Beschluss vom 23.08.2023 -
BVerwG 4 BN 24.23ECLI:DE:BVerwG:2023:230823B4BN24.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 23.08.2023 - 4 BN 24.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:230823B4BN24.23.0]
Beschluss
BVerwG 4 BN 24.23
- OVG Lüneburg - 10.02.2022 - AZ: 1 KN 171/20
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. August 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:
- Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 24. Mai 2023 - 4 BN 21.22 - wird zurückgewiesen.
- Der Antragsteller trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
Gründe
1 Die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Der Antragsteller hat daher keinen Anspruch auf Fortführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO.
2 Der Senat hat keine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen. Eine solche, den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Entscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit - unter Verletzung seiner ihm obliegenden Hinweis- und Erörterungspflicht - dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2018 - 4 BN 24.18 - juris Rn. 3 m. w. N.).
3 Der Senat hat im Beschluss vom 24. Mai 2023 - 4 BN 21.22 - bestätigt, dass die Überprüfung einer bestandskräftigen raumordnerischen Zielabweichungsentscheidung im Rahmen der Normenkontrolle eines Bebauungsplans angesichts der von dieser Entscheidung ausgehenden Bindungswirkung ausgeschlossen ist (wie BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2007 - 4 BN 17.07 - BauR 2007, 1712). Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte insoweit verfassungsrechtlichen Klärungsbedarf geltend gemacht, weil diese Auffassung private Betroffene unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG rechtsschutzlos stelle. Dieses Argument hat der Senat zurückgewiesen, weil es an einer materiellen Rechtsposition des Antragstellers fehlt, die von der Zielabweichung verletzt sein könnte (BA Rn. 6). Mit dieser Rechtsauffassung musste der Beschwerdeführer rechnen. Sie beruht auf anerkannten Grundsätzen zu Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, auf die auch die Beschwerdeerwiderung der Sache nach hingewiesen hatte (dort S. 3 f.). Danach geht der verfassungsrechtliche Anspruch des Einzelnen auf effektiven Rechtsschutz nur so weit, als ihm die jeweilige Rechtslage eine materielle Rechtsposition einräumt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 2021 - 4 VR 2.20 - BVerwGE 172, 57 Rn. 53). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt nicht selbst subjektive Rechte des Bürgers, sondern setzt deren Bestehen nach Maßgabe der Rechtsordnung im Übrigen voraus (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 207/87 - BVerfGE 83, 182 <194 f.> und vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1 <11>). Anders als die Anhörungsrüge meint, gibt die Senatsauffassung nicht den auf Vollkontrolle angelegten Prüfungsmaßstab des Normenkontrollverfahrens auf (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 9.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 222 Rn. 14), sondern trägt einer, die anderen Staatsorgane bindenden Verwaltungsentscheidung Rechnung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2007 - 4 BN 17.07 - a. a. O., S. 1713).
4 Die Anhörungsrüge macht ferner geltend, die vom Ziel der Raumordnung geschützten Freiraumfunktionen räumten dem Antragsteller eine wehrfähige Rechtsposition ein. Diese inhaltliche Kritik zeigt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG oder § 108 Abs. 2 VwGO nicht auf. Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist nicht geboten. Denn die Anhörungsrüge verleiht keinen Anspruch, dass das Gericht seine Entscheidung anhand der Einwände noch einmal überdenkt und, wenn es an ihr festhält, durch eine ergänzende oder vertiefende Begründung rechtfertigt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2023 - 4 BN 46.22 - juris Rn. 2 m. w. N.).
5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.