Beschluss vom 26.01.2023 -
BVerwG 1 WB 3.22ECLI:DE:BVerwG:2023:260123B1WB3.22.0

Verwirkung des Antrags auf Neubildung einer Referenzgruppe

Leitsätze:

1. Für die Verwendung des Referenzgruppenmodells bei der fiktiven Laufbahnnachzeichnung von militärischen Gleichstellungsbeauftragten fehlt eine dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts entsprechende gesetzliche Grundlage.

2. Dieser Mangel einer normativen Grundlage kann für eine Übergangszeit bis Ende des Jahres 2023 hingenommen werden.

3. Der Anspruch auf Neubildung einer Referenzgruppe unterliegt der Verwirkung.

  • Rechtsquellen
    BGB § 242
    SGleiG § 18 Abs. 2a und 5
    AR A-1336/1 Nr. 301, 308, 319

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.01.2023 - 1 WB 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:260123B1WB3.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 3.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Pfützenreuter und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Creuels
am 26. Januar 2023 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin begehrt die Neubildung einer Referenzgruppe.

2 Die ... geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin und Offizierin des militärfachlichen Dienstes. Ihre Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März ... enden. Zum 1. April 2008 wurde sie zum Oberleutnant (A 10) und am 26. Mai 2015 zum Hauptmann befördert und zum April 2015 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Die letzte planmäßige Beurteilung für die Antragstellerin war zum Stichtag 31. März 2009 erstellt worden.

3 Am 30. September 2009 wurde sie zur militärischen Gleichstellungsbeauftragten für den Bereich der ... gewählt und für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Oktober 2013 vollständig vom militärischen Dienst entlastet. Daher wurde für sie 2011 eine Referenzgruppe gebildet, die durch den Amtschef des Personalamtes der Bundeswehr am 26. Oktober 2011 gebilligt und der Antragstellerin in einem Personalgespräch am 19. Mai 2011 und einem weiteren Personalentwicklungsgespräch vom 17. Januar 2020 erläutert worden war. Diese Referenzgruppe besteht aus neun Oberleutnanten des Sanitätsdienstes, die auf nach A 9/A 10 bewerteten Dienstposten verwendet wurden. Die Antragstellerin nimmt in dieser Referenzgruppe den Rang 5 ein.

4 Nach ihrer Wiederwahl am 23. Oktober 2013 wurde die Antragstellerin am 8. November 2013 erneut für vier Jahre zur militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... bestellt. In der Bestellung vom 8. November 2013 heißt es, die Ämter der militärischen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin würden bei und nach der Umgliederung von der ... zur ... durch die hier bestellten Amtsinhaberinnen fortgeführt.

5 Die ... wurde zum 31. Dezember 2013 aufgelöst; zum 1. Januar 2014 wurde die ... neu gebildet. Die Antragstellerin war bis 31. Dezember 2013 auf einem mit A 10 bewerteten ... bei der ... und ab 1. Januar 2014 auf einem mit A 10 bewerteten ... bei der ... geführt worden.

6 Nach Erörterung der Rechtslage im Bundesministerium der Verteidigung durch die dortige militärische Gleichstellungsbeauftragte und das Referat ... wurde die ... angewiesen, eine Neuwahl der militärischen Gleichstellungsbeauftragten zu veranlassen. Die Antragstellerin wurde am 4. Dezember 2014 zur militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... gewählt und hierzu unter dem 4. März 2015 bestellt.

7 Auf der Grundlage der für sie 2011 gebildeten Referenzgruppe wurde sie mit der Beförderung des fünften Mitgliedes der Referenzgruppe am 26. Mai 2015 ebenfalls zum Hauptmann befördert und auf ein mit A 11 bewertetes ... der ... versetzt.

8 Am 17. Januar 2019 wurde die Antragstellerin als militärische Gleichstellungsbeauftragte der ... wiedergewählt, unter dem 31. Januar 2019 hierzu bestellt und unter dem 6. März 2019 erneut bis Ende Januar 2023 vom militärischen Dienst vollständig entlastet.

9 Im November 2019 beantragte die Antragstellerin die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 und erhob nach erfolglosen Beschwerden Klage zum Verwaltungsgericht ...

10 Nachdem das Bundesministerium der Verteidigung im Dezember 2020 angewiesen hatte, alle Referenzgruppen zu überprüfen, wurde auch für die Antragstellerin mit der Erarbeitung einer neuen Referenzgruppe begonnen. Auch diese solle auf den Zeitpunkt der erstmaligen Bestellung der Antragstellerin zur militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... zum 1. November 2009 abstellen. Vor einer Billigung der neuen Referenzgruppe ist das Vorhaben aufgegeben worden.

11 Am 6. Mai 2020 beantragte sie beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Erstellung einer Referenzgruppe bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Entlastung zur Wahrnehmung der Aufgaben der militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... Mit Zwischenbescheid vom 29. Juli 2020 setzte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Entscheidung über den Antrag bis zum Abschluss des Rechtsstreits beim Verwaltungsgericht ... aus. Am 15. Februar 2021 erhob die Antragstellerin Untätigkeitsbeschwerde. Unter dem 10. Januar 2022 stellte sie Untätigkeitsantrag auf gerichtliche Entscheidung, den das Bundesministerium der Verteidigung mit einer Stellungnahme vom 10. Februar 2022 vorlegte.

12 Die Antragstellerin macht geltend, sie sei von 2009 bis 2013 für die Tätigkeit als militärische Gleichstellungsbeauftragte der ... und ab Februar 2015 für die Tätigkeit als militärische Gleichstellungsbeauftragte der ... freigestellt gewesen. Für den dazwischen liegenden Zeitraum von 14 Monaten sei keine Freistellung erfolgt. Ihr Amt als militärische Gleichstellungsbeauftragte der ... hätte mit Auflösung dieses Großverbandes am 31. Dezember 2013 geendet. Eine Laufbahnnachzeichnung sei für den Zeitraum ab Bestellung als militärische Gleichstellungsbeauftragte der ... nach der Neuwahl 2015 nach Nr. 301 AR A-1336/1 erforderlich, nicht dagegen für die Zwischenzeit von 14 Monaten, in der sie außerhalb von Dienstposten zur besonderen Verfügung des Kommandeurs ... verwendet worden sei. Damit lägen auch Beurteilungserkenntnisse über sie vor. Sie sei mit Aufträgen nach Weisung des Kommandeurs bzw. des Chefs des Stabes ... beschäftigt gewesen, habe insbesondere eine Ausbildung "..." konzipiert, beworben und durchgeführt. Ferner habe sie andere Veranstaltungen als Moderatorin vorbereitet und durchgeführt, sei in der Öffentlichkeitsarbeit der ... tätig gewesen und habe Vorgänge auf Vereinbarkeit mit dem SGleiG geprüft. Dies könne der damalige Chef des Stabes ... Brigadegeneral ... bekunden. Sie habe damals ausdrücklich um eine Beurteilung gebeten. Ihre Tätigkeiten seien zwar nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Auf dieses pflichtwidrige Versäumnis könne sich der Dienstherr aber nicht berufen. Für eine kommissarische Wahrnehmung der Funktion der Gleichstellungsbeauftragten in dieser Zeit gebe es keine Rechtsgrundlage. Auf eine Freistellung als militärische Gleichstellungsbeauftragte werde in ihrer Versetzung zur ... rechtsirrig hingewiesen. Für den Anspruch auf Neubildung einer Referenzgruppe beziehe sie sich auf den Vergleichsfall Kapitänleutnant ... Die zeitliche Tragfähigkeit einer Referenzgruppe betrage etwa zehn Jahre, so dass eine auf einer Beurteilung von 2009 basierende Referenzgruppe kein taugliches Auswahlmittel für die Beförderungsreife der Antragstellerin mehr sei.

13 Die Antragstellerin beantragt,
das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in ihrer Laufbahn nachzuzeichnen.

14 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

15 Für die Antragstellerin sei am 26. Oktober 2011 eine rechtmäßige Referenzgruppe gebildet worden, die für ihre weitere Förderung maßgeblich bleibe. Sie habe nach Maßgabe von Nr. 301, 319 AR A-1336/1 keinen Anspruch auf Bildung einer neuen Referenzgruppe wegen ihrer erneuten Bestellung zur militärischen Gleichstellungsbeauftragten am 4. März 2015. Die letzten Beurteilungserkenntnisse über die Antragstellerin lägen in ihrer planmäßigen Beurteilung vom 7. Januar 2009. Die Antragstellerin habe die Aufgaben der militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... bis zum 19. Mai 2014 jedenfalls faktisch wahrgenommen und daher keine einer dienstlichen Beurteilung zugänglichen Tätigkeit ausgeübt. Es könne dahinstehen, ob für die Antragstellerin zum 31. März 2015 eine planmäßige Beurteilung gemäß Nr. 203 Buchst. d ZDv 20/6 zu erstellen gewesen wäre. Sie habe jedenfalls einvernehmlich faktisch das Amt der militärischen Gleichstellungsbeauftragten ausgeübt, sich weder zeitgerecht gegen das Ausbleiben der Beurteilung noch gegen die Beibehaltung der Referenzgruppe beschwert. Der Fall Kapitänleutnant ... sei nicht vergleichbar, weil für diese nach einer viermonatigen Unterbrechung der Freistellung eine planmäßige Beurteilung erstellt und auf dieser Grundlage eine neue Referenzgruppe gebildet worden sei.

16 Mit Verfügung vom 4. Januar 2023 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass es für die Förderung freigestellter bzw. entlasteter Soldaten nach dem Referenzgruppenmodell derzeit keine dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetztes genügende normative Grundlage gibt (BVerwG, Beschluss vom 23. November 2022 - 1 WB 21.21 -). Allerdings könne für freigestellte bzw. entlastete Soldatinnen und Soldaten, die sich - wie die Antragstellerin - auf ein gesetzliches Benachteiligungsverbot berufen können, das Fehlen einer ausreichenden normativen Grundlage für eine Übergangszeit hingenommen und die in der AR A-1336/1 niedergelegte Regelung zugrunde gelegt werden.

17 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte der Antragstellerin haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

18 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

19 1. Der Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung zu einer Laufbahnnachzeichnung zu verpflichten, ist im Lichte des Sachvortrages der Antragstellerin so zu verstehen, dass sie die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung begehrt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für sie eine neue Referenzgruppe bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Entlastung für die Wahrnehmung der Aufgaben der militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... ab März 2015 zu erstellen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO).

20 Die Rechtmäßigkeit der 2011 gebildeten Referenzgrundlage ist dagegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) ist die inhaltliche Identität zwischen dem Gegenstand des gerichtlichen Antragsverfahrens und dem des vorgerichtlichen Beschwerdeverfahrens (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Mai 2014 - 1 WB 59.13 - Buchholz 450.1 § 23a WBO Nr. 2 Rn. 36, vom 22. Juni 2017 - 1 WB 15.17 - juris Rn. 23 und vom 26. September 2019 - 1 WB 26.18 - juris Rn. 15). Unabhängig von der Frage, ob die Referenzgruppe bestandskräftig geworden ist, gibt den Gegenstand dieses Verfahrens mithin die Beschwerde vom 15. Februar 2021 vor. Mit dieser Untätigkeitsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Neubildung einer Referenzgruppe bezogen auf die Freistellung 2015 vom 6. Mai 2020 weiter. Weder mit diesem Antrag noch mit der Untätigkeitsbeschwerde rügt sie die Rechtswidrigkeit der Referenzgruppenbildung 2011, auf deren Grundlage sie 2015 bereits einmal befördert wurde.

21 2. Der Antrag ist als Untätigkeitsantrag zulässig.

22 Die Bildung einer Referenzgruppe für freigestellte Soldaten stellt eine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2020 - 1 WB 20.20 - juris Rn. 10 m. w. N.), die Gegenstand eines Verpflichtungsbegehrens sein kann. Die Referenzgruppenbildung ist kein bloß vorbereitendes Element innerdienstlicher Willensbildung. Sie stellt nämlich die wesentliche und vorentscheidende Weichenstellung für die Verwirklichung des Rechts des freigestellten Soldaten auf ein Fortkommen nach Eignung, Befähigung und Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) dar (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2019 - 1 WB 12.18 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 104 Rn. 14).

23 Die Antragstellerin ist antragsbefugt, weil sie einen Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Nr. 301 AR A-1336/1, Art. 33 Abs. 2 GG und § 18 Abs. 5 Satz 1 SGleiG geltend machen kann.

24 3. Der Antrag ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Nr. 301 AR A-1336/1 keinen Anspruch auf Bildung einer neuen Referenzgruppe bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Entlastung von anderen dienstlichen Tätigkeiten als die Wahrnehmung der Aufgaben der militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... im März 2015.

25 a) Dem Referenzgruppenmodell fehlt eine dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes genügende normative Grundlage (BVerwG, Beschluss vom 23. November 2022 - 1 WB 21.21 - Rn. 23 ff.).

26 Zwar führt der Mangel einer erforderlichen gesetzlichen Grundlage in der Regel zur Unbeachtlichkeit darauf gestützter Verwaltungsvorschriften. Die Abweichung von der Unanwendbarkeitsfolge kommt vor allem in Betracht, wenn die Rechtsprechung - wie hier - in der Vergangenheit von der Rechtmäßigkeit eines Handelns durch Verwaltungserlass ausgegangen ist und wenn durch die mangelnde Beachtung einer Verwaltungsvorschrift in einer Übergangszeit ein Zustand entstünde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als die bisherige Lage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2019 - 2 BvL 1/09 - BVerfGE 150, 345 Rn. 81 f. zu Steuergesetzen; BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <111> zu Beihilfevorschriften und Beschluss vom 31. Januar 2019 - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 35 zum äußeren Erscheinungsbild der Soldaten).

27 Dies gilt insbesondere für vollständig von dienstbezogenen Aufgaben entlastete militärische Gleichstellungsbeauftragte im Sinne von § 18 Abs. 2a, Abs. 5 Satz 1 SGleiG wie hier die Antragstellerin. Ein völliger, auch zeitweiser Wegfall jeglicher Förderung der entlasteten Soldatinnen würde das genannte Benachteiligungsverbot verletzen und damit einen Zustand herbeiführen, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als die bisherige Lage.

28 Eine andere Beurteilung ist erst dann angezeigt, wenn der Gesetzgeber in einem überschaubaren Zeitraum nicht tätig wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <111>). Im Hinblick darauf, dass Gesetz- und Verordnungsgeber die Problematik des Gesetzesvorbehaltes bei den dienstlichen Beurteilungen im Beamten- und Soldatenrecht grundsätzlich erkannt und ihr durch verschiedene Rechtsänderungen bereits in weiten Teilen Rechnung getragen haben, ist eine Frist bis zum 31. Dezember 2023 ausreichend, um auch den hier festgestellten Mangel in der normativen Grundlage für das Referenzgruppenmodell (oder ein vergleichbares Förderkonzept) zu beheben. Wie das Bundesministerium der Verteidigung ausgeführt hat, ist ein Gesetzgebungsverfahren zu einer entsprechenden Änderung des Soldatengesetzes bereits so weit fortgeschritten, dass mit dem Abschluss noch in diesem Jahr gerechnet wird. Auch eine Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung ist in Vorbereitung.

29 Für diese Übergangszeit sind für die Antragstellerin die Vorgaben aus AR A-1336/1 bzw. den entsprechenden für den in Rede stehenden Zeitraum geltenden Vorgängerregelungen im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG weiter anwendbar.

30 b) Die Antragstellerin hat hiernach aber keinen Anspruch auf Bildung einer neuen Referenzgruppe zum Zeitpunkt ihrer erneuten Freistellung 2015.

31 aa) Ein Anspruch auf Bildung einer Referenzgruppe für eine vollständig entlastete militärische Gleichstellungsbeauftragte ergibt sich nicht nach Maßgabe der damaligen Erlasslage aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die seinerzeitigen Regelungen entsprachen - wie die Antragstellerin zutreffend annimmt - den Nummern 301, 308 ff. AR A-1336/1 und dienen der Umsetzung des Benachteiligungsverbotes aus § 18 Abs. 5 Satz 1 SGleiG. Einen entsprechenden Anspruch sahen auch die Vorgängerregelungen (Nr. 301 ff. Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) A-1336/1, Nr. 103 i. V. m. Nr. 501 ff. Zentralerlass (ZE) B-1336/2, Erlass "Förderung vom Dienst freigestellter oder im dienstlichen Interesse beurlaubter Soldatinnen und Soldaten sowie von ihrer dienstlichen Tätigkeit für die volle regelmäßige Arbeitszeit entlasteten militärischen Gleichstellungsbeauftragten (GleiBmil) – Erläuterung zur Erlasslage" vom 9. August 2010 - PSZ I 1 - Az 16-32-00/28) vor.

32 Als militärische Gleichstellungsbeauftragte ist und war die Antragstellerin von anderen dienstlichen Tätigkeiten gemäß § 18 Abs. 2a SGleiG (ebenso § 18 Abs. 2 Satz 1 SGLeiG in der bis zum 13. September 2013 geltenden Fassung vom 27. Dezember 2004) zu entlasten. Nach Nr. 205 Buchst. a (6) ZDv A-1340/50 "Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr" in den vor dem 31. Juli 2021 geltenden Fassungen bzw. aktuell Nr. 208 (6) AR A-1340/50 "Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten" seit dem 31. Juli 2021 unterbleibt für diesen Personenkreis eine Beurteilung. Tätigkeiten als militärische Gleichstellungsbeauftragte waren nach Nr. 401 Abs. 3 Satz 1 ZDv A-1340/50 und sind nach Nr. 404 Satz 1 AR A-1340/50 nicht zu bewerten. Dies folgt aus § 18 Abs. 5 Satz 3 SGleiG, der eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdeganges vorschreibt.

33 Um dem Benachteiligungsverbot aus § 18 Abs. 5 Satz 1 SGleiG (und § 18 Abs. 5 Satz 1 in der bis zum 13. September 2013 geltenden Fassung vom 27. Dezember 2004) Rechnung zu tragen, wird für betreffende Personen nach Maßgabe der jeweils zeitlich anwendbaren Verwaltungsvorschrift ausgehend von der letzten planmäßigen Beurteilung die laufbahngerechte Fortentwicklung der entlasteten Person durch fiktive laufbahngerechte Fortschreibung der Fortentwicklung gemessen an der Fortentwicklung vergleichbarer Soldatinnen und Soldaten sichergestellt. Zu diesem Zwecke ist bezogen auf die Sachlage zum Zeitpunkt der vollständigen Entlastung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2018 - 1 WB 41.17 - juris Rn. 27 für Nr. 502 Abs. 1 Punkt 1 ZE B-1336/2) eine Referenzgruppe zu bilden.

34 Unstreitig bestand hiernach mit der erstmaligen Entlastung der Antragstellerin für die Wahrnehmung der Aufgaben der militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... ab November 2009 ein auslösendes Ereignis, das sowohl die Notwendigkeit der Bildung einer Referenzgruppe als auch den für die Bestimmung der Sachlage, die ihrer Bildung zugrunde zu legen war, maßgeblich war. Entsprechend ist für die Antragstellerin damit auch 2011 eine Referenzgruppe gebildet worden. Damit ist ihr Anspruch auf Erstellung einer Referenzgruppe erfüllt worden.

35 bb) Ein neuer Anspruch auf Erstellung einer neuen Referenzgruppe ist nicht dadurch entstanden, dass die 2011 für die Antragstellerin gebildete Referenzgruppe nach dem Ende ihrer Entlastung als militärische Gleichstellungsbeauftragte der ... keinen Bestand mehr hätte und damit unwirksam geworden wäre. Sowohl nach der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. Juni 2022 in Bezug genommenen Regelung der AR A-1336/1 als auch nach den oben angeführten Vorgängerbestimmungen ist eine einmal gebildete Referenzgruppe auch über das Ende einer Freistellungs- bzw. Entlastungsphase hinaus anwendbar, bis neue Beurteilungserkenntnisse über die entlastete Soldatin vorliegen (vgl. Nr. 319 AR A-1336/1, Nr. 403 ZDv A-1336/1, Nr. 505 ZE B-1336/2, Punkt 2.1.3 des Erlasses vom 9. August 2010).

36 Erst das Vorliegen neuer Beurteilungserkenntnisse über die betreffende Person nach dem Ende einer Freistellungsphase beendet damit den Bestand der zuvor gebildeten Referenzgruppe und begründet einen Anspruch auf Neuerstellung bezogen auf den Zeitpunkt des neuen auslösenden Ereignisses. Folgt eine Freistellungs- bzw. Entlastungsphase infolge einer Neuwahl direkt oder in kurzem Abstand der nächsten Freistellungs- bzw. Entlastungsphase und liegen Beurteilungserkenntnisse deshalb nicht vor, begründet die erneute Freistellung bzw. Entlastung daher auch keinen Anspruch auf eine Neubildung.

37 Hiernach ist nicht maßgeblich, ob die Antragstellerin im Zeitraum nach der Auflösung der ... zum 31. Dezember 2013 bis zu ihrer Neuwahl für die ... im Dezember 2014 und der Bestellung im März 2015 wirksam und rechtmäßig zur militärischen Gleichstellungsbeauftragten bestellt und nach § 18 Abs. 2a Satz 1 SGleiG rechtmäßig von beurteilungsfähigen Aufgaben entlastet war. Ausschlaggebend ist vielmehr - neben dem Ende einer Amtsperiode als militärische Gleichstellungsbeauftragte - das tatsächliche Vorliegen neuer Erkenntnisse über beurteilungsfähige Leistungen in Form von neuen Beurteilungen oder Beurteilungsbeiträgen.

38 (1) Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine neue Beurteilung tatsächlich erstellt wird. So liegt unstreitig der von der Antragstellerin in Bezug genommene Parallelfall der Frau Kapitänleutnant ..., für deren viermonatige Tätigkeit zwischen zwei nicht unmittelbar aneinander anschließenden Freistellungs- bzw. Entlastungsphasen eine Beurteilung erstellt wurde. Für die Antragstellerin liegt dagegen keine Beurteilung für den Zeitraum Januar 2014 bis März 2015 vor. Insoweit sind beide Fälle nicht vergleichbar.

39 (2) Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihr nachträglich für diese 15 Monate eine Beurteilung erstellt werden müsste. Dabei kann es offenbleiben, ob sie in dem in Rede stehenden Zeitraum beurteilungsfähige Leistungen erbracht hat.

40 Sie hat zwar mit Schriftsatz vom 16. Januar 2023 unter Bezugnahme auf das Zeugnis von Brigadegeneral ... substantiiert vorgetragen, welche Tätigkeiten ihr im fraglichen Zeitraum übertragen waren. Jedenfalls soweit sie auf Aufgaben aus dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und die Konzeption und Durchführung von Ausbildungen verweist, stehen allgemein-militärische Tätigkeiten in Rede.

41 Auch wäre der über einen Zeitraum von etwa 14 Monaten zwischen Dezember 2014 und März 2015 geleistete militärische Dienst grundsätzlich beurteilungsfähig. In diesem Fall war nicht nur die Erstellung einer Sonderbeurteilung möglich, sondern auch eine planmäßige Beurteilung zum Stichtag 31. März 2015 für die Antragstellerin, die damals Oberleutnant des militärfachlichen Dienstes war, nach Maßgabe von Nr. 203 Buchst. a und d ZDv A-1340/50 fällig. Die Antragstellerin weist auch mit Recht darauf hin, dass sich der Dienstherr regelmäßig nicht auf das pflichtwidrige Versäumen einer Dokumentation berufen kann, um einen Anspruch auf eine Beurteilung abzulehnen. Zudem ist er grundsätzlich zur Erstellung einer planmäßigen Beurteilung unabhängig von einem Antrag des zu beurteilenden Soldaten verpflichtet. Hier kann die Antragstellerin aber die Erstellung einer neuen Beurteilung nicht mehr erreichen, weil sie ihren Anspruch hierauf verwirkt hat und es daher treuwidrig ist, eine auf eine entsprechende Beurteilung bezogene Neubildung einer Referenzgruppe auf dieser Grundlage zu verlangen.

42 Der Rechtsgedanke der Verwirkung als Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch im öffentlichen Recht einschließlich des öffentlichen Dienstrechts anwendbar. Dieser Einwand setzt neben dem Zeitablauf voraus, dass der Inhaber eines materiellen oder prozessualen Anspruchs oder Gestaltungsrechts innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf. Danach kann ein Soldat sowohl sein materielles Recht auf Überprüfung und gegebenenfalls Änderung seiner dienstlichen Beurteilung als auch das prozessuale Klagerecht verwirken (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Juni 2014 - 2 B 76.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 75 Rn. 11 und vom 23. Dezember 2015 - 2 B 40.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 82 Rn. 21, jeweils m. w. N.). Dies gilt auch für den Anspruch, für einen vergangenen Zeitraum erstmals eine Beurteilung und im Anschluss an diese eine neue Referenzgruppe zu erhalten.

43 So liegt der Fall auch hier. Denn zum einen lag der Zeitraum, in dem die Antragstellerin beurteilungsfähige Leistungen erbracht hatte, etwa fünf Jahre vor ihrem Antrag auf Neubildung der Referenzgruppe im Mai 2020, so dass die Beurteilung als höchstpersönliche Wertung des zuständigen Beurteilers wegen der abnehmenden Erinnerung an die in Rede stehenden Leistungen allenfalls unter großen Schwierigkeiten zu erstellen ist (Zeitmoment). Zum anderen ist sie im Mai 2015 nach ihrer Bestellung zur militärischen Gleichstellungsbeauftragten der ... und der damit verbundenen Entlastung auf der Grundlage der alten Referenzgruppe befördert worden (Umstandsmoment). Dies hat die Antragstellerin akzeptiert, obwohl nach ihrer Rechtsauffassung mit dem Ende ihrer Entlastung als militärische Gleichstellungsbeauftragte der ... und der Möglichkeit einer neuen Beurteilung für den Zeitraum vom Januar 2014 bis März 2015 eine Beförderung nur nach Maßgabe einer aktuellen Beurteilung oder einer neuen Referenzgruppe zum Zeitpunkt 2015 möglich gewesen wäre. Indem die Antragstellerin damit von der alten Referenzgruppe profitierte und es bis zur Geltendmachung von Neubildungsansprüchen im Mai 2020 etwa fünf Jahre unterließ, den Anspruch auf eine Neuerstellung zum Ende März 2015 geltend zu machen, hat sie den Anschein erweckt, mit der Förderung nach Maßgabe dieser Referenzgruppe einverstanden zu sein und eine Situation geschaffen, in der der Dienstherr darauf vertrauen durfte, dass für eine aktuelle Beurteilung und eine neue Referenzgruppe wegen der fortgeltenden Referenzgruppe kein Bedarf besteht.

44 (3) Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin hat sie auch nicht bereits deshalb einen Anspruch auf Neubildung einer Referenzgruppe, weil die 2011 gebildete Referenzgruppe durch den Zeitablauf ihre Wirksamkeit verloren hätte.

45 Nach den Regelungen der Nummern 312 bis 316 AR A-1336/1 verliert eine Referenzgruppe nicht allein wegen Zeitablaufs ihren Bestand. Die von der Antragstellerin in Bezug genommenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen (OVG Münster, Beschluss vom 19. März 2019 - 1 B 1301/18 - und VGH Kassel, Beschluss vom 30. März 2022 - 1 B 308/21 -) betreffen die Aussagekraft fiktiv fortgeschriebener Beurteilungen freigestellter Beamter in einem Auswahlverfahren für eine Beförderung, in dem diese fiktiven Fortschreibungen mit aktuellen Leistungsbeurteilungen von Konkurrenten zu vergleichen waren. Eine solche Fallkonstellation steht hier nicht in Rede. Die fiktive Fortschreibung der Leistungsentwicklung nach dem Referenzgruppenmodell der AR A-1336/1 weist der Referenzgruppe auch keine Bedeutung für eine Auswahlentscheidung in einem Aufstiegswettbewerb unter Konkurrenten um höherwertige, förderliche Dienstposten zu. Vielmehr werden freigestellte bzw. entlastete Soldaten, für deren Förderung eine Referenzgruppe gebildet wurde, nach Nr. 320 Satz 1 AR A-1336/1 ggf. fiktiv auf einen höherwertigen Dienstposten versetzt und dann befördert. Damit kommt es nach diesem Förderungsmodell nicht zu der Notwendigkeit, einen Leistungsvergleich zwischen Kandidaten mit aktueller und ohne aktuelle Beurteilung vornehmen zu müssen. In einem solchen Vergleich fehlt es - wie die angeführten Entscheidungen mit Recht ausführen - an der Vergleichbarkeit zwischen einer aktuellen Beurteilung tatsächlicher Leistungen und der fiktiven Fortschreibung aktuell nicht erbrachter Leistungen, wenn der Prognose für die fiktive Fortschreibung Leistungen zugrunde lagen, die vor mehr als zehn Jahren erbracht wurden. Damit ist aber nichts darüber ausgesagt, ob eine fiktive Fortschreibung auch dann in einem Förderungsmodell durch bloßen Zeitablauf ihre Wirksamkeit verliert, in dem ein Auswahlwettbewerb unter Konkurrenten für förderliche Dienstposten gar nicht vorgesehen ist. Da Freistellungs- bzw. Entlastungsphasen durch mehrfache Wiederwahl von Vertrauenspersonen oder militärischen Gleichstellungsbeauftragten ohne Weiteres mehr als zehn Jahre dauern können, ohne dass auch nur die Möglichkeit zu einer Beurteilung besteht, würde der Verlust der Wirksamkeit einer Referenzgruppenbildung durch bloßen Zeitablauf dem gesetzlichen Benachteiligungsverbot nicht gerecht werden.