Beschluss vom 26.01.2023 -
BVerwG 2 B 27.22ECLI:DE:BVerwG:2023:260123B2B27.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.01.2023 - 2 B 27.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:260123B2B27.22.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 27.22

  • VG Bremen - 21.10.2020 - AZ: 6 K 104/15
  • OVG Bremen - 27.04.2022 - AZ: 2 LB 131/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Januar 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 27. April 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 439,28 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verwendungszulage für den Zeitraum von Januar 2008 bis Juni 2016.

2 Der Kläger steht im Dienst der Beklagten. Er wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1999 zum Kriminaloberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) und mit Wirkung vom 1. Juli 2016 zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) befördert. Von März 1999 bis Juni 2016 wurde er auf mit der Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstposten eingesetzt. Im Mai 2011 beantragte der Kläger die Zahlung einer Verwendungszulage. Die Beklagte lehnte den Antrag ab; das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, an den Kläger eine Verwendungszulage für die Zeit von Januar 2008 bis Juni 2016 in Höhe von 895,50 € nebst Prozesszinsen zu zahlen, und im Übrigen die Klage hinsichtlich der beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit seines Einsatzes in dieser Zeit abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Klägers, soweit sie zugelassen worden war, das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verpflichtet, an den Kläger eine Verwendungszulage für die Zeit von Januar 2008 bis Juni 2016 in Höhe von 924,18 € nebst Prozesszinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

4 Dem Kläger stehe nur ein anteiliger Anspruch auf Gewährung einer Verwendungszulage zu. Der Zahl der A 11-Planstellen im etatisierten Bereich der Polizei, die bei der von der Beklagten praktizierten "Topfwirtschaft" im jeweiligen Monat unstreitig frei gewesen seien, stehe eine größere Zahl an Anspruchsberechtigten gegenüber. Der Beklagten sei die Geltendmachung des Einwands der (teilweise) fehlenden haushaltsrechtlichen Voraussetzungen nicht nach Treu und Glauben verwehrt. Das Erfordernis der Erfüllung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen sei nicht entbehrlich.

5 2. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

6 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9).

7 a) Die in der Beschwerde des Klägers aufgeworfenen Fragen betreffen ausgelaufenes Recht. Der Bundesgesetzgeber hat die vormals in § 46 BBesG geregelte Verwendungszulage durch das Siebte Besoldungsänderungsgesetz vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2163) mit Wirkung vom 1. Januar 2016 aufgehoben. Die Fortgeltung des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl. I S.  3020, BBesG a. F.) auf bremische Beamte ist mit dem Inkrafttreten des Bremischen Besoldungsgesetzes vom 20. Dezember 2016 (BremBesG, Brem. GBl. 2016 S. 924) am 1. Januar 2017 entfallen. Die Übergangsvorschrift aus Anlass des Wegfalls der Zulage in § 79 BremBesG ist am 30. April 2019 außer Kraft getreten. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Beantwortung der Fragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Diese besonderen Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2018 - 2 B 38.18 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 11 Rn. 12 m. w. N.). Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegend gegeben ist, kann dahinstehen, weil die Zulassung der Revision wegen der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen ohnehin nicht in Betracht kommt.

8 b) Die von der Beschwerde gestellten Fragen,
"ob die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze im Urteil vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 , bestätigt und konkretisiert mit Beschluss vom 21.11.2019 - 2 B 23.19 , Rn. 9 f., dass die laufbahnrechtlichen und haushaltsrechtlichen Vorgaben ungeachtet der Beförderungspraxis des Dienstherrn heranzuziehen sind, auch dahingehend zu verstehen sind, dass die Erhebung der Einrede nicht nach Treu und Glauben verwehrt sein kann",
"ob die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze im Urteil vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 , bestätigt und konkretisiert mit Beschluss vom 21.11.2019 - 2 B 23.19 , Rn. 9 f., dass die laufbahnrechtlichen und haushaltsrechtlichen Vorgaben ungeachtet der Beförderungspraxis des Dienstherrn heranzuziehen sind, auf ein unbeschränkt großes Missverhältnis zwischen Anspruchsberechtigten und freien Planstellen Anwendung findet",
"sind die vom Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 25.09.2014 - 2 C 16.13 entwickelten Grundsätze, dass bei Vorliegen einer Topfwirtschaft nur eine anteilige Gewährung einer Verwendungszulage erfolgt, soweit die Anzahl der anspruchsberechtigten Beamten die Anzahl der offenen Planstellen übersteigt, ebenfalls auf den Fall anwendbar, dass der Dienstherr mehrere hundert Beamte auf höherwertigen Dienstposten einsetzt und gleichzeitig lediglich eine einstellige Anzahl an freien Planstellen zur Verfügung steht",
führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die ersten beiden Rechtsfragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, soweit sie sich auf die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen i. S. d. § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG a. F. beziehen. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Kläger die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen im gesamten Anspruchszeitraum erfüllt (BA S. 13). Im Übrigen sind die Rechtsfragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt oder können auf deren Grundlage im Sinne der Entscheidung des Berufungsgerichts eindeutig beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

9 Der Senat hat bereits durch Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 C 52.17 - (BVerwGE 164, 99 Rn. 28 f.) in Übereinstimmung mit der angegriffenen Berufungsentscheidung (BA S. 14) entschieden, dass die Tatbestandsvoraussetzung des Vorliegens der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen nicht entfällt, wenn der Dienstherr durch seine Personalbewirtschaftung systematisch - gemeint ist: in großem Umfang, in einer Vielzahl von Fällen - dafür sorgt, dass die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen der Zulage nicht erfüllt sind. Das gesetzliche Erfordernis der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen ist ebenso wie die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen von § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG a. F. nicht verzichtbar. Das Verhalten des Dienstherrn kann die Erfüllung gesetzlich vorgesehener Anspruchsvoraussetzungen nicht entbehrlich machen. Andernfalls würde die Zulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG a. F. entgegen dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut und damit unter Verstoß gegen den strikten Gesetzesvorbehalt im Besoldungsrecht (§ 2 Abs. 2 BBesG a. F., § 2 Abs. 2 BremBesG) zu einer systemfremden Auffang-Zulage. Der Gesichtspunkt von Treu und Glauben, auf den sich die Beschwerde beruft, kann - ungeachtet seiner systematischen Einordnung als Einwand oder Einrede - den strikten Gesetzesvorbehalt im Besoldungsrecht nicht überspielen; dies findet in der Rechtsordnung keine Stütze.

10 Ist das Tatbestandsmerkmal der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen gegeben, d. h. im Fall der sog. Topfwirtschaft müssen im maßgebenden Zeitpunkt des Entstehens des monatlichen Anspruchs freie besetzbare Planstellen(anteile) der entsprechenden höheren Wertigkeit nach dem geltenden Haushaltsplan im etatisierten Behördenbereich vorhanden sein, und sind die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 BBesG a. F. erfüllt, besteht der Anspruch auf Gewährung einer Verwendungszulage dem Grunde nach. Die Rechtsfolge ergibt sich aus § 46 Abs. 2 BBesG a. F. Dabei ist der in § 46 Abs. 2 BBesG a. F. bestimmte Differenzbetrag bei einer höheren Anzahl von Anspruchsberechtigten als besetzbaren Planstellen nur anteilig zu gewähren. Das Berechnungsverfahren hat der Senat in seiner Entscheidung vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 - (BVerwGE 150, 216 Rn. 20 ff.) abschließend beschrieben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2020 - 2 B 43.19 - Buchholz 240 § 46 Nr. 15 Rn. 10 f.). Zur Bestimmung der Höhe des zu zahlenden Anteils ist für den Anspruchszeitraum und den etatisierten Behördenbereich monatlich die Anzahl der Anspruchsberechtigten zu ermitteln und zur Anzahl der jeweils besetzbaren Planstellen der entsprechenden Wertigkeit ins Verhältnis zu setzen. Der sich aus § 46 Abs. 2 BBesG a. F. ergebende Differenzbetrag definiert die Obergrenze einer zu gewährenden Zulage. Eine Untergrenze in dem von der Beschwerde wohl angestrebten Sinne, dass ein bestimmter prozentualer Mindestanteil des vollen Zulagenbetrages zu gewähren ist, besteht dagegen nicht. Sie kann auch vor dem Hintergrund der mit § 46 BBesG a. F. dreifach verfolgten Zielsetzung, der Anreiz-, Honorierungs- und Korrekturfunktion (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 3 S. 11 und vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 - BVerwGE 150, 216 Rn. 15, 24), nicht durch Auslegung angenommen werden. Eine solche Mindesthöhe würde gegen die Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers verstoßen. Sie hätte zur Folge, dass es insgesamt zu einer Überschreitung der im "Topf" befindlichen Haushaltsmittel kommt, die zur Verteilung auf die Anspruchsberechtigten zur Verfügung stehen.

11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3 sowie § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG.