Pressemitteilung Nr. 11/2022 vom 28.01.2022

Eilantrag gegen den Weiterbau der Festen Fehmarnbeltquerung abgelehnt

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 27. Januar 2022 den Eilantrag einer Umweltvereinigung gegen den Weiterbau der Festen Fehmarnbeltquerung (FFBQ) abgelehnt.


Die gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der FFBQ erhobenen Klagen hat das Gericht mit Urteilen vom 3. November 2020 abgewiesen. Es hat dabei jedoch festgestellt, dass bezüglich weiterer Riffvorkommen, die während des Gerichtsverfahrens entdeckt worden sind, ein ergänzendes Verfahren durchgeführt werden muss. Mit Planänderungsbeschluss vom 1. September 2021 hat das schleswig-holsteinische Wirtschafts- und Verkehrsministerium für diese Riffe eine Befreiung von dem naturschutzrechtlichen Beschädigungs- und Zerstörungsverbot erteilt, die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen festgelegt und dessen sofortige Vollziehbarkeit angeordnet. Die Aushubarbeiten für den Tunnelgraben begannen Ende August 2021 bzw. – im Bereich der Riffflächen – Anfang September 2021.


Der Antrag einer Umweltvereinigung vom 13. Januar 2022, die aufschiebende Wirkung ihrer im Oktober 2021 erhobenen Klage gegen den Planänderungsbeschluss wiederherzustellen und die Bauarbeiten zu stoppen, hatte keinen Erfolg. Aufgrund der Eilbedürftigkeit des Verfahrens hat das Bundesverwaltungsgericht den Beteiligten zunächst nur den Tenor der Entscheidung zugestellt. Die Gründe der Entscheidung, deren redaktionelle Bearbeitung aufgrund gerichtsinterner Arbeitsabläufe einige Tage in Anspruch nimmt, werden den Beteiligten zeitnah übersandt und anschließend auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts veröffentlicht.


BVerwG 9 VR 1.22 - Beschluss vom 27. Januar 2022


Beschluss vom 27.01.2022 -
BVerwG 9 VR 1.22ECLI:DE:BVerwG:2022:270122B9VR1.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.01.2022 - 9 VR 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:270122B9VR1.22.0]

Beschluss

BVerwG 9 VR 1.22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Januar 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Planänderungsbeschluss des Antragsgegners vom 1. September 2021 wird abgelehnt.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, wendet sich gegen den Planänderungsbeschluss des Antragsgegners vom 1. September 2021 betreffend die naturschutzrechtliche Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und Ergänzung von Maßnahmen zur Realkompensation bezüglich des Planfeststellungsbeschlusses des Antragsgegners vom 31. Januar 2019 für den Neubau einer Festen Fehmarnbeltquerung von Puttgarden nach Rødby, deutscher Vorhabenabschnitt. Der Antragsgegner hat mit dem Erlass des Planänderungsbeschlusses dessen sofortigen Vollzug angeordnet.

2 Die gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 erhobenen Klagen - darunter diejenige des Antragstellers - hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 3. November 2020 abgewiesen. Dabei hat das Gericht in zwei nicht den Antragsteller betreffenden Urteilen festgestellt, dass, soweit während der Gerichtsverfahren weitere Riffvorkommen entdeckt worden waren, dies die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht berührt, dass ihnen jedoch im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens nach § 76 VwVfG Rechnung zu tragen ist (BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 178 f. und - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 651 f.). Das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich einer Verletzung biotopschutzrechtlicher Vorschriften bezüglich von Riffen hat das Gericht hingegen gemäß § 18e Abs. 5 AEG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO als unsubstantiiert bzw. als verspätet zurückgewiesen (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 443 ff.).

3 Mit seiner am 4. Oktober 2021 erhobenen Klage und seinem Antrag auf Wiederherstellung deren aufschiebender Wirkung vom 13. Januar 2022 erhebt der Antragsteller Einwände sowohl gegen den Planänderungs- als auch gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss. Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 haben mit Schreiben vom 18. Januar 2022 zum Stand der Bauarbeiten mitgeteilt, dass die im Planänderungsbeschluss geregelten dauerhaften Flächenverluste an den sogenannten Riffflächen 1 und 3 bereits vollständig und an der Rifffläche 2 zum überwiegenden Teil eingetreten seien.

II

4 Der Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.

5 Der Senat kann über den Antrag bereits unter Zugrundelegung der Antragsbegründung vom 13. Januar 2022, der Stellungnahmen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 1 vom 18. Januar 2022 sowie des Planänderungsbeschlusses vom 1. September 2021 entscheiden. Aufgrund dessen sowie der Eilbedürftigkeit des Verfahrens muss mit der Entscheidung nicht bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist für den Antragsteller und die Beigeladenen gewartet werden.

6 Dem Eilantrag fehlt es ungeachtet der Frage, ob der Antragsteller den Planänderungsbeschluss noch anfechten kann, obwohl seine Einwände gegen die Kartierung und Bewertung der Riffvorkommen in dem Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 mit Urteil des Senats vom 3. November 2020 zurückgewiesen wurden, sowie der weiteren Frage, ob der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes über dessen § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 eröffnet ist, zu großen Teilen an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (1.) und überwiegt im Übrigen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (2.).

7 1. Hinsichtlich der bereits erfolgten Beseitigung von Riffflächen sowie der im Planänderungsbeschluss angeordneten Kompensationsmaßnahmen ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

8 a) Soweit die Eingriffe in die Riffflächen, die Gegenstand des Planänderungsbeschlusses sind, abgeschlossen sind, besteht kein Rechtsschutzinteresse für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

9 Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO ist darauf gerichtet, im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes die vorläufige Hemmung der Vollziehbarkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses - im umfassenden Sinn eines Verwirklichungsverbots - zu erreichen. Vorläufiger Rechtsschutz kann daher nicht gewährt werden, wenn die gerichtliche Entscheidung die Rechtsstellung des Antragstellers nicht (mehr) verbessern kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2007 - 9 VR 4.07 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 28 Rn. 3 und vom 30. Dezember 2010 - 7 VR 3.10 - juris Rn. 3). Dementsprechend entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für den Aussetzungsantrag einer Umweltvereinigung, soweit der Planfeststellungsbeschluss umgesetzt und die Folgen, auf deren vorläufige Verhinderung der Eilantrag zielt, bereits irreversibel eingetreten sind (vgl. zum Baurecht OVG Berlin, Beschluss vom 28. August 2001 - 2 SN 11.01 - DÖV 2001, 1055; OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 22. November 2002 - 3 B 319/02 - BRS 65 Nr. 199; OVG Bremen, Beschluss vom 29. September 2013 - 1 B 345/03 - NordÖR 2003, 447; OVG Hamburg, Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 Bs 152/09 - BRS 74 Nr. 193).

10 Mit dem Planänderungsbeschluss vom 1. September 2021 sollen bezüglich dreier Riffe, die als sog. Riffflächen 1, 2 und 3 Gegenstand der Klageverfahren BVerwG 9 A 9.19 und 9 A 12.19 gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 waren, eine Befreiung von dem Verbot nach § 30 Abs. 2 BNatSchG erteilt sowie eine zusätzliche Kompensationsmaßnahme und eine Einschränkung der Ankerzone festgestellt werden (vgl. Planänderungsbeschluss S. 11, 13). Hierzu haben der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 in ihren Schriftsätzen vom 18. Januar 2022 dargelegt, dass die im Planänderungsbeschluss angesprochenen dauerhaften Flächenverluste im Bereich der Riffflächen 1 und 3 durch die Aushubarbeiten bereits vollständig abgeschlossen und im Bereich der Rifffläche 2 durch Überbauung zum überwiegenden Teil ebenfalls eingetreten sind. Diese Angaben entsprechen den Bauabläufen für die Grabenherstellung und die küstennahen Flächen (Unterlage 27.2 Blatt 3 und 6 des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019), denen zufolge die Baggerarbeiten in den Zonen 1A, 2A und 3A, innerhalb derer die vorgenannten Riffe liegen - die Rifffläche 1 befindet sich 2 km nord-nordöstlich, die Rifffläche 3 rund 1,6 km nordöstlich des Hafens Puttgarden; die Rifffläche 2 reicht von der Uferlinie bis in eine Wassertiefe von 13 m (vgl. Planänderungsbeschluss S. 19) –, während der ersten vier Baumonate durchgeführt werden. Ausweislich der Stellungnahme der Vorhabenträgerinnen vom 17. Januar 2022 wurden die Aushubarbeiten für den Tunnelgraben in deutschen Gewässern am 21. August 2021 und im Bereich der Riffflächen 1 bis 3 nach Erlass des Planänderungsbeschlusses am 7. September 2021, mithin mehr als vier Monate vor Stellung des Eilantrags, begonnen. Auch das Maßnahmenblatt 8.2 M des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019 sieht vor, dass eine Sedimentfreisetzung in den vorgenannten Zonen insgesamt überwiegend in den Wintermonaten erfolgt und in den Frühlings- bzw. Sommermonaten deutlich verringert oder sogar gänzlich untersagt ist.

11 Im Übrigen haben die Vorhabenträgerinnen zugesagt, dass die weiteren dauerhaften Flächenverluste an der Rifffläche 2 außerhalb der Umschließungsdämme - ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Bauzeitenplan - erst in mehreren Jahren und nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfolgen werden. Damit bedarf es auch diesbezüglich keiner Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Sicherung der Rechte des Antragstellers.

12 b) Auch die Einwände des Antragstellers gegen die im Planänderungsbeschluss vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen rechtfertigen mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Die Beantwortung der Frage, ob die Kompensationsmaßnahmen den naturschutzrechtlichen Anforderungen genügen, kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil insoweit keine Schaffung irreversibler Umstände droht, welche allein durch eine gerichtliche Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verhindert werden könnte. Sollten sich die vorgesehenen Maßnahmen hinsichtlich ihres Umfangs und/oder ihrer Lage als unzureichend erweisen, könnte - und müsste - dem auf ein der Klage stattgebendes Urteil hin durch entsprechende Veränderungen Rechnung getragen werden.

13 2. Soweit danach nur noch dauerhafte Flächenverluste am Riff Nr. 2 durch die restlichen Arbeiten zur Fertigstellung des Umschließungsdamms und zum Materialauftrag innerhalb dessen sowie potentielle temporäre Beeinträchtigungen der Riffflächen 1 bis 3 inmitten stehen, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

14 a) Vorliegend sind allein diese und nicht auch weitere von dem Antragsteller behauptete Riffvorkommen in den Blick zu nehmen. Denn nur die vorgenannten Riffflächen sind Gegenstand des Planänderungsbeschlusses. Etwaige weitere Eingriffe in gesetzlich geschützte Biotope erfolgen nicht auf dessen, sondern auf der Grundlage des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019. Dass dieser nicht rechtswidrig gewesen ist, steht für das vorliegende Verfahren aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Senats vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - mit Bindungswirkung fest. Hierfür ist es unerheblich, ob darin die nunmehr aufgeworfenen Fragen ausdrücklich behandelt worden sind oder - woran indes auch unter Berücksichtigung des jetzigen Vorbringens des Antragstellers keine Zweifel bestehen - die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt wurde. Der Änderungsplanfeststellungsbeschluss ist daher nur in dem Umfang angreifbar, in dem er eine eigene Regelung enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Juni 2020 - 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 35 ff. und vom 28. September 2021 - 9 A 10.20 - juris Rn. 12 und - 9 A 12.20 - juris Rn. 11; Beschluss vom 22. September 2005 - 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 5).

15 Entgegen der Annahme des Antragstellers führt der Umstand, dass der Senat seine Einwände bzgl. der unzureichenden Berücksichtigung von Riffvorkommen in seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 als unsubstantiiert und verspätet zurückgewiesen hat (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 446), nicht dazu, dass diese nunmehr im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen sind. Der Verweis auf den Senatsbeschluss vom 12. Januar 2018 geht fehl, denn ihm lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Soweit dort im Ausgangsverfahren präkludiertes Vorbringen in dem Rechtsstreit gegen einen Planänderungsbeschluss berücksichtigt wurde, beruhte dies darauf, dass der Gerichtshof der Europäischen Union zwischenzeitlich die Unionsrechtswidrigkeit der (sog. materiellen) Präklusion festgestellt hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2018 - 9 A 12.17 - DVBl 2018, 585 Rn. 6 ff.). Dass an der Vereinbarkeit der Klagebegründungsfrist gemäß § 18e Abs. 5 AEG und der Darlegungsanforderungen gemäß § 67 Abs. 4 VwGO mit Unionsrecht keine Zweifel bestehen, hat der Senat in seinem Urteil vom 3. November 2020 ebenso ausführlich dargelegt wie den Umstand, dass sich eine rechtzeitige Geltendmachung in einem Parallelverfahren nicht zugunsten eines säumigen Klägers auswirkt (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 18 ff., 446).

16 Soweit der Antragsteller der Zurückweisung seines Vorbringens im Ausgangsverfahren entgegenhält, die Präklusion gehe nur soweit, wie nicht der Beklagte seinerseits den Prozessstoff erweitere, wirkt sich dies weder auf die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019 noch auf den Regelungsgehalt des angefochtenen Planänderungsbeschlusses aus. Im Übrigen ist ein Kläger, wenn der Beklagte oder Beigeladene neue bzw. weitere Tatsachen in den Prozess einführt, durch die Klagebegründungsfrist nicht gehindert, auch nach deren Ablauf hierzu Stellung zu nehmen. Dies setzt jedoch voraus, dass er den zugrunde liegenden Einwand innerhalb der Begründungsfrist substantiiert erhoben hat; andernfalls stellt sich ein späterer Vortrag nicht als bloße Vertiefung fristgerecht erhobener Einwände, sondern als - verspätetes - erstmaliges Vorbringen dar. Sofern der Vorhabenträger oder die Planfeststellungsbehörde vorsorglich auch auf unsubstantiierte Rügen erwidern, führt dies daher nicht dazu, dass eine Replik hierauf von der Präklusionswirkung ausgenommen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 31, 287 [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 138]).

17 b) Dies vorangestellt, hat der Antrag auch im Übrigen keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an dem sofortigen Beginn der Bauarbeiten wird in der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 1. September 2021 in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet (aa). Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers. Die Klage hat nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Beseitigung der nunmehr noch inmitten stehenden Teile der Rifffläche 2 sowie der temporären Beeinträchtigung aller drei Riffflächen in weiten Teilen keine Aussicht auf Erfolg (bb); auch soweit sich danach die Erfolgsaussichten der Hauptsache (allenfalls) als offen darstellen, überwiegt das Vollzugs- das Aussetzungsinteresse (cc). Es liegt zudem auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor (dd).

18 aa) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der formellen Pflicht, in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der Vollziehung eines Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist der Antragsgegner mit der Darlegung der Bedeutung des sofortigen Baubeginns in den Vorhabenabschnitten, in denen die Riffflächen 1 bis 3 liegen, für die zeitliche Durchführung des gesamten, bestandskräftig planfestgestellten Vorhabens nachgekommen. Hierbei handelt es sich um keine formelhaften Wendungen, sondern werden auf den konkreten Einzelfall abstellende Gründe dafür benannt, warum aus Sicht der Planfeststellungsbehörde mit der Umsetzung nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zugewartet werden kann. Diese Begründung wird der Informations- und der Warnfunktion des Begründungserfordernisses hinreichend gerecht. Da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung betrifft, kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht an.

19 bb) Die Kritik des Antragstellers an dem Planänderungsbeschluss führt derzeit nicht auf dessen Rechtswidrigkeit.

20 (1) Die fehlende Durchführung einer UVP-Prüfung begegnet nach dem bisherigen Streitstand überwiegend keinen durchgreifenden Bedenken; im Übrigen erweisen sich die Erfolgsaussichten der Klage derzeit als offen.

21 Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG besteht für die Änderung eines Vorhabens, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, eine UVP-Pflicht, wenn die allgemeine Vorprüfung gemäß § 9 Abs. 4 i.V.m. § 7 UVPG ergibt, dass die Änderung zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann. Die Einschätzung der Behörde im Rahmen einer UVP-Vorprüfung ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG nur daraufhin gerichtlich zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt wurde und ob das Ergebnis nachvollziehbar begründet ist.

22 Der Antragsgegner hat unter dem 12. Juli 2021 eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit nachvollziehbarer Begründung verneint. Für den überwiegenden Teil der Schutzgüter komme es zu keinen zusätzlichen oder neuen Betroffenheiten. Nur für die Teilschutzgüter Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt ergäben sich im Einzelfall durch dauerhafte und temporäre Verluste sowie durch temporäre Sedimentation stärkere Auswirkungen, da teilweise höherwertige rifftypische Gesellschaften als bisher in die UVS eingestellt betroffen seien. Diese nachteiligen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen seien jedoch nicht erheblich i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Insgesamt werde eine Fläche von rund 84,3 ha von nachteiligen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen beeinträchtigt, die jedoch lediglich 1,9 % der Riffflächen zwischen Puttgarden und Staberhuk bzw. 0,2 % der Riffkulisse um ganz Fehmarn ausmache. Die Riffe 1 bis 3 würden nur anteilig zerstört, ihr weitaus größerer Teil bleibe in seiner Struktur und Funktionsfähigkeit für das Ökosystem erhalten. Die Gemeinschaften in der Ankerzone seien nur punktuell betroffen und könnten sich nach Abschluss der Bauarbeiten regenerieren. Im unmittelbaren Umfeld der Störstellen durch die Ankerwürfe verblieben ausreichend Flächen mit vergleichbaren Gemeinschaften, welche die ökologischen Funktionen des Gebietes aufrechterhielten und von denen aus eine Besiedlung der gestörten Stellen ausgehe. Auch von den Auswirkungen der Sedimentation würden sich die Bestände binnen zwei Jahren erholen. Zudem würden die Eingriffe durch die Herstellung einer neuen Rifffläche im Bereich der Sagas-Bank ausgeglichen. Die Beeinträchtigung der Riffe beeinflusse weder die Linienfindung noch die Wahl der Bauwerksvariante und habe damit keinen Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses. Artenschutzrechtliche Konflikte und eine Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten seien ausgeschlossen. Damit seien für das Änderungsvorhaben, auch unter Berücksichtigung des ursprünglichen Vorhabens als Vorbelastung, keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten.

23 Soweit der Antragsteller seine Kritik an der Vorprüfung darauf stützt, diese gehe von einem zu engen Vorhabenbegriff aus und beschränke sich zu Unrecht auf das Küstenmeer, zudem belege die Entdeckung weiterer Riffe die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Untersuchungen, übersieht er, dass Gegenstand des Planänderungsbeschlusses nur die während der Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 entdeckten Riffvorkommen sind und dass darüber hinausgehende Einwände mit der Klageabweisung vom 3. November 2020 rechtskräftig zurückgewiesen wurden.

24 Im Übrigen wendet der Antragsteller ein, die Kompensationsmaßnahmen hätten aufgrund ihrer Entfernung nicht berücksichtigt werden dürfen; auch seien mit ihnen zusätzliche Eingriffe verbunden. Die an den neu entdeckten Riffflächen zu erwartenden Beeinträchtigungen von bis zu zehn Jahren und die Zerstörung von 7,68 ha Riffe seien ebenso wenig unerheblich wie der Umstand, dass der Umfang des für die Planung für erforderlich gehaltenen neuen Ausgleichs etwa einem Zehntel der ursprünglich festgesetzten Menge entspreche. Zudem folge bereits aus der erneut durchgeführten Trassenabwägung die Möglichkeit erheblicher Auswirkungen und begründe eine UVP-Pflicht. Letzteres überzeugt indes nicht. Der Planänderungsbeschluss bestätigt lediglich die gewählte Vorzugstrasse unter Berücksichtigung der Betroffenheit der Riffflächen 1 bis 3; Trassenverläufe, welche eine Inanspruchnahme der "neuen" Riffe vermeiden, scheiden danach weiterhin wegen einer zu großen Beeinträchtigung anderer Schutzgüter aus. Im Übrigen beschränkt sich die vorstehend wiedergegebene Kritik auf die Benennung einzelner Gesichtspunkte, ohne damit bislang die Nachvollziehbarkeit der Begründung für eine fehlende UVP-Pflicht derart in Zweifel zu ziehen, dass die Erfolgsaussichten der Klage überwiegen. Der Planänderungsbeschluss (S. 38) geht von einem zusätzlichen Kompensationsbedarf i.H.v. nur 35,9959 ha aus. Ungeachtet der - bestrittenen - Tragfähigkeit dieses Ansatzes folgt aus der vorliegenden Relation zwischen ursprünglichem und zusätzlichem Kompensationsbedarf weder per se die Erheblichkeit der weiteren Beeinträchtigung noch schließt sie sie aus. Nämliches gilt hinsichtlich der Frage, ob die Kompensationsmaßnahmen bereits auf der Ebene der Erheblichkeitsprüfung zu berücksichtigen sind. Insoweit stellen sich die Erfolgsaussichten der Klage daher (allenfalls) als offen dar.

25 (2) Mit seiner Kritik an der Verwendung des sog. Landesdatensatzes zeigt der Antragsteller keine Rechtswidrigkeit des Planänderungsbeschlusses auf. Wie er unter Verweis auf eine Auskunft des Landesamts für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein selbst darlegt, handelt es sich hierbei um den aktualisierten Stand der Kartierung, der in der Fachbehörde erzeugt und gepflegt sowie von Fachleuten geprüft und qualitätsgesichert wurde. Dass Fachuntersuchungen mittels spezieller Programme und hierauf abgestimmter Dateiformate erfolgen, die sich nicht ohne Weiteres als pdf-, Excel-, Word- oder andere gängige Dateien darstellen lassen, liegt in der Natur der Sache und bedarf keiner Rechtfertigung.

26 (3) Der Einwand, die Autobahn GmbH könne nicht Vorhabenträgerin sein, weil die B 207 als Bundesstraße gemäß Art. 90 Abs. 3 GG der Verwaltung des Landes Schleswig-Holstein unterfalle und erst mit der Verkehrsfreigabe zur Autobahn gewidmet werde, ist unbegründet. Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019 ist der Neubau eines kombinierten Eisenbahn- und Autobahntunnels durch die Ostsee einschließlich des Baus einer Bundesfernstraße, die zwischen dem Bauanfang auf Höhe der Ortslage Bannesdorf und der Anschlussstelle Puttgarden als Bundesstraße und zwischen der Anschlussstelle Puttgarden und der Staatsgrenze als Bundesautobahn errichtet wird (PFB S. 4 f.). Zu den Verwaltungsaufgaben i.S.d. Art. 90 Abs. 2 Satz 1 GG zählen alle Maßnahmen zur Ausführung des Bundesfernstraßengesetzes, insbesondere die Planung des Neu- und Umbaus (vgl. Remmert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand November 2021, Art. 90 Rn. 11). Da der Planänderungsbeschluss den Autobahnteil des Vorhabens betrifft, ist die Vorhabenträgerschaft der Beigeladenen zu 1 schon deshalb ohne Weiteres gegeben.

27 (4) Die gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit erhobenen Einwände sind unbegründet.

28 Der Antragsgegner hat die Planänderung als von unwesentlicher Bedeutung eingestuft und gemäß § 17d FStrG, § 76 Abs. 3 VwVfG von einem Anhörungsverfahren abgesehen. Unwesentlich ist eine Änderung dann, wenn sie im Verhältnis zur abgeschlossenen Gesamtplanung unerheblich ist, d.h. ein wertender Vergleich zu dem Ergebnis führt, dass Umfang, Zweck und Auswirkungen des Vorhabens im Wesentlichen gleichbleiben und nur bestimmte räumlich und sachlich abgrenzbare Teile geändert werden. Im Falle eines (nur) abzuändernden Planfeststellungsbeschlusses wurde das Vorhaben bereits zu einem früheren Zeitpunkt einer öffentlichen Kontrolle unterzogen und hatten Träger öffentlicher Belange und Betroffene umfassende Gelegenheit, ihre Anregungen, Bedenken oder Einwendungen öffentlich geltend zu machen. Das rechtfertigt es, auf eine erneute umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung zu verzichten, wenn das Plangefüge in seinen Grundzügen unberührt bleibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1989 - 4 C 12.87 - BVerwGE 84, 31 <34 f.>, vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 126 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 26).

29 Nach derzeitiger Sachlage sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt. Der Planänderungsbeschluss lässt das Vorhaben unverändert. Er beschränkt sich auf die biotopschutzrechtliche Bewertung der Beeinträchtigung von Teilen dreier Riffflächen, die erst im Laufe des Klageverfahrens gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 ohne Auswirkungen auf dessen Rechtmäßigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 177) entdeckt wurden. Insoweit ergänzt er die umfassenden der Planfeststellung zugrunde liegenden naturschutzfachlichen Untersuchungen und Prüfungen, ohne die Frage sachgerechter Zielsetzung und Abwägung im Sinne der Gesamtplanung erneut aufzuwerfen.

30 Das Vorbringen des Antragstellers, die Öffentlichkeit hätte insgesamt erneut beteiligt werden müssen, zumal eine UVP-Pflicht bestanden habe, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Ungeachtet der Frage, ob eine solche Pflicht bestand (s.o. II. 2. b) bb) (1)), erzwingt auch UVP-Recht bei Änderungen jedenfalls vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht ohne Weiteres die Durchführung einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 46 [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 138]); dass für den Zeitraum danach Abweichendes gelten sollte, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Im Übrigen richtet sich die Reichweite der Öffentlichkeitsbeteiligung auch sonst nach der Änderung, derentwegen das Verfahren nach § 76 VwVfG durchgeführt wird, sodass selbst bei wesentlichen Änderungen nur die Bürger und Behörden zu beteiligen sind, deren Belange gegenüber der ursprünglichen Planung erstmals oder stärker betroffen sind (vgl. Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 76 Rn. 36; Hüting/Hopp, UPR 2003, 1 <3>).

31 Die weitere Kritik, ausweislich der Verwaltungsakte seien die Unterlagen der Planänderung ein weiteres Mal geändert worden, ohne die Öffentlichkeit oder Verbände zu beteiligen, lässt weder erkennen, auf welche Änderungen sie sich bezieht, noch, woraus eine umfassendere Beteiligungspflicht hätte folgen sollen; sie ist daher unsubstantiiert.

32 Soweit der Antragsteller rügt, die ihm für eine Stellungnahme gesetzte Frist bis zum 11. Juni 2021 sei mit zwei Wochen zu kurz bemessen gewesen, zumal innerhalb der Frist drei Verhandlungstage im gerichtlichen Verfahren betreffend die sog. Hinterlandanbindung gelegen hätten (7., 8. und 11. Juni 2021), ist derzeit in der Tat nicht ersichtlich, warum der Antragsgegner diesem ihm bekannten Umstand nicht Rechnung getragen und die Beteiligung um lediglich zwei Wochen auf die Zeit nach der mündlichen Verhandlung verschoben hat. Allerdings hat der Antragsteller eine Stellungnahme abgegeben und es ist auch sonst nicht erkennbar, wie sich die - im Ermessen der Planfeststellungsbehörde liegende (vgl. Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 76 Rn. 42) – Verfahrensgestaltung auf das Ergebnis des Planänderungsverfahrens ausgewirkt hat. Die Länge der Stellungnahmefrist an sich jedenfalls lässt angesichts dessen, dass der Antragsteller mit dem Vorhaben umfassend vertraut war, keinen Fehler erkennen.

33 (5) Die Erteilung der Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

34 (a) Der Einwand, der Planänderungsbeschluss spreche die Erteilung der Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG nicht aus, ist unbegründet. Der Inhalt eines Planfeststellungsbeschlusses ist gegebenenfalls im Wege der Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2002 - 9 VR 6.02 - juris Rn. 11). Ausweislich des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung werden u.a. "[d]ie von den Vorhabenträgern vorgelegten [...] Pläne für die Befreiung von den Verboten des gesetzlichen Biotopschutzes für zusätzliche Riffflächen im näheren Bereich der Tunneltrasse [...] festgestellt". Gemäß § 75 Abs. 1 VwVfG genehmigt der Beschluss das Vorhaben insgesamt einschließlich aller von der Konzentrationswirkung umfassten behördlichen Entscheidungen. Letztere schließt der Begriff der Feststellung somit ein, ohne dass es insoweit noch einer gesonderten ausdrücklichen Benennung als Erlaubnis, Befreiung, Zustimmung oder ähnlichen bedarf.

35 (b) Gleichfalls auf keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führt die von dem Antragsteller angemahnte Klärung des Verhältnisses zwischen einer Ausnahme nach § 30 Abs. 3 BNatSchG und einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG. Letztere begründet gemäß § 67 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 und 3 BNatSchG gegebenenfalls die Pflicht zur Durchführung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, wohingegen eine Ausnahme gemäß § 30 Abs. 3 BNatSchG nur erteilt werden darf, wenn die Beeinträchtigungen i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG ausgeglichen werden können (vgl. BT-Drs. 16/12274 S. 63), d.h. der Ausgleich für das beschädigte oder zerstörte Biotop am gleichen Ort oder in dessen näherer Umgebung in gleicher Qualität erfolgt (vgl. VGH München, Beschluss vom 9. August 2012 - 14 C 12.308 - juris Rn. 21; Endres, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 30 Rn. 23). Die Gewährung einer Befreiung kommt zudem nur in atypischen und daher vom Gesetzgeber erkennbar nicht vorhergesehenen Einzelfällen aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. September 1992 - 7 B 130.92 - Buchholz 406.401 § 31 BNatSchG Nr. 2 S. 2), wohingegen eine Ausnahme Sachverhalte zum Gegenstand hat, bei denen schon im Zeitpunkt des Normerlasses absehbar war, dass das regelmäßig geltende Ge- oder Verbot nicht passt. Darüber hinaus setzt eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG ein überwiegendes öffentliches Interesse oder eine unzumutbare Belastung im Einzelfall voraus. Beide Instrumente schließen einander damit nicht aus, sondern stehen selbstständig nebeneinander (vgl. Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 67 Rn. 2; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand September 2021, § 67 BNatSchG Rn. 4).

36 Der Antragsgegner hat in der angefochtenen Entscheidung schon ausweislich deren Titels eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erteilt. Die materiellrechtliche Prüfung erfolgt ebenfalls ausschließlich anhand der Vorgaben des § 67 BNatSchG. Die einmalige Erwähnung von "§ 30 Abs. 3 LNatSchG" (Planänderungsbeschluss S. 23) erweist sich daher - zumal allenfalls § 30 Abs. 3 BNatSchG in Betracht käme - als Versehen, welches sich auf die Rechtmäßigkeit des Planänderungsbeschlusses nicht auswirkt.

37 (c) Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, vorrangig hätten die Eignung der festgesetzten Kompensationsmaßnahmen als Ausgleichsmaßnahmen sowie die Möglichkeit anderweitiger Ausgleichsmaßnahmen geprüft werden müssen, sind - nicht zuletzt angesichts des Umfangs und der Dauer der Baumaßnahmen - Anhaltspunkte dafür, dass eine vergleichbare Rifffläche am gleichen Ort oder in dessen näherer Umgebung in gleicher Qualität hätte wiederhergestellt werden können, weder dargelegt noch ersichtlich.

38 (d) Dies vorangestellt, lagen nach derzeitigem Erkenntnisstand die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG vor.

39 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Neubau eines Straßenvorhabens regelmäßig ein für das Bestehen einer Befreiungslage erforderliches atypisches und zugleich singuläres Vorhaben darstellt und dass, wenn den hierfür sprechenden öffentlichen Belangen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ein höheres Gewicht beigemessen wird als den dem Vorhaben entgegenstehenden Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes, grundsätzlich die Anforderungen an das Vorliegen der naturschutzrechtlichen Befreiungslage gegeben sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 S. 200 <207 f.> und vom 26. März 1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 S. 237 <243 f.>; Beschluss vom 12. April 2005 - 9 VR 41.04 - NVwZ 2005, 943 <946 f.> [insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 16]). Dass möglicherweise im Rahmen eines anderen Straßenbauvorhabens ebenfalls - wie von dem Antragsteller mit Blick auf die Fehmarnsundquerung geltend gemacht - Biotope beeinträchtigt werden, schließt eine Atypik nicht aus.

40 Diesbezüglich hat der Senat zu dem Vorhaben der Festen Fehmarnbeltquerung festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG vorliegen, soweit die Bedeutung des Vorhabens vergleichsweise geringe und vollständig kompensierte Eingriffe in Biotope überwiegt (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 653 [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 33]). Die im Rahmen des Eilverfahrens allein noch inmitten stehende Rifffläche 2 wird lediglich anteilig zerstört, wohingegen der weitaus größere Teil in seiner Struktur und Funktionsfähigkeit für das Ökosystem erhalten bleibt (Planänderungsbeschluss S. 25). Daran, dass dieser Eingriff grundsätzlich ausgeglichen werden kann, bestehen derzeit keine Zweifel. Soweit der Antragsteller oder auch der Kläger des Verfahrens BVerwG 9 A 18.21 Einwände gegen die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen im Bereich der Sagas-Bank erheben, betreffen diese die Vergleichbarkeit der Salinität, Wassertiefe und Strömungsgeschwindigkeit und damit Kriterien, die keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der generellen Möglichkeit der Kompensation von Beeinträchtigungen der im Uferbereich gelegenen Rifffläche 2 begründen. Dem gegenüber stehen die Bedeutung und das Gewicht der Festen Fehmarnbeltquerung für die grenzüberschreitende Erschließung europäischer Regionen, welche ihren Ausdruck auch darin findet, dass sie zum Kernnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes und damit zu den Teilen des europäischen Gesamtnetzes gehört, die von größter strategischer Bedeutung für die Verwirklichung der mit dem Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes verfolgten Ziele sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 108 f. [insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 138]). Diese überwiegen die Beeinträchtigung der Rifffläche 2 und rechtfertigen daher die Erteilung der Befreiung.

41 (e) Soweit der Antragsteller umfangreiche Einwände gegen die naturschutzfachliche Untersuchung des Vorhabengebiets und die Kartierung der dortigen Riffvorkommen erhebt, beziehen diese sich in der Sache nicht auf den Gegenstand des angefochtenen Planänderungsbeschlusses, sondern betreffen den mit der rechtskräftigen Abweisung der dagegen gerichteten Klagen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019.

42 cc) Auch insofern, als sich die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Planänderungsbeschluss als offen darstellen, überwiegt im Rahmen der Folgenabwägung das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Maßnahme das gegenläufige Interesse des Antragstellers.

43 Für den deutschen Teil der Festen Fehmarnbeltquerung liegt ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss vor, der indes im Bereich der Riffflächen 1 bis 3 erst auf der Grundlage des Planänderungsbeschlusses durchgeführt werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 179). Aufgrund deren Lage im Küstenbereich und im Küstenmeer sowie des Umstands, dass die Errichtung des Vorhabens bautechnisch nur so erfolgen kann, dass nach dem Ausbaggern des Grabens entlang des Meeresbodens von der Küste ausgehend die Tunnelelemente sukzessive aneinandergefügt werden, kann der Bau der Querung auf deutscher Seite insgesamt im Wesentlichen erst beginnen, wenn der Planänderungsbeschluss, mit welchem eine Befreiung von den Verboten des § 30 Abs. 2 BNatSchG erteilt wird, vollziehbar ist. Diesbezügliche Verzögerungen können sich zusätzlich dadurch vergrößern, dass das Maßnahmenblatt 8.2 M des Planfeststellungsbeschlusses die Sedimentfreisetzung aus Gründen des Naturschutzes während einzelner Monate stark einschränkt oder sogar vollständig ausschließt. So darf in der Zone 1A, in der die Rifffläche 2 liegt, zwischen dem 1. März und dem 30. September kein Sediment freigesetzt werden und müssen die Aushubarbeiten ruhen, sofern sie nicht hinter geschlossenen Dämmen erfolgen. In der sich anschließenden Zone 2A sind sedimentfreisetzende Tätigkeiten zwischen dem 1. Juni und dem 31. August verboten und in dem Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai sowie im September nur stark eingeschränkt zulässig. In der Zone 3A werden die Arbeiten in den Sommermonaten ebenfalls erheblich eingeschränkt. Sofern beispielsweise die sedimentfreisetzenden Tätigkeiten in der Zone 1A nicht im Oktober starten, damit sie vor Ende Februar des Folgejahres abgeschlossen sind, können sie daher erst im darauffolgenden Oktober aufgenommen werden. Da die Bauarbeiten der deutschen und dänischen Seite aufeinander abgestimmt sind und die Tunnelelemente für den deutschen Teil der Querung auf dänischer Seite hergestellt werden, wirken sich Verzögerungen im deutschen Teil des Vorhabens zudem auch auf dänischer Seite aus.

44 Würde die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wiederhergestellt, hätte diese aber keinen Erfolg, so würde sich die Realisierung des Vorhabens von erheblicher europäischer Bedeutung hierdurch weiter verzögern, obwohl bereits ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliegt und Gegenstand des angefochtenen Planänderungsbeschlusses zwar naturschutzrechtlich nicht zu vernachlässigende, insgesamt jedoch untergeordnete Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sind, deren grundsätzlich mögliche Kompensation nicht in Zweifel steht. Hinzu kommt, dass ohne eine zeitnahe Fertigstellung des Umschließungsdamms ein Austrag von Sediment in Zeiten droht, in denen nach dem Maßnahmenblatt 8.2 M in der Zone 1A aus naturschutzfachlichen Gründen jegliche Sedimentfreisetzung verboten ist.

45 Dem gegenüber sind zum jetzigen Zeitpunkt keine nennenswerten, die vorstehend beschriebenen Auswirkungen überwiegenden Nachteile für die vom Antragsteller geltend gemachten Belange erkennbar, wenn vorläufiger Rechtsschutz versagt wird, seine Klage aber später Erfolg hat. Inmitten steht nur noch der Erhalt eines Teils des dauerhaften Flächenverlusts an der Rifffläche 2 innerhalb des Umschließungsdamms, der indes mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Bauarbeiten bereits beeinträchtigt ist. Hinsichtlich potentieller temporärer Beeinträchtigungen der Riffflächen 1 bis 3 durch Wassertrübungen und Sedimentation sind nach Abschluss der dortigen Aushubarbeiten keine Beeinträchtigungen zu befürchten, die über dasjenige Maß hinausgehen, bzgl. dessen die umfassenden naturschutzfachlichen Untersuchungen des Planfeststellungsbeschlusses eine ausreichende Regeneration(sfähigkeit) der benthischen Flora und Fauna ergeben haben. Zweifel an der grundsätzlichen Kompensationsfähigkeit der Eingriffe sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Prüfung, ob die hierfür vorgesehenen Maßnahmen im Planänderungsbeschluss ausreichend sind, werden durch dessen weiteren Vollzug keine vollendeten Tatsachen geschaffen.

46 Soweit der Antragsteller geltend macht, angesichts des noch ausstehenden Ausbaus der sog. Hinterlandanbindung bestehe kein den Sofortvollzug rechtfertigendes Interesse an einer raschen Fertigstellung der Querung, blendet er aus, dass die Querung bis zur Inbetriebnahme der Hinterlandanbindung an das vorhandene Straßen- und Schienennetz angebunden wird.

47 dd) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass die sofortige Vollziehung des angefochtenen Planänderungsbeschlusses im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Auf die Frage, ob die Vollziehung auch im überwiegenden Interesse der Vorhabenträgerinnen liegt (so der Planänderungsbeschluss S. 72), kommt es danach nicht an.

48 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.