Beschluss vom 27.06.2022 -
BVerwG 8 PKH 1.22ECLI:DE:BVerwG:2022:270622B8PKH1.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.06.2022 - 8 PKH 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:270622B8PKH1.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 PKH 1.22

  • VGH München - 06.12.2018 - AZ: 13 A 18.533

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
beschlossen:

  1. Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die an dem Beschluss vom 24. November 2021 - 9 PKH 1.21 (9 PKH 4.19 , 9 B 20.19 ) – mitwirkenden Richter wird verworfen.
  2. Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss vom 24. November 2021 wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Mit Beschluss vom 4. November 2019 wurde dem Kläger für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (9 B 20.19 ) Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt S. beigeordnet. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 17. August 2021 aufgehoben, weil der Kläger mit der Ratenzahlung mehr als drei Monate im Rückstand war und zu einer möglichen Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse weder vorgetragen noch Belege zur Glaubhaftmachung eingereicht hatte. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss wurde dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde am 7. September 2021 zugestellt. Mit am Mittwoch, den 22. September 2021, eingegangenem Telefax beantragte der Kläger gegen den Beschluss vom 17. August 2021 die Entscheidung des Gerichts und die Gewährung einer Frist zur Stellungnahme bis zum 13. Oktober 2021. Am 8. November 2021 beantragte der Kläger Fristverlängerung bis zum 10. Dezember 2021. Mit Beschluss vom 24. November 2021 lehnte der vormals zuständige 9. Revisionssenat den Antrag des Klägers auf Entscheidung des Gerichts gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 17. August 2021 ab. Der Antrag sei unzulässig, weil er nicht gemäß § 166 Abs. 6 VwGO innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung, sondern - anders als im Verfahren 9 PKH 3.19 - erst nach Ablauf dieser Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht eingegangen sei. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 hat der Kläger die an dem Beschluss vom 24. November 2021 mitwirkenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Beschluss sei vor Ablauf der ihm gewährten Frist zur Stellungnahme gefasst worden.

II

2 1. Das gegen drei Richter des 9. Revisionssenats gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Ablehnung eines Richters besteht nicht, wenn dieser mit der Sache nicht, nicht mehr oder nicht wieder befasst werden kann. Es entfällt daher, wenn der als befangen abgelehnte Richter aufgrund eines Wechsels der Geschäftsverteilung nicht mehr für die Sache zuständig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10 - NJW 2011, 1358 Rn. 10 und vom 27. Oktober 2015 - LwZB 1/15 - NJW-RR 2016, 127 Rn. 5, jeweils m.w.N.). So liegt es hier. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsjahr 2022 ist die Zuständigkeit für Sachen aus dem Gebiet des Flurbereinigungsrechts mit Wirkung vom 1. Januar 2022 vom 9. Revisionssenat auf den 8. Revisionssenat übergegangen. Die abgelehnten Richter sind infolge des Zuständigkeitswechsels seit dem 1. Januar 2022 mit dem Verfahren nicht mehr befasst. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die ursprüngliche Geschäftsverteilung wiederhergestellt werden könnte und die als befangen abgelehnten Richter erneut für die Sache zuständig werden könnten.

3 2. Das Schreiben des Klägers vom 10. Dezember 2021 ist bei verständiger Würdigung gemäß § 88 VwGO als Gegenvorstellung gegen den Beschluss des 9. Revisionssenats vom 24. November 2021 auszulegen. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Der Kläger richtet sich mit dem ausdrücklich formulierten Antrag, ihm "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" zu gewähren, dagegen, dass der angegriffene Beschluss vor Ablauf einer ihm gewährten Frist zur Stellungnahme gefasst worden sei. Die so verstandene Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.

4 Es trifft nicht zu, dass der Beschluss vom 24. November 2021 vor Ablauf einer dem Kläger eingeräumten Frist zur Stellungnahme gefasst wurde, denn die vom Kläger angeführte Fristverlängerung betraf nur das Parallelverfahren 9 PKH 2.21 (9 PKH 3.19 ). Unabhängig davon besteht kein Anlass, den Beschluss zu ändern, da er im Ergebnis richtig ist. Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts ging erst nach Ablauf der am 21. September 2021 endenden Frist des § 166 Abs. 6 VwGO beim Bundesverwaltungsgericht ein. Bezüglich dieser Fristversäumnis hat der Kläger keine Wiedereinsetzung beantragt und keine Gründe für eine Wiedereinsetzung dargelegt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Danach kommt eine Wiedereinsetzung auch ohne ausdrücklichen Antrag in Betracht, wenn die versäumte Rechtshandlung innerhalb der für die Wiedereinsetzung geltenden Frist nachgeholt wird und die Tatsachen, die den Wiedereinsetzungsanspruch begründen, für das Gericht offensichtlich sind. Das ist der Fall, wenn offen zu Tage liegende Umstände eine Fristversäumung als unverschuldet erkennen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 3 C 25.06 - Buchholz 428.41 § 10 EntschG Nr. 7 Rn. 13; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 129 f.; Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 60 Rn. 66). Daran fehlt es hier. Es liegen keine offensichtlichen Tatsachen vor, welche erkennen ließen, dass die Frist des § 166 Abs. 6 VwGO unverschuldet versäumt wurde. Umstände, die diese Fristversäumnis entschuldigen, lassen sich dem Akteninhalt nicht mit der gebotenen Offensichtlichkeit entnehmen. Das gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es dem Kläger möglich war, im Verfahren 8 PKH 2.22 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen gleichlautenden Aufhebungsbeschluss innerhalb der in diesem Verfahren nur einen Tag später endenden Frist des § 166 Abs. 6 VwGO rechtzeitig zu stellen.