Beschluss vom 17.12.2020 -
BVerwG 7 VR 8.20ECLI:DE:BVerwG:2020:171220B7VR8.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.12.2020 - 7 VR 8.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:171220B7VR8.20.0]

Beschluss

BVerwG 7 VR 8.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Dezember 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Antragsteller gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2020 - BVerwG 7 VR 3.20 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller je zu einem Drittel.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Antragsteller auf rechtliches Gehör in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2020 - BVerwG 7 VR 3.19 - nicht verletzt.

2 1. Soweit die Antragsteller vortragen, die Entscheidung des Senats auf der Grundlage einer Folgenabwägung sei für sie überraschend gewesen, ergibt sich kein Gehörsverstoß. Der Senat hat nicht nur den Begründetheitsmaßstab seiner eigenen Rechtsprechung angelegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 9). Vielmehr entspricht er allgemeiner Rechtsüberzeugung. Eine Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darf von Verfassungs wegen auf eine Folgenabwägung gestützt werden, wenn es nicht möglich ist, eine - gegebenenfalls auch nur summarische - Rechtmäßigkeitsprüfung in der für eine Eilentscheidung zur Verfügung stehenden Zeit durchzuführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 1 BvR 1401/18 - juris Rn. 5). Die Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorläufigen Rechtsschutz ist damit bei irreversiblen Folgen nicht in jedem Fall verfassungsrechtlich geboten. Die grundrechtlichen Belange sind dann in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris Rn. 26). Im Übrigen stehen hier gerade keine nicht mehr rückgängig machbaren Beeinträchtigungen in Rede (siehe unten 3.).

3 Die Antragsteller haben nicht substantiiert dargelegt, dass eine summarische Prüfung ihres Vortrags möglich gewesen sei. Es hätte an ihnen gelegen vorzutragen, ob und welche von ihnen geltend gemachten Tatsachenfragen und Rechtsmängel entgegen der Einschätzung des Gerichts summarischer Prüfung zugänglich gewesen wären (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 1 BvR 1401/18 - juris Rn. 7). Dies haben die Antragsteller nicht geleistet. Vielmehr machen sie pauschal geltend, es sei dem Senat ohne Weiteres möglich gewesen, "die vorgebrachten Argumente einer summarischen Prüfung zu unterziehen". Dies genügt nicht. Ihre Forderung, die Planfeststellungsabschnitte 2 und 3 seien einzubeziehen, macht vielmehr die Beurteilung der Sach- und Rechtslage noch komplexer.

4 Der vom Senat angewandte Maßstab ist auch Folge der gesetzgeberischen Entscheidung in § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG, wonach dem Vollzugsinteresse und damit der beschleunigten Umsetzung eisenbahnrechtlicher Planungsentscheidungen erhebliches Gewicht beigemessen wird. Hierauf hat der Senat in seinem Beschluss ausdrücklich hingewiesen (Rn. 12 f. sowie Rn. 16).

5 Im Übrigen betrifft die Rüge, der Senat habe fehlerhaft den Maßstab der folgenorientierten Interessenabwägung seiner Entscheidung zugrunde gelegt, keinen Gehörsmangel, sondern die Verletzung von sonstigen Rechten, insbesondere von Art. 19 Abs. 4 GG. Dies kann der Anhörungsrüge nicht zum Erfolg verhelfen. Der Schutzbereich des rechtlichen Gehörs erstreckt sich nicht auf Fragen der inhaltlichen Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2020, § 152a Rn. 18a; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2005 - 2 BvR 1904/05 - BVerfGK 7, 115 <116>; BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 1 B 24.09 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 10 Rn. 4).

6 Die Frage der Betroffenheit der Antragsteller, die Eigentümer von an dem Bereich des 2. Planungsabschnitts angrenzenden Grundstücken sind, hat der Senat behandelt. Eine abschließende Prüfung ihrer Betroffenheit durch Maßnahmen im 1. Planungsabschnitt war aber im Hinblick auf ihre Antragsbefugnis für ein Eilverfahren nicht geboten, weil die Aussetzungsanträge jedenfalls nicht begründet waren (Rn. 7).

7 2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat der Senat das Vollzugsinteresse nicht nur abstrakt gewichtet, sondern konkret darauf abgehoben, dass die Beigeladene zur Baufeldfreimachung Rodungsarbeiten durchführen müsse, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nur bis Ende Februar durchgeführt werden dürften (Rn. 14). Diese rechtliche Maßgabe folgt unmittelbar aus § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG, wonach es unter anderem verboten ist, Bäume, die außerhalb des Waldes, oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen und Hecken, in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September zu beseitigen.

8 3. Das Vorbringen der Antragsteller zu irreversiblen Folgen der Fällung von Bäumen durch sofortigen Vollzug hat der Senat ausdrücklich gewürdigt und ausgeführt, dass mit einer Fortsetzung der von der Beigeladenen begonnenen Arbeiten keine irreparablen bzw. nicht rückgängig zu machenden Folgen zulasten Drittbetroffener einträten. Vollendete Tatsachen würden nicht geschaffen. Eingetretene Folgen ließen sich im Wege des Rückbaus oder der Wiederbepflanzung gerodeter Flächen beseitigen bzw. rückgängig machen (Rn. 16 ff.). Dies gilt insbesondere für die geplanten bauzeitlichen oder endgültigen Inanspruchnahmen von Grundstücksflächen in den hinterwärtigen Grundstücksteilen im unmittelbaren Anschluss an die vorhandenen Gleisanlagen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Senat die Hauptsache im kommenden Jahr und damit weit vor dem Abschluss der Bauarbeiten entscheiden wird. Betriebsbedingte Belastungen und solche Belastungen, die sich erst aus der endgültigen Fertigstellung des Vorhabens ergeben (z.B. optische Beeinträchtigungen durch Lärmschutzwände), waren aus diesem Grund bei der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ohnehin nicht zu berücksichtigen.

9 Schließlich hat der Senat auch darauf abgehoben, dass sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses Sach- und Rechtsfragen stellten, die erst im Zuge der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden könnten (Rn. 15). Diese Einschätzung, dass eine Beantwortung der aufgeworfenen Fragen sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Rücksicht auf den Umfang und die Komplexität des Vorhabens nicht möglich ist, kann nicht von vornherein zurückgewiesen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 1 BvR 1401/18 - juris Rn. 6 f.). Die Antragsteller haben nicht aufgezeigt, ob und welche geltend gemachten Tatsachenfragen und Rechtsmängel entgegen der Einschätzung des Senats doch summarischer Prüfung zugänglich gewesen wären.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG; einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.