Verfahrensinformation

Die Verfahren betreffen die Rückforderung von Ausbildungskosten von ehemaligen Soldaten auf Zeit.


Die Kläger absolvierten als Soldaten ein Hochschulstudium (überwiegend Humanmedizin), verließen die Bundeswehr jedoch vor Ablauf ihrer Verpflichtungszeit. Die Beklagte forderte daraufhin die Ausbildungskosten zurück, die in der Mehrzahl der Fälle aus dem während des Studiums an einer zivilen Universität vom Bund erhaltenen Ausbildungsgeld bestanden. Des Weiteren wurden Kosten für Fachlehrgänge zurückgefordert, die die Soldaten nach Abschluss des Hochschulstudiums besuchten. Die zum Teil sechsstelligen Rückforderungssummen stundete die Beklagte bei einer Verzinsung von 4 % und räumte den ehemaligen Soldaten in Abhängigkeit von ihrer Vermögens- und Einkommenssituation Ratenzahlung ein.


Die hiergegen gerichteten Klagen haben in den Vorinstanzen in überwiegendem Umfang keinen Erfolg gehabt. In den teils von den Berufungsgerichten und teils vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen wird u. a. die Frage zu klären sein, ob die Zinshöhe von 4 % bei der Stundung einer öffentlich-rechtlichen Forderung angesichts der schon länger anhaltenden Niedrigzinsphase rechtmäßig ist.


Pressemitteilung Nr. 26/2017 vom 12.04.2017

Bundeswehrärzte, die ihren Dienst vorzeitig quittieren, müssen dem Bund die Ausbildungskosten erstatten

Soldaten auf Zeit, die auf Kosten des Bundes ein Hochschulstudium absolvieren, die Bundeswehr jedoch vor Ablauf ihrer Verpflichtungszeit verlassen, sind grundsätzlich verpflichtet, dem Bund die Ausbildungskosten zu erstatten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Bei den Klägern handelt es sich um ehemalige Soldaten auf Zeit, die während ihrer Bundeswehrzeit auf Kosten des Bundes ein Hochschulstudium absolviert haben, in der großen Mehrheit der Fälle Humanmedizin. Nach der Verpflichtungserklärung der Kläger hätten diese für einen Zeitraum von rd. zehn Jahren nach Abschluss des Studiums in der Bundeswehr als Sanitätsoffiziere Dienst leisten müssen. Die Kläger haben jedoch bereits nach etwa zwei bis drei Jahren die Bundeswehr verlassen, um einer zivilen Berufstätigkeit nachzugehen. Der Bund hat daraufhin von den Klägern das während des Studiums erhaltene Ausbildungsgeld von monatlich rd. 1 800 € sowie Fachausbildungskosten zurückgefordert, die nach dem Studium während der Tätigkeit als Sanitätsoffizier entstanden sind. Zur Begleichung der durchweg sechsstelligen Rückforderungssummen hat der Bund im Rahmen des ihm zur Vermeidung von Härtefällen eingeräumten Ermessens den Klägern Stundung und Ratenzahlung gewährt. Für die gestundeten Beträge wurde ein Zinssatz von 4 % festgesetzt.


Die hiergegen gerichteten Klagen und Berufungsverfahren sind in ganz überwiegendem Umfang ohne Erfolg geblieben. Einige Verwaltungsgerichte haben mit Blick auf die anhaltende Niedrigzinsphase den Zinssatz abgesenkt. Die teilweise umfänglich und teilweise nur wegen der Festsetzung von Zinsen zugelassenen Revisionen haben zum Teil Erfolg gehabt.


Grundsätzlich hat der Bund zu Recht das während des Studiums gewährte Ausbildungsgeld und die im Anschluss entstandenen Fachausbildungskosten zurückgefordert. Die gesetzlich vorgesehene Rückzahlungsverpflichtung verletzt nicht das Eigentumsrecht des ehemaligen Soldaten, sondern sie stellt einen angemessenen Ausgleich für die berechtigten, jedoch enttäuschten Erwartungen des Bundes dar, dass ihm der Soldat die auf Kosten des Bundes erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten bis zum Ende der Verpflichtungszeit zur Verfügung stellen wird. Der Rückzahlungsverpflichtung kommt auch eine verhaltenssteuernde Wirkung zu. Sie soll Soldaten davon abhalten, entgegen ihrer Verpflichtungserklärung vorzeitig ihren Dienst aufzugeben und so die Personalplanung und Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr zu gefährden. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht seine ständige Rechtsprechung bestätigt.


In zwei Punkten ist jedoch eine Korrektur an der Berechnungspraxis der Bundeswehr vorzunehmen. So ist es im Hinblick auf die Härtefallregelung ermessensfehlerhaft, wenn Zeiten, in denen approbierte Sanitätsoffiziere vollen Dienst als Arzt in einem Bundeswehrkrankenhaus leisten, nicht zur Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung führen (sog. Abdienquote). Das gilt auch dann, wenn sie zu dieser Zeit eine einer zivilen Facharztausbildung ähnliche Fachausbildung erhalten. Maßgeblich ist allein, dass sie mit der ärztlichen Tätigkeit nach den Vorgaben der Bundeswehr die berechtigten Erwartungen des Bundes an ihre Dienstleistung als Arzt erfüllen.


Zudem ist die Festsetzung von Zinsen rechtswidrig. Hierfür fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Die Ermessensvorschrift, welche dem Bund den (Teil-) Verzicht auf die Rückforderung in Härtefällen erlaubt, kann nicht herangezogen werden, um zusätzliche Belastungen wie Zinsen zu rechtfertigen.


Fußnote:

§ 56 Abs. 4 Soldatengesetz 1995 lautet:


Ein Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, muß die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er auf seinen Antrag entlassen worden ist oder er seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Ein Sanitätsoffizier-Anwärter muß das ihm gewährte Ausbildungsgeld erstatten, wenn er


1. seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nicht zugestimmt hat, es sei denn, daß seine Dienstzeit im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf Grund freiwilliger Verpflichtung auf die Dauer von fünfzehn Jahren festgesetzt wird,


2. auf seinen Antrag entlassen worden ist oder


3. seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.


Auf die Erstattung kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde.


BVerwG 2 C 16.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 5 LB 156/15 - Urteil vom 26. April 2016 -

VG Braunschweig, 7 A 144/13 - Urteil vom 24. März 2015 -

BVerwG 2 C 5.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Münster, 1 A 10/14 - Urteil vom 24. Februar 2016 -

VG Köln, 9 K 6900/12 - Urteil vom 15. November 2013 -

BVerwG 2 C 8.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Münster, 1 A 9.14 - Urteil vom 24. Februar 2016 -

VG Köln, 9 K 4155/12 - Urteil vom 15. November 2013 -

BVerwG 2 C 14.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 5 LB 154/15 - Urteil vom 26. April 2016 -

VG Göttingen, 1 A 142/13 - Urteil vom 11. März 2015 -

BVerwG 2 C 15.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 5 LB 61/15 - Urteil vom 26. April 2016 -

VG Hannover, 2 A 3282/13 - Urteil vom 16. Oktober 2014 -

BVerwG 2 C 4.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Münster, 1 A 335/14 - Urteil vom 24. Februar 2016 -

VG Düsseldorf, 10 K 5420/13 - Urteil vom 30. Dezember 2013 -

BVerwG 2 C 23.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, 4 S 2237/15 - Urteil vom 06. Juli 2016 -

VG Stuttgart, 6 K 3626/14 - Urteil vom 20. Oktober 2015 -

BVerwG 2 C 24.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, 4 S 1492/15 - Urteil vom 06. Juli 2016 -

VG Sigmaringen, 7 K 1974/13 - Urteil vom 31. März 2015 -

BVerwG 2 C 29.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Koblenz, 10 A 10935/14.OVG - Urteil vom 06. Februar 2105 -

VG Koblenz, 1 K 381/13.KO - Urteil vom 08. Januar 2014 -

BVerwG 2 C 47.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Koblenz, 10 A 10933/14 - Urteil vom 06. Februar 2015 -

VG Koblenz, 1 K 629/13.KO - Urteil vom 08. Januar 2014 -

BVerwG 2 C 48.16 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Koblenz, 10 A 10931/14.OVG - Urteil vom 06. Februar 2015 -

VG Koblenz, 1 K 1166/12.KO - Urteil vom 08. Januar 2014 -

BVerwG 2 C 3.17 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 13/15 - Urteil vom 10. März 2017 -

VG Schleswig, 12 A 26/13 - Urteil vom 04. Dezember 2014 -

BVerwG 2 C 1.17 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Münster, 1 A 795/14 - Urteil vom 20. Juli 2016 -

VG Düsseldorf, 10 K 9026/12 - Urteil vom 19. Februar 2014 -

BVerwG 2 C 2.17 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Münster, 1 A 797/14 - Urteil vom 20. Juli 2016 -

VG Düsseldorf, 10 K 9101/12 - Urteil vom 04. März 2014 -

BVerwG 2 C 9.17 - Urteil vom 12. April 2017

Vorinstanzen:

OVG Münster, 1 A 829/14 - Urteil vom 09. November 2016 -

VG Düsseldorf, 10 K 3411/13 - Urteil vom 19. Februar 2014 -


Beschluss vom 23.01.2017 -
BVerwG 2 B 68.16ECLI:DE:BVerwG:2017:230117B2B68.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.01.2017 - 2 B 68.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:230117B2B68.16.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 68.16

  • VG Düsseldorf - 04.03.2014 - AZ: VG 10 K 9101/12
  • OVG Münster - 20.07.2016 - AZ: OVG 1 A 797/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Januar 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2016 wird aufgehoben, soweit in dem Urteil die Klage bezüglich des festgesetzten jährlichen Zinssatzes von 4 % für die gestundete Forderung abgewiesen wird. In diesem Umfang wird die Revision zugelassen.
  2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2016 zurückgewiesen.
  3. Soweit die Beschwerde zurückgewiesen wird, trägt der Kläger die Gerichtskosten; im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Von den außergerichtlichen Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger 24/25. Die Entscheidung über die restlichen Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 133 334,21 € und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf 5 333,37 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Kläger, ein ehemaliger Arzt im Sanitätsdienst der Bundeswehr, wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungsgeld und Fachausbildungskosten.

2 In der Verpflichtungserklärung des Klägers aus dem Jahr 1998, auf deren Grundlage er als Anwärter in die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes übernommen und in das Soldatenverhältnis auf Zeit berufen wurde, bestätigte er unter anderem, dass ihm bekannt sei, dass er während der Beurlaubung zum Studium bezogenes Ausbildungsgeld zu erstatten habe, wenn er auf eigenen Antrag aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen werde. Von 1999 bis 2005 war der Kläger zum Medizinstudium beurlaubt, 2001 wurde sein Dienstzeitende auf den Ablauf des 31. August 2016 festgesetzt. Im Dezember 2005 wurde ihm die Approbation als Arzt erteilt und er zum Stabsarzt ernannt. In der Folgezeit absolvierte er mehrere Fort- und Weiterbildungen.

3 Der Kläger wurde mit Wirkung vom Juli 2008 in ein Beamtenverhältnis auf Zeit bei einer Universität berufen, sodass er mit Ablauf des Juni 2008 aus dem Soldatenverhältnis entlassen wurde. Daraufhin forderte die Beklagte mit Leistungsbescheid den Kläger auf, das ihm als Sanitätsoffizier-Anwärter gewährte Ausbildungsgeld sowie im Rahmen seiner ärztlichen Aus- und Weiterbildungen entstandene Fachausbildungskosten (insgesamt ca. 133.000 €) zu erstatten. Die Beklagte gewährte dem Kläger eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 900 € und setzte die Stundungszinsen auf 4 % fest. Widerspruch und Klage hiergegen blieben ebenso ohne Erfolg wie die vom Berufungsgericht zugelassene Berufung des Klägers. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Rückforderung des Ausbildungsgeldes und der Fachausbildungskosten vorlägen; auch die von der Beklagten getroffene Regelung zu den Ratenzahlungen sei nicht zu beanstanden.

4 2. Die Revision ist hinsichtlich der Frage zuzulassen,
ob angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus eine Verzinslichstellung des gestundeten Betrags von 4 % zulässig ist.

5 Zu der Frage, ob es auch angesichts der derzeitigen langjährigen Niedrigzinsphase noch zulässig ist, einen Zins in Höhe von 4 % für die Stundung von Rückzahlungsforderungen zu erheben, gibt es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Frage wird unter den Oberverwaltungsgerichten unterschiedlich beurteilt (vgl. OVG Weimar, Urteil vom 12. November 2015 - 2 KO 171/15 - juris Rn. 33 einerseits, OVG Münster, Urteil vom 24. Februar 2016 - 1 A 335/14 - juris Rn. 75 ff. andererseits). Die Revision ist deshalb wegen dieser Frage zuzulassen.

6 3. Im Übrigen ist die Revision nicht zuzulassen, weil der Kläger keinen (weiteren) Zulassungsgrund dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), die Nichtzulassungsbeschwerde ihrem Umfang nach aber auch nicht auf die den Gegenstand der Zulassung bildende Zinsfrage beschränkt hat.

7 4. Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Beschwerde zurückgewiesen wird, aus § 154 Abs. 2 VwGO. Soweit die Revision zugelassen wird (hinsichtlich der Höhe der Stundungszinsen), bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

8 Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde, die nur hinsichtlich eines Teils eines (teilbaren) Streitgegenstandes Erfolg hat, bedarf es einer Aufspaltung des Kostenausspruchs hinsichtlich der Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 <a.E.> i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 GKG) einerseits und der außergerichtlichen Kosten andererseits. Dies beruht darauf, dass die erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde (teilweise) gesonderte Kosten auslöst: Für die Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich dies aus § 16 Nr. 11 RVG. Diese außergerichtlichen Kosten können im Streitfall derzeit noch nicht verteilt werden, weil über diesen Teil des Streitgegenstandes noch nicht entschieden ist. Eine Gerichtsgebühr fällt dagegen für die erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde nicht an (vgl. die Anmerkung nach Nr. 5501 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Daher kann der Senat als Beschwerdegericht derzeit nur aussprechen, dass der Kläger die Gerichtsgebühren für den erfolglosen Teil der Beschwerde - insoweit abschließend und zur Gänze - und hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens anteilig zu tragen hat, wobei sich insoweit die Quote ihrer Kostentragungslast nach dem Wert des erfolglosen Teils der Beschwerde im Verhältnis zum Gesamtwert des Beschwerdegegenstandes richtet. Dieser beträgt hier 96 v.H. oder 24/25. Zwar sind die Stundungszinsen, wegen deren Höhe die Revision zugelassen wird, eine Nebenforderung, die neben dem Hauptanspruch (dem geltend gemachten Rückforderungsbetrag gemäß § 56 Abs. 4 SG) nicht streitwerterhöhend wirkt (§ 43 Abs. 1 GKG); im Revisionsverfahren dagegen ist diese Nebenforderung, weil der Hauptanspruch nicht betroffen ist, die maßgebliche Größe für die Bemessung des Streitwerts (§ 43 Abs. 2 GKG). Dies führt zu einer Kostenquotelung trotz vollständigen Unterliegens hinsichtlich des Hauptanspruches.

9 Soweit die Beschwerde Erfolg hat und die Revision zugelassen wird, bleibt die Entscheidung über die Kosten, also hinsichtlich der restlichen (außergerichtlichen) Kosten des Beschwerdeverfahrens, der Schlussentscheidung vorbehalten (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - V ZR 343/02 - NJW 2004, 1048 f. = juris Rn. 6; BFH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - VII B 147/04 - BFHE 208, 404 <401> = juris Rn. 20; BAG, Beschluss vom 23. März 2010 - 9 AZN 979/09 - NJW 2010, 1625 <1627> = juris Rn. 33 f.; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 154 Rn. 52 m.w.N. in Fn. 21).

10 Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung beruht für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 43 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 3 GKG und für das Revisionsverfahren auf § 43 Abs. 2, § 52 Abs. 3 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Soweit die Revision zugelassen worden ist, wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 2.17 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 12.04.2017 -
BVerwG 2 C 2.17ECLI:DE:BVerwG:2017:120417U2C2.17.0

Urteil

BVerwG 2 C 2.17

  • VG Düsseldorf - 04.03.2014 - AZ: VG 10 K 9101/12
  • OVG Münster - 20.07.2016 - AZ: OVG 1 A 797/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther
am 12. April 2017 für Recht erkannt:

  1. Der Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 19. Januar 2011 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 27. November 2012 und der Änderung vom 23. Juli 2015 wird insoweit aufgehoben, als darin Zinsen festgesetzt werden.
  2. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2016 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. März 2014 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  3. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei der Rückforderung der Kosten des Studiums und der Fachausbildung nach vorzeitiger Beendigung des Soldatenverhältnisses auf Zeit Zinsen für gestundete Beträge erhoben werden dürfen.

2 Der Kläger wurde 1998 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in die Bundeswehr eingestellt und in das Soldatenverhältnis auf Zeit berufen. Das Dienstzeitende wurde für das Jahr 2016 festgesetzt. Von 1999 bis 2005 absolvierte er unter Beurlaubung vom militärischen Dienst erfolgreich ein Studium der Humanmedizin.

3 Am 1. Juli 2008 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat einer deutschen Universität ernannt. Damit endete zugleich das Soldatenverhältnis auf Zeit.

4 Mit Leistungsbescheid vom 19. Januar 2011 forderte die Beklagte den Kläger nach Anhörung zur Erstattung des ihm gewährten Ausbildungsgeldes sowie der entstandenen Fachausbildungskosten in Höhe von insgesamt 133 334,21 € unter Gewährung einer verzinslichen Stundung durch Einräumung von Ratenzahlung auf. Die Stundungszinsen in Höhe von 4 % sollten mit der Bestandskraft des Bescheids erhoben werden.

5 Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, dass die Erhebung von Stundungszinsen bereits vor Bestandskraft in Höhe von 4 % nicht zu beanstanden sei.

6 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit in dem Berufungsurteil die Klage bezüglich des festgesetzten jährlichen Zinssatzes von 4 % für die gestundete Forderung abgewiesen worden ist. Im Übrigen hat es die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

7 Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 19. Januar 2011 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 27. November 2012 aufzuheben, soweit darin ein jährlicher Zinssatz von 4 % für die gestundete Forderung festgesetzt wird, und die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2016 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. März 2014 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

8 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

9 Die Revision ist zulässig und begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht insoweit, als es für rechtens angesehen hat, dass Zinsen in Bezug auf die Rückforderungssumme erhoben werden.

10 Die Forderung von Zinsen ist rechtswidrig. Wegen ihres Eingriffscharakters bedarf es für ihre Erhebung einer gesetzlichen Grundlage (1.). Eine solche ist hier nicht gegeben (2.). Die Zinshöhe von 4 % als solche ist nicht zu beanstanden (3.).

11 1. Die Erhebung von Zinsen stellt einen zusätzlichen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung des Rückzahlungsverpflichteten dar. Durch die Erhebung von Zinsen bei eingeräumter Ratenzahlung steigt die Gesamtrückzahlungssumme wie auch die Rückzahlungsdauer in wesentlichem Umfang. Der ehemalige Soldat wird hierdurch nicht selten über Jahre hinweg zu weiteren monatlichen Zahlungen im dreistelligen Bereich gezwungen. Für einen solchen Eingriff in das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. In der Regel wird hierfür sogar ein förmliches Parlamentsgesetz erforderlich sein. Denn die Pflicht des Gesetzgebers, Eingriffsregelungen selbst zu regeln, steigt mit der Wesentlichkeit des Eingriffs (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff. m.w.N.). Entsprechend hat der Gesetzgeber in anderen Konstellationen, in denen der Staat dem Bürger Zahlungsverpflichtungen gegen Ratenzahlung stundet, Regelungen getroffen, die ausdrücklich zur Erhebung von Zinsen ermächtigen, wobei auch die Zinshöhe gesetzlich bestimmt wird. Exemplarisch kann auf die Regelungen in § 234 Abs. 1 und § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG oder § 50 Abs. 2a Satz 1 SGB X verwiesen werden.

12 2. Im Bereich des Soldatenrechts fehlt eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Die Forderung von Zinsen kann nicht auf § 56 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 gestützt werden. Diese Norm zielt allein darauf, die Rückzahlungsverpflichtung für den ehemaligen Soldaten in Fällen besonderer Härte zu erleichtern. Dem Wortlaut nach ermöglicht sie allein den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Forderung. Zu Recht wird die Norm jedoch so ausgelegt, dass sie auch zu einer Stundung unter Einräumung von Ratenzahlung ermächtigt. Denn auch hierbei verzichtet der Dienstherr teilweise auf den vollständigen ökonomischen Wert der Forderung, welche dem Grunde nach sofort und vollständig zu befriedigen ist. Die Erhebung von Zinsen stellt demgegenüber eine zusätzliche und eigenständige Belastung des ehemaligen Soldaten dar. Sie liegt außerhalb von Sinn und Zweck der Norm, der allein in der Entlastung des ehemaligen Soldaten, nicht aber in seiner zusätzlichen Belastung besteht.

13 Die Zinsforderung kann auch nicht auf § 59 BHO gestützt werden. Nach dieser Vorschrift darf das zuständige Bundesministerium bei der Ausführung des Haushaltsplans Ansprüche stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch Stundung nicht gefährdet wird. Die Stundung soll gemäß Satz 2 dieser Vorschrift gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Gemäß Ziffer 1.4.1 der Verwaltungsvorschrift zu § 59 BHO sind als angemessene Verzinsung regelmäßig zwei Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB anzusehen. Die Vorschrift findet auf den hier relevanten Sachverhalt keine Anwendung, weil es sich bei dem Erstattungsanspruch nicht um eine "zu erwartende Einnahme" des Haushaltsplans im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BHO handelt. Solche sind nur bei denjenigen Haushaltsmitteln gegeben, von den zu erwarten ist, dass sie in der Haushaltsperiode tatsächlich kassenwirksam werden (vgl. Aprill, in: Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand Juni 2016, § 11 BHO, Rn. 5; Gröpl, BHO/LHO, 2011, § 11 BHO Rn. 32). Naturgemäß können Rückforderungen, welche ihren Sachgrund in der außerordentlichen, vorzeitigen Beendigung des Soldatenverhältnisses haben, nicht vom Haushaltsgesetzgeber schon im Haushaltsplan berücksichtigt worden sein.

14 Die Regelungen der Bundeshaushaltsordnung können auch nicht entsprechend angewendet werden, da eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht gegeben ist. § 59 BHO geht davon aus, dass eine Stundung regelmäßig nur gegen Sicherheitsleistung erfolgt, die im Bereich des § 56 Abs. 4 SG 1995 nicht vorgesehen ist. Außerdem ist bei § 56 Abs. 4 SG 1995 zu berücksichtigen, dass der Rückforderung nicht allein fiskalische, sondern auch verhaltenslenkende Motive des Gesetzgebers zugrunde liegen (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2014 - 2 B 96.13 - Buchholz 449 § 46 SG Nr. 22 Rn. 7 f. m.w.N.).

15 3. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die von der Revision angegriffene Zinshöhe unbedenklich ist.

16 Sie bewegt sich mit vier % im Rahmen dessen, was auch andere gesetzliche Regelungen bei der Stundung durch die öffentliche Hand vorsehen. Die Zinsen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betragen für jeden Monat einhalb %, jährlich also 6,0 %. Denselben Wert sieht § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG bei Überschreiten des Zahlungstermins um mehr als 45 Tage vor. Zinsen nach § 50 Abs. 2a Satz 1 SGB X wie auch Verzugs- und Prozesszinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 Satz 1 und 2 BGB liegen bei fünf % über dem Basiszinssatz. Dieser betrug zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - 0,13 %, was zu einer Zinshöhe von 4,87 % führte. Lediglich der bereits angesprochene Zinssatz gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 BHO führte zu einem deutlich niedrigeren Zinssatz von 1,87 %. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die genannten gesetzlichen Vorschriften die Stundung nur gegen Sicherheitsleistung kennen, was den wirtschaftlichen Wert der Forderung für den Gläubiger erheblich steigert.

17 Der Gesetzgeber wäre bei der Regelung der Zinshöhe keineswegs gehalten, sich an den gegenwärtig sehr günstigen Zinsen für Baufinanzierungsdarlehen zu orientieren. Denn für diese besteht regelmäßig eine dingliche Sicherheit, die bei der Rückforderung der Ausbildungskosten nicht gegeben ist. Soweit überhaupt eine Orientierung an Marktzinsen angemessen sein sollte, erscheint der Bezug zu ungesicherten Verbraucherkrediten oder Ausbildungsdarlehen - etwa der Kreditanstalt für Wiederaufbau - eher sachgerecht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 1. Juni 2015 - 1 A 930/14 - juris Rn. 65 ff.).

18 Eine Orientierung des Zinsniveaus an den Refinanzierungskosten des Bundes (so OVG Weimar, Urteil vom 12. November 2015 - 2 KO 171/15 - juris Rn. 33; VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 - 5 K 2265/12 - juris Rn. 97) erscheint denkbar, aber gerade vor dem Hintergrund der auch verhaltenslenkenden Funktion der Rückzahlungsverpflichtung keinesfalls zwingend. Der Gesetzgeber hätte bei der Regelung der Zinshöhe zudem zu beachten, dass diese - anders als die Höhe der monatlichen Rate - nicht der ständigen Anpassung unterliegt und damit auch für längerfristige Rückzahlungsphasen geeignet sein muss.

19 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.