Verfahrensinformation

Verkehrsverbot für Wein wegen Rückständen eines Pflanzenschutzmittels


Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass behördliche Verkehrsverbote für bestimmte Weine rechtswidrig waren.


Mit Bescheiden vom 3. Juni 2016 ordnete der Beklagte für mehrere von der Klägerin hergestellte Weine Verkehrsverbote an, weil der Gehalt an Dimethoat im Wein den Wert von 0,01 mg/kg überschritt. Dimethoathaltige Pflanzenschutzmittel sind für den Weinbau in Deutschland nicht zugelassen. Die Widersprüche der Klägerin und ihre Klagen vor dem Verwaltungsgericht Dresden hatten keinen Erfolg.


Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen der Klägerin mit Urteilen vom 27. Januar 2022 zurückgewiesen. Die zulässigen Klagen seien unbegründet. Aus § 13 Abs. 5 WeinG i. V. m. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LFGB ergebe sich ein Verbot, Wein in den Verkehr zu bringen, der aus Trauben hergestellt worden sei, die mit nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln kontaminiert worden seien. Es komme nicht darauf an, wie das Pflanzenschutzmittel auf die Trauben gelangt sei, sondern nur darauf, dass die Trauben mit dem betreffenden Stoff kontaminiert gewesen seien. Sei Wein mit einem Gehalt an Dimethoat von über 0,01 mg/kg belastet, sei nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass die Keltertrauben, aus denen dieser Wein hergestellt worden sei, mit einem dimethoathaltigen Pflanzenschutzmittel kontaminiert gewesen seien. Dieser Anscheinsbeweis könne nicht durch Darlegung bloßer Hypothesen erschüttert werden. Europäische Rückstandshöchstgehalte für Dimethoat im Weinbau gälten ungeachtet des prinzipiellen Anwendungsvorrangs der VO (EG) Nr. 396/2005 für in der Bundesrepublik Deutschland hergestellte Weine nur, wenn entsprechende Pflanzenschutzmittel in Deutschland im Weinbau zugelassen seien.


Mit den vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssachen zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


Pressemitteilung Nr. 68/2023 vom 14.09.2023

Verkehrsverbote für sächsische Weine waren rechtswidrig

Das Inverkehrbringen von Wein, der Rückstände eines Pestizids enthielt, die den in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 festgelegten Höchstgehalt nicht überschritten, durfte bereits vor Änderung des § 9 Abs. 1 Satz 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) durch das Gesetz vom 27. Juli 2021 (BGBl. I S. 3274) auch dann nicht verboten werden, wenn in Deutschland Pflanzenschutzmittel mit diesem Pestizid als Wirkstoff für den Weinbau nicht zugelassen waren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Mit Bescheiden vom 3. Juni 2016 ordnete der Beklagte für mehrere von der Klägerin hergestellte Weine Verkehrsverbote an, weil in den Weinen das Pestizid Dimethoat nachgewiesen war. Dimethoathaltige Pflanzenschutzmittel waren für den Weinbau in Deutschland nicht zugelassen. Der Dimethoatgehalt der Keltertrauben lag unter dem damals in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 festgelegten Rückstandshöchstgehalt von 0,02 mg/kg. Die Widersprüche der Klägerin und ihre Klagen vor dem Verwaltungsgericht Dresden hatten keinen Erfolg. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen mit Urteilen vom 27. Januar 2022 zurückgewiesen. Die Weine sind inzwischen vernichtet.


Auf die Revisionen der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die vorinstanzlichen Entscheidungen geändert und festgestellt, dass die Verkehrsverbote rechtswidrig waren. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 5 WeinG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFGB ist es verboten, Keltertrauben für die Weinherstellung zu verwenden, in oder auf denen Rückstände eines Pflanzenschutzmittels vorhanden sind, das nicht zugelassen ist oder beim Weinbau nicht angewendet werden darf. Das galt nach § 9 Abs. 1 Satz 2 LFGB in der hier maßgeblichen alten Fassung nicht, soweit für die Mittel durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft Höchstmengen festgesetzt waren. Der Höchstgehalt für Dimethoat war nicht in der vom Bundesministerium erlassenen Rückstandshöchstmengen-Verordnung festgesetzt, sondern in der VO (EG) Nr. 396/2005. Das stand der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 2 LFGB a. F. - anders als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - nicht entgegen. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich, dass der Bundesgesetzgeber bei der in § 9 Abs. 1 Satz 2 LFGB getroffenen Regelung die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 einbeziehen wollte. Vor deren Inkrafttreten waren Rückstandshöchstgehalte in einer Richtlinie festgelegt, die durch die Rückstandshöchstmengen-Verordnung in nationales Recht umgesetzt wurde. Nach Inkrafttreten der EG-Verordnung bedurften die dort festgelegten Höchstgehalte nicht mehr der Umsetzung durch die Rückstandshöchstmengen-Verordnung; sie galten unmittelbar. Die VO (EG) Nr. 396/2005 ist damit an die Stelle der Rückstandshöchstmengen-Verordnung getreten. Durch Gesetz vom 27. Juli 2021 hat der Gesetzgeber dies in § 9 Abs. 1 Satz 2 LFGB klargestellt.


Fußnote:

Auszug aus dem Weingesetz (WeinG) in der Fassung vom 2. Oktober 2014


§ 13 Behandlungsverfahren und Behandlungsstoffe



(5) Für Rückstände in und auf Weintrauben sind


1.      § 9 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und


2.      die auf Grund


a) des § 9 Abs. 4 und des § 14 Abs. 2 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes in der bis zum 6. September 2005 geltenden Fassung und


b) des § 9 Abs. 2 und des § 13 Abs. 5 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches


      erlassenen Rechtsverordnungen


anzuwenden.



§ 27 Vorschriftswidrige Erzeugnisse


(1) Erzeugnisse, die den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen nicht entsprechen, dürfen nicht in den Verkehr gebracht, eingeführt oder ausgeführt werden, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die in Satz 1 genannten Erzeugnisse dürfen auch nicht verwendet oder verwertet werden, es sei denn, dass ihre Vorschriftswidrigkeit ausschließlich auf der Verletzung von Vorschriften über Bezeichnungen, sonstige Angaben und Aufmachungen beruht.



Auszug aus dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)


§ 9 Pflanzenschutz- oder sonstige Mittel (Fassung vom 26. Januar 2016)


(1) Es ist verboten, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen,



2.      wenn in oder auf ihnen Pflanzenschutzmittel im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes vorhanden sind, die nicht zugelassen sind oder die bei den Lebensmitteln oder deren Ausgangsstoffen nicht angewendet werden dürfen,


3.      die den Anforderungen nach Artikel 18 Absatz 1, auch in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1, der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2016/1 (ABl. L 2 vom 5.1.2016, S. 1) geändert worden ist, nicht entsprechen.


Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, soweit für die dort genannten Mittel Höchstmengen nach Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a festgesetzt sind.


(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates,


1.      soweit es zur Erfüllung der in § 1 Absatz 1 Nummer 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit § 1 Absatz 3, genannten Zwecke erforderlich ist,


a) für Pflanzenschutz- oder sonstige Mittel oder deren Umwandlungs- und Reaktionsprodukte Höchstmengen festzusetzen, die in oder auf Lebensmitteln beim Inverkehrbringen nicht überschritten sein dürfen,



 


§ 9 Pflanzenschutz- oder sonstige Mittel (Fassung vom 27. Juli 2021)


(1) Es ist verboten, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen,



2.      wenn in oder auf ihnen Pflanzenschutzmittel im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes vorhanden sind, die nicht zugelassen sind oder die bei den Lebensmitteln oder deren Ausgangsstoffen nicht angewendet werden dürfen,



Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, soweit für die dort genannten Mittel Rückstandshöchstgehalte nach Artikel 18 Absatz 1, auch in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1, der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 oder Höchstmengen nach Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a festgesetzt sind.



BVerwG 3 C 11.22 - Urteil vom 14. September 2023

Vorinstanzen:

OVG Bautzen, OVG 3 A 1196/19 - Urteil vom 27. Januar 2022 -

VG Dresden, VG 6 K 3330/16 - Urteil vom 11. September 2019 -

BVerwG 3 C 12.22 - Urteil vom 14. September 2023

Vorinstanzen:

OVG Bautzen, OVG 3 A 1197/19 - Urteil vom 27. Januar 2022 -

VG Dresden, VG 6 K 1096/17 - Urteil vom 11. September 2019 -