Beschluss vom 27.01.2022 -
BVerwG 9 A 19.21ECLI:DE:BVerwG:2022:270122B9A19.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.01.2022 - 9 A 19.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:270122B9A19.21.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 19.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Januar 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 2021 - 9 A 10.20 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Das Rügevorbringen lässt nicht erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 2021 - 9 A 11.20 - juris Rn. 2 m.w.N.). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es müssen vielmehr nur die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19).

3 Dies zugrunde gelegt, liegt ein Gehörsverstoß nicht vor. Es trifft nicht zu, dass das angefochtene Urteil das zentrale Vorbringen des Klägers zu der Frage übergeht, in welchen Fällen und in welcher Reichweite enteignungsbetroffene Kläger der Ausgangsplanfeststellung nach Planänderungen, die zur objektiven Rechtswidrigkeit der Planung führen, erneut Zugang zu Gericht finden müssen.

4 Der Kläger hat im Klageverfahren vorgetragen, eine durch eine Planänderung objektiv rechtswidrig gewordene Planung genüge nicht mehr dem Wohl der Allgemeinheit und legitimiere seine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG nicht mehr. Unter diesen Umständen erfordere das Gebot effektiven Rechtsschutzes angesichts der Bindungswirkung einer bestandskräftigen Planfeststellung für die Zulässigkeit der Enteignung, ihm erneut Zugang zu Gericht zu gewähren.

5 Mit diesem Vorbringen hat sich der Senat in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt. Er hat ausgeführt, dass er an den in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben zum Rechtsschutz bei Planänderungen auch angesichts der Einwände des Klägers festhält (UA Rn. 13 ff.). Die Argumentation des Klägers wird mit der Aussage zusammengefasst, der Rechtsschutz gegen eine Planänderung dürfe im Ergebnis nicht hinter dem Rechtsschutz zurückbleiben, der ihm eröffnet gewesen wäre, wenn die Änderungen bereits Bestandteil der Ursprungsplanung gewesen wären (UA Rn. 16). Dieser Aussage wird mit dem Gegenargument des Grundsatzes der Rechtssicherheit entgegengetreten. Unter Bezugnahme auf näher bezeichnete Rechtsprechung führt der Senat aus, mit den Regelungen in § 76 Abs. 2 VwVfG gewichte der Gesetzgeber bei Planänderungen das gerade im Planfeststellungsverfahren geltende besondere Bedürfnis nach Rechtsbeständigkeit und Planungssicherheit höher als die Interessen eigentumsbetroffener Privatkläger an einer erneuten umfassenden Rechtsschutzmöglichkeit bei unwesentlichen Planänderungen (UA Rn. 17). Zu dem vom Kläger ferner ins Feld geführten Argument des effektiven Rechtsschutzes führt der Senat aus, Art. 19 Abs. 4 GG erfordere jedenfalls für die vorliegende Konstellation keine weitergehende Klagebefugnis, denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 76 Abs. 2 VwVfG werde gerichtlich überprüft; auch hierzu wird auf bereits vorhandene Rechtsprechung Bezug genommen (UA Rn. 18).

6 Die fehlende ausdrückliche Erwähnung des Art. 14 Abs. 3 GG in den Entscheidungsgründen rechtfertigt nicht die Rüge, der Senat habe sich mit dem zentralen Vorbringen nicht befasst. Die Klagebegründung, die den Streitstoff bereits abschließend fixieren muss (§ 17e Abs. 5 Satz 1 FStrG; vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14), erwähnt Art. 14 Abs. 3 GG lediglich an einer Stelle, dort heißt es:
"Schließlich muss eine Klagebefugnis auch dann bejaht werden, wenn das Ausmaß einer Grundstücksinanspruchnahme zwar identisch bleibt, aber die Änderungen der Planfeststellung neue Verstöße gegen objektives Recht beinhalten, hinsichtlich derer der Kläger nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtes im Rahmen seines gerichtlichen Vollüberprüfungsanspruchs bereits ein Klagerecht gehabt hätte. Neben Art. 19 Abs. 4 GG folgt dies wie bei der Ausgangsplanfeststellung aus Art. 14 Abs. 3 GG. Bei fehlerhafter Planänderung würde die Enteignung aufgrund des geänderten Plans nicht (mehr) zum Wohle der Allgemeinheit erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64/07 -, Rn. 23 f., juris)."

7 Mit diesem Vortrag hat sich der Senat befasst. Zu dem Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - führt der Senat aus, diesem Urteil lasse sich nichts für die Sichtweise des Klägers entnehmen, dort sei es um die Begründung des Vollüberprüfungsanspruchs eines Enteignungsbetroffenen an sich und nicht um den Vollüberprüfungsanspruch hinsichtlich eines Planänderungsbescheids gegangen. Im Übrigen handele es sich bei der in diesem Urteil erwähnten Planänderung um eine solche, die bereits vor Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses erfolgt war, weshalb sich die Frage der Bestandskraft dort nicht gestellt habe (UA Rn. 14). Damit hat sich der Senat in Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Klägers bewusst für die Auffassung entschieden, dass die Zulässigkeit einer Klage nach Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses und anschließender Planänderung nach dem Willen des Gesetzgebers auch bei einem durch die ursprüngliche Planung Enteignungsbetroffenen davon abhängt, dass gerade durch die Planänderung Belange des Klägers berührt werden. Der Vollüberprüfungsanspruch hat neben den vom Kläger hervorgehobenen Einschränkungen durch die Kausalitätsrechtsprechung so auch eine zeitliche Grenze (zu der weiteren Einschränkung, dass auch Enteignungsbetroffene sich nicht zum Sachwalter fremder Privatinteressen machen dürfen, siehe BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 38 und Korbmacher, DVBl 2022, 1 <3>).

8 In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein auf Art. 14 Abs. 3 GG bezogenes Argument vertieft und zum Zusammenhang mit dem Grundsatz der Planerhaltung betont, seine Auffassung führe nicht dazu, dass der Bestandsschutz der Ausgangsplanfeststellung in einer dem Grundsatz der Planerhaltung wiederstreitenden Weise infrage gestellt werde. Dieser Rechtsauffassung hat sich der Senat nicht angeschlossen, sondern ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Beschränkung des Klagerechts bei Planänderungen auf eine erstmalige oder weitergehende Betroffenheit der eigenen Belange des Klägers gerade durch die Planänderung ausweislich der Regelungen in § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG sowie des § 76 Abs. 2 VwVfG vom Gesetzgeber gewollt und auch verfassungskonform ist. Durch diese Regelungen werden in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt (UA Rn. 17 f.).

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühr nicht nach dem Streitwert bemisst, sondern unmittelbar aus Nummer 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ergibt.