Verfahrensinformation

Zugang zu Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes


Der Kläger ist Journalist. Er begehrt Einsicht in Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes (BND) zu einer früheren Zusammenarbeit des BND mit dem Kauka-Verlag und einzelnen dort tätigen Personen.


Der BND hat dem Kläger vorprozessual nur in eingeschränktem Umfang Einsicht in die Unterlagen gewährt. Im Übrigen macht er geltend, weitergehenden - archivrechtlichen - Nutzungsansprüchen stünden zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes sowie des Schutzes der Identität der beim BND beschäftigten Personen entgegen.


Nachdem der Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren die Vorlage von Akten unter Hinweis auf Nachteile für das Wohl des Bundes verweigert hatte, wurde die Sache zwischenzeitlich an den für die Überprüfung solcher Sperrerklärungen zuständigen Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts abgegeben, der sie mit Beschluss vom 22. März 2024 (BVerwG 20 F 5.22) bestätigt hat. Das Verfahren wird vor dem nunmehr zuständigen 10. Senat fortgesetzt.


Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig.


Pressemitteilung Nr. 34/2025 vom 30.04.2025

Kein Zugang zu Unterlagen des BND zur Zusammenarbeit mit einem Comic-Verleger

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat einem Journalisten zu Recht den Zugang zu Unterlagen zur früheren Zusammenarbeit des BND mit Rolf Kauka bzw. dem Kauka Verlag ("Fix und Foxi") verwehrt. Das hat das in erster und letzter Instanz zuständige Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der BND gewährte dem Kläger auf der Grundlage des Bundesarchivgesetzes (BArchG) nur teilweise Zugang zu den begehrten Unterlagen. Die Nutzung der weiteren Dokumente lehnte er unter Berufung auf zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes sowie des Schutzes der Identität der bei ihm beschäftigten Personen ab.


Im Klageverfahren hat das Bundeskanzleramt als oberste Aufsichtsbehörde des BND nach gerichtlicher Aufforderung zur Vorlage der begehrten Unterlagen unter Berufung auf das Wohl des Bundes eine sog. Sperrerklärung abgegeben. In der Folge ist das Verfahren – wie in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgesehen – an den Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 VwGO abgegeben worden. Im Rahmen des dort durchgeführten sog. In-camera-Verfahrens nehmen ausschließlich die Richter des Fachsenats Einsicht in die gesperrten Unterlagen, um das Vorliegen von Geheimhaltungsgründen zu überprüfen.


Der Fachsenat hat entschieden, dass die Sperrerklärung des Bundeskanzleramts zu Recht erfolgt ist (BVerwG 20 F 5.22). Die begehrten Unterlagen enthielten zahlreiche Informationen, die auch gegenwärtig noch Aufschluss über die nachrichtendienstliche Arbeitsweise gäben. Hinzu trete eine Fülle personenbezogener Daten, die über das unmittelbar nachrichtendienstlich Relevante hinaus auch Einblick in die private Lebensgestaltung der in nachrichtendienstliche Aktivitäten involvierten Personen gäben.


Auf der Grundlage des Beschlusses des Fachsenats war die Klage abzuweisen. Das in § 99 VwGO vorgegebene Prüfprogramm für die Verweigerung des Zugangs zu Unterlagen stimmt mit den fachgesetzlichen Vorgaben des BArchG faktisch überein. Entscheidet der Fachsenat – wie hier – in Fällen gleichgelagerter Geheimhaltungsgründe zugunsten des Geheimschutzes, bleibt auch die Klage auf Zugang zu den Unterlagen erfolglos.


BVerwG 10 A 1.24 - Urteil vom 30. April 2025


Urteil vom 30.04.2025 -
BVerwG 10 A 1.24ECLI:DE:BVerwG:2025:300425U10A1.24.0

Archivrechtlicher Nutzungsanspruch hinsichtlich Unterlagen des BND

Leitsätze:

1. Der Wirkbereich des Nutzungsanspruchs aus § 11 Abs. 6 BArchG ist dadurch eingeschränkt, dass Unterlagen der Nachrichtendienste, soweit und solange sie dem Bundesarchiv nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG nicht anzubieten sind, nicht zu Archivgut des Bundes im Sinne des § 1 Nr. 2 BArchG sowie zum Gegenstand eines Nutzungsanspruchs aus § 10 Abs. 1 BArchG werden können (wie BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 6 A 1.15 - Buchholz 421.9 BArchG Nr. 1 Rn. 3 und 6 f. und Urteil vom 11. Dezember 2019 - 6 C 21.18 - BVerwGE 167, 173 Rn. 45).

2. Stimmt das in § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO vorgegebene Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung des Fachsenats mit den fachgesetzlichen Vorgaben des Bundesarchivgesetzes faktisch überein, kommt ihr in materieller Hinsicht präjudizielle Wirkung zu (wie BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - BVerwGE 172, 159 Rn. 19).

  • Rechtsquellen
    BArchG § 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 6, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
    VwGO § 99
    GG Art. 5 Abs. 1 und 3
    EMRK Art. 10

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 30.04.2025 - 10 A 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:300425U10A1.24.0]

Urteil

BVerwG 10 A 1.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2025 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein Journalist, begehrt gegenüber dem Bundesnachrichtendienst (BND) Einsicht in Unterlagen zur früheren Zusammenarbeit des BND mit ... bzw. ... X. und dem X. Verlag.

2 Mit Bescheid vom 1. April 2019 gewährte der BND die teilweise Nutzung von Unterlagen. Sie enthielten Schwärzungen. Die Nutzung der weiteren begehrten Dokumente lehnte der BND unter Berufung auf § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG ab. Dagegen erhob der Kläger am 26. April 2019 Widerspruch, den der BND mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2019 zurückwies. Am 9. August 2019 erhob der Kläger Klage.

3 Mit Beweisbeschluss vom 13. Januar 2022 hat der vormals zuständige 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts der Beklagten die Vorlage der begehrten Unterlagen in ungeschwärzter Form aufgegeben. Das Bundeskanzleramt als oberste Aufsichtsbehörde des BND hat daraufhin die bereits mit Schreiben vom 28. September 2021 abgegebene Sperrerklärung mit Schreiben vom 18. Februar 2022 bestätigt. In der Folge ist das Verfahren an den Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben worden.

4 Mit Beschluss vom 22. März 2024 hat der Fachsenat im Zwischenverfahren entschieden, dass die von der obersten Aufsichtsbehörde geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO vorliegen. Die Signaturen enthielten zahlreiche Informationen, die auch gegenwärtig noch Aufschluss über die nachrichtendienstliche Arbeitsweise gäben, namentlich zur Anwerbung von (auch ausländischen) Informanten, zu deren kaschierten Entlohnung (auch im Ausland) und der Entlohnungshöhe, ihrer Betreuung durch Bedienstete des BND und zu Decknamen und Ziffern, aus denen sich im Zusammenspiel mit weiteren Dokumenten auch deren Klarname ableiten lasse. Hinzu trete eine Fülle personenbezogener Daten, die über das unmittelbar nachrichtendienstlich Relevante hinaus auch Einblick in die private Lebensgestaltung der in nachrichtendienstliche Aktivitäten involvierten Personen gäben, auch wenn sie selbst nicht Informanten gewesen seien, sondern ihre persönlichen wie beruflichen Lebensumstände über Informanten aktenkundig erfasst worden seien. Eine Anhörungsrüge des Klägers gegen diese Entscheidung hat der Fachsenat mit Beschluss vom 11. September 2024 zurückgewiesen.

5 Mit Schriftsatz vom 22. April 2024 hat der Kläger die Fortführung des Verfahrens beantragt. Der Beschluss des Fachsenats sei rechtswidrig, da er - ebenso wie die Sperrerklärung des Bundeskanzleramts - zu unbestimmt sei. Die Entscheidung des Fachsenats entfalte Bindungswirkung lediglich bezüglich prozessualer Fragen, nicht hinsichtlich der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG. Auch sei § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG keine Geheimhaltungsvorschrift im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

6 Hinsichtlich der Signaturen N1/130, N1/32_OT und N1/33_OT haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

7 Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 1. April 2019 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Zugang zu bzw. Einsicht in die Unterlagen der Beklagten zur Zusammenarbeit des BND mit ... bzw. ... X. und dem X. Verlag zu gewähren, soweit nicht bereits geschehen, durch Übergabe der ungeschwärzten OT-Signaturen 1522_OT S. 74, 1559, 3283 S. 2 und 16, 20975, 401307, 401308 und 28149.

8 Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

9 Die Klage sei teilweise - soweit bereits Einsicht in begehrte Unterlagen gewährt wurde - mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und im Übrigen unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einsicht, da die begehrten Unterlagen keinem archivrechtlichen Nutzungsanspruch unterlägen.

II

10 Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

11 Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.

12 I. Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es ihr auch nicht partiell am Rechtsschutzbedürfnis. Durch die Vorlage teilweise geschwärzter Unterlagen seitens der Beklagten wird das klägerische Begehren, das auf die Vorlage ungeschwärzter Unterlagen gerichtet ist, nicht befriedigt.

13 II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte archivrechtliche Nutzungsanspruch nicht zu.

14 1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG ist jede Person nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes auf Antrag berechtigt, Archivgut des Bundes zu nutzen. Gemäß § 11 Abs. 6 BArchG gilt § 10 auch für die Nutzung von Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und noch der Verfügungsgewalt der öffentlichen Stellen des Bundes unterliegen. Auf solche Unterlagen - hier des BND - richtet sich das Begehren des Klägers.

15 a) Der Wirkbereich des Nutzungsanspruchs aus § 11 Abs. 6 BArchG ist jedoch - wie von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt - dadurch eingeschränkt, dass Unterlagen der Nachrichtendienste, soweit und solange sie dem Bundesarchiv nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG nicht anzubieten sind, nicht zu Archivgut des Bundes im Sinne des § 1 Nr. 2 BArchG sowie zum Gegenstand eines Nutzungsanspruchs aus § 10 Abs. 1 BArchG werden können und infolgedessen auch einer Nutzung auf der Grundlage von § 11 Abs. 6 BArchG entzogen sind. Dies ist der Fall, wenn zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes oder der Schutz der Identität der bei den Nachrichtendiensten beschäftigten Personen einer Abgabe entgegenstehen. In einem Rechtsstreit über einen geltend gemachten Nutzungsanspruch aus § 11 Abs. 6 BArchG, in dem sich ein Nachrichtendienst - wie hier - für einzelne Unterlagen auf die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG geregelte Ausnahme von der Anbietungspflicht nach § 5 und § 6 BArchG beruft, sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands inzident zu prüfen. Die Unterlagen, die die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers "geheim gehalten werden", "längerfristig unter Verschluss bleiben" und "auch bei den Dienst- und Fachaufsichtsbehörden längerfristig öffentlichem Zugriff entzogen bleiben" (BT-Drs. 18/9633 S. 59). Dies spricht deutlich dafür, dass der Anspruch aus § 11 Abs. 6 BArchG die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG nicht anbietungspflichtigen Unterlagen nicht erfassen soll. Derartige Unterlagen sollen überhaupt nicht zur Nutzung herausgegeben werden müssen (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 6 A 1.15 - Buchholz 421.9 BArchG Nr. 1 Rn. 3 und 6 f.). Der Normgeber hat in diesen Fällen wegen "zwingender Gründe" eine erhöhte Geheimhaltung für erforderlich gehalten, die über das durch § 11 (Schutzfristen) und § 13 BArchG (Einschränkungs- und Versagungsgründe) vermittelte Schutzniveau hinausgeht. Unterfallen die Unterlagen hiernach nicht der Anbietungspflicht, kann sich der in § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG normierte Nutzungsanspruch nicht auf sie erstrecken (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - 6 C 21.18 - BVerwGE 167, 173 Rn. 45 m. w. N.).

16 Die gegen diese Rechtsprechung gerichteten Einwände des Klägers greifen nicht durch. Namentlich steht der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG der Annahme, dass nicht anbietungspflichtige Unterlagen schon kein einem Nutzungsanspruch aus § 10 Abs. 1 BArchG unterliegendes Archivgut des Bundes im Sinne des § 1 Nr. 2 BArchG darstellen, nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage einer - vom Kläger ebenfalls abgelehnten - analogen Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG nicht. Soweit der Kläger auf Sinn und Zweck der Regelung Bezug nimmt, ist auf den in der Gesetzesbegründung (siehe oben Rn. 15) niedergelegten Willen des Normgebers zu verweisen, bestimmte nachrichtendienstliche Unterlagen schon nicht den Regelungen des im Grundsatz auf die Zugänglichmachung von Dokumenten ausgerichteten Archivrechts zu unterstellen.

17 b) Ein über die Maßgaben des Archivrechts hinausreichender Zugangsanspruch kann sich auch nicht im Lichte von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 GG sowie Art. 10 EMRK ergeben. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG bemisst sich, soweit es um den Zugang zu amtlichen Informationen geht, nach der Auslegung einfachen Rechts, vorliegend des Archivrechts. Das Grundrecht gewährleistet insoweit grundsätzlich nur das Recht, sich ungehindert aus einer für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es - wie hier - an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung in der Regel nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Dies gilt auch vorliegend. Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erweitert nicht die der Forschung zugrunde gelegten Quellen über den Umkreis der allgemein zugänglichen Informationen hinaus (BVerwG, Urteil vom 29. März 2023 - 10 C 2.22 - BVerwGE 178, 176 Rn. 33 und 35 m. w. N.; vgl. auch Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 - NVwZ 2013, 1285 Rn. 27 und 31 m. w. N.).

18 Ein erweiterter Zugangsanspruch kann sich auch nicht auf Art. 10 EMRK stützen. Ungeachtet der Frage, ob das vom Kläger in seiner Rolle als Journalist bzw. in der Funktion als "public watchdog" geltend gemachte Zugangsbegehren von der Garantie des Art. 10 Abs. 1 EMRK erfasst ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob die nach innerstaatlichem Recht zum Schutz öffentlicher und privater Interessen vorgesehenen Einschränkungen (Art. 10 Abs. 2 EMRK) vorliegen. Dies ist mit Blick auf die Schutzgüter des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG der Fall, was auf einen Gleichlauf zu dem nach nationalem Recht zu prüfenden Anspruch führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 - 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 38 m. w. N.). Aus Art. 10 EMRK ergeben sich mithin keine weitergehenden Zugangsrechte (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - ‌NVwZ 2025, 516 Rn. 25 m. w. N.).

19 2. Nach diesen Maßgaben besteht der vom Kläger geltend gemachte Nutzungsanspruch nach § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG schon dem Grunde nach nicht, soweit die begehrten Unterlagen keiner Anbietungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG unterliegen. Dies ist hinsichtlich der von der Beklagten nicht vorgelegten Unterlagen der Fall. Das diesbezügliche Nichtbestehen einer Anbietungspflicht steht auf der Grundlage des im Zwischenverfahren ergangenen Beschlusses des Fachsenats vom 22. März 2024 - 20 F 5.22 - für den erkennenden Senat fest.

20 Der nach § 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO zuständige Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. § 189 VwGO) hat entschieden, dass die vom Bundeskanzleramt als oberster Aufsichtsbehörde in seiner Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Var. 1 und 3 VwGO vorliegen und mithin das Bekanntwerden des Inhalts der begehrten Unterlagen dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten würde und die dort dokumentierten Vorgänge nach einem Gesetz bzw. ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.

21 Damit steht zum einen in prozessualer Hinsicht fest, dass die vom Kläger begehrten Unterlagen im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt werden müssen. Dies gilt auch in Anbetracht dessen, dass hier die archivrechtliche Nutzung der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits ist, weil derartige Fälle von der Geltung des § 99 Abs. 2 VwGO nicht ausgenommen sind (vgl. BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - BVerwGE 172, 159 Rn. 17 m. w. N.).

22 Zum anderen kommt der Entscheidung des Fachsenats in materieller Hinsicht präjudizielle Wirkung zu. Ist Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens - wie hier - gerade die archivrechtliche Nutzung von (ungeschwärzten) Unterlagen, deren Vorlage die Beklagte nach dem Ergebnis des Zwischenverfahrens zu Recht verweigert, ist dem durch die Sperrerklärung verursachten Beweisnotstand der beklagten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung dergestalt Rechnung zu tragen, dass der Entscheidung des Fachsenats im Zwischenverfahren präjudizielle Wirkung für das Hauptsacheverfahren beigemessen wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn das in § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO vorgegebene Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung mit den fachgesetzlichen Vorgaben - hier des Bundesarchivgesetzes - faktisch übereinstimmt. Entscheidet der Fachsenat in Fällen gleichgelagerter Geheimhaltungsgründe zugunsten des Geheimschutzes, bleibt mithin auch die Klage auf Akteneinsicht erfolglos (BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - ‌BVerwGE 172, 159 Rn. 19 m. w. N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 ‌- 7 A 15.10 - NVwZ 2013, 1285 Rn. 21 m. w. N. sowie Beschlüsse vom 27. Mai 2024 - 20 F 10.23 - NVwZ 2024, 1259 Rn. 6 m. w. N. und vom 11. September 2024 - 20 F 3.24 - juris Rn. 15).

23 So liegt es hier. Zwischen dem materiell-rechtlichen Prüfprogramm des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG (zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes sowie Schutz der Identität der beim Nachrichtendienst beschäftigten Personen) und der vom Fachsenat getroffenen prozessualen Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO (drohende Nachteile für das Wohl des Bundes) besteht faktische Übereinstimmung. Gegenläufige Anhaltspunkte ergeben sich weder aus den unterschiedlichen Begrifflichkeiten in den einschlägigen Vorschriften noch aus deren Entstehungsgeschichte (vgl. – zu § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a. F. – BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 - ‌NVwZ 2013, 1285 Rn. 24 m. w. N. und - zu § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG - BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - ‌BVerwGE 172, 159 Rn. 26 m. w. N.).

24 3. Auch in Bezug auf die von der Beklagten nur unter Vornahme von Schwärzungen zur Verfügung gestellte Unterlage (Signatur 1522_OT, S. 74) hat der Fachsenat entschieden, dass die Sperrerklärung rechtmäßig ist. Dies hat ebenfalls präjudizielle Wirkung. Maßgeblich ist insoweit die faktische Übereinstimmung zwischen § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO (drohende Nachteile für das Wohl des Bundes) und dem materiell-rechtlichen Einschränkungs- bzw. Versagungsgrund nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (Gefährdung des Wohls der Bundesrepublik Deutschland; hierzu BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - BVerwGE 172, 159 Rn. 26 m. w. N.).

25 4. Mit Rücksicht auf deren präjudizielle Wirkung bleibt es dem Senat versagt, die Einwände des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der Zwischenentscheidung des Fachsenats zu berücksichtigen. Für die geltend gemachte Nichtigkeit dieser Entscheidung bestehen keine Anhaltspunkte.

26 Die Verpflichtung des Klägers, die Kosten des Verfahrens zu tragen, ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.