer vollumfänglichen medizinischen Versorgung (RSA/Pro Asyl, April 2025, S. 41 f. sowie Beneficiaries of international protection in Greece, Access to documents and socio-economic rights, März 2023, S. 26 ff.; AIDA/ECRE, Country Report Greece, 2023 Update, S. 275 ff.; International Rescue Committee, Right to health - Right to life: An assessment of access to health care services of applicants and beneficiaries of international protection in Greece, 29. Juni 2022, S. 6), die in weiten Teilen auch die griechische Bevölkerung treffen, sind staatliche Gesundheitseinrichtungen gesetzlich zur kostenlosen medizinischen Notfallbehandlung und Erstversorgung auch von Patienten ohne Sozialversicherungsnummer verpflichtet (BFA, Länderinformation Version 9, S. 22 und 50 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als "sicherer Drittstaat": Juristische Analyse - Update 2024, 10. Oktober 2024, S. 12).

59 2.2.3 In der Gesamtbetrachtung drohen männlichen nichtvulnerablen Personen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist, aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine mit Art. 4 GRC unvereinbaren Lebensbedingungen (ebenso die österreichische Rechtsprechung, z. B. Bundesverwaltungsgericht, Erkenntnis vom 26. Juli 2024 - BVwG W125 2293028-1 [ECLI:​​AT:​​BVWG:​​2024:​​W125.2293028.1.00] -; zur Verfassungsmäßigkeit: österreichischer Verfassungsgerichtshof, Erkenntnis vom 27. Februar 2025 - E 3882/2024-22 -).

60 Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass Schutzberechtigte in eine Lage extremer materieller Not geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene zu befriedigen. Soweit sie nicht im Rahmen des bilateralen Überbrückungsprogramms zurückkehren, stehen sie zwar erheblichen Schwierigkeiten bei der Erlangung der für den Zugang zu staatlichen, teilweise auch nichtstaatlichen, Unterstützungsleistungen erforderlichen Dokumente und Registrierungen gegenüber mit der Folge, dass sie in den ersten Wochen bis Monaten nach der Rückkehr auf temporäre, gegebenenfalls auch wechselnde Unterkünfte wie Obdachlosenunterkünfte, Wohnheime oder Übernachtungsstellen angewiesen sind. Zudem sind sie zur Deckung ihrer Bedürfnisse auf eigenes Erwerbseinkommen zu verweisen, welches jedenfalls in der beschriebenen Übergangszeit bis zum Vorliegen der Voraussetzungen für einen Zugang zum legalen Arbeitsmarkt mit entsprechenden Vermittlungs- und Unterstützungsangeboten in der Schattenwirtschaft erzielt werden kann. Zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse können nach Griechenland zurückkehrende nichtvulnerable Schutzberechtigte im Falle eines zu geringen oder fehlenden Erwerbseinkommens zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht auf staatliche Sozialleistungen zurückgreifen. Es werden aber Angebote von Hilfsorganisationen und karitativen Einrichtungen vorgehalten, die neben dem Erwerbseinkommen zur Abwendung einer extremen materiellen Notlage zumindest beitragen können. Eine medizinische Not- und Erstversorgung ist gesichert.

61 Da die Beurteilung der abschiebungsrelevanten Lage für die gesamte betrachtete Gruppe einheitlich ausfällt und nicht von weiteren individuellen, bisher nicht festgestellten Umständen abhängt, kann der Senat die auf den Kläger bezogene Unzulässigkeitsentscheidung abschließend bestätigen.

62 2.3 Hat die Unzulässigkeitsentscheidung somit Bestand, gilt gleiches auch für die auf §§ 35, 36 Abs. 1 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung. Diese ist auch ihrerseits nicht wegen einer Fehlbeurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Griechenland rechtswidrig. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG, das nach dem hier ergänzend anwendbaren § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 - 1 C 8.23 - juris Rn. 23 f.) zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung führen würde, besteht nicht. Die gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK maßstäbliche Erheblichkeitsschwelle entspricht schon kraft Art. 52 Abs. 3 GRC derjenigen des Art. 4 GRC. Auch § 60 Abs. 7 AufenthG bietet keinen weitergehenden Schutz. Damit sind die im Rahmen der Überprüfung der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG getroffenen Feststellungen zur allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage sowie die fallbezogene Anwendung auf den Kläger ohne Weiteres auf die Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu übertragen.

63 2.4 Das auf § 11 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 AufenthG beruhende nationale Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von 30 Monaten (§ 11 Abs. 3 AufenthG) hat ebenfalls Bestand, da die Abschiebungsandrohung, an die es anknüpft, nicht aufzuheben ist.

64 2.5 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch den hilfsweise gestellten Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG unter im Ergebnis zutreffender Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Griechenland abgewiesen. Auf die obigen Ausführungen zum Nichtvorliegen eines Abschiebungsverbots wird Bezug genommen.

65 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.