Beschluss vom 04.11.2014 -
BVerwG 1 WB 18.14ECLI:DE:BVerwG:2014:041114B1WB18.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.11.2014 - 1 WB 18.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:041114B1WB18.14.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 18.14

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Mirow und
den ehrenamtlichen Richter Oberleutnant Weisheit
am 4. November 2014 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die vorzeitige Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung beim 29. Deutschen Einsatzkontingent ISAF in ...

2 Der 19.. geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit; seine Dienstzeit ist auf 12 Jahre festgesetzt und wird voraussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 20.. enden. Mit Wirkung vom 1. Januar 2009 wurde er zum Oberleutnant ernannt. Seit dem 1. September 20.. wurde er als Panzergrenadieroffizier/Kompanieein-satzoffizier bei der ... Kompanie, seit dem 1. Mai 20.. bei der ... Kompanie des Panzergrenadierbataillons ... in ... verwendet. Im Anschluss an die hier streitbefangene Repatriierung war er ab dem 19. November 2012 zur Dienstleistung beim ... des Panzergrenadierbataillons ... eingesetzt. Seit dem 2. Dezember 2013 wird er als Controller A/Einsatzoffizier Streitkräfte beim ...amt ... in B. verwendet.

3 Das Panzergrenadierbataillon ... kommandierte den Antragsteller mit Verfügung vom 6. Juni 2012 für die Zeit vom 7. August 2012 bis zum 28. Februar 2013 zum 29. Deutschen Einsatzkontingent ISAF in .... Im Rahmen dieser besonderen Auslandsverwendung war er als Kompanieeinsatzoffizier und als Leiter der ... der Stabs-/Versorgungskompanie der ... eingesetzt. Er war Vertrauensperson der Offiziere der ...

4 Der Kommandeur ... als (damaliger) nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter eröffnete dem Antragsteller am 15. Oktober 2012 den am 13. Oktober 2012 gefertigten Entwurf eines Antrags auf vorzeitige Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung aus dienstlichen Gründen. Dem Antrag war eine Stellungnahme des Hauptmann G. vom 14. Oktober 2012 beigefügt, der damals Kompaniechef der Stabs-/Versorgungskompanie ... und nächster Disziplinarvorgesetzter des Antragstellers war.

5 In der Begründung seines Repatriierungsantrags führte der Kommandeur im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller hinreichend verdächtigt sei, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, indem er zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im September 2012 im... im Shelter ... im Camp ..., nach dem Mittagessen gegenüber einem Oberfeldwebel und in Anwesenheit eines Hauptgefreiten (jeweils Angehörigen der Stabs-/Versorgungskompanie ...) sinngemäß geäußert habe, dass man mit Waffengewalt gegen den Kompaniechef vorgehen müsse und dass er, der Antragsteller, diesen am liebsten erschießen würde. Dabei habe der Antragsteller seine Pistole P 8 aus dem Holster gezogen und diese in Richtung der Wand des Nachbarraumes gerichtet, in dem sich das Büro des Kompaniechefs befand, obwohl der Antragsteller gewusst habe bzw. habe wissen müssen, dass der spielerische Umgang mit Waffen verboten sei. Außerdem habe er am Abend des 27. September 2012 gegen 21.00 Uhr bis über 22.30 Uhr hinaus zunächst im, später vor dem Shelter ... im Camp ... mit einem anderen Soldaten mehr als zwei Dosen Bier zu 0,33 l getrunken, obwohl er gewusst habe bzw. habe wissen müssen und können, dass nach der einschlägigen Befehls- und Weisungslage für das Camp ... der Konsum von alkoholhaltigen Getränken nur im Zeitraum von 20.00 Uhr bis 22.30 Uhr erlaubt, der tägliche Höchstkonsum von Bier auf zwei Dosen je 0,33 l begrenzt und der Konsum alkoholhaltiger Getränke außerhalb der Betreuungseinrichtungen im Camp ... verboten sei. Darüber hinaus habe er am Abend des 27. September 2012 nach 22.00 Uhr gegenüber Mannschaften und Portepee-Unteroffizieren der Stabs-/Versorgungskompanie ... vor dem Shelter ... im Camp ... sinngemäß geäußert,
- man müsse notfalls mit Waffengewalt gegen den Kompaniechef vorgehen,
- am liebsten würde er den Kompaniechef erschießen,
- die Unteroffiziere der Kompanie hätten kein Rückgrat,
- der Kompaniechef und der Spieß seien ein Arschloch und hätten keine Ahnung,
- der Kompaniechef und der Kompaniefeldwebel hätten keinen Arsch in der Hose,
- im Bereich der Stabs-/Versorgungskompanie laufe alles Scheiße und
- er habe zu Major T. (...) gesagt, dieser solle sich seinen Kopf in den Arsch stecken, dann sei er seinem Gehirn näher.
Die Ermittlungen hätten außerdem ergeben, dass sich der Antragsteller gegenüber Mannschaften und Unteroffizieren der Kompanie regelmäßig (mehrfach in der Woche bis täglich) abfällig über die Kompanieführung geäußert habe, etwa mit Äußerungen wie „In der Kompanieführung sitzen nur Idioten“ oder „Der Kompaniechef weiß nicht, wie er seine Arbeit zu machen hat“. Abfällige Äußerungen über den Kompaniechef habe er auch gegenüber der Truppenpsychologin in einem nicht vertraulichen Gespräch in Anwesenheit eines Hauptgefreiten getätigt.
Das Verhalten des Antragstellers, mit dem er gegenüber Angehörigen der Kompanie und Außenstehenden in vollkommen unangemessener Weise Kritik an Vorgesetzten und Kameraden übe, lasse eine vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Kompanie, aber auch innerhalb des Stabes ... nicht länger zu. Die mangelnde Zurückhaltung des Antragstellers und dessen offen zur Schau gestellte Abneigung gegen Vorgesetzte und Kameraden habe ein solches Ausmaß erreicht, dass das von ihm als Verbandsführer in den Antragsteller gesetzte Vertrauen irreparabel geschädigt sei. Erschwerend komme hinzu, dass sich das unsachliche Verhalten des Antragstellers insbesondere gegen Offiziere der ... richte und der Antragsteller damit auch sein Amt als Vertrauensperson der Offiziere der ... beschädigt habe. Aufgrund der Vielzahl und Schwere der Vorwürfe sowie der Tatsache, dass offenkundig das Arbeitsverhältnis zu mehreren Soldaten auch unterschiedlicher Dienstgradgruppen und Einheiten zerrüttet sei, handele es sich nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht um einen Einzelfall; ein Verbleib des Antragstellers im Einsatzland auf einem anderen Dienstposten erscheine deshalb nicht angebracht.

6 Der Repatriierungsantrag wurde am 16. Oktober 2012 mit dem Antragsteller im persönlichen Gespräch erörtert. Dieser gab am 17. Oktober 2012 eine Stellungnahme ab, in der er die ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen bestritt. Die Vertrauensperson der Offiziere ... wurde am 18. Oktober 2012 zur vorzeitigen Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers angehört.

7 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Oktober 2012 entschied der Kommandeur des 29. Deutschen Einsatzkontingentes ISAF, die besondere Auslandsverwendung des Antragstellers vorzeitig zum 24. Oktober 2012 zu beenden. Zur Begründung führte er aus:
„Sie sind seit dem 08.08.2012 Angehöriger des DEU EinsKtgt ISAF und in der St/VersKp ... als Kompanieeinsatzoffizier eingesetzt.
Gegen Sie wurde in meinem Auftrag wegen des Verdachts der Begehung von Dienstvergehen disziplinar ermittelt. Nach diesen Ermittlungen steht nach meiner Überzeugung fest, dass Sie gegen Ihre Dienstpflichten verstoßen haben. Unter anderem haben Sie sinngemäß geäußert, dass man mit Waffengewalt gegen den KpChef vorgehen müsse und Sie ihn am liebsten erschießen würden. Dabei zogen Sie Ihre Pistole P 8 aus dem Holster und richteten die Waffe in Richtung der Wand des Nachbarraumes, in dem sich das Büro des KpChefs befand. Des Weiteren haben Sie sich gegenüber Mannschaften und Unteroffizieren der Kompanie regelmäßig abfällig über die Kompanieführung geäußert. Darüber hinaus haben Sie an dem Abend des 27.09.2012 mehr als zwei Dosen Bier zu sich genommen und somit gegen die Camp Ordnung verstoßen.
Aufgrund der benannten sowie weiterer Sachverhalte ist mit der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens zu rechnen.
Ihr Verhalten, in dem Sie Kritik an Vorgesetzten und Kameraden üben, lässt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht länger zu. Ihre offen zur Schau gestellte Abneigung, insbesondere gegenüber dem KpChef, hat ein solches Ausmaß erreicht, dass ich mich entschieden habe, Ihre besondere Auslandsverwendung vorzeitig zum 24.10.2012 zu beenden.“

8 Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller, der am 24. Oktober 2012 nach Deutschland zurückgeführt wurde, mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 19. November 2012 Beschwerde ein. Er machte die formelle Rechtswidrigkeit der Repatriierungsverfügung geltend. Es sei nicht zu erkennen, ob man die Vertrauensperson in vollem Umfang über die wahren Gründe der Ablösung in Kenntnis gesetzt habe. Die Stellungnahme der Vertrauensperson sei ihm selbst vor der Entscheidung über die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung nicht eröffnet worden. Er habe also keine Möglichkeit gehabt, sich dazu zu äußern. In der Sache sei nicht nachvollziehbar, wie der Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents ISAF zu seiner Ablösungsentscheidung gekommen sei. Konkrete Dienstpflichtverletzungen unter Bezeichnung von Ort, Datum und Art der Dienstpflichtverletzung benenne die Verfügung nicht. Soweit der Antrag des nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten dazu nähere Angaben enthalte, sei ihm, dem Antragsteller, im Zusammenhang mit den disziplinaren Ermittlungen die beantragte Akteneinsicht verwehrt worden. Eine gezielte Verteidigung sei daher nicht möglich gewesen. Darin liege die Verletzung rechtlichen Gehörs. Die ihn belastenden Zeugenaussagen seien unter Druck zustande gekommen. Es sei auch fraglich, ob sein nächster Disziplinarvorgesetzter, Hauptmann G., überhaupt gegen ihn habe ermitteln dürfen. Er selbst sei gewählte Vertrauensperson gewesen.

9 Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr wies die Beschwerde des Antragstellers mit Beschwerdebescheid vom 5. März 2013 zurück. Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 10. April 2013, in der er die erhobenen Vorwürfe weiterhin bestritt, „massive Spannungen“ im Verhältnis zu Hauptmann G. einräumte und die fehlende Prüfung seiner anderweitigen Verwendung im Einsatz als Ermessensfehler rügte, wies der Generalinspekteur der Bundeswehr mit Beschwerdebescheid vom 1. Oktober 2013 zurück.

10 Gegen diese ihm am 8. Oktober 2013 eröffnete Entscheidung hat der Antragsteller am 8. November 2013 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 24. März 2014 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

11 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens vertieft der Antragsteller sein Beschwerdevorbringen und trägt ergänzend insbesondere vor:

12 Die Repatriierungsentscheidung sei rechtswidrig. Er habe nach seinem Eintreffen im Einsatzland aufgrund von fehlenden Führungsstrukturen und Führungsversagen ein ziemliches Chaos vorgefunden. Seine Kompanie habe bis zu drei „Herren“ gleichzeitig dienen müssen, ohne dass Unterstellungen oder Disziplinarstufen klar und transparent geregelt gewesen wären. Diese Verhältnisse hätten ihn veranlasst, nach vier Wochen im Einsatz zwei Beschwerden zu schreiben. Parallel dazu habe sein damaliger Kompaniechef Hauptmann G. diverse Dienstvergehen und sogar Wehrstraftaten begangen. In einem Vier-Augen-Gespräch habe er Hauptmann G. mitgeteilt, dass er dieses Verhalten nicht mittragen werde. Zeitgleich habe er von zwei im Heimatland verbliebenen Kompaniechefs die Information erhalten, dass Hauptmann G. ihn, den Antragsteller, loswerden wolle. In der Folge sei es dann zu Anschuldigungen gekommen, deren Berechtigung in keiner Weise nachgeprüft worden sei. In den Beschwerdebescheiden seien alle Vorwürfe nur unreflektiert übernommen worden. Entlastende Aussagen seien vollkommen ignoriert worden. So werde die ihm angelastete Geste des Schießens nicht durch Zeugen bestätigt. Er könne auch nicht akzeptieren, dass Generalmajor P. als Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents zuerst über seine Ablösung und dann im Heimatland als Divisionskommandeur auch noch über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens entschieden habe. Angebliche Äußerungen aus einem Gespräch mit der Truppenpsychologin könnten ihm nicht entgegengehalten werden, weil diese einer Schweigepflicht unterliege. Sowohl der Kommandeur ..., Oberst S., als auch der Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents hätten ein Interesse daran gehabt, ihn, den Antragsteller, aus dem Einsatz zu entfernen.

13 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Mai 2014 ist der Antragsteller erneut im Einzelnen den strittigen Vorwürfen entgegengetreten, die im Wesentlichen auch Gegenstand der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der ... Panzergrenadier ... vom 9. Juli 2013 sind.

14 Der Antragsteller beantragt,
1. die Entscheidungen des Kommandeurs des Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom 19. Oktober 2012 und des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vom 5. März 2013 sowie des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 1. Oktober 2013 aufzuheben,
2. festzustellen, dass die Repatriierungsverfügung vom 19. Oktober 2012 rechtswidrig war.

15 Der Generalinspekteur der Bundeswehr beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

16 Er trägt unter Bezugnahme auf seinen Beschwerdebescheid vor, dass für die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers ein dienstliches Bedürfnis bestanden habe. Gegen den Antragsteller habe der Verdacht schuldhafter Dienstpflichtverletzungen bestanden, der insbesondere durch die Aussagen der Zeugen Oberfeldwebel I., Hauptgefreiter B. und Hauptgefreiter H. bestätigt werde. Anhaltspunkte für eine fehlende oder verminderte Glaubwürdigkeit der vorgenannten Zeugen seien nicht erkennbar. Entgegen der Einlassung des Antragstellers seien entlastende Zeugenaussagen nicht ignoriert worden. Zu der allgemeinen Behauptung des Antragstellers, die relevanten Zeugenaussagen seien unter Druck zustande gekommen, lägen keine Erkenntnisse vor. Der Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents ISAF habe sein Auswahlermessen korrekt ausgeübt. Die ordnungsgemäße und effektive Aufgabenerfüllung des Einsatzkontingents sei die entscheidende Leitlinie für die Ermessensausübung gewesen. Die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers sei im Ergebnis gerechtfertigt gewesen, weil die im Einsatz besonders wichtige reibungslose Zusammenarbeit zum Zweck der optimalen Aufgabenerfüllung nicht mehr sichergestellt gewesen sei. Die Schwere des mutmaßlichen Fehlverhaltens des Antragstellers mit seinem personalen Charakter und dem Bezug zu seiner damaligen Einheit habe das Vertrauensverhältnis zu seinem Kompaniechef zerstört. Aufgrund der Vielzahl der Verdachtsfälle und der inhaltlich ähnlichen Verfehlungen (des mangelnden Respekts gegenüber Kameraden auch in Vorgesetztenposition) sei zu befürchten, dass der Antragsteller diese disziplinlose Haltung zum weiteren Schaden von Kameraden fortsetzen werde. Der Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents sei nicht verpflichtet gewesen, zum Zweck der Beseitigung der Spannungen den Antragsteller aus seiner bisherigen Unterstellung herauszulösen und ihn im Einsatzland anderweitig zu verwenden.

17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Generalinspekteurs der Bundeswehr - BMVg R I 6 - Az: B1 03/13 -, die Beiakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R I 6 - zur Bearbeitung der Eingabe des Antragstellers an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Az: B1 03/2013) und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

18 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

19 1. Der Aufhebungsantrag ist unzulässig.

20 Die Entscheidung des Kommandeurs des 29. Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom 19. Oktober 2012, die besondere Auslandsverwendung des Antragstellers vorzeitig zum 24. Oktober 2012 zu beenden, stellt eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die der Überprüfung durch die Wehrdienstgerichte - hier durch das Bundesverwaltungsgericht (§ 22 i.V.m. § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 WBO) - unterliegt.

21 Diese Maßnahme ist mit der tatsächlichen Rückführung des Antragstellers nach Deutschland am 24. Oktober 2012 vollzogen worden; sie hat sich mit Ablauf des ursprünglich angeordneten Kommandierungszeitraums am 28. Februar 2013 erledigt. Damit ging schon im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung der Aufhebungsantrag ins Leere; denn für die mit ihm angestrebte Fortsetzung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers im 29. Deutschen Einsatzkontingent ISAF fehlte in Ermangelung einer weiterbestehenden Kommandierung die tatsächliche und rechtliche Grundlage.

22 Der Aufhebungsantrag ist daher als unzulässig zu verwerfen.

23 2. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers kann nur in Gestalt eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gegen die Repatriierungsentscheidung weiter verfolgt werden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 22 und § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO). Dabei ist Gegenstand der Überprüfung nicht (isoliert) die ursprüngliche Maßnahme, sondern die Maßnahme in der Gestalt, die sie durch die Entscheidung über die Beschwerde und gegebenenfalls über die weitere Beschwerde erhalten hat (Beschluss vom 12. August 2008 - BVerwG 1 WB 35.07 - BVerwGE 132, 1 = Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 2 jeweils Rn. 35 = NZWehrr 2009, 69; vgl. auch § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 23a Abs. 2 WBO). Dem entspricht sinngemäß der zweite Sachantrag des Antragstellers.

24 a) Dieser Feststellungsantrag ist zulässig.

25 Nach der Rechtsprechung des Senats stellt die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung eines Auslandseinsatzes bzw. einer besonderen Auslandsverwendung („Repatriierung“) einen Befehl dar (Beschlüsse vom 12. August 2008 - BVerwG 1 WB 35.07 - BVerwGE 132, 1 a.a.O., vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 - und vom 1. Februar 2011 - BVerwG 1 WB 6.10 -). Im Falle eines ausgeführten oder anders erledigten Befehls ist ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO (hier in weiterer Verbindung mit § 22 WBO) ohne Weiteres zulässig, insbesondere unabhängig davon, ob der betroffene Antragsteller ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt hat.

26 b) Der Feststellungsantrag ist jedoch nicht begründet.

27 Die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers war rechtmäßig und hat diesen nicht in seinen Rechten verletzt.

28 Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle über die Verwendung nach pflichtgemäßem Ermessen. Das ihm nach § 3 Abs. 1 SG zustehende Verwendungsermessen hat das Bundesministerium der Verteidigung im Sinne der Gewährleistung einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis (Art. 3 Abs. 1 GG) unter anderem in den Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76), zuletzt geändert durch Erlass vom 9. Juni 2009 (VMBl S. 86) - im Folgenden: Versetzungsrichtlinien - gebunden. Die Praxis orientiert sich auch in den Fällen der vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung an den Versetzungsrichtlinien. Zu ihrer Umsetzung hat das Einsatzführungskommando der Bundeswehr spezifische Regelungen in der Handakte „Personalführung und -bearbeitung für Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr in besonderen Auslandsverwendungen“ (EinsFüKdoBw - J 1 - Az.: 16-01-00 vom 4. Januar 2008, für das vorliegende Verfahren maßgeblicher Stand: März 2012) - im Folgenden: Handakte - getroffen. Diese Praxis ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat, rechtlich nicht zu beanstanden (Beschlüsse vom 12. August 2008 a.a.O. m.w.N., vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 - und vom 22. März 2011 - BVerwG 1 WB 24.10 - Rn. 31).

29 Gemäß Nr. 4 1. Spiegelstrich der Versetzungsrichtlinien kann ein Soldat versetzt - hier: vorzeitig von einer besonderen Auslandsverwendung abgelöst - werden, wenn ein dienstliches Bedürfnis besteht. Die Fallkonstellationen eines dienstlichen Bedürfnisses sind in Nr. 806 der Handakte in Anlehnung an Nr. 5 der Versetzungsrichtlinien näher bestimmt. Die unter Berücksichtigung des dienstlichen Bedürfnisses zu treffende Ermessensentscheidung des zuständigen Vorgesetzten kann von den Wehrdienstgerichten darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist bei einem erledigten Anfechtungsantrag der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, spätestens aber der Zeitpunkt, in dem sich die angefochtene Maßnahme erledigt hat (vgl. Beschlüsse vom 12. August 2008 a.a.O. m.w.N., vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 - und vom 1. Februar 2011 - BVerwG 1 WB 6.10 -). Das war hier der 28. Februar 2013, der Zeitpunkt, an dem die Kommandierung des Antragstellers zum 29. Deutschen Einsatzkontingent ISAF ursprünglich enden sollte.

30 aa) Unter Beachtung dieser Maßgaben weist die Repatriierungsentscheidung des - nach Nr. 801 Abs. 2 der Handakte dafür zuständigen - Kontingentführers vom 19. Oktober 2012 in der Fassung des Beschwerdebescheids des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 1. Oktober 2013 keine materiellrechtlichen Fehler auf.

31 Für die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers bestand ein dienstliches Bedürfnis. Gemäß Nr. 806 4. Spiegelstrich der Handakte (in Anlehnung an Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien) liegt ein dienstliches Bedürfnis regelmäßig vor, wenn unannehmbare Belastungen des Dienstbetriebs durch Störungen, Spannungen oder Vertrauensverluste hervorgerufen werden, die nur durch vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung behoben werden können. Die generelle Frage, ob Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste unter den beiden genannten Voraussetzungen ein dienstliches Bedürfnis für die Repatriierung begründen, ist in den Grenzen des § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO gerichtlich voll überprüfbar. Jedoch kommt, soweit es die prognostische Beurteilung betrifft, welche Auswirkungen das Verhalten des Antragstellers auf den - durch die besonderen gegenseitigen Pflichtenbindungen insbesondere der §§ 10 - 12 SG geprägten - Dienstbetrieb hat, der Einschätzung des Kontingentführers (und im Beschwerdeverfahren: der dort zuständigen Stellen) ein auch vom Gericht zu beachtender Vorrang zu (Beschluss vom 22. März 2011 - BVerwG 1 WB 24.10 - Rn. 34 m.w.N.).

32 Die angefochtene Repatriierungsentscheidung vom 19. Oktober 2012 in der Fassung des Beschwerdebescheids des Generalinspekteurs der Bundeswehr gründet sich auf die im Ergebnis rechtsfehlerfreie Annahme, dass im September 2012 unannehmbare Belastungen des Dienstbetriebs im ... im 29. Deutschen Einsatzkontingent ISAF durch Vertrauensverluste zwischen dem Antragsteller und seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten eingetreten waren, die nur durch die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers behoben werden konnten. Die Vertrauensverluste finden ihre Grundlage in dem bis zum maßgeblichen Zeitpunkt (28. Februar 2013) noch nicht ausgeräumten Verdacht, dass der Antragsteller erhebliche schuldhafte Dienstpflichtverletzungen begangen hat.

33 Allerdings enthält die Ausgangsentscheidung des Kommandeurs des Deutschen Einsatzkontingents ISAF Ermessensfehler. Denn diese Entscheidung ist nicht von einer zutreffenden, vollständigen und richtig gedeuteten Tatsachenlage ausgegangen (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Ermessensentscheidung: Beschluss vom 22. März 2011 - BVerwG 1 WB 24.10 - Rn. 35 m.w.N.) und trägt auch den Abwägungserfordernissen einer Ermessensentscheidung über die Repatriierung eines Soldaten nicht hinreichend Rechnung.

34 Der Kontingentführer stützt seine Entscheidung über die Ablösung des Antragstellers darauf, dass „feststehe“, dass der Antragsteller gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe. Der Antragsteller wendet insoweit zu Recht ein, dass von einem feststehenden Dienstvergehen bisher nicht ausgegangen werden kann, weil das gegen ihn eingeleitete gerichtliche Disziplinarverfahren bisher nicht abgeschlossen ist. Mit seiner Einschätzung eines feststehenden Dienstvergehens geht der Kontingentführer inhaltlich auch über den Antrag des Kommandeurs ... auf Ablösung des Antragstellers hinaus, der lediglich mit dem hinreichenden Verdacht von Dienstpflichtverletzungen des Antragstellers begründet worden ist. Darüber hinaus mangelt es der Entscheidung des Kontingentführers teilweise an der hinreichenden Bestimmtheit der Vorwürfe, weil mit der Feststellung, aufgrund „weiterer Sachverhalte“ sei mit der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens zu rechnen, dem Antragsteller nicht ausreichend erkennbar gemacht wird, welche einzelnen Aspekte insgesamt Grundlage der Ablösungsentscheidung sein sollen. Nicht zuletzt lässt die Entscheidung des Kontingentführers eine Abwägung zu der Frage vermissen, ob die Belastungen des Dienstbetriebs am Einsatzort nur durch eine vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung behoben werden können oder alternative Maßnahmen in Betracht kommen. Die Entscheidung vom 19. Oktober 2012 wäre aus den genannten Gründen - für sich betrachtet - deshalb rechtswidrig.

35 In dem hier vorliegenden Fall, dass dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ein Beschwerdeverfahren vorangegangen ist, ist jedoch - wie oben bereits dargelegt - Gegenstand der Überprüfung nicht (isoliert) die ursprüngliche Maßnahme, sondern die Maßnahme in der Gestalt, die sie durch die Entscheidung über die Beschwerde und gegebenenfalls über die weitere Beschwerde erhalten hat. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat in dem Beschwerdebescheid vom 1. Oktober 2013 den Eintritt des Vertrauensverlustes nicht auf ein feststehendes Dienstvergehen, sondern ausdrücklich nur auf den Verdacht gestützt, dass der Antragsteller ein Dienstvergehen begangen habe; er hat die für die Repatriierung maßgeblichen Vorfälle im Einzelnen benannt und eine Bewertung der dazu vorliegenden Zeugenaussagen vorgenommen .

36 Der Generalinspekteur der Bundeswehr war zu dieser Korrektur der Gründe befugt. Die Beurteilung, ob ein dienstliches Bedürfnis im Sinne von Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien und gemäß Nr. 806 der Handakte vorliegt, ist nicht dem für die (Ausgangs-)Entscheidung über die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung zuständigen Kontingentführer persönlich vorbehalten. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geht die Zuständigkeit für diese Beurteilung vielmehr, wie auch sonst, auf den zur Entscheidung über die Beschwerde bzw. die weitere Beschwerde berufenen nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten über (vgl. dazu im Einzelnen: Beschluss vom 12. August 2008 a.a.O. Rn. 36).

37 Die Annahme, dass bereits aufgrund des gegen den Antragsteller bestehenden Verdachts eines Dienstvergehens ein dienstliches Bedürfnis für seine vorzeitige Ablösung bestanden habe, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

38 Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, können sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur aus einem feststehenden Dienstvergehen, sondern grundsätzlich auch schon aus dem Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung durch einen Soldaten ergeben (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 29. Mai 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 10.08 -, vom 12. August 2008 a.a.O., vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 - und vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 36.11 - Rn. 34 <insoweit jeweils nicht veröffentlicht in Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 9 = NZWehrr 2012, 77>). Hierfür genügen nicht beliebige aus der Luft gegriffene Beschuldigungen. Erforderlich ist - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein hinreichendes Maß an Konkretheit des Verdachts sowie ein hinreichendes Gewicht des Dienstvergehens, auf das sich der Verdacht bezieht (Beschlüsse vom 12. August 2008 a.a.O. und vom 25. Oktober 2011 a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

39 Bereits am Einsatzort in ... wurden gegen den Antragsteller Ermittlungen mit Vernehmungen des Antragstellers und zahlreicher Zeugen durchgeführt (§ 32 WDO), deren Ergebnisse die gegen ihn erhobenen Vorwürfe jedenfalls nicht als haltlos erscheinen ließen. Von einer Haltlosigkeit der Vorwürfe könnte man möglicherweise dann ausgehen, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hätte, dass insbesondere zwischen ihm und Hauptmann G. eine ungetrübte Arbeitsbeziehung bestand. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Der Antragsteller hat in der Begründung seiner weiteren Beschwerde (Schriftsatz vom 14. Juni 2013) selbst dargelegt, dass zwischen ihm und dem Kompaniechef Hauptmann G. „massive persönliche und fachliche Spannungen“ bestünden. Diese Spannungen referiert der Antragsteller auch in seiner Eingabe an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vom 20. November 2012.

40 Die Frage, ob die am Einsatzort angehörten Zeugen im Rahmen ihrer mehrfachen Vernehmungen am 2. Oktober 2012, am 7. Oktober 2012 und am 11. Oktober 2012 die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe schlüssig bestätigt haben und in ihrer Person jeweils glaubwürdig sind oder nicht bzw. ob einzelne Zeugen - unter Umständen mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Vernehmungspersonen - ihr Aussageverhalten verändert haben, wird das Truppendienstgericht im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu klären haben. Mit seinem umfangreichen Vorbringen gegen die disziplinaren Vorwürfe im vorliegenden Verfahren verkennt der Antragsteller, dass das Beschwerdeverfahren zur Überprüfung einer Repatriierungsentscheidung nicht an die Stelle eines (teilweise) sachgleichen gerichtlichen Disziplinarverfahrens tritt oder dessen Ergebnisse zu präjudizieren hat. Aufgabe des Repatriierungsverfahrens ist es allein, der Sicherung und Aufrechterhaltung eines geordneten militärischen Dienstbetriebs während eines Auslandseinsatzes zu dienen. Bei der hier in Rede stehenden Konstellation hängt die Zulässigkeit einer Repatriierung nicht davon ab, dass endgültig geklärt ist, ob der betroffene Soldat das Dienstvergehen, dessen er verdächtig ist, schuldhaft begangen hat (Beschluss vom 25. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 34).

41 Der gegen den Antragsteller bestehende Verdacht von schuldhaften Dienstpflichtverletzungen war am 28. Februar 2013 noch nicht ausgeräumt oder insoweit gemildert, dass er die Ablösung des Antragstellers nicht mehr hätte rechtfertigen können. Vielmehr hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der ... Panzergrenadier... dem Truppendienstgericht ... unter dem 9. Juli 2013 eine Anschuldigungsschrift übermittelt, die die wesentlichen der strittigen Repatriierung zugrunde liegenden Vorwürfe (mit Ausnahme eines Verstoßes gegen das Alkoholkonsumverbot) zum Gegenstand hat.

42 Dass die dem Antragsteller vorgehaltenen Verfehlungen - ihre Begehung unterstellt - ein erhebliches Gewicht haben, bedarf angesichts der spezifischen Gefährdungslage in einer besonderen Auslandsverwendung, die auch der Antragsteller selbst wiederholt hervorhebt, keiner näheren Begründung. Mit der Aufgabe eines Kompanieeinsatzoffiziers im Auslandseinsatz, insbesondere der Kompanieführung im täglichen Dienstbetrieb loyal zur Seite zu stehen, sind die vorgehaltenen Verhaltensweisen des Antragstellers, die auch für dienstgradniedrigere Soldaten der Kompanie wahrnehmbar waren, nicht in Einklang zu bringen. Da die Zeugen I., H. und W. in ihren Vernehmungen vom 2. Oktober 2012 bzw. vom 10. Oktober 2012 übereinstimmend ausgesagt haben, dass der Antragsteller seinen Unmut über den Kompaniechef Hauptmann G. stets öffentlich sichtbar gemacht habe, offensichtlich ein Problem mit Hauptmann G. habe und mehrmals pro Woche negative Äußerungen gegen die Kompanieführung von sich gebe, ist auch die Einschätzung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die dadurch eingetretenen Vertrauensverluste eine unannehmbare Belastung des Dienstbetriebs am Einsatzort darstellten.

43 Der vorzeitigen Beendigung des Auslandseinsatzes stand im Übrigen nicht entgegen, dass der Antragsteller das Amt einer Vertrauensperson innehatte.

44 Eine Vertrauensperson genießt gegen eine (Rück-)Kommandierung aus dem Ausland oder gegen die vorzeitige Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung keinen zusätzlichen Schutz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SBG (vgl. dazu im Einzelnen: Beschluss vom 12. August 2008 a.a.O. Rn. 41). Für einen Verstoß gegen das - hiervon unberührte - allgemeine Behinderungs- und Benachteiligungsverbot des § 14 Abs. 1 SBG gibt es keine Anhaltspunkte. Es ist vom Antragsteller weder dargelegt noch für den Senat ersichtlich, dass die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes in irgendeinem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Antragstellers als Vertrauensperson steht.

45 Die Einschätzung des Generalinspekteurs der Bundeswehr, dass die eingetretenen unannehmbaren Belastungen des Dienstbetriebs nur durch eine vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers behoben werden konnten, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei ist insofern insbesondere die Auffassung, dass ein weiteres Verbleiben des Antragstellers im Einsatz im Hinblick auf die ordnungsgemäße und effektive Auftragserfüllung des Einsatzkontingents nicht in Betracht gekommen sei, weil der Antragsteller nicht die Gewähr dafür geboten habe, nicht mehr als „Störerquelle“ vor Ort zu wirken. Das von mehreren Zeugen detailliert geschilderte Verhalten des Antragstellers legt den Schluss nahe, dass er nachhaltig und wiederholt nicht nur seinen Aversionen gegen Hauptmann G. freien Lauf gelassen hat, sondern auch anderen Personen der Kompanieführung und Soldaten außerhalb der Kompanie (z.B. Major T.) ein abfälliges und von Aversionen geprägtes Auftreten entgegengebracht hat. Daher ist die Einschätzung plausibel und nachvollziehbar, dass die Gefahr bestand, dass der Antragsteller auch bei einer anderweitigen Verwendung im 29. Deutschen Einsatzkontingent ISAF anderen Soldaten, mit denen er im täglichen Dienstbetrieb sachlich und effektiv zusammenarbeiten sollte, in einer Art und Weise hätte begegnen können, in der er mögliche Vorurteile, persönliche Abneigung oder sonstige Friktionen direkt und ungehemmt - auch gegenüber Dritten - zum Ausdruck bringt. Dass ein derartiges Verhalten angesichts der besonderen Anforderungen an Sicherheit und Ordnung im Einsatzkontingent nicht hinnehmbar wäre, versteht sich von selbst.

46 bb) Die Repatriierungsentscheidung weist auch keine formellen Fehler auf.

47 Der Kommandeur ... war gemäß Nr. 807 der Handakte als (damaliger) nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter des Antragstellers für den auf dienstliche Gründe gestützten Repatriierungsantrag sachlich zuständig. Er hatte eine Stellungnahme des nächsten Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers eingeholt. Er hat seinen Vorschlag gemäß Nr. 807 der Handakte ausführlich begründet und dem Antragsteller im Rahmen einer Anhörung Gelegenheit gegeben, zu der vorgeschlagenen vorzeitigen Beendigung der besonderen Auslandsverwendung Stellung zu nehmen. Diese Anhörung ist verfahrensfehlerfrei durchgeführt worden. Entgegen seiner gegenteiligen Behauptung hatte der Antragsteller hinreichende Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Maßnahme zu äußern. Eine besondere Ausgestaltung der Anhörung - etwa durch die vorherige Gewährung von Akteneinsicht - stand ihm in diesem Stadium des Verfahrens noch nicht zu. Ein Recht auf Akteneinsicht im Vorgriff auf eine Repatriierungsentscheidung ergibt sich weder aus § 3 Abs. 1 WDO, der über § 23a Abs. 1 WBO erst im Wehrbeschwerdeverfahren anwendbar ist, noch aus der Handakte. Darauf ist im Beschwerdebescheid des Generalinspekteurs der Bundeswehr zutreffend hingewiesen worden.

48 Der Umstand, dass die für die Offiziere des ... zuständige Vertrauensperson vor der Entscheidung des Kontingentführers nicht förmlich angehört worden ist, hat keine Rechte des Antragstellers verletzt.

49 Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus dem Soldatenbeteiligungsgesetz im Falle der vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung kein Anspruch auf Anhörung der Vertrauensperson; ein solcher Anspruch kann auch nicht durch Ermessensselbstbindung der Bundeswehr begründet werden (vgl. dazu im Einzelnen: Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 36.11 - a.a.O. Rn. 43 ff.). In Betracht kam deshalb lediglich - wie auch in Nr. 803 der Handakte vorgesehen - eine informelle Konsultation der Vertrauensperson zu der beabsichtigten Repatriierung. Diese ist durchgeführt worden; die Vertrauensperson hat sich am 18. Oktober 2012 zu der beabsichtigten Repatriierung des Antragstellers geäußert. Die Rügen des Antragstellers, die Vertrauensperson sei nicht voll umfänglich informiert worden und ihre Stellungnahme sei ihm, dem Antragsteller, nicht eröffnet worden, wirken sich deshalb auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablösungsentscheidung nicht aus.

50 Das Vorbringen des Antragstellers zu Äußerungen der Truppenpsychologin und zu Aspekten ihrer Schweigepflicht ist für die angefochtene Entscheidung ebenfalls ohne Relevanz, weil die Repatriierungsentscheidung nicht auf Äußerungen der Truppenpsychologin gestützt ist.

51 Ohne Erfolg beanstandet der Antragsteller im Übrigen, dass Generalmajor P. nicht berechtigt gewesen sei, einerseits die Repatriierungsentscheidung zu treffen und andererseits die Einleitungsverfügung vom 6. März 2013 zu erlassen. Die Zuständigkeit des Kontingentführers für die hier in Rede stehende Entscheidung ergibt sich aus Nr. 801 Abs. 2 Satz 1 der Handakte. Eine mögliche Koinzidenz dieser Zuständigkeit mit der wehrdisziplinarrechtlichen Zuständigkeit des Generalmajor P., nach seiner Rückkehr aus dem Einsatz als Kommandeur der ... Panzergrenadier... ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller einzuleiten, ist durch keine gesetzliche oder sonstige normative Regelung ausgeschlossen.