Pressemitteilung Nr. 76/2025 vom 09.10.2025
Herabwürdigung von deutschen Staatsangehörigen mit ausländischen Wurzeln als "Türken mit einem deutschen Pass" kann Dienstvergehen begründen
Die Herabwürdigung deutscher Staatsangehöriger mit ausländischen Wurzeln als "Türken mit einem deutschen Pass" und die damit verbundene Differenzierung deutscher Staatsangehöriger verstößt gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) eines beamteten Professors, dessen dienstliche Aufgabe in der Aus- und Fortbildung von Anwärtern und Beamten des gehobenen Verwaltungsdienstes beim Bundesnachrichtendienst (BND) besteht. Eine Freistellung von diesen dienstrechtlichen Pflichten folgt auch nicht aus der Wissenschaftsfreiheit. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger ist beamteter Professor im Geschäftsbereich des BND und unterrichtet Anwärter und Beamte des gehobenen Verwaltungsdienstes an der Hochschule des Bundes. 2021 veröffentlichte er das Buch "Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen". Nach Einholung eines rechtswissenschaftlichen Gutachtens leitete der BND im Oktober 2022 ein Disziplinarverfahren ein und erließ im Mai 2024 eine Disziplinarverfügung, mit der dem Kläger eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von 24 Monaten auferlegt wurde. Der Kläger habe zwar nicht die Verfassungstreuepflicht verletzt, mit dem propagierten "ethnisch-kulturellen" Volksbegriff aber gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verstoßen. Mit der Differenzierung führe er eine Kategorie ein, die das Grundgesetz bewusst nicht enthalte und die zu einer Abstufung der deutschen Staatsangehörigen führe. Das Widerspruchsverfahren des Klägers gegen die Disziplinarverfügung blieb erfolglos.
Das für Klagen über Vorgänge im Geschäftsbereich des BND erst- und letztinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht hat die gegen die Disziplinarmaßnahme gerichtete Klage abgewiesen. Wie bereits der BND zutreffend erkannt hat, liegt in den beanstandeten Ausführungen des Klägers zum ethnisch-kulturellen Volksbegriff keine Verletzung der beamtenrechtlichen Verfassungstreuepflicht. Denn diese sind ausschließlich sozialwissenschaftlich-deskriptiv, ihnen kann nicht die Forderung nach einer rechtlichen Ungleichbehandlung deutscher Staatsangehöriger entnommen werden. Soweit der BND im Widerspruchsbescheid auf verschwörungstheoretische Ansätze und eine damit verbundene Delegitimierung der gewählten Volksvertretung und der Regierung verwiesen hat, sind diese Ausführungen nicht wirksam zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemacht worden und vom Bundesverwaltungsgericht daher auch nicht zu würdigen.
Der Kläger hat jedoch seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verletzt; von dieser Pflichtenstellung wird der Kläger durch die ihm zuzubilligende Wissenschaftsfreiheit nicht freigestellt. Der Kläger ist als Professor an der Hochschule des Bundes vornehmlich mit der Aus- und Fortbildung von Anwärtern und Beamten des gehobenen Dienstes betraut; dies ist zu berücksichtigen bei der amtsbezogenen Pflicht des Beamten, durch sein Verhalten das für die Ausübung der Dienstpflichten erforderliche Vertrauen nicht zu beeinträchtigen. Mit den Ausführungen, dass es sich bei deutschen Staatsangehörigen mit ausländischen Wurzeln teilweise (wie bei Özil, Gündogan oder Can) um "Türken mit einem deutschen Pass" handele, die "in ehrlicher Weise" ihre Identität lebten und als Patrioten für ihre Heimat einstünden — "und dies ist die Türkei" —, nimmt der Kläger eine bewertende Abstufung deutscher Staatsangehöriger vor. Da die Heimat dieser Menschen nicht Deutschland sei und sie "in ihrem Herzen zuvörderst Türken bleiben", könne auch nicht erwartet werden, dass sie sich patriotisch zu Deutschland bekennen. Mit dieser Stellungnahme (und weiteren Ausführungen) positioniert sich der Kläger in einer Weise, die das Vertrauen seines Dienstherrn und der Studenten beeinträchtigt, dass er seinem dienstlichen Auftrag und der damit verbundenen Vorbildfunktion gerecht wird. Die Disziplinarverfügung des BND ist daher nicht zu beanstanden.
Fußnote:
Bundesbeamtengesetz (BBG)
§ 61 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben das ihnen übertragene Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.
(…)
BVerwG 2 A 6.24 - Urteil vom 09. Oktober 2025