Beschluss vom 30.04.2020 -
BVerwG 1 WB 23.19ECLI:DE:BVerwG:2020:300420B1WB23.19.0

Erfolglose Vorlage, Antrag und Beschwerde nach der WBO in truppendienstlichen Angelegenheiten

Leitsatz:

Die "Klarstellung" einer norminterpretierenden Passage einer Zentralen Dienstvorschrift bedarf keiner Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses.

  • Rechtsquellen
    SBG § 38 Abs. 3

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.04.2020 - 1 WB 23.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:300420B1WB23.19.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 23.19

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Nies und
den ehrenamtlichen Richter Oberleutnant Lauterberg
am 30. April 2020 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller macht die Verletzung von Beteiligungsrechten nach dem Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz bei einem Arbeitszeiterlass geltend.

2 Nach Inkrafttreten der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenarbeitszeitverordnung - SAZV) vom 16. November 2015 (BGBl. I S. 1995) hat das Bundesministerium der Verteidigung dazu die Zentrale Dienstvorschrift zur "Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten" (ZDv A-1420/34) herausgegeben, die Vorgaben für die Anwendung und Umsetzung enthält. Die Dienstvorschrift wurde vom Bundesministerium der Verteidigung in allen Versionen unter Beteiligung des Antragstellers erlassen.

3 Mit der ab 7. Juni 2018 gültigen Version 3 wurde ein in der Vorgängerversion 2 noch nicht enthaltener neuer Abschnitt 2 über den "Grundbetrieb" eingefügt. Dieser befasst sich auch mit der Frage, in welchem Umfang Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte als Dienstzeit gelten und wie die Regelung des § 4 Nr. 5 SAZV für Soldaten im Schichtbetrieb anzuwenden ist. Nach dieser Rechtsnorm ist die über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehende Zeit ambulanter medizinischer Behandlung, stationärer Aufenthalte in Krankenhäusern und in vergleichbaren Sanitätseinrichtungen einschließlich Wegezeiten nicht als Arbeitszeit zu werten. Nr. 205 ZDv A-1420/34 bestimmt dazu, dass auch bei Soldatinnen und Soldaten, die Dienst zu wechselnden Zeiten oder nach einem Schichtplan leisten, die Zeit der medizinischen Behandlung einschließlich der Wegezeit als anrechenbare Arbeitszeit gilt, soweit diese während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Dienststelle erfolgt.

4 Nach Darstellung des Bundesministeriums der Verteidigung hat der letzte Halbsatz dieser Vorschrift ("..., soweit diese während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Dienststelle erfolgt.") in der Praxis zu Irritationen geführt. In Dienststellen mit verschiedenen Dienstbetriebsarten sei davon ausgegangen worden, dass damit die Rahmen-Regelarbeitszeit der Dienststelle gemeint sei, die grundsätzlich auf einem Tagesdienstbetrieb basiere. Diese aus Sicht des Bundesministeriums der Verteidigung falsche Auslegung und entsprechend falsche Anwendung der Nr. 205 ZDv A-1420/34 habe dazu geführt, dass im Schichtdienst eingesetzte Soldatinnen und Soldaten durch die Inanspruchnahme einer medizinischen Behandlung außerhalb ihres Schichtdienstes entgegen § 4 Nr. 5 SAZV Mehrarbeit generiert hätten, die ihnen im Monatsabschluss ganz oder anteilig wieder habe abgezogen werden müssen.

5 Unter dem Betreff "Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV), hier: Klarstellung und Erläuterung zur Anrechenbarkeit von medizinischen Behandlungen auf die Arbeitszeit im (Wechsel-) Schichtbetrieb" erklärte das Bundesministerium der Verteidigung - FüSK I 6 - deshalb gegenüber den nachgeordneten Kommandobehörden und Ämtern mit Schreiben vom 19. Februar 2019 u.a. Folgendes:
"Aufgrund vermehrter Nachfragen von Soldatinnen und Soldaten sowie deren Vertretern in den Beteiligungsgremien bezüglich der Anrechenbarkeit von Arztbesuchen sowie Physiotherapieterminen als Arbeitszeit bei (Wechsel-) Schichtdienstleistenden möchte ich Ihnen folgende Klarstellung übermitteln:
In der am 7. Juni 2018 in Kraft gesetzten Neufassung der Zentralen Dienstvorschrift A-1420/34 (Durchführungsbestimmungen zur SAZV) wird in Ziffer 205 festgelegt:
'Auch bei Soldatinnen und Soldaten, die Dienst zu wechselnden Zeiten oder nach einem Schichtplan leisten, gilt die Zeit der medizinischen Behandlung einschließlich der Wegezeit als anrechenbare Arbeitszeit, soweit diese während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Dienststelle erfolgt.'
Dies basiert auf dem Grundsatz, dass durch die Zeit, die für Gesundheitstermine aufgewendet wird (wie z.B. Arztbesuche/Behandlungstermine/Physiotherapie/Krankschreibungen), weder Vor- noch Nachteile für die Betroffenen entstehen dürfen. In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit absolvierte Gesundheitstermine auf die für diesen Tag geforderte Arbeitszeit angerechnet werden und somit keine Zeitschuld entsteht. Termine, die sich unmittelbar vor oder nach dem Dienst anschließen, generieren jedoch keine 'Überstunden' (bei Gleitzeit) bzw. Mehrarbeit. Dies ist sachgerecht und im Sinne des Erlasshalters der SAZV.
Die Regelung der A-1420/34 Ziffer 205 beinhaltet explizit die Anrechenbarkeit von Arbeitszeit. Insbesondere bezüglich Schichtdienstleistender könnte die Fallkonstellation auftreten, dass z.B. ein Truppenarztbesuch nach Schichtende oder in einer 'Freiwoche' notwendig ist: Durch Fehlinterpretation der vorgenannten Ziffer könnte in diesen Fällen der Eindruck entstehen, durch den Arztbesuch 'Überstunden' bzw. Mehrarbeit generieren zu können. Tatsächlich jedoch bleibt die Verfahrensweise in arbeitszeitrechtlicher Hinsicht dieselbe wie bei nicht Schichtdienstleistenden, die sich z.B. am dienstfreien Wochenende (Samstag oder Sonntag) beim TrArzt vorstellen: Dies stellt keine anrechenbare Arbeitszeit dar!
Ich bitte Sie, den unterstellten Bereich über diesen Sachverhalt in Kenntnis zu setzen."

6 Gegen dieses Schreiben hat der Antragsteller unter dem 26. Februar 2019 einen Rechtsbehelf eingelegt. Diesen hat das Bundesministerium der Verteidigung als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2019 dem Senat vorgelegt.

7 Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Durch das als "Klarstellung" bezeichnete Schreiben werde Nr. 205 ZDv A-1420/34 de facto außer Kraft gesetzt und eine Arbeitsschutzregelung für den Schichtdienst abgeschafft. Die Regelung in Nr. 205 ZDv A-1420/34 sei Teil des Mitbestimmungsverfahrens im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gewesen. Sei der Erlass der Regelung mitbestimmungspflichtig, so gelte das auch für eine nachfolgende Änderung oder Weiterentwicklung. Das Bundesministerium der Verteidigung sei nicht befugt, eine unter Beteiligung erarbeitete Erlassregelung einseitig zu ersetzen. Demgemäß sei es in der personalvertretungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass ein Erlass, der eine bestimmte Rechtsauffassung als verbindlich festlege, seinerseits eine beteiligungspflichtige Verwaltungsanordnung sei; dieser Grundsatz sei uneingeschränkt auf das Soldatenbeteiligungsrecht zu übertragen. Das Schreiben vom 19. Februar 2019 habe somit seiner erneuten Beteiligung bedurft, in deren Rahmen zu klären gewesen wäre, ob Nr. 205 ZDv A-1420/34 damit authentisch und zutreffend verlautbart oder aber inhaltlich abgeändert werde. Das Bundesministerium der Verteidigung sei verpflichtet, das unterbliebene Beteiligungsverfahren unverzüglich einzuleiten und zu einem gesetzmäßigen Abschluss zu bringen.

8 Der Antragsteller beantragt,
die Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. Februar 2019 aufzuheben,
hilfsweise festzustellen, dass der genannte Erlass seiner Beteiligung unterliegt, die vorgeschriebene Beteiligung unterblieben ist und seine Beteiligungsrechte verletzt sind.

9 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

10 Der hilfsweise Feststellungsantrag sei aus Gründen der Subsidiarität unzulässig, der auf Aufhebung der Klarstellung vom 19. Februar 2019 und auf Durchführung des Beteiligungsverfahrens gerichtete Antrag unbegründet. § 38 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG räume dem Antragsteller bei der Festlegung von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ein Mitbestimmungsrecht ein, soweit es um Grundsatzregelungen gehe; dem unterfalle die Zentrale Dienstvorschrift A-1420/34. Bei der Klarstellung vom 19. Februar 2019 handele es sich hingegen nicht um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit, weil es dieser an einem Regelungscharakter fehle. Die Festlegung, dass die Zeit medizinischer Behandlung nur dann als anrechenbare Dienstzeit gelte, wenn sie während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit erfolge, sei bereits in der seit 7. Juni 2018 unverändert geltenden und in Übereinstimmung mit dem Antragsteller formulierten Nr. 205 ZDv A-1420/34 enthalten. Die Klarstellung sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. § 4 Nr. 5 SAZV lege nämlich fest, dass medizinische Behandlungen nur dann auf die Arbeitszeit angerechnet werden könnten, wenn sie innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Soldatin oder des Soldaten stattfänden. Diesem Grundsatz folge Nr. 205 ZDv A-1420/34. Als regelmäßige tägliche Arbeitszeit sei die für die betroffene Soldatin oder den betroffenen Soldaten maßgebliche regelmäßige tägliche Arbeitszeit heranzuziehen (Schichtplan), nicht die Rahmen-Regeldienstzeit der Dienststelle. Dies ergebe sich auch aus der Begründung des Verordnungsentwurfs zu § 6 SAZV.

11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II

12 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

13 1. Der Antrag ist teilweise zulässig.

14 a) Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist eröffnet.

15 In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss als Gremium, wenn dieses sich in der Ausübung seiner Beteiligungsrechte behindert sieht, gemäß § 17 SBG ein Beschwerderecht nach der Wehrbeschwerdeordnung zusteht. Zwar bezieht sich die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 17 SBG in § 42 Abs. 6 SGB seinem Wortlaut nach nur auf die Mitglieder der Vertrauenspersonenausschüsse. Der Senat hat jedoch bereits unter der Geltung der Vorgängervorschriften (§ 36 Abs. 5, § 32 Abs. 7 i.V.m. § 16 SBG a.F.) entschieden, dass dort, wo Beteiligungsrechte nicht einer einzelnen Vertrauensperson, sondern einem Gremium von Vertrauenspersonen zugewiesen sind, dieses Gremium in gleicher Weise wie sonst die Vertrauensperson eine Verletzung ihrer Befugnisse im Beschwerdeweg geltend machen kann; das Verbot gemeinschaftlicher Beschwerden (§ 1 Abs. 4 WBO) steht dem nicht entgegen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. August 1996 - 1 WB 28.96 - BVerwGE 103, 383 <384 f.> und vom 28. März 2012 - 1 WB 29.11 - juris Rn. 13; zustimmend Höges, in: Wolf/Höges, SBG, Stand Dezember 2019, § 36 SBG a.F. Rn. 30). Da die aktuelle Vorschrift des § 42 Abs. 6 SGB insoweit nur redaktionelle Anpassungen enthält und sich der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drs. 18/8298 S. 47) nichts Abweichendes entnehmen lässt, ist nicht anzunehmen, dass mit der Neufassung des Soldatenbeteiligungsrechts zum 2. September 2016 inhaltliche Änderungen eintreten sollten.

16 b) Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich zuständig. Das streitgegenständliche Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung - FüSK I 6 - vom 19. Februar 2019 stellt eine dem Bundesminister der Verteidigung im Sinne von § 21 Abs. 1 WBO zuzurechnende Maßnahme dar, gegen die unmittelbar das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden kann. Das Bundesministerium der Verteidigung hat deshalb den vom Antragsteller mit Schreiben vom 26. Februar 2019 eingelegten Rechtsbehelf zutreffend als entsprechenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet.

17 c) Der Antragsteller ist antragsbefugt. Er macht geltend, dass das Bundesministerium der Verteidigung, indem es das Schreiben vom 19. Februar 2019 ohne seine Beteiligung erstellt und an die nachgeordneten Kommandobehörden und Ämter ausgegeben habe, sein Mitbestimmungsrecht aus § 38 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG, zumindest aber sein Anhörungsrecht aus § 38 Abs. 3 Satz 1 SBG verletzt habe.

18 d) Der Hauptantrag auf Aufhebung des Schreibens vom 19. Februar 2019 ist unzulässig, weil dieses auf Umsetzungsakte durch nachgeordnete Stellen abzielt. Der Hilfsantrag ist zulässig auf Feststellung der Rechtswidrigkeit wegen Verletzung des Beteiligungsrechts gerichtet.

19 2. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet.

20 Das Bundesministerium der Verteidigung ist nicht verpflichtet, den Antragsteller an dem Schreiben vom 19. Februar 2019 zur Anrechenbarkeit von medizinischen Behandlungen auf die Arbeitszeit im (Wechsel-)Schichtbetrieb zu beteiligen. Dabei kann die Frage der Form der Beteiligung - Anhörung oder Mitbestimmung - dahingestellt bleiben, weil es an der in beiden Beteiligungstatbeständen (§ 38 Abs. 3 Satz 1 und 3 SBG) enthaltenen Voraussetzung einer Grundsatzregelung fehlt.

21 a) Unter Grundsatzregelungen im Sinne des § 38 Abs. 3 SBG sind nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. - auch zum Folgenden - BVerwG, Beschluss vom 30. November 2017 - 1 WB 24.16 - Buchholz 449.7 § 42 SBG Nr. 2 Rn. 20) insbesondere innerdienstliche Anordnungen zu verstehen, die für eine Vielzahl von Fällen gelten. Das sind vor allem Verwaltungsvorschriften, die die richtige, zweckmäßige und inhaltliche Ausübung der Verwaltungstätigkeit gewährleisten sollen. Hierzu gehören u.a. Durchführungsvorschriften, Richtlinien, Dienstanweisungen und Erlasse. Von dem Beteiligungstatbestand sind damit alle Regelungen erfasst, die das Bundesministerium der Verteidigung in Wahrnehmung seiner Aufgaben und seiner Rechte als Dienstherr gegenüber allen Soldaten, jedenfalls aber einer unbestimmten Anzahl von Soldatinnen und Soldaten trifft, ohne dass es auf ihre Form ankommt. Anordnungen, die sich auf die Aufgaben und Befugnisse bestimmter Soldatinnen und Soldaten eines bestimmten, eng begrenzten Kreises derselben beziehen, fallen nicht unter diesen Begriff (vgl. Höges, in: Wolf/Höges, SBG, Stand Dezember 2019, § 37 SBG a.F. Rn. 18 f.).

22 Der Senat hat ferner - in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht - entschieden, dass eine Anordnung (im konkreten Fall: Uniformtragepflicht für freigestellte Personalratsmitglieder) nicht der Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses nach § 37 SBG a.F. (jetzt § 38 SBG) bedarf, wenn sie keinen regelnden Charakter hat, sondern lediglich eine bestehende Dienstvorschrift, bei deren Erlass der Gesamtvertrauenspersonenausschuss ordnungsgemäß beteiligt wurde, konkretisiert und erläutert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 2010 - 1 WB 41.09 - BVerwGE 138, 40 Rn. 46).

23 b) Das Tatbestandsmerkmal der Grundsatzregelung lässt sich - wiederum in Anlehnung an das Personalvertretungsrecht - anhand der Rechtsprechung zum Begriff der Verwaltungsanordnung im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG weiter konkretisieren. Der Begriff der Verwaltungsanordnung beschreibt in seiner personalvertretungsrechtlichen Bedeutung, insoweit ähnlich wie der Begriff der Grundsatzregelung, jede Regelung mit allgemein gültigen Charakter, welche die Dienststelle in Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Rechte als Dienstherr oder Arbeitgeber gegenüber allen ihren Beschäftigten, jedenfalls aber gegenüber einer unbestimmten Anzahl ihrer Beschäftigten trifft, ohne dass es auf die Form ankommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 6 P 26.10 - Buchholz 251.2 § 90 BlnPersVG Nr. 1 Rn. 10).

24 Kennzeichen einer Verwaltungsanordnung ist danach ihre Gestaltungswirkung. Sie muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustands gerichtet sein; nach ihrer Durchführung müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2012 - 6 P 26.10 - Buchholz 251.2 § 90 BlnPersVG Nr. 1 Rn. 18 und zuletzt vom 25. Juni 2019 - 5 P 3.18 - juris LS und Rn. 13 ff., jeweils m.w.N.). In der so zu verstehenden Gestaltungswirkung ist zugleich das in der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angesprochene Erfordernis einer unmittelbaren Regelung der Belange der Betroffenen der Sache nach aufgegangen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 5 P 3.18 - juris LS und Rn. 16). Die Gestaltungswirkung bzw. der Regelungscharakter fehlt, wenn die Anordnung lediglich Verwaltungsregeln erläutert, Hinweise auf die Rechtslage gibt, nur allgemeine Weisungen zur Erledigung der Dienstgeschäfte enthält oder bloße Rechtsansichten äußert bzw. bestehende dienstliche Verpflichtungen lediglich konkretisiert (vgl. Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 78 Rn. 6 m.w.N.; siehe auch § 69 Rn. 7).

25 In der Rechtsprechung ist insbesondere anerkannt, dass eine Verwaltungsanordnung mit gestaltender bzw. regelnder Wirkung nicht vorliegt, wenn lediglich normative (gesetzliche, verordnungsrechtliche, tarifvertragliche) Bestimmungen wiedergegeben und bekanntgemacht werden (vgl. für tarifvertragliche Regelungen BVerwG, Beschluss vom 22. März 1990 - 6 P 17.88 - Buchholz 251.0 § 80 BaWüPersVG Nr. 3 S. 2). Gleiches gilt für bloß norminterpretierende Verwaltungsvorschriften (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2012 - 6 P 26.10 - Buchholz 251.2 § 90 BlnPersVG Nr. 1 Rn. 19 und vom 11. Dezember 2012 - 6 P 2.12 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 24 Rn. 13). Eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift verlangt als eine reine Auslegungsvorgabe aus sich heraus weder den Beschäftigten ein bestimmtes Verhalten ab noch konstituiert sie eine eigenständige Regelung. Sie erschöpft sich in der Feststellung des normativen Gehalts andernorts bereits konstituierter Regelungen und weist insofern Merkmale eines Erkenntnisakts auf. Die Beschäftigungsverhältnisse und die Arbeitsbedingungen werden rechtlich nicht durch sie selbst, sondern wurden bereits durch die mit ihr ausgelegten Normativbestimmungen geändert. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass sie im innerdienstlichen Raum Verbindlichkeit gegenüber denjenigen Mitarbeitern beansprucht, die diese Normativbestimmungen - in der vorgegebenen Auslegung - zu vollziehen haben.

26 c) Nach diesen Maßstäben bedurfte es beim Erlass des Schreibens des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. Februar 2019 zur Anrechenbarkeit von medizinischen Behandlungen auf die Arbeitszeit im (Wechsel-)Schichtbetrieb nicht der Beteiligung des Antragstellers nach § 38 Abs. 3 SBG, weil es sich hierbei mangels Regelungscharakters um keine Grundsatzregelung handelt.

27 Zwar enthält die Zentrale Dienstvorschrift A-1420/34 des Bundesministeriums der Verteidigung zur Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, auch Grundsatzregelungen im organisatorischen Bereich und war daher etwa im Hinblick auf die Festlegung von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SBG mitbestimmungspflichtig.

28 Die hier vorliegende Zentrale Dienstvorschrift hat jedoch nur in wenigen Teilen Gestaltungswirkung und stellt im Übrigen eine rein norminterpretierende Verwaltungsvorschrift dar. Das gilt insbesondere für Nr. 205 ZDv A-1420/34, die sich mit der Auslegung des § 4 Nr. 5 SAZV beschäftigt. Diese Ziffer versteht die Rechtsnorm dahingehend, dass es auch im Schichtdienst auf die regelmäßige tägliche Dienstzeit der Dienststelle (im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 SAZV) ankommt. Demgegenüber gibt das Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. Februar 2019 diese Interpretation auf und stellt für Soldaten im Schichtdienst (im Sinne von § 9 Abs. 1 SAZV) auf die regelmäßige tägliche Dienstzeit des individuellen Soldaten nach der Schichtplanung ab. Damit hat das Bundesministerium der Verteidigung seine bisherige Rechtsauffassung ohne Rücksprache mit dem Antragsteller zugunsten einer neuen Norminterpretation aufgegeben. Dem Schreiben fehlt jedoch in gleicher Weise wie Nr. 205 ZDv A-1420/34 im Sinne der Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht, der eigene regelnde bzw. gestaltende Charakter.

29 Die Vorgehensweise des Bundesministeriums der Verteidigung begegnet auch sonst keinen rechtlichen Bedenken. Das Ministerium und die ihm nachgeordneten Stellen sind zum Vollzug der Soldatenarbeitszeitverordnung und der diese ausfüllenden Zentralen Dienstvorschrift A-1420/34 verpflichtet. Sie sind dabei auch gehalten, praktische Fragestellungen zu beantworten, wo diese im Vollzug des - für den militärischen Dienst in der Bundeswehr relativ neuen - Arbeitszeitrechts aufgeworfen werden. Die Antworten auf solche Fragestellungen können überdacht und aufgrund neuer Rechtserkenntnisse für die Zukunft abgeändert werden. Fachaufsichtliche "Klarstellungen und Erläuterungen" zu einer Rechts- und Vorschriftenlage, wie das hier gegenständliche Schreiben vom 19. Februar 2019, sind deshalb - nicht anders als Weisungen im Einzelfall - ein übliches und zulässiges Instrument des Verwaltungsvollzugs.

30 Da solche norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften keine Gestaltungswirkung haben, berührt deren Änderung die Beteiligungsrechte des Antragstellers nicht. Sie führt auch zu keinem Rechtsnachteil für die von § 4 Nr. 5 SAZV betroffenen Soldatinnen und Soldaten; vielmehr kann jeder im Schichtdienst arbeitende Soldat, der außerhalb der nach dem Schichtplan festgesetzten regelmäßigen täglichen Dienstzeit aber innerhalb der regelmäßigen täglichen Dienstzeit der Dienststelle erkrankt, eine gerichtliche Klärung der richtigen Auslegung dieser Rechtsvorschrift herbeiführen.

31 Das vorstehende Ergebnis widerspricht schließlich nicht dem vom Antragsteller in Bezug genommenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1990 - 6 P 17.88 - (Buchholz 251.0 § 80 BaWüPersVG Nr. 3; zum Folgenden LS und Rn. 17 bis 21 <abgedruckt in juris>). Der Beschluss bestätigt vielmehr, dass Voraussetzung einer mitwirkungspflichtigen Verwaltungsanordnung ist, dass dieser eine den bisherigen Zustand verändernde, gestaltende Wirkung zukommen soll. Die gestaltende Wirkung ergab sich in der entschiedenen Sache daraus, dass bei der Berechnung der zu erbringenden Arbeitszeit eine den Beschäftigten bis dahin gewährte Wegezeitpauschale wegfallen sollte. Eine Besonderheit des Falls bestand lediglich darin, dass die bis dahin praktizierte Gewährung der Wegezeitpauschale tarifwidrig war, so dass es mit der Verwaltungsanordnung darum ging, eine zwar für die Beschäftigten günstige, aber tarifwidrige Praxis zu beenden. Der Beschluss hat gleichwohl die gestaltende Wirkung der Verwaltungsanordnung bejaht, weil es im Hinblick auf eine zehnjährige tarifwidrige Praxis nicht von vornherein abwegig, sondern prüfungs- und erörterungswürdig war, ob etwaige Ansprüche der Beschäftigten auf Weitergewährung aufgrund einer betrieblichen Übung entstanden waren. So liegt der Fall hier schon deshalb nicht, weil Nr. 205 ZDv A-1420/34 erste seit Juni 2018 galt, so dass sich über gesetzlich begründete Rechte hinausgehende Ansprüche aus betrieblicher Übung im langjährigen Einverständnis des Dienstherrn nicht bilden konnten. Dies wird auch vom Antragsteller nicht behauptet.