Beschluss vom 22.05.2025 -
BVerwG 1 WB 40.24ECLI:DE:BVerwG:2025:220525B1WB40.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.05.2025 - 1 WB 40.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:220525B1WB40.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 40.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scheffczyk, den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Nau und den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Kotthoff am 22. Mai 2025 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3).

2 Der Antragsteller ist seit 2001 Berufssoldat. Zuletzt wurde er im Dezember 2017 zum Oberstleutnant befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Derzeit ist er im A eingesetzt. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des März 2033.

3 Im Oktober 2019 wurde im Hinblick auf ihn der Auftrag zu einer Wiederholungsüberprüfung einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen erteilt. In seiner in diesem Rahmen abgegebenen Sicherheitserklärung vom 25. September 2019 verneinte er die Frage "Bestehen Mitgliedschaften in sozialen Netzwerken (z. B. Facebook, Twitter)?" (Nr. 5.2 der Sicherheitserklärung). Mit E-Mail vom 12. März 2020 teilte der Antragsteller mit, dass er die Frage wohl falsch verstanden habe. Er habe Accounts bei sozialen Netzwerken, die zwar nicht mehr von ihm genutzt würden, aber existent seien, namentlich bei Facebook ("eigentlich inaktiv aber vorhanden"), Twitter ("als 'B', eingerichtet so ab 2011 aber nie wirklich genutzt") und Xing.

4 Einem Nachbericht des C zur Sicherheitsüberprüfung vom 13. März 2020 waren Screenshots des Twitter-Accounts des Antragstellers beigefügt. Dort trat er unter Klarnamen und der Selbstbeschreibung "D" auf. Ein Tweet vom 30. Mai 2012 lautete "Guten Morgen ;) In der Bahn unterwegs innerhalb von E auf dem Weg zum F! Schade, dass der Laden nicht aufgelöst wird." Weitere Tweets stammten vom 10. September, 23. September und 29. September 2019. Im Tweet vom 10. September 2019 äußerte der Antragsteller: "Manchmal frage ich mich, ob bei der G damals in E einfach zu viele Systemchecker eingestellt wurden die jetzt meine Vorgesetzten sind".

5 Mit Schreiben vom 3. Dezember 2020 teilte der Geheimschutzbeauftragte des Bundesministeriums der Verteidigung (im Folgenden: "der Geheimschutzbeauftragte") dem Antragsteller mit, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos wegen Zweifeln an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit beabsichtigt sei. Die vom Antragsteller gewünschte persönliche Anhörung erfolgte nach coronabedingten Verzögerungen am 12. Oktober 2021.

6 Ausweislich der Niederschrift der Anhörung gab der Antragsteller dabei an, dass es wegen eines früheren Facebook-Posts aus dem Jahr 2016 zu einem Disziplinarverfahren gekommen sei. Er räumte ein, in der damaligen Vernehmung wohl unwahre Angaben gemacht zu haben, indem er die Urheberschaft für den Post abgestritten habe.

7 Angesprochen auf mögliche Anbahnungsversuche fremder Nachrichtendienste während seiner Einsätze gab der Antragsteller an, dass es keine direkten Anbahnungsversuche gegeben habe. Ein chinesischer Offizier habe ein gemeinsames Foto gemacht und nach der E-Mail-Adresse gefragt, weil er das Foto zur Erinnerung habe schicken wollen. Er habe dem Chinesen seine E-Mail-Adresse genannt. Die später von diesem erhaltene E-Mail habe er aber aus Angst vor einem Virus nie geöffnet.

8 Der Antragsteller räumte die Urheberschaft für die Twitter-Posts ein. Dabei habe es sich um dumme Aussagen gehandelt, die er heute nicht mehr veröffentlichen würde. Bei Xing habe er seinen Dienstgrad, seine jeweilige Dienststellung und Verwendung sowie deren Dauer eingestellt.

9 In einem Einsatz habe er mit einer Person Sex gehabt und dieser anschließend für einen angeblichen Krankenhausaufenthalt Geld gegeben.

10 Mit Schreiben vom 26. April 2023 teilte der Kommandeur der H dem Geheimschutzbeauftragten mit, dass er keine Wahrnehmungen und Erkenntnisse habe, die die Eignung des Antragstellers als Geheimnisträger der Bundeswehr ausschließen würden. Der unmittelbare Vorgesetzte des Antragstellers äußerte sich in einem beigefügten Schreiben dahingehend, dass er den Antragsteller als einen charakterfesten, stets loyalen, absolut glaub- und vertrauenswürdigen Stabsoffizier mit einer gefestigten soldatischen Einstellung sehe. Er verfüge über ein sehr hoch und besonders stark ausgeprägtes Sicherheitsbewusstsein und wisse, mit den Informationen rechts- und vorschriftengetreu umzugehen.

11 Mit Verfügung vom 11. Mai 2023 entschied der Geheimschutzbeauftragte, dass die Wiederholung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen des Antragstellers Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten. Die Wirkungsdauer der Feststellung des Sicherheitsrisikos betrage drei Jahre. Die Entscheidung wurde dem Antragsteller am 6. Juli 2023 eröffnet.

12 Mit Schreiben vom 11. Mai 2023 teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller mit, dass seine Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen worden sei. Er habe in seiner Sicherheitserklärung unwahre/unvollständige Angaben gemacht, indem er seine Mitgliedschaften in verschiedenen sozialen Netzwerken nicht angegeben habe. Dies sei erst mit der E-Mail vom 12. März 2020 geschehen. Der Behauptung, dass sein Twitter-Account nie wirklich genutzt werde, stünden die Posts vom 10., 23., und 29. September 2019 entgegen.

13 Im Rahmen der Befragung durch Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes habe er zunächst die zu dem früheren Disziplinarverfahren führende Äußerung auf Facebook bestritten. Erst nach beharrlichen Nachfragen habe er eingeräumt, dass diese von ihm stamme. Mit seinen wahrheitswidrigen Aussagen sowohl in der Sicherheitserklärung als auch in der Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst habe er gezeigt, dass ihm der Dienstherr das notwendige Vertrauen nicht zweifelsfrei entgegenbringen könne.

14 Es bestünden zudem Zweifel an seiner Zuverlässigkeit aufgrund eines nicht ausreichenden Sicherheitsbewusstseins. Auf Xing habe er seine Vita veröffentlicht. Er habe verschiedentlich kritische Inhalte auf sozialen Medien gepostet, die auch seine dienstliche Unzufriedenheit widergespiegelt hätten und somit für die Öffentlichkeit und gegebenenfalls fremde Nachrichtendienste einsehbar gewesen seien. Insgesamt sei aus seinem öffentlichen Internetauftritt eine bemerkenswerte Informationsfülle entnehmbar. Diese Zweifel würden durch weitere Umstände gestützt, etwa den Umstand, dass er freiwillig ein Foto mit einem chinesischen Offizier gemacht habe und diesem sodann seine private E-Mail-Adresse gegeben habe. Die Menge an sicherheitserheblichen Umständen, die isoliert betrachtet zwar unschädlich erschienen, führe in ihrer Gesamtheit jedoch dazu, dass das Maß des gezeigten Sicherheitsbewusstseins als nicht hinreichend zu bewerten sei.

15 Es bestehe zudem eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste. Er habe über verschiedene soziale Netzwerke in großem Umfang Informationen über sich preisgegeben. Verschärft werde die Gefahr durch die wiederholt zur Schau gestellte berufliche Unzufriedenheit, die ein Einfallstor für fremde Nachrichtendienste biete. Auch das Sexualverhalten des Antragstellers trage in gewissem Maße zu einer Risikoerhöhung bei.

16 Die vorliegenden sicherheitserheblichen Erkenntnisse wögen schwer. Die unwahren bzw. unvollständigen Angaben lägen noch nicht so lange zurück, dass sie unbeachtlich wären. Hinzu komme die Gefahr der nachrichtendienstlichen Ansprache. Die schwerwiegenden Zuverlässigkeitsdefizite erlaubten keine positive Prognose. Das gelte auch unter Berücksichtigung der positiven Stellungnahmen der Vorgesetzten. Es sei noch ein gewisser Zeitraum der Bewährung erforderlich. Die regelmäßige Wirkungsdauer von drei Jahren sei aufgrund des zeitlichen Zurückliegens der Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst sowie der für den Antragsteller sprechenden Umstände auf drei Jahre verkürzt worden. Das bestehende Sicherheitsrisiko könne weder durch Fürsorge-, noch durch andere Maßnahmen beseitigt werden.

17 Am 4. Juli 2023 hat der Antragsteller gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos einen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit einer Stellungnahme vom 15. August 2024 dem Senat vorgelegt.

18 Der Antragsteller trägt vor, dass der Geheimschutzbeauftragte zu einem völlig anderen Ergebnis gekommen sei als die Vorgesetzten des Antragstellers. Es sei unklar, wie lange Erkenntnisse zurückliegen müssten, bis sie unbeachtlich würden. Unklar sei auch, welche sexuellen Verhaltensweisen von einem Soldaten verlangt werden könnten. Eine lediglich abstrakte Gefährdung durch Anbahnungs- und Anwerbungsversuche fremder Nachrichtendienste genüge nicht für die Annahme eines Sicherheitsrisikos. Hierfür seien vielmehr konkrete Anhaltspunkte erforderlich. Der Geheimschutzbeauftragte habe sachfremde Erwägungen angestellt und Wertmaßstäbe zugrunde gelegt, die nicht mehr zeitgemäß seien. Die Angabe des Antragstellers, dass er seinen Twitter-Account nie wirklich genutzt habe, sei zutreffend gewesen. Es habe nur eine Nutzung in marginalem Umfang stattgefunden, die nicht erwähnenswert gewesen sei. Den Facebook-Post, der zu dem Disziplinarverfahren geführt habe, habe er eingeräumt. Beim Geschlechtsverkehr mit Einheimischen im Einsatz sei über dienstliche Themen nicht gesprochen worden.

19 Die Persönlichkeit und Verfassungstreue des Antragstellers sprächen gegen potentielle Anbahnungsversuche. Solche habe es nicht gegeben und solche hätte er gegebenenfalls zurückgewiesen.

20 Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten des Bundesministeriums der Verteidigung über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aufzuheben.

21 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

22 Der zulässige Antrag sei unbegründet. Der Antragsteller habe mehrfach und persistierend unwahre Angaben gemacht. Es sei nachvollziehbar, dass der Geheimschutzbeauftragte bereits aufgrund dieser Umstände für sich allein tragend Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers habe und eine negative Prognose stelle. Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers seien auch aufgrund seines nicht ausreichenden Sicherheitsbewusstseins begründet.

23 Neben diesen selbstständig tragenden Erwägungen bestünden auch tatsächliche Anhaltspunkte für eine besondere nachrichtendienstliche Gefährdung des Antragstellers. Es bestehe bezüglich beider tragender Sicherheitsrisiken auch zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch eine negative Prognose. Das gelte auch unter Berücksichtigung der positiven Stellungnahmen der Vorgesetzten. Andererseits habe nicht gänzlich unbeachtet bleiben können, dass der Antragsteller schon an anderer Stelle seinen Disziplinarvorgesetzten hinsichtlich der Urheberschaft des Facebook-Ports getäuscht habe. Zudem habe nicht unberücksichtigt bleiben können, dass der Antragsteller im gesamten, sich an die Abgabe der Sicherheitserklärungen anschließenden Verfahren und letztlich bis zum Zeitpunkt der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung immer wieder versucht habe, sein Verhalten zu relativieren und zu verharmlosen. Noch in der persönlichen Anhörung habe er gelogen. Dies lasse erkennen, dass ihm die Bedeutung des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens nicht in ausreichendem Maße bewusst sei und er hierfür auch nicht das erforderliche Verständnis entwickelt habe.

24 Der Antragsteller hat im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass die Behauptung, dass er mehrfach und persistierende unwahre Angaben gemacht habe, unzutreffend sei. Seine Äußerungen über Dritte seien rechtlich unbedenklich. Der Inhalt der Aussagen habe mit seiner Vertrauenswürdigkeit nichts zu tun. Er sei seit vielen Jahren Mitglied einer politischen Partei und habe sich auch kommunalpolitisch engagiert. Es sei unklar, was damit gemeint sei, dass eine bemerkenswerte Informationsfülle über ihn im Internet auffindbar sei. Dies diene nur seiner persönlichen Diffamierung. Geheimdienste könnten sich E-Mail-Adressen auch so verschaffen. Die freiwillige Herausgabe begründe keine Erpressbarkeit. Es werde vernachlässigt, was für einen guten Leumund er habe. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos habe disziplinarischen Charakter. Der zeitliche Verlauf und die Aktualität der positiven Beurteilung der Vorgesetzten sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssten beachtet werden.

25 Der vom Gericht angeforderte Befragungsbericht des Militärischen Abschirmdienstes müsse ihm in ungeschwärzter Form zur Verfügung gestellt werden. Das entspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen.

II

26 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

27 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Zwar wurde er vor der förmlichen Bekanntgabe der Entscheidung gegenüber dem Antragsteller gestellt. Ein aufgrund anderweitiger Kenntnis einer beabsichtigten dienstlichen Maßnahme (hier durch das Schreiben vom 11. Mai 2023 an den Antragsteller) gestellter Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zulässig, wenn die förmliche Bekanntgabe der Entscheidung spätestens im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung erfolgt ist, d. h. im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags beim Wehrdienstgericht. Der Soldat ist nach der förmlichen Eröffnung nicht genötigt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch einmal zu wiederholen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. September 2007 - 1 WB 62.06 - juris Rn. 18 ff. und vom 11. März 2008 - 1 WB 37/07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 20 f.; s. a. BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 1 WB 228.77 - ‌BVerwGE 63, 187 <188 f.>).

28 2. Der Antrag ist unbegründet. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist rechtmäßig (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO).

29 a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35). Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 - 1 WDS-VR 7.07 - juris Rn. 23, vom 30. Januar 2014 - 1 WB 47.13 - juris Rn. 29 und vom 17. April 2019 - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22).

30 b) Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier dem Geheimschutzbeauftragten des Bundesministeriums für Verteidigung –, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).

31 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).

32 Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 - 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).

33 c) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten des Bundesministeriums der Verteidigung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SÜG, Nr. 2418 der Zentralen Dienstvorschrift - ZDv - A-1130/3) rechtmäßig erfolgt.

34 Der angefochtene Bescheid leidet nicht an materiell-rechtlichen Fehlern. Dabei ist nach der Begründung durch den Geheimschutzbeauftragten und dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung in seinem Vorlageschreiben davon auszugehen, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos eigenständig tragend bereits auf die falschen Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren und dem früheren Disziplinarverfahren gestützt wurde. Da der Geheimschutzbeauftragte und das Bundesministerium der Verteidigung rechtsfehlerfrei bereits aus diesen Vorgängen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers und damit das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG ableiten, kann dahinstehen, inwieweit sich Zuverlässigkeitszweifel auch aus dem sonstigen Verhalten des Antragstellers ergeben und ob auch eine besondere Gefährdung des Antragstellers bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a SÜG gegeben ist.

35 aa) Der Geheimschutzbeauftragte ist im Hinblick auf den Vorwurf der unwahren Angaben nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Der Antragsteller hat seine Konten bei sozialen Medien in seiner Sicherheitserklärung unstreitig nicht angegeben. Dass er die Frage, wie in seiner E-Mail vom 12. März 2020 behauptet, missverstanden haben will, überzeugt aufgrund seiner Erfahrungen als S2-Offizier und der eindeutigen Formulierung der Frage, die ausdrücklich die Netzwerke Facebook und Twitter nennt, nicht. Dass er, wie ebenfalls in dieser E-Mail angegeben, seinen Twitter-Account "nie wirklich genutzt" haben will, überzeugt trotz einer dokumentierten Gesamtzahl von 73 Tweets im Zeitraum zwischen Mai 2012 und März 2020 sowie 9 Followern nicht. Er setzte jedenfalls am 10., 23. und 29. September 2019 Tweets ab, also unmittelbar bevor und nachdem er am 25. September 2019 seine Sicherheitserklärung unterzeichnete, und nur ein halbes Jahr vor der E-Mail vom 12. März 2020, laut der er sich "intensiv mit dem Thema der Sicherheitsüberprüfung beschäftigt habe". Damit konnte der Geheimschutzbeauftragte auch diese Aussage beanstandungsfrei als unwahr einstufen und von Vorsatz ausgehen. Das gilt auch deshalb, weil der Antragsteller ausweislich des Befragungsberichts des Militärischen Abschirmdienstes im Juni 2020 angab, während seines Auslandseinsatzes Bilder sowie Eigenporträts auf Facebook und Twitter aus dem Einsatzland gepostet zu haben und dass er bei Twitter "dieses Jahr auch nicht so viel gemacht" habe "und zuvor zwei Jahre auch mal nicht", es im Umkehrschluss also aus seiner Sicht auch Zeiten höherer Aktivität gegeben haben muss.

36 Dass der Antragsteller im Hinblick auf den Facebook-Post aus dem Jahr 2016 seine Urheberschaft dafür gegenüber seinem Disziplinarvorgesetzten wahrheitswidrig abgestritten hat, hat er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung eingeräumt. Dies wird auch durch den Schriftsatz seines Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren vom 1. Dezember 2023 bestätigt. Aus dem Befragungsbericht des Militärischen Abschirmdienstes ergibt sich zudem, dass er die Urheberschaft dennoch auch im Rahmen dieser Befragung zunächst bestritt. Der Darstellung in dem Bericht ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Eine ungeschwärzte Fassung des Berichts lag dem Gericht nicht vor und konnte dem Antragsteller demgemäß nicht im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden. Eine solche Fassung musste aber auch nicht vom Bundesministerium der Verteidigung angefordert werden, weil sich weder der Geheimschutzbeauftragte, noch das Ministerium auf ungeschwärzte Passagen des Berichts bezogen haben.

37 bb) Es ist unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Geheimschutzbeauftragten rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass er in diesem Sachverhalt selbstständig tragend tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) gesehen hat. Mit dieser Einschätzung hat er weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt. Falsche Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren sind grundsätzlich geeignet, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG nach sich zu ziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 2024 - 1 WB 12.23 -‌ juris Rn. 45 f.).

38 cc) Rechtlich unbedenklich ist schließlich, dass der Geheimschutzbeauftragte und das Bundesministerium der Verteidigung isoliert aus diesem Verhalten des Antragstellers prognostisch auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen haben, und dass der damit einhergehenden Gefährdung von Sicherheitsinteressen Vorrang vor den Interessen des Antragstellers gegeben worden ist. Der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), insbesondere in der Sicherheitserklärung nach § 13 SÜG keine falschen oder unvollständigen Angaben zu machen, kommt ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 WB 13.10 - Rn. 29 und vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 30). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie auf die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 2024 - 1 WB 12.23 - juris Rn. 49).

39 Angesichts dessen durfte der Geheimschutzbeauftragte seinen Prognosespielraum in Richtung einer negativen Prognose ausüben. Konkrete und praktikable Möglichkeiten, statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos lediglich Auflagen, Einschränkungen oder personenbezogene Sicherheitshinweise festzusetzen oder dem vorliegenden Sicherheitsrisiko durch Fürsorgemaßnahmen zu begegnen, sind weder vom Antragsteller aufgezeigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2023 - 1 WB 29.22 - juris Rn. 50) noch sonst ersichtlich. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte dem Sicherheitsinteresse Vorrang eingeräumt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die für den Antragsteller sprechenden Umstände wurden im Übrigen durch die vorzeitige Zulassung einer Wiederholungsprüfung nach Ablauf von drei Jahren angemessen berücksichtigt.