Verfahrensinformation
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Beitrags für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Wasser- und Abwasserzweckverbands, dessen Verbandsvorsteher der Beklagte ist. Sie ist Eigentümerin eines bereits am 3. Oktober 1990 an eine öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Grundstücks in der Gemeinde Seddiner See. Anfang der 1990er Jahre beschlossen die Gemeinde Seddiner See und die Vorgängergemeinden der heutigen Stadt Beelitz, mit Hilfe einer Betriebsführungs- und Betreibergesellschaft eine gemeinsame öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage zu betreiben. Dazu wurde eine neue Kläranlage errichtet, die die beiden vorhandenen Kläranlagen ersetzte. Die erste Abwasserabgabensatzung der Gemeinde Seddiner See wurde am 20. April 1994 bekannt gemacht. Beiträge wurden für das Grundstück der Klägerin jedoch nicht erhoben. Zum 1. Januar 2006 gründeten die Gemeinde Seddiner See und die Stadt Beelitz einen Wasser- und Abwasserzweckverband, der die Schmutzwasserbeseitigungsanlage im Wesentlichen unverändert übernahm und fortführte und dessen Verbandsvorsteher der Beklagte ist. Aufgrund der zum 1. März 2011 in Kraft getretenen Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbands setzte der Beklagte mit Bescheid vom 16. August 2013 für das Grundstück der Klägerin einen Anschlussbeitrag fest. Der dagegen erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg.
Im Klageverfahren hob das Verwaltungsgericht den Beitragsbescheid hingegen auf. Die Gemeinde Seddiner See habe einen Beitrag für die Herstellung ihrer Schmutzwasserbeseitigungsanlage wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr erheben können. Zwar schließe dies eine Beitragserhebung für die erst mit der Verbandsgründung im Jahr 2006 entstandene Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung des Zweckverbands nicht aus. Dass der Beklagte gezahlte, nicht aber hypothetisch festsetzungsverjährte Herstellungsbeiträge für die frühere gemeindliche Einrichtung anrechne, verstoße aber gegen das Verfassungsgebot der Gleichbehandlung. Demgegenüber verneinte das Oberverwaltungsgericht einen Gleichheitsverstoß und wies die Klage unter Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils ab.
Zur Begründung ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin vor allem geltend, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletze Bundesrecht, weil es die Reichweite des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatzes des Vertrauensschutzes verkenne. Danach sei wegen der hypothetischen Festsetzungsverjährung gegenüber der Gemeinde auch die Beitragserhebung durch den Zweckverband ausgeschlossen.
Verfahrensinformation
Streitgegenstand ist die Heranziehung der Klägerin zu Herstellungsbeiträgen für eine Abwasserbeseitigungsanlage. Das Grundstück der Klägerin ist seit den 1990er Jahren an eine zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage angeschlossen, die zum damaligen Zeitpunkt von der Gemeinde betrieben wurde. Die erste nach der (damaligen) verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wirksame Beitragssatzung wurde im Jahr 2003 erlassen, das klägerische Grundstück in der Folgezeit jedoch nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen.
Zum 1. Januar 2012 wurden die Aufgabe der Abwasserbeseitigung und das Eigentum an den entsprechenden Anlagen auf den beklagten Zweckverband übertragen. In dem Beitrittsvertrag war u.a. geregelt, dass eine Heranziehung zu Beiträgen durch den Zweckverband ausschied, wenn die Gemeinde die Grundstücke bereits veranlagt hatte. Ein Zusammenschluss der technischen Anlagen erfolgte nicht, so dass sich an der tatsächlichen Entwässerungssituation des klägerischen Grundstücks nichts änderte. Auf der Grundlage einer Satzung des Beklagten aus dem Jahr 2012 wurden gegenüber der Klägerin Anschlussbeiträge für die Herstellung der zentralen Schmutzwasserversorgungseinrichtung festgesetzt.
Das Verwaltungsgericht hob den Heranziehungsbescheid auf, weil die sachliche Beitragspflicht für das klägerische Grundstück bereits nach der Satzung von 2003 entstanden und durch Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen sei; durch die Aufgabenübertragung auf den Zweckverband sei sie nicht neu entstanden. Das Oberverwaltungsgericht änderte dieses Urteil und wies die Klage ab. Es ging dabei davon aus, dass mit der Aufgabenübertragung eine neue Einrichtung im rechtlichen Sinne entstanden sei und eine etwaige Verjährung des gegenüber der Gemeinde bestehenden Beitragsanspruchs die Heranziehung zu Beiträgen für die neue Einrichtung nicht berühre.
Im Revisionsverfahren wird zu klären sein, welche Bedeutung einer Festsetzungsverjährung im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Vertrauensschutzes zukommt, wenn eine bestehende Einrichtung nach Verjährungseintritt ohne Änderung der technischen Anschlusssituation auf einen neuen Träger übergegangen ist.
Pressemitteilung Nr. 64/2021 vom 06.10.2021
Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt auch gegenüber dem neuen Träger einer öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt auch gegenüber dem neuen Träger einer öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in zwei Verfahren aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt entschieden.
Die Klägerin des Verfahrens 9 C 9.20 ist Eigentümerin eines bereits am 3. Oktober 1990 an die damalige Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Grundstücks in Seddiner See (Brandenburg). Anfang der 1990er Jahre ersetzten die Gemeinde Seddiner See und die Vorgängergemeinden der heutigen Stadt Beelitz ihre Kläranlagen durch eine gemeinsam betriebene zentrale Kläranlage. Die erste Beitragssatzung der Gemeinde Seddiner See wurde 1994 bekannt gemacht. Beiträge wurden für das Grundstück der Klägerin nicht erhoben. Zum 1. Januar 2006 gründeten die Gemeinde Seddiner See und die Stadt Beelitz den Wasser- und Abwasserzweckverband "Nieplitz", der die Schmutzwasserbeseitigungsanlage im Wesentlichen unverändert fortführte.
2013 setzte der beklagte Wasserverband für das Grundstück der Klägerin einen Anschlussbeitrag fest. Das Verwaltungsgericht hob den Beitragsbescheid mit der Begründung auf, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, dass der Beklagte gezahlte, nicht aber - wie im Falle der Klägerin - hypothetisch festsetzungsverjährte Herstellungsbeiträge für die früheren gemeindlichen Einrichtungen auf den Anschlussbeitrag anrechne. Im Berufungsverfahren änderte das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge weder aus Gleichheits- noch aus Vertrauensschutzgründen anzurechnen seien.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Berufungsentscheidung wegen einer Verletzung des bundesverfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Gleichheitssatzes aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt auch bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers. Eine Beitragserhebung durch den neuen Einrichtungsträger ist mit diesem Grundsatz nicht vereinbar, soweit sie sich auf Herstellungsaufwand bezieht, für den der Beitragspflichtige durch den früheren Einrichtungsträger nach der in Brandenburg bis zum 31. Januar 2004 geltenden Rechtslage wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr zu Beiträgen hätte herangezogen werden können. Soweit der Beklagte gezahlte, nicht aber hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge für die frühere Einrichtung angerechnet hat, verstößt dies außerdem gegen den Gleichheitssatz. Ein die Ungleichbehandlung rechtfertigender sachlicher Grund liegt weder in der Vermeidung einer Doppelbelastung noch in der Wahrung der Beitragsgerechtigkeit oder des Haushaltsinteresses des früheren oder jetzigen Einrichtungsträgers.
Auch im Verfahren 9 C 10.20 aus Sachsen-Anhalt, bei dem es um eine "normale" und nicht um eine hypothetische Festsetzungsverjährung geht, hat das Bundesverwaltungsgericht die Berufungsentscheidung aus den vorgenannten Gründen aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
BVerwG 9 C 9.20 - Urteil vom 06. Oktober 2021
Vorinstanzen:
OVG Berlin-Brandenburg, 9 B 15.17 - Beschluss vom 23. Oktober 2019 -
VG Potsdam, 8 K 149/14 - Beschluss vom 22. Februar 2017 -
BVerwG 9 C 10.20 - Urteil vom 06. Oktober 2021
Vorinstanzen:
OVG Magdeburg, 4 L 134/17 - Urteil vom 20. August 2019 -
VG Magdeburg, 9 A 37/15 MD - Urteil vom 13. Juni 2017 -
Beschluss vom 10.11.2020 -
BVerwG 9 B 1.20ECLI:DE:BVerwG:2020:101120B9B1.20.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 10.11.2020 - 9 B 1.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:101120B9B1.20.0]
Beschluss
BVerwG 9 B 1.20
- VG Potsdam - 22.02.2017 - AZ: VG 8 K 149/14
- OVG Berlin-Brandenburg - 23.10.2019 - AZ: OVG 9 B 15.17
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. November 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:
- Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision gegen seinen Beschluss vom 23. Oktober 2019 wird aufgehoben.
- Die Revision wird zugelassen.
- Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
- Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird vorläufig auf 14 430,15 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann im Hinblick auf die sogenannte hypothetische Festsetzungsverjährung (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 ff.) zur Klärung der Frage beitragen, inwieweit sich ein Beitragsschuldner auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes in Gestalt des Rückwirkungsverbots berufen kann, wenn eine bestehende Einrichtung nach Verjährungseintritt auf einen neuen Träger übergegangen ist.
2
Die vorläufige Festsetzung des Streitwertes für das Revisionsverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Rechtsbehelfsbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 9 C 9.20 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.
Beschluss vom 10.12.2020 -
BVerwG 9 B 67.19ECLI:DE:BVerwG:2020:101220B9B67.19.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 10.12.2020 - 9 B 67.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:101220B9B67.19.0]
Beschluss
BVerwG 9 B 67.19
- VG Magdeburg - 13.06.2017 - AZ: VG 9 A 37/15 MD
- OVG Magdeburg - 20.08.2019 - AZ: OVG 4 L 134/17
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Dezember 2020
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:
- Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 20. August 2019 wird aufgehoben.
- Die Revision wird zugelassen.
- Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
- Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird vorläufig auf 2 193,31 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann zur Klärung der Frage beitragen, welche Bedeutung einer Festsetzungsverjährung im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Vertrauensschutzes zukommt, wenn eine bestehende Einrichtung nach Verjährungseintritt ohne Änderung der technischen Anschlusssituation auf einen neuen Träger übergegangen ist (vgl. auch Zulassungsbeschluss des Senats vom 10. November 2020 - 9 B 1.20 -, nunmehr 9 C 9.20 ).
2
Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Rechtsbehelfsbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 9 C 10.20 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch die Beschwerdeführerin bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.
Urteil vom 06.10.2021 -
BVerwG 9 C 10.20ECLI:DE:BVerwG:2021:061021U9C10.20.0
Berücksichtigung einer Festsetzungsverjährung nach Wechsel des Einrichtungsträgers
Leitsätze:
1. Zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben, die beim Übergang einer öffentlichen Einrichtung auf einen anderen Einrichtungsträger zu beachten sind, gehören die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, zu deren Gewährleistung die Verjährungsvorschriften beitragen.
2. In die durch die Festsetzungsverjährung vermittelte, verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensposition wird eingegriffen, wenn und soweit der neue Einrichtungsträger bei der Bemessung seiner Beiträge Herstellungsaufwand berücksichtigt, der bereits Gegenstand des früheren Beitragsschuldverhältnisses war und für den der vormalige Einrichtungsträger nach Ablauf der Festsetzungsfrist keine Beiträge mehr erheben durfte.
-
Rechtsquellen
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 KAG-LSA § 6 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 4 Buchst. b AO §§ 47, 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 -
Instanzenzug
VG Magdeburg - 13.06.2017 - AZ: VG 9 A 37/15 MD
OVG Magdeburg - 20.08.2019 - AZ: OVG 4 L 134/17
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 06.10.2021 - 9 C 10.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:061021U9C10.20.0]
Urteil
BVerwG 9 C 10.20
- VG Magdeburg - 13.06.2017 - AZ: VG 9 A 37/15 MD
- OVG Magdeburg - 20.08.2019 - AZ: OVG 4 L 134/17
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Oktober 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Martini sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
- Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. August 2019 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
- Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Beiträgen für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten.
2 Die Klägerin ist Miteigentümerin eines im Gebiet der Einheitsgemeinde B. gelegenen Grundstücks, das seit den 1990er Jahren an eine Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung angeschlossen ist, die zum damaligen Zeitpunkt von der Gemeinde B. betrieben wurde. Nach mehreren erfolglosen Satzungsversuchen beschloss die Gemeinde am 23. Januar 2003 eine Abwasserabgabensatzung - künftig: AS 2003 –, die nach der damaligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Magdeburg als wirksam angesehen wurde, wobei das Gericht von einem Inkrafttreten am 2. November 2004 ausging. Das klägerische Grundstück wurde auf dieser satzungsrechtlichen Grundlage allerdings nicht zu Beiträgen herangezogen.
3 Mit Wirkung zum 1. Januar 2012 wurden die Aufgabe der Abwasserbeseitigung im Gebiet der Gemeinde und das Eigentum an den entsprechenden Anlagen auf den beklagten Zweckverband übertragen, wodurch sich dessen Verbandsgebiet um ca. 3 000 auf insgesamt ca. 22 000 Grundstücke vergrößerte. Ein Zusammenschluss der technischen Anlagen erfolgte nicht. In dem der Übertragung zugrunde liegenden Beitrittsvertrag vom 4. November 2011 wurde u.a. geregelt, dass eine Heranziehung zu Beiträgen durch den Zweckverband ausscheide, wenn die Gemeinde die Grundstücke bereits veranlagt habe.
4 Am 11. Juli 2012 beschloss der Beklagte die Abwasserabgabensatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung, Teil: Schmutzwasser - künftig: AS 2012 –, auf deren Grundlage die Klägerin mit Bescheid vom 9. Oktober 2014 zu Schmutzwasserbeiträgen in Höhe von 2 193,31 € herangezogen wurde.
5 Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Mit Urteil vom 13. Juni 2017 hob das Verwaltungsgericht Magdeburg den Heranziehungsbescheid mit der Begründung auf, die sachliche Beitragspflicht für das klägerische Grundstück sei nach der AS 2003 entstanden, durch Eintritt der Festsetzungsverjährung aber erloschen und durch die Aufgabenübertragung auf den Beklagten nicht neu begründet worden.
6 Auf die Berufung des Beklagten änderte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Klage mit Urteil vom 20. August 2019 ab. Es ließ die Frage der Wirksamkeit der AS 2003 im Ergebnis offen, weil die etwaige Verjährung eines danach begründeten Beitragsanspruchs dem Entstehen eines weiteren Herstellungsbeitragsanspruchs nicht entgegenstehe. Mit dem Beitritt der Gemeinde zum Beklagten sei im Gebiet der Gemeinde rechtlich eine neue öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung entstanden, für die (nochmals) Herstellungsbeiträge erhoben werden könnten. Der für die Beitragserhebung erforderliche Vorteil sei untrennbar mit einer bestimmten öffentlichen Einrichtung verknüpft und werde nur durch diese vermittelt. Die Belastungsgleichheit der Anschlussnehmer sei dadurch gewährleistet, dass eine Heranziehung von Grundstückseigentümern, die bereits von der Gemeinde zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen worden seien, durch den Beitrittsvertrag ausgeschlossen sei. Weder das Gleichbehandlungsgebot noch das Äquivalenzprinzip geböten eine entsprechende Freistellung auch von Grundstückseigentümern, die von der Gemeinde nicht zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen worden seien. Eine Verjährung des Beitragsanspruchs für die Einrichtung der Gemeinde auf Grundlage der AS 2003 berühre im Hinblick auf die Heranziehung zu Beiträgen für die neue Einrichtung des Beklagten keine schutzwürdige Rechtsposition der Klägerin.
7 Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin insbesondere eine fehlerhafte Auslegung des Einrichtungs- und Vorteilsbegriffs unter Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze etwa der Normenklarheit und Bestimmtheit, der Beitragsgerechtigkeit, der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Verhältnismäßigkeit und macht geltend, dass das Erlöschen eines Beitragsschuldverhältnisses durch Verjährung eine vom Vertrauensschutz erfasste Rechtsposition darstelle, die gegenüber dem Erlöschen durch Zahlung keinen minderen verfassungsrechtlichen Schutz verdiene. Die vom Berufungsgericht angenommene vollständige Schutzlosigkeit einer durch Verjährung erworbenen Rechtsposition beachte weder den Gesichtspunkt der Garantiefunktion des geltenden Rechts, aus der heraus Vertrauen erwachsen könne, noch den Gedanken der Rechtssicherheit.
8
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. August 2019 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 13. Juni 2017 zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
9 Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt und zur Sache vorgetragen, er gehe davon aus, dass die Abwasserabgabensatzung der Gemeinde AS 2003 nicht mit dem Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt vereinbar sei. Darüber habe das Oberverwaltungsgericht nicht entschieden, sodass die Sache zurückverwiesen werden müsse.
II
10 Die Revision der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet; denn das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
11 Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass eine etwaige Festsetzungsverjährung des Beitragsanspruchs der Gemeinde als Betreiberin der früheren Abwasserentsorgungseinrichtung keine schutzwürdige Rechtsposition der Klägerin gegenüber der Heranziehung zu Beiträgen für die öffentliche Einrichtung des Beklagten begründe, verstößt in dieser Pauschalität gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip (1.) sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2.). Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wird daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (3.).
12 1. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei der zentralen Schmutzwasseranlage des Beklagten um eine neue öffentliche Einrichtung im Rechtssinne handele, die nicht mit der früher durch die Gemeinde betriebenen Abwasseranlage identisch sei und einen neuen, auf diese Einrichtung bezogenen beitragsrechtlich relevanten Vorteil vermittele, der eine Beitragserhebung auf der Grundlage der Satzung des Beklagten AS 2012 rechtfertige. Eine mögliche Festsetzungsverjährung des Herstellungsbeitrags nach der Gemeindesatzung AS 2003 stehe dem nicht entgegen, weil sie nur das Erlöschen der Beitragspflicht für die frühere Einrichtung der Gemeinde bewirkt habe. Diese Auffassung widerspricht dem Rechtsstaatsprinzip.
13 a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es allerdings bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht von dem Vorliegen einer neuen öffentlichen Einrichtung ausgegangen ist, für die im Grundsatz erneut Herstellungsbeiträge nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG-LSA) zur Abgeltung eines neuen Vorteils erhoben werden können.
14 Der Begriff der öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 KAG-LSA beurteilt sich ebenso wie der kommunalabgabenrechtliche Vorteilsbegriff nach dem nicht revisiblen Landesrecht, an dessen Auslegung und Anwendung durch das Oberverwaltungsgericht das Revisionsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden ist (vgl. zum Vorteilsbegriff etwa BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 16). Das nicht nur grundstücks-, sondern insbesondere auch einrichtungsbezogene Vorteilsverständnis des Oberverwaltungsgerichts ist daher auch im Revisionsverfahren zugrunde zu legen. Bundes(verfassungs)rechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht.
15 Dem landesrechtlichen Vorteilsbegriff werden bundesrechtlich durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nur sehr weite Grenzen gezogen (BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 21), die hier allein durch die Annahme, dass überhaupt ein - nochmaliger - Herstellungsbeitrag in Betracht kommt, nicht überschritten werden (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 11 zu der bindenden Auslegung, dass das <dortige> Landesrecht eine erneute Beitragserhebung durch einen neuen Einrichtungsträger zulässt). Das Oberverwaltungsgericht hat bei seiner Abgrenzung zur identitätswahrenden räumlichen Erweiterung einer bestehenden Anlage auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg Bezug genommen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. April 2018 - 9 N 1.17 - juris Rn. 15), die ihrerseits neben dem Schutz der Beitragspflichtigen durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip auch den darüber hinausgehenden Schutz durch den - landesrechtlichen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. September 1998 - 8 B 102.98 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 40 S. 10 und vom 11. Februar 2008 - 9 B 48.07 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 54 Rn. 3) – Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Kommunalabgabenrecht im Blick hat und für die Schaffung einer neuen Anlage "gewichtige Umstände" verlangt, um sicherzustellen, dass neue Anlagen mit neuen Herstellungspflichten nicht "gleichsam durch einen 'Federstrich'" entstehen können. Dies lässt kein grundlegendes Fehlverständnis bundesrechtlicher Grundsätze und Wertungen erkennen. Ob das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall die eigenen Maßstäbe zutreffend angewandt hat, ist eine Frage der landesrechtlichen Rechtsanwendung im Einzelfall und im Revisionsverfahren nicht zu überprüfen. Eine einschränkende Auslegung des Einrichtungs- und Vorteilsbegriffs im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz ist nicht veranlasst, weil diese Grundsätze - ebenso wie weitere bundesverfassungsrechtliche Maßstäbe - auch dann weiterhin zu beachten sind, wenn es zu einem Wechsel des Trägers der öffentlichen Einrichtung gekommen ist, und ihnen auch durch den neuen Einrichtungsträger auf unterschiedliche Weise Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 10 ff., dazu näher unter b); die Frage der Einrichtungsidentität hat dabei keine Bedeutung.
16 b) Bundesrecht verletzt jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, einer Beitragserhebung auf der Grundlage der Satzung AS 2012 des Beklagten stehe eine mögliche Festsetzungsverjährung nach der Gemeindesatzung AS 2003 nicht entgegen, weil sie nur das Erlöschen der Beitragspflicht für die frühere Einrichtung der Gemeinde bewirkt habe. Dies widerspricht Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ungeachtet dessen, ob dieses hier in seiner Ausprägung als Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes oder in dessen Konkretisierung in Gestalt des Rückwirkungsverbots zu verstehen ist.
17 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf dieser Grundlage erworbenen Rechte. Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren dabei im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen (BVerfG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 41 und vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 60 zum Rückwirkungsverbot). Eine Beeinträchtigung des durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechtspositionen ist verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar ist, also wenn sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Normgebers überwiegen (stRspr zur Unzulässigkeit unechter Rückwirkung; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 43 m.w.N.).
18 Das ist hier der Fall. Der Umstand, dass der Beitragsanspruch des früheren Einrichtungsträgers (möglicherweise) festsetzungsverjährt ist, begründet eine verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensposition der Klägerin (aa), die trägerübergreifend auch vom Beklagten zu berücksichtigen ist (bb), wenn und soweit er Beiträge erhebt, die (auch) den Aufwand für die technische Herstellung der übernommenen Anlage oder Anlagenteile abgelten sollen (cc), was vorliegend der Fall sein könnte (dd). Gründe, die einen Eingriff in diese Vertrauensposition rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich (ee).
19 aa) Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen im Abgabenrecht dem zeitlich unbegrenzten rückwirkenden Vorteilsausgleich entgegen. Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge zeitlich unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 41; BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 8). Dem Institut der Verjährung kommt in diesem Zusammenhang eine gewichtige Bedeutung zu; denn die Verjährung stellt die abschließende Zeitgrenze dar, bis zu der Beiträge zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an einen zurückliegenden Tatbestand geltend gemacht werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 und Kammerbeschluss vom 7. April 2021 - 1 BvR 176/15 - NVwZ-RR 2021, 649 Rn. 23).
20 Verjährungsregelungen sind Ausdruck der Gewährleistung des im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatzes der Rechtssicherheit und damit verfassungsrechtlich geboten (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 f.; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - BVerwGE 164, 212 Rn. 37). Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, in Bezug auf die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, Verjährungsregelungen zu erlassen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Auch wenn die Vorteile in der Zukunft fortwirken, darf der Bürger nicht dauerhaft im Unklaren gelassen werden, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Auf konkret betätigtes Vertrauen kommt es dabei nicht an; die Verjährungsregelungen greifen ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes Vertrauen und schöpfen ihre Berechtigung und Notwendigkeit aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Dieser gebietet es, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 43 ff.; Kammerbeschlüsse vom 21. Juli 2016 - 1 BvR 3092/15 - NVwZ-RR 2016, 889 Rn. 7, vom 1. Juli 2020 - 1 BvR 2838/19 - NVwZ 2020, 1744 Rn. 24 ff. und vom 7. April 2021 - 1 BvR 176/15 - NVwZ-RR 2021, 649 Rn. 24 ff.).
21 Mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung nach Ablauf der Festsetzungsfrist wird die Beitragsfestsetzung unzulässig (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG-LSA i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO) und der Anspruch aus dem Beitragsschuldverhältnis erlischt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG-LSA i.V.m. § 47 AO). Der Beitragspflichtige muss ab diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen, sich beitragsmäßig am Herstellungsaufwand für die öffentliche Einrichtung, die ihm die vorteilhafte Anschlusssituation vermittelt, beteiligen zu müssen, und darf in die Beständigkeit dieser Rechtslage vertrauen.
22 bb) Die durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung begründete, rechtsstaatlich gebotene und damit verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensposition ist auch vom Beklagten als neuem Einrichtungsträger zu beachten.
23 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung kommunaler Beiträge auch dann zu beachten sind, wenn es zu einem Trägerwechsel der öffentlichen Einrichtung gekommen ist und der neue Einrichtungsträger weder Gesamt- noch Sonderrechtsnachfolger des bisherigen Trägers geworden ist. Dem Satzungsgeber steht es nicht zu, durch die formale Ausgestaltung des Übergangs der öffentlichen Einrichtung auf einen anderen Einrichtungsträger die Anwendbarkeit verfassungsrechtlicher Maßstäbe zu verhindern (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 10). Zu den im Abgabenrecht zu beachtenden verfassungsrechtlichen Maßstäben gehören nicht nur das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz, sondern - wie dargelegt - auch die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, zu deren Gewährleistung die Verjährungsvorschriften beitragen.
24 cc) In die durch die Festsetzungsverjährung vermittelte, verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensposition wird eingegriffen, wenn und soweit der neue Einrichtungsträger bei der Bemessung seiner Beiträge Herstellungsaufwand berücksichtigt, der bereits Gegenstand des früheren Beitragsschuldverhältnisses war und für den der vormalige Einrichtungsträger nach Ablauf der Festsetzungsfrist keine Beiträge mehr erheben durfte.
25 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass nach der bindenden Auslegung des Oberverwaltungsgerichts der beitragsrechtlich relevante Vorteil einrichtungsbezogen zu verstehen ist und in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der rechtlich neuen Anlage besteht. Denn der den Beitrag legitimierende Gesichtspunkt, der den Begriff des Beitrags ausmacht, ist der Gedanke der Gegenleistung, also der Gedanke des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten (vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 20. Mai 1959 - 1 BvL 1, 7/58 - BVerfGE 9, 291 <298> und vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668, 2104/10 - BVerfGE 137, 1 Rn. 43, 52). Insofern müssen die bei der Beitragskalkulation berücksichtigten Herstellungskosten in Relation zu dem durch die hergestellte Einrichtung vermittelten Vorteil gesetzt werden und inhaltlich damit übereinstimmen. Macht der neue Einrichtungsträger bei der Berechnung seiner Gegenleistung (auch) Aufwand geltend, der für die technische Herstellung der übernommenen Einrichtung angefallen ist, bezieht er die durch die alte Einrichtung begründete und gegenwärtig fortwirkende Anschlusssituation ein und macht sie zum Inhalt des von der neuen Einrichtung vermittelten Vorteils. In diesem Fall darf nicht ausgeblendet werden, dass der Aufwand für die "alte" Anlage bereits vom Beitragsschuldverhältnis zum alten Einrichtungsträger erfasst war und der Beitragspflichtige nach Eintritt der Festsetzungsverjährung darauf vertrauen durfte, dafür keine Herstellungsbeiträge mehr zahlen zu müssen.
26 Diese verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition würde nachträglich entwertet, wenn derselbe kostenmäßige Aufwand nach dem Trägerwechsel gleichwohl uneingeschränkt zum Gegenstand eines (neuen) Herstellungsbeitrags gemacht werden könnte.
27 dd) Soweit der von der Klägerin geforderte Beitrag auch die Abgeltung von Aufwand umfasst, der für die Herstellung der von der Gemeinde betriebenen Schmutzwasserbeseitigungsanlage angefallen ist, greift deshalb die Beitragserhebung des Beklagten in die durch die (mögliche) Festsetzungsverjährung begründete Vertrauensposition der Klägerin, für diesen Aufwand nicht mehr zu Beiträgen herangezogen zu werden, ein.
28 Ob und in welchem Umfang dies hier der Fall ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen, da das Oberverwaltungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Im Hinblick darauf, dass die Übernahme der Einrichtung durch den Beklagten mit keinen technischen Änderungen verbunden war und der Beitrittsvertrag nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Freistellung früherer Beitragszahler von der Beitragspflicht vorsah, liegt es allerdings nahe, dass der Beklagte auch Herstellungsaufwand für die alte Anlage geltend gemacht hat. Der vom Oberverwaltungsgericht formulierte Ausschluss einer schutzwürdigen Rechtsposition der Klägerin für den - von ihm offengelassenen - Fall, dass der Beitragsanspruch der Gemeinde festsetzungsverjährt war, lässt sich auf dieser Basis nicht begründen.
29 ee) Umstände, die geeignet wären, den nachträglichen Eingriff in die durch die (mögliche) Festsetzungsverjährung erlangte Vertrauensposition der Klägerin zu rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.
30 Mit der Gestaltung der Verjährungsbestimmungen erfüllt der Gesetzgeber seine Pflicht, einen angemessenen Ausgleich zu schaffen zwischen dem berechtigten Interesse der Allgemeinheit an einem umfassenden Vorteilsausgleich und dem schützenswerten Interesse des einzelnen Beitragsschuldners an Rechtssicherheit (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 46). Die Regelung der gesetzlichen Folgen einer Festsetzungsverjährung und die Bestimmung der Festsetzungsfrist stellen das Ergebnis der dem Gesetzgeber obliegenden Abwägung zwischen materieller Beitragsgerechtigkeit und fiskalischen Interessen einerseits sowie Rechtssicherheit und Vertrauensschutz andererseits dar und bringen zum Ausdruck, dass das Interesse an der vollständigen Beitragszahlung mit Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist hinter dem Vertrauensschutz zurücktritt. Weder der Belang der Beitragsgerechtigkeit mit dem Ziel, alle von der Einrichtung bevorteilten Grundstücke vorteilsentsprechend am Herstellungsaufwand zu beteiligen, noch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder das Haushaltsinteresse an der Vermeidung von Beitragsausfällen haben ein Gewicht, das sich gegenüber dem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin, sich an dem Aufwand für die technische Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Gemeinde nicht mehr finanziell beteiligen zu müssen, durchsetzen würde (vgl. für den Vertrauensschutz im Zusammenhang mit der sog. hypothetischen Festsetzungsverjährung im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2021 - 9 C 9.20 - Rn. 40 ff.). Warum sich die in den Regelungen zur Festsetzungsverjährung zum Ausdruck kommende Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers allein aufgrund des Trägerwechsels zu Lasten des Vertrauensschutzes verschieben sollte, erschließt sich im Übrigen angesichts der Anwendbarkeit der verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch gegenüber dem neuen Einrichtungsträger nicht.
31 Aus diesem Grund hat der Beklagte auch nach dem Trägerwechsel das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen der Klägerin zu berücksichtigen, wenn und soweit er mit der Beitragserhebung (auch) Herstellungsaufwand geltend macht, der bereits Gegenstand des früheren Beitragsschuldverhältnisses war und für den die Klägerin an die ehemalige Einrichtungsträgerin wegen Festsetzungsverjährung keine Beiträge mehr hätte zahlen müssen. Hinsichtlich der Art und Weise, wie dieser Vertrauensposition im Einzelnen Rechnung getragen wird, steht dem Beklagten grundsätzlich eine weite Ausgestaltungsbefugnis zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 11).
32 2. Das Ausgestaltungsermessen des Beklagten wird vorliegend allerdings dadurch eingeschränkt, dass das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der Auslegung des - dem Landesrecht zuzuordnenden - Beitrittsvertrages vom 4. November 2011 festgestellt hat, dass eine Heranziehung von Grundstückseigentümern, die bereits von der Gemeinde B. zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen wurden, durch den Beklagten gemäß § 9 Abs. 2 des Beitrittsvertrages ausgeschlossen ist (UA S. 16). Im Vergleich mit diesen ehemaligen Beitragszahlern verstößt die abweichende Behandlung von Grundstückseigentümern, die von der Gemeinde wegen Eintritts von Festsetzungsjährung nicht mehr zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen werden konnten, gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.
33 Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668, 2104/10 - BVerfGE 137, 1 Rn. 51 und Kammerbeschluss vom 29. Juni 2020 - 1 BvR 1866/15 u.a. - NVwZ 2020, 1748 Rn. 12). Differenzierungen bedürfen im Übrigen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - BVerfGE 135, 126 Rn. 52 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 9 C 11.16 - BVerwGE 161, 119 Rn. 14).
34 Soweit mit der Beitragserhebung des Beklagten (auch) Herstellungsaufwand für die von der Gemeinde übernommene Einrichtung geltend gemacht wird, der bereits Gegenstand des Beitragsanspruchs der Gemeinde war, ist zu beachten, dass sich diejenigen Grundstückseigentümer, die auf diesen Beitragsanspruch gezahlt haben, und diejenigen, die wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr zahlen mussten, zum Zeitpunkt des Trägerwechsels in einer vergleichbaren rechtlichen Ausgangslage befanden. Denn für beide Gruppen war das Beitragsschuldverhältnis zur Gemeinde nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG-LSA i.V.m. § 47 AO erloschen. Eine ungleiche Behandlung dieser vom Gesetz in Bezug auf den alten Beitragsanspruch gleichgestellten Gruppen lässt sich weder durch die Belange der Beitragsgerechtigkeit noch durch fiskalische Belange sachlich einleuchtend begründen.
35 Die Ungleichbehandlung würde zwar dazu führen, dass auch diejenigen, die wegen Festsetzungsverjährung durch den früheren Einrichtungsträger nicht zu einem Beitrag herangezogen worden sind, ihrem Vorteil entsprechend zur Finanzierung des Herstellungsaufwands beitragen. Der Belang der Beitragsgerechtigkeit und die fiskalischen Interessen sind im vorliegenden Zusammenhang aber nicht gewichtig genug, um die schwerwiegende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, die mit der Entwertung allein des geschützten Vertrauens in die Festsetzungsverjährung verbunden ist. Denn mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung, deren Wirkung gerade darin liegt, dass der Nichtzahler dem Zahler rechtlich gleichgestellt wird, setzt sich nach dem Willen des Gesetzgebers das zugunsten der Beitragspflichtigen streitende Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gegenüber dem staatlichen Interesse an der vollständigen vorteilsgerechten Erfüllung der Beitragspflichten sowie gegenüber fiskalischen Bedürfnissen durch. Daran ändert auch der Trägerwechsel nichts, sodass dieser allein die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen kann.
36 3. Auf dem bundesrechtswidrigen Verständnis von der rechtlichen Bedeutung, die eine mögliche Festsetzungsverjährung des Beitragsanspruchs der Gemeinde für die Beitragserhebung des Beklagten hat, beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts; das angefochtene Urteil ist deshalb gemäß § 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
37 Eine abschließende Entscheidung ist dem Revisionsgericht verwehrt, weil dies die Prüfung weiterer kommunalabgabenrechtlicher Umstände voraussetzt, die dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten bleibt. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob hinsichtlich des Beitragsanspruchs der Gemeinde B. auf der Grundlage der AS 2003 tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten ist, sowie Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang mit dem angefochtenen Bescheid auch der Herstellungsaufwand für die vom Beklagten übernommene öffentliche Einrichtung der Gemeinde geltend gemacht wird.
Urteil vom 06.10.2021 -
BVerwG 9 C 9.20ECLI:DE:BVerwG:2021:061021U9C9.20.0
Vertrauensschutz für hypothetische Festsetzungsverjährung nach Wechsel des Einrichtungsträgers
Leitsätze:
1. Die Höchstfrist von 15 Kalenderjahren nach Eintritt der Vorteilslage für die Festsetzung von Anschlussbeiträgen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG BB steht mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Einklang. Dies gilt auch, soweit der Lauf dieser Frist nach § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG BB bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt war.
2. Zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben, die beim Übergang einer öffentlichen Einrichtung auf einen anderen Einrichtungsträger zu beachten sind, gehört auch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes.
3. In die durch die hypothetische Festsetzungsverjährung gegenüber dem bisherigen Träger einer öffentlichen Einrichtung vermittelte, verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensposition wird eingegriffen, wenn und soweit der neue Einrichtungsträger bei der Bemessung der Beiträge Herstellungsaufwand berücksichtigt, für den der frühere Einrichtungsträger wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung keine Anschlussbeiträge mehr erheben konnte.
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Rechtsquellen
VwGO § 122 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 130a Satz 1, § 130b Satz 2, § 137 Abs. 1 Nr. 1 ZPO § 560 KAG BB a.F. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2, § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 4 Buchst. b, § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 20 Abs. 2 AO §§ 47, 169 Abs. 1 Satz 1 -
Instanzenzug
VG Potsdam - 22.02.2017 - AZ: VG 8 K 149/14
OVG Berlin-Brandenburg - 23.10.2019 - AZ: OVG 9 B 15.17
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 06.10.2021 - 9 C 9.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:061021U9C9.20.0]
Urteil
BVerwG 9 C 9.20
- VG Potsdam - 22.02.2017 - AZ: VG 8 K 149/14
- OVG Berlin-Brandenburg - 23.10.2019 - AZ: OVG 9 B 15.17
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Martini sowie
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister
für Recht erkannt:
- Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober 2019 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
- Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Beitrags für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Wasser- und Abwasserzweckverbands "N.".
2 Sie ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.-Nrn. ... und ..., Flur ... der Gemarkung N. in der Gemeinde S., das bereits am 3. Oktober 1990 an die in S. vorhandene öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen war. Anfang der 1990er Jahre entschieden sich die Vorgängergemeinden der heutigen Stadt B. und die Gemeinde S., mit Hilfe einer Betriebsführungs- und Betreibergesellschaft eine gemeinsame öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage zu betreiben. Dazu wurde eine neue Kläranlage errichtet, die die bestehenden Kläranlagen ersetzte. Die erste Abwasserabgabensatzung der Gemeinde S. vom 20. April 1994 wurde am 20. Mai 1994 bekannt gemacht. Beiträge wurden für das Grundstück der Klägerin jedoch nicht erhoben. Zum 1. Januar 2006 gründeten die Gemeinde S. und die Stadt B. den Wasser- und Abwasserzweckverband "N.", der die Schmutzwasserbeseitigungsanlage im Wesentlichen unverändert fortführte.
3 Aufgrund der zum 1. März 2011 in Kraft getretenen Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbands setzte der Beklagte mit Bescheid vom 16. August 2013 für das Grundstück der Klägerin gegenüber der damaligen Grundstückseigentümerin, deren Gesamtrechtsnachfolgerin die Klägerin seit 31. Dezember 2016 ist, einen Anschlussbeitrag in Höhe von 15 392,16 € fest. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2013 zurück.
4 Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2014 erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin Klage. Nachdem der Beklagte den Beitragsbescheid mit Teilrücknahmebescheid vom 22. Juli 2015 in Höhe von 962,01 € zurückgenommen hatte, erklärten die Beteiligten das Verfahren in diesem Umfang übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Insoweit stellte das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 2017 das Verfahren ein. Im Übrigen hob es den Beitragsbescheid in der verbleibenden Höhe von 14 430,15 € mit der Begründung auf, die Nichtanrechnung des hypothetisch festsetzungsverjährten Herstellungsbeitrags für die frühere gemeindliche Einrichtung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei der gebotenen Anrechnung verbleibe kein positiver Differenzbetrag, den der Beklagte habe festsetzen können.
5 Gegen das Urteil legte der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ein. Nach Anhörung der Beteiligten änderte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Oktober 2019 das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage ab, soweit sie nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen noch anhängig war. Es sah die Klage insbesondere deshalb als unbegründet an, weil § 19 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (im Folgenden: KAG BB) eine verfassungsrechtlich unbedenkliche zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner regele und hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge weder aus Gleichheits- noch aus Vertrauensschutzgründen anzurechnen seien.
6 Zur Begründung ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend:
7 Zwar seien die Voraussetzungen für die Beitragserhebung dem Grunde nach erfüllt. Aus der gegenüber der Gemeinde S. eingetretenen hypothetischen Festsetzungsverjährung ergebe sich aber eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition, die der Beklagte zur Wahrung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des allgemeinen Gleichheitssatzes bei der Beitragserhebung berücksichtigen müsse und die nicht deshalb entfalle, weil die Schmutzwasserbeseitigungsanlage durch einen neuen Einrichtungsträger fortgeführt werde. Die geschützte Rechtsposition werde vollständig entwertet, wenn allein wegen eines Wechsels des Einrichtungsträgers erneut Beiträge erhoben werden könnten. Die Klägerin dürfe darauf vertrauen, nicht mehr zu einem Beitrag veranlagt zu werden. Dem müsse bei der Prüfung des Vorliegens einer neuen Anlage im beitragsrechtlichen Sinne, jedenfalls aber bei der Beitragserhebung Rechnung getragen werden.
8
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober 2019 - 9 B 15.17 - abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. Februar 2017 - 8 K 149/14 - zurückzuweisen.
9
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10 Er verteidigt die angefochtene Berufungsentscheidung.
II
11 Die zulässige Revision ist begründet. Der angefochtene Beschluss, der hinsichtlich der Revision einem Berufungsurteil gleichsteht (§ 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO), beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; 1.) und stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO wird er deshalb aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen (2.).
12 1. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht. Bundesrecht verletzt zwar nicht die Anwendung von § 19 Abs. 1 KAG BB (a). Die Auslegung von § 8 Abs. 1 und 2 KAG BB verstößt aber gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip (b) sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (c).
13 a) Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass § 19 Abs. 1 KAG BB in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 5. Dezember 2013 (GVBl. I Nr. 40) eine verfassungsrechtlich unbedenkliche zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner regelt.
14 Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG BB dürfen Abgaben zum Vorteilsausgleich wie der hier in Streit stehende Anschlussbeitrag mit Ablauf des 15. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, nicht mehr festgesetzt werden. Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG BB ist der Lauf der Frist aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt. § 19 KAG BB gilt dabei nach § 20 Abs. 2 KAG BB auch für Abgabenbescheide, die wie hier zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes noch nicht bestandskräftig waren.
15 aa) § 19 Abs. 1 KAG BB verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.
16 Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verpflichtet den Gesetzgeber, für die Erhebung von Beiträgen, die wie hier einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2547/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 45 f.). Diesen Anforderungen genügt § 19 Abs. 1 KAG BB.
17 § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG BB schließt die Beitragsfestsetzung nach Ablauf einer Höchstfrist von 15 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage aus und setzt ihr damit die erforderliche zeitliche Grenze. § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG BB hemmt diese Frist zwar bis zum 3. Oktober 2000, so dass sie sich auf bis zu 25 Jahre verlängern kann. Auch dadurch wird die Festsetzung von Beiträgen aber zeitlich begrenzt.
18 Der Gesetzgeber hat mit der Wahl einer Höchstfrist von 15 Jahren, die nach seiner Vorstellung weder so kurz ist, dass Beiträge regelmäßig nicht rechtzeitig erhoben werden können, noch so lang, dass sie für die Beitragsschuldner angesichts der abnehmenden Legitimationswirkung ihres Vorteils und ihres Interesses an Rechtsklarheit unzumutbar ist (LT-Drs. 5/7642 S. 8 f.), die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums für einen angemessenen Interessenausgleich offensichtlich nicht überschritten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juni 2021 - 1 BvR 2879/17 - juris Rn. 1 für die längere Höchstfrist von 20 Jahren nach § 20 Abs. 5 Satz 1 KAG BW). Ebenso halten sich die in § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG BB vorgesehene Hemmung bis 3. Oktober 2000 und die daraus resultierende Maximalfrist von 25 Jahren bis zum Ablauf des 31. Dezember 2015 angesichts ihrer Zielrichtung, der Sondersituation in den neuen Ländern nach Wiederherstellung der Deutschen Einheit und den damit verbundenen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen (LT-Drs. 5/7642 S. 10 ff.), und angesichts des in die Zukunft fortwirkenden Vorteils des Anschlusses an eine Trinkwasserversorgungs- oder Abwasserbeseitigungsanlage im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums (BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. Juli 2020 - 1 BvR 2838/19 - NVwZ 2020, 1744 Rn. 28 ff.).
19 bb) Soweit § 19 Abs. 1 KAG BB nach § 20 Abs. 2 KAG BB auch für Abgabenbescheide gilt, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes noch nicht bestandskräftig waren, verletzt er darüber hinaus nicht Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes in seiner Ausprägung als Rückwirkungsverbot.
20 Die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes ist lediglich dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt. Nur wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens oder Sachverhalts nachträglich belastend ändert, bedarf es daher einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 - BVerfGE 97, 67 <78>, vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 41 und vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 60).
21 Dies zugrunde gelegt, stellt § 19 Abs. 1 KAG BB keine unzulässige Rückwirkungsentscheidung des brandenburgischen Gesetzgebers dar (BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. Juli 2020 - 1 BvR 2838/19 - NVwZ 2020, 1744 Rn. 34). Er hat keine belastende Wirkung. Vielmehr schafft er zugunsten der Beitragspflichtigen lediglich die nach dem Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erforderliche bestimmte zeitliche Grenze der Beitragsfestsetzung, die es bis dahin wegen des Anknüpfens der Festsetzungsverjährung an das Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG BB i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und § 170 Abs. 1 AO sowie § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbs. 1 KAG BB i.d.F. des Gesetzes vom 17. Dezember 2003 <GVBl. I S. 294; im Folgenden: KAG BB n.F.>) nicht gab.
22 b) Die Auslegung von § 8 Abs. 1 und 2 KAG BB verletzt jedoch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip, soweit ihr die Rechtsauffassung zugrunde liegt, dass ein wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung gegenüber dem früheren Einrichtungsträger eingetretener Vertrauensschutz bei der Beitragserhebung durch einen neuen Einrichtungsträger grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen sei.
23 aa) Diese Rechtsauffassung lässt sich allerdings den Entscheidungsgründen nicht unmittelbar entnehmen. Denn das Berufungsgericht beschränkt sich insoweit auf die Aussage, dass hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge nicht aus Vertrauensschutzgründen anzurechnen seien, und nimmt zur Begründung auf sein Anhörungsschreiben nach § 130a VwGO Bezug, das seinerseits auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts verweist.
24 Dies ist im Hinblick auf die Anforderungen, die § 122 Abs. 2 Satz 1 VwGO an die Begründung von Beschlüssen stellt, durch die - wie hier - nach § 130a Satz 1 VwGO über eine Berufung entschieden wird, nicht unproblematisch. Denn danach müssen solche Beschlüsse erkennen lassen, welche Überlegungen für die richterliche Überzeugungsbildung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht maßgeblich gewesen sind (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1998 - 1 B 252.97 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 21 S. 14). Bezugnahmen sind außer in Fällen, in denen das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 122 Abs. 2 Satz 3, § 130b Satz 2 VwGO), nur zulässig, sofern die Beteiligten die in Bezug genommene Entscheidung oder das sonstige in Bezug genommene Schriftstück kennen oder von ihm ohne Schwierigkeiten Kenntnis nehmen können und sofern sich für sie und das Rechtsmittelgericht die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe mit hinreichender Klarheit ergeben (BVerwG, Beschlüsse vom 3. April 1990 - 9 CB 5.90 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 31 S. 9 f. und vom 3. Dezember 2008 - 4 BN 25.08 - juris Rn. 9). Erforderlich ist, dass sich die Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, aus einer Zusammenschau der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung einerseits und den dort in Bezug genommenen Ausführungen in anderen Entscheidungen oder Schriftstücken andererseits mit der erforderlichen Klarheit ergeben (BVerwG, Beschluss vom 3. April 2006 - 7 B 95.05 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 79 Rn. 30).
25 Ob die Berufungsentscheidung diesen Begründungsanforderungen insgesamt genügt, kann mangels einer entsprechenden Revisionsrüge dahinstehen. Aus den vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen lässt sich jedenfalls noch hinreichend deutlich seine tragende Rechtsauffassung entnehmen, dass der Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung wegen der Anlagenbezogenheit des Herstellungsbeitrags nicht die Entstehung einer neuen, sich auf eine andere Anlage beziehenden Herstellungsbeitragspflicht hindere und der Vertrauensschutz wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung daher nicht mehr greife, wenn Beiträge auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG BB für eine rechtlich andere Anlage erhoben würden (so OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. April 2018 - 9 N 89.16 - juris Rn. 20), wobei die Zweckverbandsgründung hier zu einer solchen neuen Anlage im beitragsrechtlichen Sinne geführt habe (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. März 2019 - 9 N 7.19 - nicht veröff.; Anhörungsschreiben vom 18. September 2019).
26 bb) Diese Auslegung des Landesrechts ist mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht vereinbar.
27 aaa) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist auch in Fällen anwendbar, in denen eine bestehende Abwasseranlage auf einen neuen Einrichtungsträger übergeht und dieser auf der Grundlage seiner Herstellungsbeitragssatzung für die mit dem Trägerwechsel entstandene neue öffentliche Einrichtung Beiträge erhebt. Der Wechsel des Einrichtungsträgers führt nicht dazu, dass Vertrauensschutzgründe, die der frühere Einrichtungsträger zu berücksichtigen hatte, keine Bedeutung mehr haben. Denn zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben, die beim Übergang einer öffentlichen Einrichtung auf einen anderen Einrichtungsträger zu beachten sind, gehört auch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes.
28 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht es dem Satzungsgeber nicht zu, durch die formale Ausgestaltung des Übergangs der öffentlichen Einrichtung auf einen anderen Einrichtungsträger die Anwendbarkeit verfassungsrechtlicher Maßstäbe zu verhindern. Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend entschieden, dass die Anforderungen des Gleichheitssatzes ebenso wie die des Äquivalenzprinzips bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers auch dann zu beachten sind, wenn der neue Einrichtungsträger weder Gesamt- noch Sonderrechtsnachfolger des bisherigen Trägers der Einrichtung geworden ist (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 10). Für den Grundsatz des Vertrauensschutzes, auf den sich die Beitragspflichtigen nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG berufen können, gilt nichts anderes. Denn auch der neue Einrichtungsträger ist nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht und nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung im Übrigen gebunden.
29 bbb) Die Auslegung von § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG BB, wonach bei der Erhebung von Herstellungsbeiträgen durch den neuen Einrichtungsträger der Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung gegenüber dem früheren Einrichtungsträger nicht berücksichtigt werden muss, steht mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht im Einklang, wobei offenbleiben kann, ob dieser insoweit auch in seiner Ausprägung als Rückwirkungsverbot verletzt ist.
30 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf dieser Grundlage erworbenen Rechte. Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren dabei im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen (BVerfG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 41 und vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 60 zum Rückwirkungsverbot). Eine Beeinträchtigung des durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechtspositionen ist verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar ist, also wenn sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Normgebers überwiegen (stRspr zur Unzulässigkeit unechter Rückwirkung; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 43 m.w.N.).
31 Die hypothetische Festsetzungsverjährung gegenüber dem früheren Einrichtungsträger stellt danach eine schutzwürdige Rechtsposition dar (1), deren Beeinträchtigung durch die Erhebung von Beiträgen für die neue öffentliche Einrichtung (2) jedenfalls mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht im Einklang steht (3).
32 (1) Die der hypothetischen Festsetzungsverjährung zugrundeliegenden Regelungen des kommunalen Abgabenrechts begründen eine Rechtsposition, auf deren Fortbestand die Beitragspflichtigen vertrauen dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - BVerwGE 164, 212 Rn. 36).
33 (a) Die hypothetische Festsetzungsverjährung beruht auf § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG BB i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach die Festsetzung von Beiträgen nach Ablauf der Festsetzungsfrist unzulässig ist, und § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB in der bis zum 31. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 27. Juni 1991 (GVBl. S. 200; im Folgenden: KAG BB a.F.).
34 Nach der auch der Berufungsentscheidung zugrundeliegenden Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, an die das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - BVerwGE 164, 212 Rn. 22; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. Juli 2020 - 1 BvR 2838/19 - NVwZ 2020, 1744 Rn. 22 und vom 10. Dezember 2020 - 1 BvR 908/20 u.a. - juris Rn. 3), war nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a.F. für das Entstehen der Beitragspflicht der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Gemeinde oder der Zweckverband erstmals - und unabhängig von ihrer Wirksamkeit - eine Beitragssatzung in Kraft setzen wollte. Im Falle der Nichtigkeit der Satzung konnte eine nachfolgende wirksame Satzung die Beitragspflicht nur begründen, soweit sie mit Rückwirkung auf diesen Zeitpunkt erlassen wurde (vgl. etwa OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - LKV 2001, 132 <133>; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007 - 9 B 44.06 - LKV 2008, 369 <371> und vom 12. November 2019 - 9 B 40.18 - juris Rn. 18). Der Erlass dieser nachfolgenden Satzung musste erfolgen, bevor die Festsetzungsfrist verstrichen war. Andernfalls trat die sogenannte hypothetische Festsetzungsverjährung ein. Wurde eine auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Satzung zurückwirkende gültige Beitragssatzung erst nach dem Verstreichen der Festsetzungsfrist erlassen, konnte die Beitragspflicht zwar für eine juristische Sekunde entstehen. Die Beitragsfestsetzung wurde aber im unmittelbaren Anschluss daran wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung unzulässig mit der Folge, dass die Beitragspflicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG BB i.V.m. § 47 AO erlosch (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - BVerwGE 164, 212 Rn. 21).
35 (b) Nach Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung kann der Beitragspflichtige ebenso darauf vertrauen, nicht mehr zu dem hypothetisch festsetzungsverjährten Beitrag herangezogen zu werden, wie wenn tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2021 - 9 C 10.20 - Rn. 21). Denn für den von einer Beitragspflicht betroffenen Bürger macht es keinen Unterschied, ob die Beitragsforderung bereits wegen Verjährung erloschen ist oder nicht mehr wirksam zur Entstehung gebracht werden kann, weil sie in der logischen Sekunde ihres Entstehens wegen Verjährung erloschen wäre. Für den Vertrauensschutz des Bürgers kommt es vielmehr darauf an, ob er auf der Grundlage der geltenden Rechtslage noch mit der Heranziehung zu einem Beitrag rechnen musste (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 64). Maßgeblich ist allein, dass der Beitrag nicht mehr erhoben werden kann. Darauf müssen die Beitragspflichtigen vertrauen dürfen. Andernfalls wäre das Vertrauen in die Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit der Rechtsordnung als Garanten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung gefährdet (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 65).
36 Diese mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung begründete Vertrauensposition ist auch vom Zweckverband als Träger der rechtlich neuen Anlage zu beachten. Denn maßgebend ist nicht die rechtliche Identität der Anlage, sondern der Herstellungsaufwand, zu dessen Ersatz die Beiträge nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG BB erhoben werden. Ein Beitragspflichtiger, der wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr zu Beiträgen herangezogen werden kann, muss sich nicht mehr an dem Herstellungsaufwand beteiligen, auf den sich die hypothetisch festsetzungsverjährte Beitragspflicht bezogen hat, und darf im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung davon ausgehen, dass eine solche Heranziehung auch zukünftig nicht mehr erfolgt.
37 (2) In diese durch die hypothetische Festsetzungsverjährung vermittelte, verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensposition wird eingegriffen, wenn und soweit der neue Einrichtungsträger bei der Bemessung der Anschlussbeiträge Herstellungsaufwand berücksichtigt, für den der frühere Einrichtungsträger wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung keine Beiträge mehr erheben konnte. Denn hierdurch wird die geschützte Rechtsposition nachträglich entwertet.
38 (3) Der damit verbundene Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes lässt sich weder durch die Prinzipien der Beitragsgerechtigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung noch durch das Haushaltsinteresse der Einrichtungsträger oder durch Praktikabilitätserwägungen verfassungsrechtlich rechtfertigen. Er steht zu dem Zweck, diesen Belangen Rechnung zu tragen, außer Verhältnis und verstößt daher gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
39 (a) Die Beeinträchtigung des geschützten Vertrauens, nach Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung nicht mehr zu dem Herstellungsaufwand herangezogen zu werden, auf den sich die verjährte Beitragsforderung bezieht, kommt jedenfalls im Ergebnis einer grundsätzlich unzulässigen echten Rückwirkung nahe, so dass an ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung entsprechend gesteigerte Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 41 und 63). Nur besonders wichtige Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, können diesen Eingriff daher rechtfertigen (vgl. zur echten Rückwirkung BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - BvR 961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 56 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - BVerwGE 164, 212 Rn. 44).
40 (b) Einen solchen Belang stellt das Ziel, im Interesse der Beitragsgerechtigkeit alle, die von einer Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung einen Vorteil haben, entsprechend diesem Vorteil am Herstellungsaufwand zu beteiligen, schon deshalb nicht dar, weil der Gesetzgeber, wie ausgeführt, nach dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verpflichtet ist, für die Erhebung derartiger Beiträge Verjährungsregelungen zu treffen oder sonst sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 45). Solche Regelungen haben zwangsläufig eine Einschränkung des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit zur Folge. Das Ziel, im Interesse der Beitragsgerechtigkeit eine vorteilsgerechte Veranlagung aller Beitragspflichtigen zu gewährleisten, tritt insoweit schon von Verfassungs wegen hinter dem Prinzip der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und als Grundsatz des Vertrauensschutzes zurück.
41 (c) Auch das Ziel, im Einklang mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG zur Deckung des Herstellungsaufwands alle Beitragspflichtigen vollständig zum Beitrag heranzuziehen, hat keinen Vorrang vor dem Grundsatz der Rechtssicherheit.
42 Ihm kommt schon deshalb nur geringes Gewicht zu, weil es dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gerade entspricht, die auf der Grundlage der gesetzlichen Verjährungsregelungen eingetretene hypothetische Festsetzungsverjährung im Einklang mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten. Dass in diesem Fall nicht alle Beitragspflichtigen vollständig zur Deckung des Herstellungsaufwands beitragen, sondern der neue Einrichtungsträger wie der frühere diesen Aufwand zum Teil selbst tragen muss, ist die zwangsläufige Folge der geltenden Rechtslage und erscheint deshalb auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht unangemessen (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 230 Rn. 49, insoweit in BVerwGE 164, 212 nicht abgedruckt).
43 (d) Das Interesse der Einrichtungsträger an der Refinanzierung ihrer Entwässerungsanlagen ist ebenfalls nicht so gewichtig, dass es dem Vertrauensschutz vorgeht. Dies gilt trotz der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, insbesondere beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung und bei der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht. Denn die Einrichtungsträger hätten die Möglichkeit gehabt, Beitragsforderungen rechtzeitig geltend zu machen und so finanzielle Einbußen zu vermeiden. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a.F. räumte ihnen die Möglichkeit ein, die Beitragspflicht nicht schon mit dem Inkrafttreten der Satzung entstehen zu lassen, sondern in der Satzung einen späteren Zeitpunkt für die Entstehung der Beitragspflicht zu bestimmen. Diese Ausnahmeregelung ermöglichte es, die Voraussetzungen für die verwaltungsmäßig ordnungsgemäße Abwicklung einer Vielzahl gleichzeitig anfallender Beitragsverfahren zu schaffen. Darüber hinaus konnten die Einrichtungsträger auch nicht davon ausgehen, dass ihnen nach dem Erlass der ersten Beitragssatzung mehr als die gesetzlich bestimmte vierjährige Festsetzungsfrist verbleiben würde, um Beitragsbescheide gegenüber den Beitragspflichtigen zu erlassen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 66, 68 f.).
44 Danach kommt nicht nur dem Haushaltsinteresse des früheren Einrichtungsträgers, gegenüber dem die hypothetische Festsetzungsverjährung eingetreten ist, geringes Gewicht zu (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 230 Rn. 51, in BVerwGE 164, 212 insoweit nicht abgedruckt), sondern auch dem eines neuen Einrichtungsträgers, der eine bestehende Schmutzwasserbeseitigungsanlage übernimmt. Denn dieser kann angesichts der großen Bedeutung der Verlässlichkeit der Rechtsordnung nicht schutzwürdig erwarten, für einen beim früheren Einrichtungsträger angefallenen Herstellungsaufwand, den dieser wegen des Eintritts der hypothetischen Festsetzungsverjährung nicht mehr refinanzieren kann, seinerseits Beiträge erheben zu können.
45 (e) Schließlich ist auch das Ziel, eine praktikable Beitragserhebung durch den neuen Einrichtungsträger zu ermöglichen, kein Gemeinwohlbelang, der dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vorgeht.
46 Die Berücksichtigung des Vertrauens durch den neuen Einrichtungsträger ist nicht wegen praktisch unüberwindlicher Schwierigkeiten rechtlich unmöglich. Es ist nicht ersichtlich, dass der Herstellungsaufwand, der Gegenstand des hypothetisch festsetzungsverjährten Beitrags war, nicht ermittelt und bei der Beitragserhebung für die neue Einrichtung ausgeklammert werden könnte.
47 So zeigt etwa das erstinstanzliche Urteil, dass dem Grundsatz des Vertrauensschutzes auch durch eine Anrechnung des hypothetisch festsetzungsverjährten Beitrags Rechnung getragen werden kann. Dass dabei in der Regel an eine unwirksame Satzung angeknüpft werden muss, steht dem nicht entgegen. Grundsätzlich kann auch eine unwirksame Rechtsnorm Grundlage für den Schutz des Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung sein. Ein solcher Vertrauensschutz ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur ausnahmsweise ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 55 f. m.w.N.). Ein Rückgriff auf die unwirksame Beitragssatzung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein Teil der Betroffenen auf der Grundlage dieser Satzung veranlagt worden ist und den festgesetzten Beitrag gezahlt hat.
48 Im Übrigen belassen das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz, die wie der Grundsatz des Vertrauensschutzes beim Übergang einer öffentlichen Einrichtung auf einen anderen Einrichtungsträger zu beachten sind, dem Satzungsgeber hinreichende Gestaltungsmöglichkeiten, um gerade in komplizierten Fallkonstellationen zu praktikablen Lösungen zu gelangen. Der Nutzer einer öffentlichen Einrichtung, deren Rechtsträgerschaft von einer Vielzahl von Gemeinden mit unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen und Gebühren- oder Beitragsregelungen auf einen kommunalen Zweckverband übergegangen ist, kann vom Normgeber nicht den Erlass von Regelungen beanspruchen, die seine Belastungsgleichheit im Vergleich zu allen anderen Nutzern oder Nutzergruppen "centgenau" sicherstellen (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Nr. 49 Rn. 9 f.).
49 Ein solcher Spielraum verbleibt dem neuen Einrichtungsträger auch bei der Berücksichtigung der hypothetischen Festsetzungsverjährung aus Gründen des Vertrauensschutzes. Danach kann sich eine pauschalierende Beitragserhebung, die dem Grundsatz des Vertrauensschutzes wenigstens annähernd gerecht wird, als angemessene Lösung darstellen. Denn sie wahrt die geschützte Vertrauensposition in dem Umfang, in dem dies in praktikabler Weise möglich ist. Zum anderen ist eine Beeinträchtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ohnehin nicht unverhältnismäßig, wenn durch die pauschalierende Beitragserhebung kein oder nur geringer Schaden verursacht wird (vgl. zur echten Rückwirkung BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 - NVwZ 2016, 300 Rn. 56 m.w.N.). Denn dann hat der Eingriff in die geschützte Vertrauensposition so geringes Gewicht, dass das Interesse an der Praktikabilität der Beitragserhebung überwiegt.
50 ccc) Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht, dass schon die Auffassung des Berufungsgerichts, es liege eine neue öffentliche Einrichtung vor, für die erneut Herstellungsbeiträge nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG BB erhoben werden könnten, mit Bundesrecht nicht vereinbar wäre.
51 Der Begriff der öffentlichen Einrichtung oder Anlage im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG BB beurteilt sich vielmehr nach dem nicht revisiblen Landesrecht, an dessen Auslegung und Anwendung durch das Oberverwaltungsgericht das Revisionsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb von der Annahme des Berufungsgerichts auszugehen, dass die Zweckverbandsgründung hier zu einer neuen Anlage im beitragsrechtlichen Sinne geführt hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. März 2019 - 9 N 7.19 - nicht veröff.; Anhörungsschreiben vom 18. September 2019; vgl. zu einem derartigen Trägerwechsel auch BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 6 ff.). Soweit die Klägerin rügt, das Oberverwaltungsgericht habe die in seiner eigenen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur Entstehung einer rechtlich anderen Anlage mit der Folge der Begründung neuer Herstellungsbeitragspflichten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 17. April 2018 - 9 N 89.16 - juris Rn. 21 und vom 26. April 2018 - 9 N 1.17 - juris Rn. 15) fehlerhaft angewandt, betrifft auch dies die Anwendung des Landesrechts im Einzelfall und ist im Revisionsverfahren nicht zu überprüfen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).
52 Auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes erfordert keine verfassungskonforme Auslegung von § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG BB dahingehend, dass das Entstehen einer neuen öffentlichen Einrichtung oder Anlage durch den Wechsel des Einrichtungsträgers verneint wird. Denn die aus Gründen des Vertrauensschutzes bundesverfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung der gegenüber dem früheren Einrichtungsträger eingetretenen hypothetischen Festsetzungsverjährung durch den neuen Einrichtungsträger kann auch auf andere Weise erfolgen. In Betracht kommen neben der im erstinstanzlichen Urteil vorgenommenen Anrechnung hypothetisch festsetzungsverjährter Beiträge eine anderweitige Berücksichtigung des Vertrauensschutzes im Rahmen des Heranziehungsverfahrens oder die Festlegung eines niedrigeren Beitragssatzes für Beitragspflichtige, zu deren Gunsten gegenüber dem früheren Einrichtungsträger hypothetische Festsetzungsverjährung eingetreten war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 11 f. zur Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes). Auch dies ist jedoch eine Frage der Auslegung und Anwendung des nicht revisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
53 c) Die Berufungsentscheidung verstößt zudem gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie davon ausgeht, dass gegenüber dem früheren Einrichtungsträger hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge selbst dann nicht aus Gleichheitsgründen auf den Herstellungsbeitrag für die neue Einrichtung angerechnet oder auf andere Weise berücksichtigt werden müssen, wenn dieser Beitrag auch Herstellungsaufwand für die frühere Einrichtung umfasst und für diese Einrichtung tatsächlich gezahlte Herstellungsbeiträge angerechnet werden.
54 Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 - BVerfGE 137, 1 Rn. 51 und Kammerbeschluss vom 29. Juni 2020 - 1 BvR 1866/15 u.a. - NVwZ 2020, 1748 Rn. 12). Differenzierungen bedürfen dabei im Übrigen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - BVerfGE 135, 126 Rn. 52 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 9 C 11.16 - BVerwGE 161, 119 Rn. 14).
55 Dies zugrunde gelegt, ist eine Ungleichbehandlung zwischen denjenigen, die für die frühere Einrichtung tatsächlich Beiträge entrichtet haben, und denjenigen, die zu solchen Beiträgen wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr herangezogen werden konnten, verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.
56 Die Ungleichbehandlung lässt sich weder durch das Ziel rechtfertigen, im Interesse der Beitragsgerechtigkeit alle Grundstücke, die von der Einrichtung einen Vorteil haben, entsprechend diesem Vorteil an der Finanzierung des Herstellungsaufwands für die öffentliche Einrichtung des neuen Einrichtungsträgers zu beteiligen, noch durch das Ziel, im Haushaltsinteresse der Einrichtungsträger Beitragsausfälle zu vermeiden. Denn die Beschränkung der Anrechnungsmöglichkeit auf die früheren Beitragszahler ist zwar zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich. Sie erweist sich jedoch als unverhältnismäßig.
57 Die damit verbundene Ungleichbehandlung wiegt schwer. Sie hat zur Folge, dass denjenigen, die wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr zu Beiträgen für die Herstellung der früheren Einrichtung herangezogen werden konnten, die sich daraus ergebende geschützte Vertrauensposition vollständig entzogen wird, während dieser Vertrauensposition bei denjenigen, deren Beitragspflicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG BB i.V.m. § 47 AO durch Zahlung erloschen ist, durch die Anrechnung ihrer Beitragszahlung auf den Herstellungsbeitrag für die neue Einrichtung in vollem Umfang Rechnung getragen wird.
58 Demgegenüber kommt der Beitragsgerechtigkeit und dem Haushaltsinteresse der Einrichtungsträger in diesem Zusammenhang ein deutlich geringeres Gewicht zu, so dass sie die schwerwiegende Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen können. Denn wie dargelegt, sind Beeinträchtigungen der Beitragsgerechtigkeit, die die Folge von Verjährungsregelungen sind, im Hinblick auf das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verfassungsrechtlich geboten (oben Rn. 40). Auch das fiskalische Interesse an der Vermeidung verjährungsbedingter Beitragsausfälle hat selbst angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Rahmen der Wiedervereinigung nur geringes Gewicht (oben Rn. 43).
59 Das Ziel, eine Doppelbelastung derjenigen zu vermeiden, die durch ihre frühere Beitragszahlung bereits zur Finanzierung der Anlage beigetragen haben, trägt die Ungleichbehandlung gleichfalls nicht, weil es sich ebenso wirksam erreichen lässt, wenn auch hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge angerechnet oder auf andere Weise berücksichtigt werden.
60 Schließlich rechtfertigt auch der in der Rechtsprechung angeführte Umstand, dass die Möglichkeit, den geleisteten Herstellungsbeitrag für die frühere Einrichtung zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes zurückzuzahlen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 11 zu Äquivalenzprinzip und Gleichheitssatz), in den Fällen der hypothetischen Festsetzungsverjährung nicht besteht (VG Potsdam, Urteil vom 4. Juli 2019 - 8 K 2037/15 - juris Rn. 36 ff.), die Ungleichbehandlung nicht. Im Hinblick darauf, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen im vorliegenden Fall gerade nicht durch die Rückzahlung entrichteter Beiträge, sondern durch ihre Anrechnung Rechnung getragen werden soll, ist er ohne Bedeutung. Im Übrigen kann die Berücksichtigung der durch die hypothetische Festsetzungsverjährung vermittelten Vertrauensposition, wie dargelegt (Rn. 46 f.), auch auf andere Weise erfolgen. Insoweit verbleibt dem Einrichtungsträger - in den Grenzen des Landesrechts - grundsätzlich eine weite Ausgestaltungsbefugnis, bei der auch die Belastungsgleichheit im Vergleich zu allen anderen Nutzern oder Nutzergruppen nicht "centgenau" sichergestellt werden muss (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 9).
61 2. Da der angefochtene Beschluss sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
62 Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO selbst entscheiden. Denn das Berufungsgericht hat - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - bisher nicht geklärt, ob hinsichtlich des Herstellungsbeitrags für die frühere Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung der Gemeinde S. tatsächlich hypothetische Festsetzungsverjährung eingetreten ist und ob der Beitragsbescheid des Beklagten sich auf Herstellungsaufwand erstreckt, der einer etwaigen hypothetischen Festsetzungsverjährung unterfällt. Ferner wird gegebenenfalls zu klären sein, ob es über Privatgrund verlaufende öffentliche Kanäle gibt, von denen der nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG BB für die Beitragserhebung erforderliche wirtschaftliche Vorteil der Klägerin abhängt, und ob für diese Kanäle nach § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 GBBerG und § 1 Satz 1 Sachenrechts-DV eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit entstanden ist, auf die sich der Zweckverband berufen kann, weil sie ihm zur Ausübung überlassen oder übertragen worden ist (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 5 Sachenrechts-DV, § 1092 Abs. 2 und 3 Satz 1 BGB).