Beschluss vom 23.01.2023 -
BVerwG 8 B 27.22ECLI:DE:BVerwG:2023:230123B8B27.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.01.2023 - 8 B 27.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:230123B8B27.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 27.22

  • VG Frankfurt am Main - 29.03.2018 - AZ: 2 K 2023/16.F
  • VGH Kassel - 24.02.2022 - AZ: 6 A 2266/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Januar 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin zu 1 ist zugelassener Handelsteilnehmer bei der beklagten Terminbörse. Der Kläger zu 2 ist alleiniger Eigentümer der Klägerin zu 1. Der Sanktionsausschuss der Beklagten belegte die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 mit Beschluss vom 28. April 2016 jeweils mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 2 500 € und setzte eine Verfahrensgebühr in Höhe von 3 000 € fest, weil die Klägerin zu 1 zumindest fahrlässig gegen § 17a der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und Eurex Zürich in der am 28. April 2016 geltenden Fassung (BörsO) verstoßen habe. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Urteil geändert und den angegriffenen Beschluss des Sanktionsausschusses aufgehoben. Es könne dahinstehen, ob der Tatbestand des § 17a BörsO erfüllt sei. Die Entscheidung des Sanktionsausschusses erweise sich jedenfalls wegen fehlerhafter strafschärfender Erwägungen als ermessensfehlerhaft. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen seinen Beschluss nicht zugelassen.

2 Die allein auf die Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 Die Beklagte macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen §§ 133, 157 BGB in analoger Anwendung verstoßen, weil er den Beschluss des Sanktionsausschusses vom 28. April 2016 falsch ausgelegt habe. Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt. Die Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels dient der Kontrolle des Verfahrensgangs, nicht aber der Rechtsanwendung. Die Frage, ob bei der Auslegung von behördlichen Willenserklärungen die - materiell-rechtlichen - Auslegungsregeln der §§ 133 und 157 BGB analog zutreffend angewendet wurden, ist jedoch dem sachlichen Recht zuzuordnen. Das gilt auch für deren Anwendung auf den angefochtenen Sanktionsbeschluss. Mit einem Verstoß gegen §§ 133, 157 BGB lässt sich ein Verfahrensmangel des berufungsgerichtlichen Beschlusses daher nicht begründen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. November 2020 - 6 B 31.20 - juris Rn. 14 f. und vom 14. November 2022 - 6 B 14.22 - juris Rn. 14).

4 Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die einen Verfahrensmangel begründen könnte, legt die Beklagte nicht dar. Nach dieser Vorschrift ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Die Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen. Deshalb ist die Einhaltung der aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Verpflichtung nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt und daraus andere Schlüsse ziehen will als die angefochtene Entscheidung. Ein als Verfahrensfehler einzuordnender Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann zwar ausnahmsweise gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2021 - 8 C 31.20 - BVerwGE 173, 282 Rn. 13). Solches lässt sich der Beschwerdebegründung jedoch nicht entnehmen. Die Beklagte beanstandet die Auslegung des angegriffenen Sanktionsbeschlusses durch den Verwaltungsgerichtshof und stellt ihr die von ihr für zutreffend gehaltene Auslegung gegenüber, ohne einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz aufzuzeigen.

5 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.