Beschluss vom 23.11.2022 -
BVerwG 4 BN 4.22ECLI:DE:BVerwG:2022:231122B4BN4.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.11.2022 - 4 BN 4.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:231122B4BN4.22.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 4.22

  • OVG Münster - 10.11.2021 - AZ: 7 D 28/19.NE

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. November 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2 1. Die Grundsatzrüge bleibt erfolglos.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Diese Voraussetzungen legt die Beschwerde nicht dar.

4 a) Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage,
ob ein Abwägungsmangel (in beachtlicher Weise) in Bezug auf die Ermittlung und Bewertung von externen Ergänzungsgebieten bereits dann vorliegt, wenn die Planbegründung nicht alternativ, sondern kumulativ auf externe Ergänzungsgebiete Bezug nimmt,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie geht am Inhalt des Urteils vorbei. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Abwägungsmangel nicht bereits wegen der kumulativen Bezugnahme auf drei externe Ergänzungsgebiete, sondern wegen der fehlenden Eignung von zwei Ergänzungsgebieten begründet (vgl. UA S. 16 f.). Insoweit ist geklärt, dass die Gemeinde sich bei einer externen Gliederung darüber klar werden muss, ob und welche geeigneten Baugebiete im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses und zukünftig die Funktion von Ergänzungsgebieten übernehmen sollen (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - BVerwGE 161, 53 Rn. 17). Die Eignung eines Ergänzungsgebiets bestimmt sich - wie bei der internen Gliederung - danach, ob ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder mit solchen Emissionskontingenten vorhanden ist, die bei typisierender Betrachtung ausreichend hoch sind, um die nach § 8 Abs. 2 BauNVO zulässigen und nicht nach § 1 Abs. 5 BauNVO wirksam ausgeschlossenen Nutzungen zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - BVerwGE 161, 53 Rn. 17 und vom 29. Juni 2021 - 4 CN 8.19 - BVerwGE 173, 75 Rn. 12).

5 Die vorstehende Frage lässt sich auch in Ansehung der Beschwerdebegründung nicht - wie nach Ablauf der Beschwerdefrist mit Schriftsatz vom 27. Mai 2022 geltend gemacht - sinngemäß dahin verstehen,
ob bei einer kumulativen externen Gliederung jedes der Ergänzungsgebiete den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts entsprechen muss oder eine Kombination mehrerer externer Ergänzungsgebiete, für die keine Emissionskontingente festgesetzt, sondern nur Beschränkungen hinsichtlich einzelner Typen von Gewerbebetrieben vorgesehen sind, ausreicht.

6 Ungeachtet dessen würde sich diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Einen planerischen Willen, der auf eine externe Gliederung mittels Kombination verschiedener Gebiete gerichtet ist, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt; Gleiches gilt für die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte alternative Benennung der drei externen Gebiete. Vielmehr hat es die Formulierung in der Planbegründung "Hierfür werden zusätzlich folgende Ergänzungsgebiete benannt, in denen keine Emissionsbeschränkungen festgesetzt sind" so verstanden, dass jedes der kumulativ aufgeführten Ergänzungsgebiete als geeignet erachtet wird und diese gemeinsam betrachtet dazu dienen sollen, eine hinreichende externe Gliederung zu gewährleisten (UA S. 15 f., 18). Dementsprechend hat es für jedes Ergänzungsgebiet geprüft, ob es den in der Rechtsprechung geklärten Anforderungen an eine externe Gliederung (s. o.) genügt.

7 b) Die Frage,
ob der in den §§ 214 ff. BauGB zum Ausdruck gebrachte Grundsatz des Planerhalts gebietet, textliche Erläuterungen in der Planungsbegründung, die das Ziel einer ordnungsgemäßen Festlegung durch den Plangeber erkennen lassen, dieses Ziel aber nicht in eindeutig rechtssicherer Weise umsetzen, entsprechend geltungserhaltend auszulegen,
führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Dass Bebauungspläne geltungserhaltend auszulegen sind, ist bereits geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - BVerwGE 161, 53 Rn. 12). Unter mehreren möglichen Auslegungsvarianten ist diejenige zu wählen, die sich als mit höherrangigem Recht vereinbar erweist (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2002 - 6 CN 1.02 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 73 S. 42 und vom 20. August 2003 - 6 CN 5.02 - juris Rn. 28). Klärungsbedarf im Hinblick auf diesen Maßstab zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie kritisiert die o. g. Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, der planerische Wille der Antragsgegnerin ziele auf eine externe kumulative Gliederung mit drei Ergänzungsgebieten. Die Auslegung des Bebauungsplans und seiner Begründung im Einzelfall ist jedoch grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2022 - 4 BN 1.22 - juris Rn. 9 m. w. N.).

8 c) Schließlich rechtfertigen auch die Fragen,
ob zur Beurteilung der Frage, ob ein verfahrensbeeinflussender Mangel im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a. E. BauGB bei einer beabsichtigten Vornahme von externen Gliederungen nach § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO vorgelegen hat, allein solche Umstände herangezogen werden dürfen, die die externe und nicht auch die interne Gliederung von Gebieten betreffen,
und
ob bei einem vorhandenen Ergänzungsgebiet, das für sich genommen für eine externe Gliederung ausreichend gewesen wäre und als solches einzeln hätte festgesetzt werden können, die konkrete Möglichkeit bestehen kann, dass die Planung anders ausgefallen wäre und dies damit die Annahme einer Verfahrensbeeinflussung im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a. E. BauGB rechtfertigt,
die Zulassung der Revision nicht. Ein Fehler bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials nach § 2 Abs. 3 BauGB ist dann im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB auf das Ergebnis des Verfahrens "von Einfluss gewesen", wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 B 21.15 - BRS 84 Nr. 11 S. 74 m. w. N.). Hiervon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 19). Die Beschwerde erschöpft sich insoweit darin, ihre Kritik an der Rechtsanwendung in eine Grundsatzrüge zu kleiden. Dabei übersieht sie schon, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Fehlerfolgenbetrachtung einen Zusammenhang zwischen interner und externer Gliederung angenommen hat, weil die externe Gliederung nach dem Willen des Plangebers die fehlerhafte interne Gliederung heilen soll (UA S. 15). Die zweite Frage geht zudem davon aus, dass das verbleibende Ergänzungsgebiet für eine externe Gliederung ausgereicht hätte. Einen darauf gerichteten planerischen Willen hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.

9 2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

10 Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2022 - 4 BN 25.22 - juris Rn. 7 m. w. N.).

11 Das legt die Beschwerde nicht dar. Sie entnimmt dem Urteil des Senats vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - (BVerwGE 161, 53) den Rechtssatz, dass der Wille zur externen Gliederung in der Planbegründung in irgendeiner Weise erkennbar sein muss. Einen solchen Rechtssatz enthält das Urteil nicht. Unter Rn. 18 heißt es vielmehr, der Plangeber müsse in geeigneter Weise im Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung dokumentieren, dass und wie er von der Ermächtigung des § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO Gebrauch gemacht hat. Diesen Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt (UA S. 15). In der Sache rügt die Beschwerde einen Rechtsanwendungsfehler, auf den eine Divergenzrüge nicht gestützt werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2022 - 4 BN 7.22 - juris Rn. 9 m. w. N.).

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.