Beschluss vom 17.04.2025 -
BVerwG 8 B 37.24ECLI:DE:BVerwG:2025:170425B8B37.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 17.04.2025 - 8 B 37.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:170425B8B37.24.0]
Beschluss
BVerwG 8 B 37.24
- VG Würzburg - 11.12.2017 - AZ: W 7 K 17.295
- VGH München - 24.04.2024 - AZ: 21 B 23.378
In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. April 2025
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:
- Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. April 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 347 € festgesetzt.
Gründe
1 Der Kläger ist approbierter Arzt und Mitglied der beklagten Ärztekammer. Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 setzte die Beklagte gegen ihn für das Jahr 2017 einen Kammerbeitrag in Höhe von 347 € fest. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die einschlägige Beitragsordnung der Beklagten verstoße nicht gegen Art. 107 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO). Die danach geforderte Festsetzung der Beiträge für das neue Haushaltsjahr könne auch durch einen Beschluss über einen Haushaltsplan erfolgen, der eine Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes vorsehe. Der von der Beklagten auf diese Weise festgesetzte Beitragssatz sei auch im Hinblick auf das für sie geltende Verbot der Vermögensbildung und ihre Bindung an das Gebot der Schätzgenauigkeit nicht zu beanstanden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
2 Hiergegen richtet sich die auf die Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers, die keinen Erfolg hat.
3 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
4 Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2024 - 8 B 7.24 - juris Rn. 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
5 Der Kläger formuliert in seiner Begründung zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter B. I. seiner Beschwerdebegründung keine Rechtsfrage. Sein Vortrag zielt vielmehr auf die - aus seiner Sicht - fehlerhafte Rechtsanwendung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, soweit dieser von einer "konkludenten Festsetzung" des Beitragssatzes für das streitgegenständliche Haushaltsjahr ausgeht und diese entgegen dem Klägervortrag zur (angeblich) fehlenden Genehmigung der Beitragsfestsetzung durch die Rechtsaufsicht für wirksam hält.
6 Dem Vorbringen des Klägers sind auch sinngemäß keine fallübergreifenden abstrakten Rechtsfragen zu entnehmen, aus denen sich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergäbe.
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Die Frage,
ob Art. 107 BayHO auch eine konkludente Beschlussfassung über die Höhe der Beiträge zulässt,
wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, da diese Vorschrift zum irrevisiblen Landesrecht gehört und der Senat im angestrebten Revisionsverfahren an die Auslegung der Vorschrift durch den Verwaltungsgerichtshof gebunden wäre. Die vom Kläger hergestellten Bezüge zum Bundesrecht verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil das angegriffene Urteil sich nicht auf das Bundes-, sondern das Landesrecht stützt.
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Der sinngemäß aufgeworfenen Frage,
ob die Möglichkeit einer konkludenten Festsetzung der Höhe der Beiträge gemäß Art. 107 BayHO gegen das verfassungsrechtliche oder verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmtheitsgebot verstößt,
käme ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu.
9 Fragen des Landesrechts werden nicht bereits dadurch zu grundsätzlichen Fragen des revisiblen Rechts, dass geltend gemacht wird, die Vorinstanz habe sie unter Verletzung von Bundesrecht beantwortet. Wird im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Unvereinbarkeit der berufungsgerichtlichen Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit Bundesrecht gerügt, so kann sich daraus nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung nur ergeben, wenn die Auslegung der bundesrechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Dies ist nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der Begründung der Beschwerde darzulegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2024 - 5 B 38.24 - juris Rn. 6 m. w. N.). Daran fehlt es hier.
10 Dem Vortrag des Klägers, eine bloß konkludente Beschlussfassung über die Höhe des Beitragssatzes verstoße sowohl gegen das verfassungsrechtlich (Art. 20 Abs. 3 GG) als auch das einfachgesetzlich (§ 37 Abs. 1 VwVfG) normierte Bestimmtheitsgebot, lässt sich nicht entnehmen, welche ungeklärten grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen sich bei der Auslegung und Anwendung der von ihm als verletzt angesehenen revisiblen Normen stellen sollen. Sein Vortrag beschränkt sich auf die Darlegung eines (angeblichen) Bundesrechtsverstoßes, mit dem allein die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht begründet werden kann.
11 2. Die Revision ist auch nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
12 Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge nicht (BVerwG, Beschlüsse vom 10. August 2023 - 8 B 24.23 - juris Rn. 7 m. w. N. und vom 26. Juli 2024 - 8 B 69.23 - juris Rn. 8 m. w. N.).
13 Diesen Anforderungen wird die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Kläger rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe das Fehlen der Genehmigung, das zur Nichtigkeit der Satzung führe, "verkannt" und dessen Rechtsfolgen "nicht berücksichtigt". Damit zeigt er keine Abweichung von einem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April 2020 - 9 B 4.19 - (juris Rn. 17) aufgestellten Rechtssatz auf, sondern kritisiert lediglich eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Vorinstanz.
14 Gleiches gilt, soweit der Kläger dem Berufungsgericht die "Nichtfeststellung" des tatsächlichen Mittelbedarfs in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22. Januar 2020 - 8 C 9.19 - BVerwGE 167, 259 Rn. 17) und einen Verstoß gegen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 - BVerfGE 119, 96, 129 f.) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 314 Rn. 16) zu den Anforderungen an die Bedarfsabschätzung vorwirft.
15 Auch die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof billige entgegen der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27. März 2024 - 8 C 5.23 - NVwZ 2024, 1590 Rn. 26) eine größere Unterschreitung als 20 % des ermittelten Bedarfs für die Ausgleichsrücklage, betrifft allein die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall, die keine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen kann.
16 Aus der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, es bestehe "keine Pflicht zur genauestmöglichen Vorhersage", ergibt sich ebenfalls keine Divergenz. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht die Anwendung derselben Rechtsvorschrift in den von ihm herangezogenen, für divergenzfähig gehaltenen Entscheidungen aufzeigt, lässt sich diesen auch kein dem zitierten Rechtssatz des Berufungsgerichts entgegenstehender Rechtssatz entnehmen. Verlangt werden eine aus ex ante-Sicht "sachgerechte" und "vertretbare" Prognose (BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 - BVerfGE 119, 96, 129 f.; BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 314 Rn. 16 und vom 22. Januar 2020 - 8 C 9.19 - BVerwGE 167, 259 Rn. 17) und nicht die genauestmögliche Vorhersage.
17 Schließlich bezeichnet auch der Vortrag des Klägers zum Reinvermögen keinen abstrakten Rechtssatz des Berufungsgerichts, der in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte abweichen würde. Der Kläger wirft dem Verwaltungsgerichtshof vielmehr auch insoweit nach Art einer Berufungsbegründung eine unzutreffende Rechtsanwendung vor. So führt er aus, der Verwaltungsgerichtshof "verkenne" die wesentlichen Unterschiede bei der Bilanzierung einer privatrechtlichen juristischen Person und einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Die Feststellung, das Reinvermögen sei eine rein bilanztechnische Rechengröße, sei "sachlich falsch". Der Klage habe entsprochen werden müssen, wenn der Verwaltungsgerichtshof zu der notwendigen Erkenntnis einer rechtswidrigen Vermögensbildung im Bereich des Reinvermögens gekommen wäre. Mit diesem Vortrag kann eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht begründet werden.
18 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG.