Beschluss vom 17.09.2020 -
BVerwG 2 B 65.20ECLI:DE:BVerwG:2020:170920B2B65.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.09.2020 - 2 B 65.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:170920B2B65.20.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 65.20

  • VG Neustadt a. d. Weinstraße - 05.02.2020 - AZ: VG 1 K 794/19.NW
  • OVG Koblenz - 23.06.2020 - AZ: OVG 2 A 10264/20.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. September 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juni 2020 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der 1982 geborene Kläger stand von August 2012 bis Ende Januar 2019 als Lehrer im Schuldienst des beklagten Landes. Während dieser Zeit wurde ihm vorgeworfen, dass er in den Jahren 2014 und 2015 die gebotene Distanz zu Schülerinnen an Berufsbildenden Schulen nicht gewahrt habe. Der Kläger hat die Vorwürfe in einem Dienstgespräch - teilweise - eingeräumt und um eine milde disziplinare Ahndung gebeten; die Schulbehörde sprach eine Missbilligung aus. Nach einem Schulwechsel wurde dem Kläger im Jahr 2016 erneut entsprechendes Fehlverhalten vorgeworfen. Ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen sexueller Nötigung wurde im Juni 2017 gemäß § 170 Abs.  2 StPO eingestellt, wobei im Einstellungsbescheid an die Anzeige erstattende Schülerin ein "enger und vertrauter Umgang" des Klägers mit dieser Schülerin aufgrund der aktenkundigen Chat-Verläufe als gegeben erachtet wurde. Das im Januar 2018 eingeleitete behördliche Disziplinarverfahren endete mit einem Ermittlungsbericht vom August 2018, der die Vorwürfe aus den Jahren 2014, 2015 und 2016 jeweils als erwiesen ansah. Der Kläger wurde auf eigenen Antrag zum 1. Februar 2019 aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Das Disziplinarverfahren wurde Ende März 2019 eingestellt.

2 Im Januar 2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er ihn in eine bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) geführte Datenbank aufgenommen habe, in der Personen erfasst werden, die aufgrund eines Beschäftigungshindernisses nicht oder vorübergehend nicht in den Schuldienst des Landes aufgenommen werden könnten. Der Eintrag umfasst neben den persönlichen "Stammdaten" des Klägers, dem Namen der Schule und dem Datum des Ausscheidens aus dem Schuldienst eine Kennziffer für den Aufnahmegrund ("Störung des Schulfriedens", fehlende persönliche Eignung) sowie das Datum der Aufnahme in die Datei. Der Kläger wandte sich gegen die (dauerhafte) Aufnahme in diese Datenbank. Seine Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

3 Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Soweit er unter Berufung auf seine Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eine tatsächliche nachteilige Wirkung des Eintrags befürchte, mache er damit lediglich eine rein hypothetische Betroffenheit geltend. Seinem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass er überhaupt eine erneute Bewerbung in den rheinland-pfälzischen Schuldienst - geschweige denn in absehbarer Zukunft - ernsthaft in Erwägung ziehe. Sein Begehren ziele auf die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes. Verwaltungsrechtsschutz sei aber grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Ein Ausnahmefall, in dem der Verweis auf die Erlangung nachgängigen (ggf. vorläufigen) Rechtsschutzes wegen unzumutbarer Nachteile ausscheide, liege nicht vor. Das vorstehende Ergebnis lasse sich auch auf den hinter der - wenn auch nicht unmittelbar einschlägigen - Vorschrift des § 44a VwGO stehenden Rechtsgedanken stützen, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf geltend gemacht werden können. Eine Ausnahme von diesem Rechtsgedanken wegen unmittelbar aus der Verfahrenshandlung folgender Nachteile, namentlich in Bezug auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), komme nicht in Betracht, weil dem Kläger auch insoweit keine Nachteile drohten. Namentlich führten der Eintrag, die Ausgestaltung und die Handhabung der Datenbank durch die ADD nicht zu einer Stigmatisierung des Klägers. Denn der hinter der Kennziffer des Aufnahmegrundes stehende Sachverhalt entspreche - unabhängig von seiner disziplinaren Bewertung des Geschehens - der Realität. Dass der Kläger wiederholt und auch nach ausdrücklicher Missbilligung seitens des Dienstherrn in einer Art und Weise Kommunikation mit Schülerinnen gepflegt habe, die das unabdingbare Distanzgebot massiv verletzten, stehe ausweislich der dokumentierten bzw. wiedergegebenen (und als solche nicht widerlegten) Chatverläufe fest und sei vom Kläger auch - im Kern - eingeräumt. Eine abträgliche Wirkung des Eintrags im Sinne einer Herabsetzung des Ansehens in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld sei mit der Aufnahme in die Datei nicht verbunden.

4 2. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Diese verlangen, dass sich die Beschwerde mit den Gründen der angefochtenen Berufungsentscheidung in einer Weise inhaltlich auseinandersetzt, dass deutlich wird, dass und warum einer der drei Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO vorliegt. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

5 a) Zentrales Argument des Berufungsurteils für die Abweisung der Klage als unzulässig und Verneinung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ist es, dass der Kläger lediglich eine rein hypothetische Betroffenheit geltend mache, weil seinem Vorbringen nicht zu entnehmen sei, dass er eine erneute Bewerbung in den rheinland-pfälzischen Schuldienst überhaupt ernsthaft - geschweige denn in absehbarer Zukunft - in Erwägung ziehe. Zwar gibt die Beschwerdebegründung diese Argumentation des Berufungsgerichts eingangs (unter A., Seite 1 unten/Seite 2 oben) referierend kurz wieder und erwähnt sie später (unter B. 2.) erneut, setzt sich damit aber in keiner Weise inhaltlich auseinander. Soweit die Beschwerde sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung auch auf den Rechtsgedanken aus § 44a VwGO stützt, erschöpft sie sich allein in dem Einwand, dass die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nichtanfechtbarkeit einer Stellungnahme des Präsidialrats eines obersten Gerichtshofs des Bundes (BVerwG, Urteil vom 13. November 2019 - 2 C 35.18 - BVerwGE 167, 277) anders gelagert sei. Dieser pauschale Einwand genügt nicht dem Darlegungserfordernis und bleibt auch deshalb defizitär, weil das Berufungsgericht diesen Rechtsgedanken nur ergänzend zu seiner Annahme einer rein hypothetischen Betroffenheit des Klägers herangezogen hat.

6 b) Soweit die Beschwerdebegründung im Weiteren eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage sieht, ob computergestützte Informationen überhaupt weitergeleitet werden dürfen, die nicht auf entsprechenden (bestandskräftig festgestellten) Fakten beruhen, liegen dieser Frage Annahmen zugrunde, die nicht den Feststellungen des Berufungsurteils entsprechen. Dem Berufungsurteil ist zum einen nicht zu entnehmen, dass der Inhalt des Eintrags anderen als den zugangsberechtigten Personen der die Datei führenden Schulbehörde zugänglich ist oder an Dritte weitergeleitet wird; zum anderen sieht das Berufungsurteil die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe - jedenfalls im Kern - als erwiesen an. Im Übrigen fehlt auch insoweit jede inhaltliche Auseinandersetzung von gewisser Tiefe mit dem Berufungsurteil.

7 c) Der schließlich angeführte Hinweis der Beschwerde, es sei nicht erkennbar, auf welche konkrete Ermächtigungsgrundlage die Maßnahme gestützt werden könne, lässt ebenfalls jede gebotene Erörterung und Durchdringung der Rechtslage vermissen und greift nicht einmal das hierzu als "ergänzende Anmerkung" angeführte obiter dictum des Berufungsurteils (UA S. 22) auf. Im Übrigen kann dies - wie bereits erwähnt - jedenfalls deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil die Ermächtigungsgrundlage die Begründetheit der Klage betrifft, das Berufungsgericht die Klage - entscheidungstragend - aber als unzulässig abgewiesen hat.

8 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.