Verfahrensinformation

Zugang zu Unterlagen von Altbundeskanzler Helmut Kohl


Die Klägerin - Journalistin, Historikerin und Publizistin - begehrt vom Bundeskanzleramt Zugang zu Unterlagen aus der Zeit der Kanzlerschaft von Helmut Kohl sowie zu den zugehörigen Findmitteln. Das Bundeskanzleramt gewährte Einsicht in insgesamt 45 Unterlagen. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab, weil sich ohne weitere Benennung von Recherchebegriffen keine weiteren Dokumente auffinden ließen. Eine manuelle Suche könne aufgrund des großen Aktenbestandes aus 16 Jahren Kanzlerschaft nicht beansprucht werden. Dem Kanzleramt sei darüber hinaus nicht bekannt, dass sich amtliche Unterlagen des verstorbenen Bundeskanzlers bei Dritten befänden.


Die Klage auf Bereitstellung weiterer Unterlagen hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Hinsichtlich von Unterlagen, die sich beim Bundeskanzleramt befinden sollten, sei der Anspruch vollständig erfüllt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zugang zu sich unter Umständen im Besitz von Frau Kohl-Richter befindlichen Unterlagen. Weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz gewährten einen Anspruch auf Wiederbeschaffung amtlicher Unterlagen. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin.


Pressemitteilung Nr. 29/2023 vom 29.03.2023

Kein Anspruch auf Wiederbeschaffung von Unterlagen Helmut Kohls

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz einen Anspruch auf die Wiederbeschaffung bei einer Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen gewähren. Zudem darf die Suche nach begehrten Informationen in äußerst umfangreichen Aktenbeständen ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie die Wahrnehmung vorrangiger Sachaufgaben erheblich behindern würde.


Die Klägerin, eine Journalistin, begehrt vom Bundeskanzleramt unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz Zugang zu sämtlichen amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, die beim Bundeskanzleramt oder bei der Witwe Helmut Kohls vorhanden seien. Hilfsweise begehrt sie Zugang zu derartigen Unterlagen aus dem Zeitraum 1982 bis Juni 1987, höchst hilfsweise zu derartigen Unterlagen zu den Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen, Südamerika, Chile, Argentinien und Paraguay. Das Bundeskanzleramt gewährte Einsicht in insgesamt 45 bei ihm vorhandene Unterlagen und lehnte den Antrag im Übrigen ab.


Die hierauf erhobene Klage auf Zugang zu sämtlichen begehrten Unterlagen wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die nicht thematisch eingegrenzten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt, weil sie nicht sinnvoll bearbeitet werden könnten. Hinsichtlich der Unterlagen zu Südamerika sei der Anspruch nach erfolgter Stichwortsuche in sämtlichen Registraturen vollständig erfüllt. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass eine händische Suche unzumutbar sei, weil dies die Durchsicht von über 9000 Aktenbänden voraussetze. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Wiederbeschaffung weiterer Unterlagen, falls sich solche - was ungeklärt geblieben ist - im Besitz der Witwe Helmut Kohls befinden sollten.


Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwar steht die Annahme, die Anträge der Klägerin seien zu unbestimmt, nicht mit Bundesrecht in Einklang. Ein Informationszugangsantrag muss erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Das war hier der Fall. Insoweit erweist sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aber aus anderen Gründen als richtig. Eine Behörde darf die Suche nach Informationen in einem äußerst umfangreichen Aktenbestand ausnahmsweise verweigern, wenn mit ihr ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Dies ist zu bejahen, wenn die informationspflichtige Behörde bei der Wahrnehmung ihrer vorrangigen Sachaufgaben erheblich behindert würde. So liegt es, wenn Akten im Umfang mehrerer tausend Bände oder der gesamte über mehrere Jahre entstandene Aktenbestand händisch durchsucht werden müssten. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch auf Wiederbeschaffung bei der Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen abgelehnt. Das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz gewähren lediglich einen Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die bei Antragstellung bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind.


BVerwG 10 C 2.22 - Urteil vom 29. März 2023

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 17/20 - Urteil vom 03. Juni 2022 -

VG Berlin, VG 2 K 218.17 - Urteil vom 26. Mai 2020 -