Urteil vom 13.05.2009 -
BVerwG 9 A 72.07ECLI:DE:BVerwG:2009:130509U9A72.07.0
Leitsätze:
1. Es entspricht nicht den Vorgaben des § 41 BImSchG, die Unverhältnismäßigkeit der Kosten aktiven Lärmschutzes allein daraus herzuleiten, dass die nach § 42 Abs. 2 BImSchG zu leistenden Entschädigungen für passiven Lärmschutz - wie regelmäßig - erheblich billiger wären.
2. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 41 Abs. 2 BImSchG ist grundsätzlich zunächst zu untersuchen, was für eine die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte vollständig sicherstellende Schutzmaßnahme aufzuwenden wäre (sog. Vollschutz). Erweist sich dieser Aufwand als unverhältnismäßig, sind schrittweise Abschläge vorzunehmen, um so die mit gerade noch verhältnismäßigem Aufwand zu leistende maximale Verbesserung der Lärmsituation zu ermitteln. In Baugebieten sind dem durch die Maßnahme insgesamt erreichbaren Schutz der Nachbarschaft grundsätzlich die hierfür insgesamt aufzuwendenden Kosten gegenüberzustellen und zu bewerten.
3. Bei welcher Relation zwischen Kosten und Nutzen die Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes für aktiven Lärmschutz anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ziel der Bewertung der Kosten hinsichtlich des damit erzielbaren Lärmschutzeffekts muss eine Lärmschutzkonzeption sein, die auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Lärmbetroffenen vertretbar erscheint.
4. Kriterien für die Bewertung des Schutzzwecks sind die Vorbelastung, die Schutzbedürftigkeit und Größe des Gebietes, die Zahl der betroffenen Personen sowie das Ausmaß der für sie prognostizierten Grenzwertüberschreitungen und des zu erwartenden Wertverlustes der betroffenen Grundstücke. Innerhalb von Baugebieten sind bei der Kosten-Nutzen-Analyse insbesondere Differenzierungen nach der Zahl der Lärmbetroffenen zulässig und geboten (Betrachtung der Kosten je Schutzfall).
Urteil des 9. Senats vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 72.07
Urteil
BVerwG 9 A 72.07
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ
am 13. Mai 2009 für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 19. Oktober 2007 für den Ausbau und die Verlegung der Bundesautobahn A 4 zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
2 Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks B1 im Ortsteil Buir der Stadt Kerpen, das mit einem seit 1986 von seiner Familie genutzten Wohnhaus bebaut ist.
3 Ende 1976 stellte der Braunkohlenausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen den Braunkohlenplan „Teilplan 12/1 - Hambach - Abbau- und Außenhaldenfläche des Tagebaus Hambach“ auf. Im Juni 1977 wurde dieser Plan vom Ministerpräsidenten genehmigt und bekannt gemacht. Der Plan sieht eine Abbau- und Haldenfläche von ca. 85 km² vor. Im Abbaugebiet können ca. 2,5 Mrd. t Braunkohle gewonnen werden. Bei einer geplanten jährlichen Fördermenge von ca. 50 Mio. t soll der Abbau des gesamten Feldes bis etwa 2045 andauern.
4 Im März 1978 ließ das Bergamt Köln zunächst zwei Rahmenbetriebspläne für eine Teilfläche von 23 km² und den dortigen Abbau bis 1995 zu. Mit der entsprechenden Kohlegewinnung wurde 1984 begonnen. Im August 1995 ließ das Bergamt Düren einen weiteren Rahmenbetriebsplan zu, mit dem der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen der Abbau einer anschließenden weiteren Teilfläche im Zeitraum von 1996 bis 2020 erlaubt wurde. Diese Teilfläche reicht im Süden bis über die bestehende vierstreifige Bundesautobahn A 4 im Bereich zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen hinweg.
5 Im September 2000 übersandte das Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Unterlagen für die Verlegung der A 4 im Bereich zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen zur Bestimmung der Planung und Linienführung mit dem Vorschlag, von den geprüften sieben Trassenvarianten die Variante 2a als günstigste zu bestimmen.
6 Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie für dieses Verfahren war im April 1994 eine Verkehrsuntersuchung der AGEVA Verkehrstechnik GmbH vorgelegt worden, um festzustellen, ob für den Wegfall der im künftigen Abbaugebiet liegenden bisherigen Anschlussstelle Buir eine oder mehrere Ersatzanschlussstellen erforderlich sind. Im Rahmen der dieser Untersuchung vorangegangenen Erhebungen waren am 15. Mai 1990, einem Dienstag, von 6 bis 9 Uhr und 15 bis 19 Uhr Verkehrszählungen an sieben Knotenpunkten („Knotenstromzählungen“), u.a. an den Anschlussstellen Düren, Buir und Kerpen, sowie „Kennzeichenerfassungszählungen“ an 27 Querschnitten durchgeführt worden, nicht jedoch solche Zählungen an der A 4 selbst. Die in dieser Untersuchung ermittelten Verkehrsbelastungen bildeten die Grundlage einer Verkehrsprognose für das Jahr 2015.
7 Mit Schreiben vom 19. Januar 2001 bestimmte das Bundesministerium gegenüber dem Land die von diesem vorgeschlagene Linienführung. Danach soll die bisher ca. 2,5 km von Buir entfernte Autobahn im Raum Buir zwischen den beiden Ersatzanschlussstellen Ellen und Geilrath künftig unmittelbar nördlich parallel der Eisenbahnstrecke Aachen-Köln verlaufen, die hier als Schnellbahnstrecke mit einem separaten S-Bahn-Gleis ausgebaut ist und am nördlichen Rand der Ortslage Buir entlangführt. Das Grundstück des Klägers befindet sich etwa 120 m südöstlich der vorgesehenen Trasse.
8 Für die Erstellung der Unterlagen zur Vorentwurfsplanung nahm die IGEPA Verkehrstechnik GmbH im Januar 2003 eine Fortschreibung der Verkehrsuntersuchung von 1994 mit einer Verkehrsprognose für das Jahr 2020 vor. Dafür wurden im September 2001 in unmittelbarer Nähe der bei den früheren Kennzeichenerfassungszählungen betrachteten Querschnitte neue Knotenstromzählungen ohne Kennzeichenerfassung für den Zeitraum von 15 bis 19 Uhr durchgeführt, um die Entwicklung der Analysedaten zu überprüfen. Ferner wurden an ausgewählten Knoten „24-Stunden-Zählungen“ für insgesamt 17 Querschnitte vorgenommen, um die durchschnittliche werktägliche Verkehrsstärke ortsspezifisch zu ermitteln. Solche 24-Stunden-Zählungen wurden darüber hinaus nunmehr auch für die A 4 selbst durchgeführt, und zwar an je einem Querschnitt westlich und östlich der Anschlussstelle Buir. Diese beiden Zählungen erfolgten am 4. September 2001 von 7 bis 19 Uhr, wurden dann wegen erheblicher Stauerscheinungen unterbrochen und am nächsten Tag um 19 Uhr bis zum darauffolgenden Morgen um 7 Uhr fortgesetzt. Alle diese Erhebungen wurden knotenstrombezogen und getrennt nach Pkw und Lkw ausgewertet und zu den jeweiligen - richtungsgetrennten - Querschnittsbelastungen zusammengefasst.
9 Mit den so ermittelten Verkehrszahlen erarbeitete das Ingenieurbüro Lohmeyer GmbH & Co. KG im Juli 2004 lufthygienische Untersuchungen zum Schadstoffaufkommen durch den Verkehr auf den bestehenden und den geplanten Straßen im Bezugsjahr 2011.
10 Für das nunmehr anstehende Planfeststellungsverfahren verfasste die IGEPA Verkehrstechnik GmbH im März 2005 eine neuerliche Verkehrsuntersuchung, in der die bisherigen Untersuchungsergebnisse nochmals überprüft bzw. aktualisiert werden sollten. Neue Kennzeichenerfassungserhebungen zur Überprüfung bzw. Fortschreibung der Untersuchungsergebnisse von 1994 hielt sie dabei nicht für erforderlich, da sich die betrachteten Siedlungs- und Netzstrukturen seit damals nicht gravierend verändert hätten. Die etwa im Jahre 2002 fertig gestellte Ortsumgehung Blatzheim habe allerdings nicht detailliert berücksichtigt werden können, da kein verwendbares Datenmaterial bezüglich der daraus resultierenden Verkehrsverlagerungen zur Verfügung gestanden habe. Insofern sei die Darstellung der Prognosebelastungen im unmittelbaren Bereich der Ortslage Blatzheim „ausgespart“. Die grundsätzlichen Quelle-Ziel-Beziehungen hinsichtlich der neuen Anschlussstelle Geilrath seien jedoch in der Ursprungsuntersuchung von 1994 berücksichtigt, und die Ortslage Blatzheim könne durch die Ortsumgehung nur entlastet werden.
11 Die für 2020 zu erwartende Verkehrsentwicklung sei auf der Grundlage der Belastungsdaten der Bundesverkehrszählung 2000 aus dem im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen erstellten Gutachten „Verkehrsprognose 2015 für die Bundesverkehrswegeplanung“ vom April 2001 abgeleitet worden. Die werktäglichen Verkehrsbelastungen der A 4 zwischen Düren und Kerpen lägen gemäß der Bundesverkehrszählung 2000 bei ca. 63 640 Kfz/24 h mit einem Lkw-Anteil von ca. 25 % = 15 900 Lkw/24 h. Für die Prognose des Güterverkehrs sei das im Gutachten von 2001 vorgestellte „Integrationsszenario“ mit einer Zuwachsrate von 60,4 % in den Jahren 1997 bis 2015 angenommen worden, für die Prognose des Personenverkehrs das „Trendszenario“ mit einer Zuwachsrate von 22,1 % im selben Zeitraum. Daraus ergäben sich für 2020 Prognosebelastungsdaten von ca. 86 000 Kfz/24 h im Abschnitt der A 4 zwischen den künftigen Anschlussstellen Ellen und Geilrath, davon 30,9 % = 26 570 Lkw/24 h.
12 Ebenfalls im März 2005 legte das Ingenieurbüro IBK Dipl.-Ing. Kals auf der Grundlage der Ergebnisse der Verkehrsuntersuchungen der IGEPA Verkehrstechnik GmbH eine schalltechnische Untersuchung vor.
13 Im März 2005 reichte der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen den Plan für den sechsstreifigen Ausbau und die Verlegung der A 4 zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen (Bau-km 32+350 bis 49+943) bei der Bezirksregierung Köln zur Durchführung des Anhörungsverfahrens ein. Die Bezirksregierung veranlasste, dass der Plan nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung in der Stadtverwaltung Kerpen vom 2. Mai bis zum 1. Juni 2005 ausgelegt wurde. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis, dass jeder bis zum 30. Juni 2005 bei der Bezirksregierung oder der Stadtverwaltung Einwendungen gegen den Plan erheben könne. Die Einwendung müsse den geltend gemachten Belang und das Maß der Beeinträchtigung erkennen lassen. Nach Ablauf dieser Frist seien Einwendungen ausgeschlossen.
14
Innerhalb der Einwendungsfrist erhob der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2005 im Wesentlichen folgende Einwendungen:
- Da der Tagebau die bisherige Autobahntrasse erst 2017 erreichen solle, werde mit der geplanten Verlegung und Fertigstellung bis 2011 ein ungerechtfertigter Zeitdruck aufgebaut.
- Ein Ausbau der Autobahn im jetzigen Trassenverlauf sei vorzugswürdig.
- Das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit werde missachtet, weil die Bündelung von Verkehrswegen unabsehbare Gefahren berge, das Leben an Hauptverkehrsstraßen mit erhöhtem Krebsrisiko verbunden sei und eine Kumulierung der Risiken von Unfällen durch Bergschäden, die tektonischen Sprünge in der Ortslage Buir und die im Gebiet vorkommenden Erdbeben drohe.
- Die vorgesehene Teilung der Baukosten zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Beigeladenen komme einer versteckten Subventionierung der Beigeladenen gleich.
- Die gesetzlichen Lärmgrenzwerte würden auf dem Grundstück des Klägers nicht eingehalten. Die Kumulierung der verschiedenen Belastungen sei nicht berücksichtigt.
- Die Neutralität des Gutachtens zur Fein- und Grobstaubbelastung sei zweifelhaft. Die Feinstaubbelastung werde sich durch die ortsnahe Trassenführung erhöhen.
- Der Wert des Hauses des Klägers sei mit dem Planfeststellungsverfahren um 30 % gesunken.
- Der Neubau der Autobahn vernichte den Wald und seine natürlichen Filterfunktionen.
- Im Falle der geplanten Verlegung der Autobahn wünsche der Kläger zum aktiven Lärm- und Staubschutz während der Bauarbeiten die vorherige Aufforstung einer Pufferzone und die frühzeitige Errichtung einer Lärmschutzwand.
- Passiver Lärmschutz mit Lüftern sei beim denkmalwürdigen Haus des Klägers aus architektonischen Gründen nicht einsetzbar. Außerdem sei unklar, wer Wartung und Unterhaltung der Lüfter bezahle.
15 Während des Anhörungsverfahrens für den Ausbau und die Verlegung der Autobahn stellte die Bezirksregierung am 3. August 2005 den Plan für den Neubau der „Hambachbahn“ fest. Diese Grubenanschlussbahn der Beigeladenen für den Abtransport der Braunkohle verläuft bisher durch das zukünftige Abbaugebiet und soll im Bereich Buir künftig nördlich entlang der vorgesehenen neuen Autobahntrasse geführt werden.
16 Vom 3. bis 6. und am 25. April 2006 wurden die rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen den Plan für den Ausbau und die Verlegung der Autobahn und die Stellungnahmen der Behörden und Verbände zu dem Plan von der Bezirksregierung mit dem Landesbetrieb, den sonstigen Behörden und Verbänden, den Betroffenen sowie den Personen, die Einwendungen erhoben hatten, erörtert. Der Kläger nahm an dem Erörterungstermin teil und erhielt seine Einwendungen aufrecht.
17
Mit Beschluss vom 19. Oktober 2007 stellte der Beklagte den Plan für den Ausbau und die Verlegung der A 4 von Bau-km 32+350 bis Bau-km 49+943 fest. Danach verläuft die Trasse nördlich der Ortslage Buir jenseits der hier mit einer 2,5 m hohen Lärmschutzwand versehenen, östlich des Bahnhofs Buir auf einem von West nach Ost an Höhe über Gelände zunehmenden Bahndamm liegenden Eisenbahnstrecke in einem zwischen 7 und 12 m tiefen Einschnitt, an dessen Böschungskante eine im westlichen und mittleren Bereich 4 m hohe Lärmschutzwand errichtet werden soll. Durch die Nebenbestimmung 5.2.1 wurde der Träger der Straßenbaulast zudem verpflichtet, zum besonderen Schutz der Ortslage Buir zwischen km 40+150 und km 42+700 als Straßenoberflächenbelag einen offenporigen Asphalt aufzubringen und zu unterhalten, der sicherstellt, dass die dafür angegebenen Korrekturwerte DStrO = -5 dB(A) erzielt werden. Unter Berücksichtigung der Lärmschutzwand und eines Korrekturwerts DStrO von nur -2 dB(A) für lärmmindernden Asphalt wurden in der planfestgestellten schalltechnischen Untersuchung vom März 2005 für das Wohnhaus des Klägers folgende Beurteilungspegel ermittelt:
Nordostfassade:
Erdgeschoss tags 54,1 dB(A)/nachts 49,2 dB(A)
1. Obergeschoss tags 55,9 dB(A)/nachts 50,9 dB(A)
2. Obergeschoss tags 57,4 dB(A)/nachts 52,5 dB(A)
Südwestfassade:
Erdgeschoss tags 50,8 dB(A)/nachts 45,9 dB(A)
1. Obergeschoss tags 55,9 dB(A)/nachts 51,0 dB(A)
2. Obergeschoss tags 57,5 dB(A)/nachts 52,5 dB(A)
18 Unter Berücksichtigung derselben Parameter ergaben sich aus einer Summenpegelbetrachtung des Ingenieurbüros IBK Dipl.-Ing. Kals vom Oktober 2005 unter Einbeziehung des Verkehrslärms der Autobahn, der Bahnstrecke Aachen-Köln, der S-Bahn und der Hambachbahn für das näher an den Trassen dieser Verkehrswege gelegene Haus B2 nächtliche Summenpegel von 61 bis 65 dB(A).
19 Durch die Nebenbestimmung 5.2.2 wurde der Träger der Straßenbaulast verpflichtet, die Eigentümer des Grundstücks B1 darauf hinzuweisen, dass sie gegen die Bundesrepublik Deutschland dem Grunde nach Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen hätten, um Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, vor unzumutbaren Lärmeinwirkungen zu schützen. Hierzu gehörten auch die notwendigen Lüftungseinrichtungen. Art, Umfang und Durchführung der im Einzelnen notwendigen Schutzmaßnahmen richteten sich nach der 24. BImSchV i.V.m. den VLärmSchR 97. Bei der Bestimmung der Verkehrsbelastung seien Prognosewerte für das Jahr 2020 heranzuziehen.
20 Durch die Nebenbestimmung 5.2.3 wurde festgestellt, dass die Eigentümer des Grundstücks B1, wenn es mit einem Außenwohnbereich ausgestattet sei, gegen den Träger der Straßenbaulast Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld für die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs durch den von der planfestgestellten Straße ausgehenden Verkehrslärm haben; dabei sei nur auf den Immissionsgrenzwert am Tage abzustellen. Dem Träger der Straßenbaulast wurde aufgegeben, die Eigentümer auf die Möglichkeit, solche Ansprüche geltend zu machen, hinzuweisen. Ermittlung und Umfang der Entschädigung richteten sich nach den Regelungen der VLärmSchR 97.
21 Außerdem enthielt der Planfeststellungsbeschluss zahlreiche weitere Nebenbestimmungen zum Lärmschutz der der Autobahntrasse benachbarten Grundstücke.
22 Zur Begründung führte der Beschluss aus: Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ergebe sich bereits unmittelbar aus der zeichnerischen Darstellung im Bedarfsplan zum Fernstraßenausbaugesetz, davon unabhängig aber auch aus den mit der Planung verfolgten inhaltlichen Zielen. Dazu gehöre insbesondere das landesplanerisch verbindliche Ziel der Braunkohlegewinnung im Tagebau Hambach, das zwangsläufig die Verlegung der A 4 aus den Abbaugrenzen des Tagebaus vorgebe.
23 Eine Alternative, die in der Gesamtabwägung der planfestgestellten Variante eindeutig vorzuziehen wäre, sei nicht zu erkennen. Die unveränderte weitere Nutzung der vierstreifigen A 4 in der bisherigen Lage widerspräche sowohl den Verkehrserfordernissen als auch den verbindlichen Zielen der Raumordnung und Landesplanung sowie dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen. Aus letztgenanntem Grund komme auch der sechsstreifige Ausbau in der bisherigen Trassenlage nicht in Betracht. Eine andere Trassenführung innerhalb des Abbaugebietes des Tagebaus Hambach oder unter Zurücknahme der Abbaugrenze dieses Tagebaus komme aufgrund der landesplanerisch verbindlichen Genehmigung der Braunkohlegewinnung ebenfalls nicht in Betracht. Selbst wenn man dies außer Acht lasse und eine Abwägung unter Berücksichtigung der Direktive des § 124 Abs. 3 BBergG vornehme, sei eine Trassenführung innerhalb des Abbaugebiets auszuschließen, da vorliegend das öffentliche Interesse an einer weiteren Gewinnung der Bodenschätze innerhalb dieses Gebietes überwiege. Die Fortführung des Tagebaus Hambach sei zum langfristigen Erhalt der Stromerzeugungskapazität und zur Brennstoffversorgung unverzichtbar und daher im öffentlichen Interesse und aus Gründen des Gemeinwohls geboten.
24 Demgegenüber träten insoweit insbesondere auch die von den Bewohnern der Ortslage Buir vor allem geltend gemachten Immissionsschutzaspekte zurück. Hierfür sei u.a. maßgeblich, dass mit den vorgesehenen vielfältigen Vermeidungs-, Minderungs- und Schutzmaßnahmen auf allen Gebieten der Planung ein sehr weitgehender Schutz vor Beeinträchtigungen vorgesehen sei und unzumutbare Beeinträchtigungen sicher ausgeschlossen werden könnten.
25 Angesichts dessen sei das Vorhaben mit den Belangen des Lärmschutzes vereinbar. Durch das Zusammenwirken von Tieflage der A 4, Lärmschutzwand und Bahndamm würden in Buir mit den anderen Orten an der A 4 vergleichbare Immissionsverhältnisse geschaffen. Mit den Maßnahmen sei die physikalische Grenze für eine Minderung der Immissionen durch offene Abschirmeinrichtungen erreicht. Die Mehraufwendungen für eine Einhausung der Autobahn ständen außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck. Der dem Kläger dem Grunde nach zustehende Anspruch auf passiven Lärmschutz sei geeignet, auch unter Berücksichtigung einer Summenpegelbildung die maßgeblichen Innenraumpegel auf ein gesundheitsverträgliches Maß zu reduzieren. Durch die zusätzliche immissionsmindernde Wirkung des offenporigen Asphalts im Bereich der Ortslage Buir werde die Immissionssituation weiter deutlich verbessert. Der Tagebau Hambach sei bei der Summenpegelbildung für die Ortslage Buir nicht mitzubetrachten. Denn dieser werde sich erst ab 2030 der Ortslage nähern. Die Zumutbarkeit des von ihm ausgehenden Lärms sei in dem dafür vorgesehenen bergrechtlichen Verfahren zu beurteilen.
26 Auch mit den Belangen der Luftreinhaltung sei das Vorhaben zu vereinbaren. Gesundheitsgefahren durch Luftschadstoffe seien nach dem Ergebnis der Schadstoffabschätzung für den Menschen nicht zu erwarten. Bereits bei der Wohnbebauung in unmittelbarer Trassennähe überschreite die aus Vorbelastung und straßenverkehrsbedingter Zusatzbelastung ermittelte Schadstoffgesamtbelastung die bestehenden Grenz- bzw. Orientierungswerte nicht.
27 Der Planfeststellungsbeschluss wurde öffentlich bekannt gemacht; die Auslegung in Kerpen endete am 21. November 2007.
28 Am 21. Dezember 2007 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
29 Unter Bezugnahme auf von ihm vorgelegte Gutachten der Firma RegioConsult Verkehrs- und Umweltmanagement Wulf Hahn & Dr. Ralf Hoppe GbR und der Gertz Gutsche Rümenapp GbR zur Verkehrsprognose sowie zu den schalltechnischen und lufthygienischen Untersuchungen behauptet er, dass wesentliche Grundannahmen und methodische Grundlagen der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Verkehrsuntersuchung fehlerhaft seien und mit höheren als den vom Beklagten angenommenen Immissionsbelastungen zu rechnen sei.
30 Ohne Bezugnahme auf entsprechende Ausführungen in dem von ihm vorgelegten Gutachten trägt der Kläger darüber hinaus vor, der zur Lärmminderung angeordnete offenporige Asphalt unterliege in seiner Wirksamkeit starken Schwankungen durch Abnutzung und Schmutz, die nicht sicherstellten, dass die geplanten Minderungswerte dauerhaft erreicht werden. Die am Wohnhaus des Klägers zu erwartenden hohen Lärmwerte könnten nicht durch passive Lärmschutzmaßnahmen ausgeglichen werden. Denn es müsse dem Kläger möglich sein, in schwülen Sommernächten bei geöffnetem Fenster ohne Ruhestörung durch die neue Autobahn zu schlafen. Außerdem führten die hohen Lärmbelastungen zu einer Entwertung der Außenwohnbereiche und der Erholungsfunktion des auf dem Grundstück befindlichen Gartens. Der Beklagte habe zu Unrecht nicht geprüft, ob eine Einhausung der A 4n im Bereich von Buir die Lärmwerte auf ein zulässiges Maß reduzieren könnte.
31 Die Grenzwerte von Stickstoffdioxid und Feinstaubpartikeln würden auch am Wohnhaus des Klägers überschritten. Mit der Luftreinhalteplanung könne dieser Verstoß nicht beseitigt werden.
32 In rechtlicher Hinsicht vertritt der Kläger die Auffassung, der Beklagte hätte schon zu Beginn des Planfeststellungsverfahrens ein Summenpegelgutachten anfertigen lassen und als wesentlichen Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlich auslegen müssen. Da er dies nicht getan habe, sei ein verfahrensrelevanter Formfehler gegeben. In einer Summenpegelbetrachtung sei auch die künftige Belastung durch den Braunkohletagebau zu berücksichtigen.
33 Das europäische Gemeinschaftsrecht stehe der Zulassung eines zur Überschreitung gemeinschaftsrechtlich festgesetzter Grenzwerte führenden Vorhabens entgegen. Deshalb führe schon allein die Überschreitung der auf den Luftreinhalterichtlinien beruhenden Grenzwerte der 22. BImSchV zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Wenn das Bundesverwaltungsgericht dies anders sähe, wäre eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erforderlich.
34 Hinsichtlich der Trassenwahl habe der Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt, dass eine den Kläger nicht belastende Trassenvariante von den Vorgaben des Bedarfsplans ebenfalls gedeckt wäre. Dem Vorhaben fehle aber schon die Planrechtfertigung, da der Ausbau der A 4 auf sechs Fahrstreifen auch auf der bisherigen Trasse möglich wäre und die zukünftige Entwicklung des Braunkohleabbaus mit großen Unsicherheiten behaftet sei.
35 Da im Linienbestimmungsverfahren zu Unrecht von einem jahrzehntelang in die Zukunft reichenden Automatismus der Braunkohleentwicklung ausgegangen worden sei, seien sich aufdrängende Trassenalternativen nicht mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit geprüft und deshalb das Linienbestimmungsverfahren im Ergebnis fehlerhaft durchgeführt worden. Ferner sei im Linienbestimmungsverfahren nicht beachtet worden, dass im Bedarfsplan von 2004 nur der Ausbau, nicht aber der Neubau der A 4 zwischen Düren und Kerpen als vordringlicher Bedarf ausgewiesen sei. Beim Variantenvergleich hätte die Beibehaltung der bisherigen Trasse bei gleichzeitiger Standstreifenfreigabe intensiver geprüft werden müssen. Ähnliches gelte für die südlich von Buir verlaufenden Varianten 5 und 6 und eine Verschwenkung der Neubautrasse weiter nördlich von Buir.
36 Schließlich werde der Planfeststellungsbeschluss den Anforderungen des § 50 BImSchG nicht ausreichend gerecht. Er verstoße zugleich gegen die planungsrechtlichen Gebote der Rücksichtnahme und der Konfliktbewältigung.
37 Die Angaben im Planfeststellungsbeschluss zum passiven Lärmschutz seien hinsichtlich des Anspruchsumfangs zu ungenau und wenig konkret. Dasselbe gelte für den Entschädigungsanspruch für den Außenwohnbereich.
38
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 19. Oktober 2007 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Ergänzung dieses Planfeststellungsbeschlusses um zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Klägers vor Immissionen sowie um die Festsetzung von Entschädigungsansprüchen des Klägers erneut zu entscheiden.
39
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
40 Den vom Kläger vorgetragenen Beanstandungen der Verkehrsuntersuchung sowie der schalltechnischen und lufthygienischen Untersuchungen tritt er unter Berufung auf gutachtliche Stellungnahmen der IGEPA Verkehrstechnik GmbH sowie des Ingenieurbüros IBK und des Ingenieurbüros Lohmeyer GmbH & Co. KG in der Sache entgegen.
41 Ohne ausdrückliche Bezugnahme auf entsprechende Ausführungen in den von ihm vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen trägt der Beklagte darüber hinaus vor, durch die im Planfeststellungsbeschluss getroffene Anordnung, offenporigen Asphalt mit einem Korrekturwert DStro = -5 dB(A) aufzubringen, werde sich der Beurteilungspegel am Wohnhaus des Klägers zusätzlich um etwa 3 dB(A) reduzieren. Die Dauerhaftigkeit dieser Lärmminderung betrage - wie von der Bundesanstalt für Straßenwesen nachgewiesen - sechs Jahre und werde durch Bindemitteleigenschaften und Korngrößenverteilung der Zuschlagstoffe stetig verbessert. Für offenporige Asphalte, die nach 1998 eingebaut wurden, könne von einer über sechs Jahre hinausgehenden akustischen Wirksamkeit sowie einer besseren Anfangsminderung ausgegangen werden. Eine Beibehaltung der heutigen Autobahntrasse würde einen Weiterbetrieb des Tagebaus südlich davon ausschließen. Die grundlegenden Annahmen, auf denen die Ausweisung des Vorhabens im Bedarfsplan des Bundes beruhe, seien nach wie vor gültig.
42
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
43 Sie schließt sich der Klageerwiderung des Beklagten an und vertieft ergänzend dessen Auffassung, die energiepolitische Notwendigkeit der Fortführung des Tagebaus Hambach bestehe unverändert fort.
II
44 1. Die Klage ist mit dem auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem Rechtsfehler, der den Kläger in seinen Rechten verletzt und die Feststellung seiner - vollständigen oder teilweisen - Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt.
45 a) Soweit es der Kläger als „verfahrensrelevanten Formfehler“ beanstandet, dass der Beklagte nicht schon zu Beginn des Planfeststellungsverfahrens ein Summenpegelgutachten habe anfertigen und als Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung habe auslegen lassen, ist eine fehlerhafte Durchführung des Anhörungsverfahrens nicht schlüssig dargetan. Auszulegen war gemäß § 17 Abs. 3a FStrG a.F. der vom Träger des Vorhabens gemäß § 73 Abs. 1 VwVfG NRW bei der Anhörungsbehörde eingereichte Plan. Dieser besteht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke oder Anlagen erkennen lassen. Bei Vorhaben, die - wie hier - UVP-pflichtig sind, gehören hierzu auch die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens, die der Träger des Vorhabens der Anhörungsbehörde gemäß § 6 UVPG vorgelegt hat, insbesondere also eine Beschreibung der von dem Vorhaben zu erwartenden Schallimmissionen und ihre Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung. Dieser Pflicht wurde durch Auslegung der vom Träger des Vorhabens vorgelegten schalltechnischen Untersuchung vom März 2005 genügt. Dass sich der Träger des Vorhabens nach Abschluss der Auslegung aufgrund der eingegangenen Einwendungen veranlasst sah, zusätzlich zu dieser schalltechnischen Untersuchung eine Untersuchung für Summenpegel unter Betrachtung auch anderer Schallquellen zu veranlassen und diese der Anhörungsbehörde vorzulegen, ist im Rahmen des durch den Untersuchungsgrundsatz geprägten Verwaltungsverfahrens nicht zu beanstanden. Ob die Untersuchungen methodisch korrekt durchgeführt wurden und zu zutreffenden Ergebnissen geführt haben, die die getroffene Verwaltungsentscheidung tragen können, ist keine Frage des Verfahrensrechts, sondern der materiellrechtlichen Sachverhaltswürdigung.
46 b) Aus dem Vortrag des Klägers und dem vom Gericht dazu ermittelten Sachverhalt folgt auch keine Verletzung des materiellen Rechts, die einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses begründen könnte.
47 Die Planrechtfertigung für den im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes i.d.F. der Bek. vom 20. Januar 2005 <BGBl I S. 201>) als vordringlicher Bedarf ausgewiesenen Ausbau der A 4 auf sechs Fahrstreifen wird vom Kläger nicht schlüssig in Zweifel gezogen. Er wendet sich mit dem Hauptantrag vielmehr lediglich gegen die vorgesehene Trassenführung. Bei deren Festlegung im Planfeststellungsbeschluss hat der Beklagte jedoch die nicht präkludierten Belange des Klägers weder verkannt noch im Verhältnis zu ihnen entgegenstehenden anderen Belangen objektiv fehlgewichtet. Insbesondere hat der Senat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass sich ohne einen diesbezüglichen Ermittlungs- oder Bewertungsmangel der vom Kläger bevorzugte Ausbau der Autobahn auf der bestehenden Trasse, auf einer südlich von Buir verlaufenden Trassenvariante oder auf einer weiter nördlich von Buir verschwenkten Neubautrasse eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Linienführung darstellen würde, so dass sich diese Lösung dem Beklagten hätte aufdrängen müssen und der Planfeststellungsbeschluss deshalb an einem beachtlichen Abwägungsfehler leidet (vgl. zu diesem Maßstab Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N.).
48 Die Planfeststellungsbehörde hat sich vor dem Hintergrund der vom Kläger erhobenen, die Beeinträchtigung seines Wohnhauses vor allem durch Verkehrslärm betreffenden Einwendungen mit der „Nullvariante“ in Form eines Ausbaus der A 4 auf der bestehenden Trasse oder mit einer anderen Trassenführung im Abbaugebiet oder in der Sicherheitszone des Tagebaus Hambach bzw. unter Zurücknahme der vorgesehenen Abbaugrenze dieses Tagebaus auseinandergesetzt. Sie hat insoweit in erster Linie darauf verwiesen, dass eine solche Trassenführung aufgrund der landesplanerisch verbindlichen Genehmigung der Braunkohlegewinnung im Tagebau Hambach nicht in Betracht komme. Selbst wenn man dies aber außer Acht lasse und eine Abwägung unter Berücksichtigung der Direktive des § 124 Abs. 3 BBergG vornehme, sei eine Trassenführung innerhalb des Abbaugebiets auszuschließen, da vorliegend das öffentliche Interesse an einer weiteren Gewinnung der Bodenschätze innerhalb dieses Gebietes überwiege. Die Fortführung des Tagebaus Hambach sei zum langfristigen Erhalt der Stromerzeugungskapazität und zur Brennstoffversorgung unverzichtbar und daher im öffentlichen Interesse und aus Gründen des Gemeinwohls geboten. Demgegenüber träten insoweit insbesondere auch die von den Bewohnern der Ortslage Buir vor allem geltend gemachten Immissionsschutzaspekte zurück. Dafür sei u.a. maßgeblich, dass mit den vorgesehenen vielfältigen Vermeidungs-, Minderungs- und Schutzmaßnahmen auf allen Gebieten der Planung ein sehr weitgehender Schutz vor Beeinträchtigungen vorgesehen sei und unzumutbare Belastungen sicher ausgeschlossen werden könnten. Die Variante, anstelle des sechsstreifigen Ausbaus die Standstreifen zu ertüchtigen und dann die fehlenden beiden Fahrstreifen durch eine Standstreifenfreigabe herzustellen, scheide ebenfalls aus, weil eine Standstreifenfreigabe grundsätzlich nur im Vorgriff auf einen späteren Ausbau in vorhandener Lage möglich sei. Unabhängig davon könne auf die Standstreifen aus Gründen der Verkehrssicherheit hier nicht verzichtet werden. Eine Verschiebung der Trasse der A 4n nördlich von Buir weiter nach Norden in die Sicherheitszone des Tagebaus hat die Planfeststellungsbehörde wegen der dort bestehenden bergsicherheitlichen Risiken abgelehnt, die es erforderlich machten, die Sicherheitszone in voller Breite für bergbaubegleitende Maßnahmen freizuhalten. Die südlich von Buir verlaufenden Varianten 5 und 6 hat die Planfeststellungsbehörde ebenfalls eingehend geprüft, jedoch als insgesamt nachteiliger eingestuft, weil sie im Vergleich zur planfestgestellten Variante nicht nur deutlich größere Neubauanteile hätten, sondern auch zu einer nachteiligeren neuen Zerschneidung und Abtrennung im Freiraum südlich der Steinheide führen würden und dem regionalplanerischen Ziel widersprächen, diesen Freiraum zu schützen und zu entwickeln. Außerdem führten diese Varianten zu neuen und im Ergebnis stärkeren Beeinträchtigungen des FFH-Teilgebiets Dickbusch.
49 Dem Kläger ist es nicht gelungen, die Grundlagen dieser für die Trassenwahl maßgeblichen Erwägungen zu erschüttern. Die von ihm vorgebrachten Beanstandungen des Linienbestimmungsverfahrens sind schon deshalb unerheblich, weil sich der Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich unabhängig von den Wertungen, die zur Linienbestimmung geführt haben, und auch unabhängig von der zeichnerischen Darstellung im Bedarfsplan nochmals mit dem gesamten Planungsvorgang und insbesondere mit den von Einwenderseite angesprochenen Trassenalternativen befasst hat.
50 Gemäß § 17 Satz 2 FStrG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Abwägung verschiedener Planungsvarianten bei der Trassenwahl. Insbesondere dürfen dabei landesplanerische sowie verkehrs-, struktur- und energiepolitische Zielsetzungen als öffentliche Belange berücksichtigt werden. Der Beklagte hat die vom Kläger geltend gemachten Immissionsschutzaspekte unter Berücksichtigung der vorgesehenen Vermeidungs-, Minderungs- und Schutzmaßnahmen hinter dem öffentlichen Interesse an einer weiteren Gewinnung der Bodenschätze im durch den 1977 für verbindlich erklärten Braunkohlenplan unter Beteiligung der Öffentlichkeit und eines Vertreters des Beklagten landesplanerisch festgelegten Abbaugebiet zurücktreten lassen. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Beklagte dabei die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder den Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen hat, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Insbesondere durfte der Beklagte berücksichtigen, dass sich das genannte öffentliche Interesse durch den Braunkohlenplan und den bestandskräftigen Rahmenbetriebsplan von 1995 in einer die Beibehaltung der bisherigen Autobahntrasse ausschließenden Weise verfestigt hatte. Dass sich die diesem Rahmenbetriebsplan zugrunde liegende durchschnittliche Fördermenge nach dem Jahre 2000 nicht in dem 1995 noch prognostizierten Ausmaß gesteigert haben mag, ändert - unabhängig von der Frage der Verbindlichkeit der im Braunkohlenplan festgelegten Ziele der Raumordnung (vgl. § 22 Abs. 1, §§ 38, 44 Abs. 1 LPlG NRW i.V.m. § 4 Abs. 1 ROG) - nichts an dem grundsätzlichen Fortbestand des öffentlichen Interesses an einer weiteren Gewinnung der Bodenschätze innerhalb des hier in Rede stehenden Abbaugebiets.
51 Die darüber hinaus umfangreich geltend gemachten Bedenken des Klägers gegen die der Abwägung zugrunde liegende Verkehrsuntersuchung können seinem Hauptantrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Allerdings verstieße der Planfeststellungsbeschluss gegen den aus § 17 Satz 2 FStrG folgenden Anspruch des Klägers auf gerechte Abwägung seiner rechtlich schutzwürdigen Belange mit entgegenstehenden anderen Belangen, wenn die Planfeststellungsbehörde infolge unrichtiger Grundannahmen oder methodischer Fehler bei der Verkehrsprognose die auf dem Grundstück des Klägers zu erwartenden Belastungen durch Lärm und Luftverunreinigungen zu seinem Nachteil verkannt oder objektiv fehlgewichtet hat. Zur Überzeugung des Senats lässt sich ein solcher Abwägungsmangel jedoch nicht feststellen.
52 Dass die der Abwägung zugrunde liegende Verkehrsprognose - was hier rechtlich allein zu beanstanden wäre - zu Lasten der Belange des Klägers nicht in einer der Materie angemessenen und methodisch fachgerechten Weise erarbeitet worden ist (vgl. Urteile vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <121>, vom 30. Mai 1984 - BVerwG 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 <272> und vom 6. Dezember 1985 - BVerwG 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 <286>), ist nicht schlüssig dargetan. Der Unterstellung des Klägers, der für die schalltechnische Untersuchung nach Tabelle 3 der Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, Ausgabe 1990 - RLS-90 maßgebliche Anteil von Lkw über 2,8 t zulässigem Gesamtgewicht sei „offenbar“ nicht erfasst worden, da nur der Lkw-Verkehr ab 3,5 t erhoben worden sei, ist der Beklagte unter Berufung auf eine gutachtliche Stellungnahme der für die Verkehrsuntersuchung verantwortlichen IGEPA substantiiert entgegengetreten. Er hat dargelegt, dass bei der der Prognose für die A 4 zugrunde liegenden Straßenverkehrszählung von 2000 nicht nur der Lkw-Verkehr ab 3,5 t, sondern auch der Lieferwagenverkehr erfasst worden sei und sich bei einem - vom Kläger selbst vorgeschlagenen - Ansatz jedes zweiten Lieferwagens als Lkw ein Lkw-Anteil am Gesamtverkehr zwischen Düren und Kerpen ergebe, der noch unter dem in der Verkehrsuntersuchung auf ca. 25 % geschätzten Anteil liege. Dem hat der Kläger nichts Erhebliches entgegengesetzt.
53 Unter diesen Umständen können auch die maßgeblich auf den angeblich fehlerhaften Ansatz des Lkw-Anteils gestützten Angriffe des Klägers auf die schalltechnische Untersuchung und die von ihr ermittelten Immissionspegel am Wohnhaus des Klägers nicht durchgreifen. Der bloße Hinweis auf das Alter der „fortgeschriebenen“ Verkehrsuntersuchung von 1994, auf mögliche Probleme bei der Interpretation der Zählergebnisse vom September 2000 und auf Zweifel an der Repräsentativität der Verkehrsuntersuchung von 2005 ist zu unsubstantiiert, um die der schalltechnischen Untersuchung zugrunde liegende Verkehrsprognose zu erschüttern. Entsprechendes gilt für die Behauptung des Klägers, für die schalltechnische Untersuchung habe keine exakte Aufnahme der Örtlichkeiten mit den zu berechnenden Immissionsobjekten stattgefunden. Dass dabei bestimmte schalltechnisch relevante Besonderheiten hinsichtlich seines Grundstücks unbeachtet geblieben seien, ergibt sich aus seinem Vortrag nicht.
54 Soweit der Kläger seine Zweifel an der Aussagekraft der Verkehrsuntersuchung von 2005 hinsichtlich des Straßennetzes außerhalb der A 4 substantiiert, spielt dies für die an seinem Wohnhaus ermittelten Immissionspegel keine Rolle.
55 Die Entscheidung, der Verkehrsprognose für die A 4 hinsichtlich des Personenverkehrs abweichend vom Bundesverkehrswegeplan hier das „Trendszenario“ zugrunde zu legen und es nur hinsichtlich des Güterverkehrs beim „Integrationsszenario“ zu belassen, hat der Beklagte fachlich nachvollziehbar damit begründet, dass bestimmte Voraussetzungen des „Integrationsszenarios“ beim Personenverkehr (z.B. Radwege, öffentlicher Personennahverkehr, Parkhäuser) im vorliegenden ländlich strukturierten Untersuchungsraum kaum Wirkung zeigen würden, aber auch für die von starkem Urlaubsverkehr geprägte A 4 als solche nicht zuträfen bzw. kaum Einfluss hätten. Demgegenüber sei das „Integrationsszenario“ für den Güterverkehr wegen der dafür eingeführten Mautgebühren sowie der deutlich verbesserten Auslastung durch Verringerung der Leerfahrten sachgerecht. Zudem ergeben sich aufgrund dieser Vorgehensweise höhere Verkehrsbelastungszahlen als bei alleiniger Benutzung des dem Bundesverkehrswegeplan von 2003 zugrunde liegenden „Integrationsszenarios“ für beide Verkehrsarten, so dass daraus jedenfalls keine Untergewichtung der Immissionsschutzbelange des Klägers folgt.
56 Entsprechendes gilt für die Anwendung des Verfahrens der „Trendprognose“ für die A 4 statt der vom Kläger für erforderlich gehaltenen „Modellprognose“. Nach Ziffer 1.2.2.3 (Anhang) der Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte, Ausgabe 1996 - RAS-Q 96 ist die Trendprognose dann anwendbar, wenn vorhandene Verkehrsanlagen betrachtet werden und wenn wesentliche Veränderungen weder hinsichtlich der Struktur des Straßennetzes noch im Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorherzusehen sind. Der Beklagte weist insoweit nachvollziehbar darauf hin, dass der Ausbau der A 4 zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen und ihre Verlegung auf eine etwa 2,5 km weiter südlich gelegene Trasse nicht der - eine Modellprognose erfordernden - Neuplanung einer Autobahn gleichzustellen ist, weil eine Verlagerung des Autobahnverkehrs mangels konkurrierender Verkehrswege nicht zu erwarten ist. Durch eine gutachtliche Stellungnahme der für die Verkehrsuntersuchung verantwortlichen IGEPA und die dazu in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen des Gutachters Dipl.-Ing. G. hat der Beklagte ferner dem Gericht die Überzeugung vermittelt, dass die zu erwartenden Änderungen im nachgeordneten Netz ebenfalls keine neue Modellprognose erforderlich machten, da die wesentlichen Veränderungen und Ergänzungen der Siedlungsstruktur bereits bei der Ursprungsuntersuchung von 1994 bekannt waren und die dadurch zu erwartenden Zusatzverkehre damals als Prognose berücksichtigt, bei den Zählungen von 2001 überprüft und auf dieser Grundlage prognostisch bis 2020 fortgeschrieben wurden. Dem Hinweis des Klägers, in den Jahren von 2000 bis 2005 sei der Verkehr auf der A 4 zwischen Düren und Kerpen entgegen der Entwicklung der gesamten Jahresfahrleistung in Westdeutschland stark rückläufig gewesen, so dass hier kein Trend erkennbar sei, hat der Beklagte entgegengehalten, dass dieser Belastungsrückgang nicht auf Verkehrsverlagerungen ins nachgeordnete Netz, sondern auf vorübergehende Ursachen zurückzuführen sein müsse, weil er in den nur zwei Jahren bis 2007 wieder ausgeglichen worden sei. Auch dem hat der Kläger nichts Erhebliches entgegengesetzt. Im Übrigen würden bei einer hinter den Prognosen zurückbleibenden Verkehrsentwicklung auf der A 4 auch die Immissionsbelastungen am Wohnort des Klägers nicht höher, sondern niedriger liegen als im Planfeststellungsbeschluss angenommen, so dass sich das in die Abwägung einzustellende Gewicht seiner diesbezüglichen Belange nicht erhöhen, sondern vermindern würde.
57 Auch die Angriffe des Klägers gegen die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden lufthygienischen Untersuchungen rechtfertigen nicht den Schluss, dass die Planfeststellungsbehörde bei ihrer Abwägung die auf dem Grundstück des Klägers zu erwartenden Belastungen durch Luftverunreinigungen zu seinem Nachteil verkannt oder objektiv fehlgewichtet hat. Soweit der Kläger behauptet, Grenzwertüberschreitungen für Stickstoffdioxid seien bis zu einer Entfernung von 90 bis 100 m von der Trasse festzustellen, wäre sein 120 m von der Trasse entferntes Grundstück hiervon nicht betroffen. Abgesehen davon liegen seinen Berechnungen gebietstypische Vorbelastungswerte für eine Kleinstadt „hoch“ nach Anhang A Tabelle A 1 des Merkblatts über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung - MLuS 02 (Fassung 2005) zugrunde, die nach Ziffer 4.1 dieses Merkblatts nur dann als Anhaltswerte dienen können, wenn keine Daten verfügbar sind. Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine in der mündlichen Verhandlung erläuterte Stellungnahme des für die lufthygienischen Untersuchungen verantwortlichen Ingenieurbüros Lohmeyer ausgeführt, dass in dieser Untersuchung als Hintergrundbelastung genaue Messdaten der Umgebung des Plangebiets verwendet worden seien, so dass die Voraussetzungen dafür, auf die gebietstypischen Vorbelastungswerte zurückzugreifen, nicht vorlägen. Auf der Grundlage von Emissionsdaten aus dem Autobahnverkehr, die noch über den vom Kläger verwendeten lägen, ergäben sich bei Gesamtbetrachtung aller wichtigen Emittenten im Jahr 2011, dem voraussichtlich frühesten Zeitpunkt der Fertigstellung des Vorhabens, in den Wohngebieten von Buir außerhalb des Straßenraums keine Überschreitungen der gesetzlichen Grenzwerte. Auf dem Grundstück des Klägers lägen die Jahresmittelwerte dann voraussichtlich bei 31 µg/m³ für Stickstoffdioxid und 27,6 µg/m³ für Feinstaubpartikel und damit deutlich unter den gemäß § 3 Abs. 4 bzw. § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten von 40 µg/m³. Diesen substantiierten Aussagen hat der Kläger nichts Schlüssiges entgegengesetzt. Soweit er bei seiner Behauptung, die Grenzwerte würden an seinem Wohnhaus überschritten, von einem Abstand von nur 80 m zur Neubautrasse ausgeht, steht dies in Widerspruch zu allen vorliegenden Unterlagen, die einen Abstand von etwa 120 m ausweisen.
58 Den vom Kläger darüber hinaus hinsichtlich der Schallimmissionen geäußerten Zweifeln an der dauerhaften Realisierbarkeit der im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Sicherstellung eines Korrekturwerts DStro = -5 dB(A) durch Aufbringung und Unterhaltung eines offenporigen Asphalts ist der Beklagte unter Hinweis auf den Stand der Technik wiedergebende Erkenntnisse der Bundesanstalt für Straßenwesen (vgl. VkBl 2002, S. 314 ff.; 2009, S. 261 ff.) substantiiert entgegengetreten. Auch insoweit kann deshalb nicht von einem - noch dazu offensichtlichen und für die Trassenwahl erheblichen - Abwägungsmangel ausgegangen werden.
59 Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Hauptantrags schließlich auf § 50 BImSchG beruft, übersieht er, dass dem dort normierten Trennungsgrundsatz nur die Funktion einer Abwägungsdirektive zukommt, die im Rahmen der planerischen Abwägung durch andere Belange von hohem Gewicht überwunden werden kann (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <172> m.w.N.). Dem trägt die im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vorgenommene Variantenwahl - wie ausgeführt - Rechnung.
60 2. Der Hilfsantrag des Klägers, das Gericht möge die Verpflichtung des Beklagten aussprechen, über eine Planergänzung um weitergehende Maßnahmen zum Schutz des Klägers vor Immissionen sowie um die Festsetzung von Entschädigungsansprüchen des Klägers erneut zu entscheiden, ist ebenfalls zulässig, jedoch unbegründet. Die Versagung derartiger weitergehender Schutzmaßnahmen oder Entschädigungsansprüche durch den Planfeststellungsbeschluss verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
61 Auf der nach den obigen Ausführungen tragfähigen Basis der Verkehrs- und Immissionsprognosen des Beklagten überschreiten allerdings die für einen Anspruch des Klägers auf weitergehenden aktiven Schallschutz nach § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV maßgeblichen Beurteilungspegel im zweiten Obergeschoss der Südwest- und Nordostfassade seines Wohnhauses nachts den für Wohngebiete geltenden Immissionsgrenzwert von 49 dB(A) auch dann noch, wenn man von einem Korrekturwert DStrO von -5 dB(A) für lärmmindernden Asphalt ausgeht, und zwar um aufgerundet 1 dB(A). Unter diesen Umständen durfte der Beklagte von der Anordnung weitergehender, diese Grenzwertüberschreitung beseitigender aktiver Schallschutzmaßnahmen gemäß § 41 Abs. 2 BImSchG nur absehen, soweit die Kosten solcher Schutzmaßnahmen außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck ständen. Gemessen daran, ist die Versagung weitergehender Schutzmaßnahmen hier im Ergebnis nicht zu beanstanden.
62 Zwar hat die Befragung des für die schalltechnische Untersuchung verantwortlichen Gutachters Dipl.-Ing. K.in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass die im Planfeststellungsbeschluss aufgestellte Behauptung, mit den für die Ortslage Buir vorgesehenen aktiven Lärmschutzmaßnahmen sei „die physikalische Grenze für eine Minderung der Immissionen erreicht“, so nicht zutrifft und auch eine demnach notwendige, den Anforderungen des § 41 Abs. 2 BImSchG entsprechende Kosten-Nutzen-Abwägung hinsichtlich der Gewährung weitergehenden aktiven Schallschutzes für die Ortslage Buir durch eine weitere Erhöhung der von Bau-km 40+000 bis Bau-km 41+744 vorgesehenen Lärmschutzwand jedenfalls unterhalb einer Gesamthöhe von 8 m im Planfeststellungsverfahren tatsächlich nicht stattgefunden hat. Jedoch ist nach den Ausführungen des genannten Gutachters in der mündlichen Verhandlung zum Lärmschutz und dem damit verbundenen Kostenaufwand und nach den hierzu von ihm vorgelegten Unterlagen auszuschließen, dass bei Anlegung der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an diese Abwägung anzulegenden Maßstäbe eine Erhöhung der Lärmschutzwand in Betracht kommt, die die Überschreitung des Immissionsgrenzwerts nachts am Wohnhaus des Klägers auch im 2. Obergeschoß beseitigt, ohne dass die Kosten hierfür außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck ständen.
63 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht es nicht den Vorgaben des § 41 BImSchG, die Unverhältnismäßigkeit der Kosten aktiven Lärmschutzes allein daraus herzuleiten, dass die nach § 42 Abs. 2 BImSchG zu leistenden Entschädigungen für passiven Lärmschutz - wie regelmäßig - erheblich billiger wären (vgl. Urteile vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <390> und - BVerwG 11 A 46.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 34 S. 85). Vielmehr ist grundsätzlich zunächst zu untersuchen, was für eine die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte vollständig sicherstellende Schutzmaßnahme aufzuwenden wäre (sog. Vollschutz). Sollte sich dieser Aufwand als unverhältnismäßig erweisen, sind - ausgehend von diesem grundsätzlich zu erzielenden Schutzniveau - schrittweise Abschläge vorzunehmen, um so die mit gerade noch verhältnismäßigem Aufwand zu leistende maximale Verbesserung der Lärmsituation zu ermitteln. Dabei sind in Baugebieten dem durch die Maßnahme insgesamt erreichbaren Schutz der Nachbarschaft grundsätzlich die hierfür insgesamt aufzuwendenden Kosten der Maßnahme gegenüberzustellen und zu bewerten.
64 Bei welcher Relation zwischen Kosten und Nutzen die Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes für aktiven Lärmschutz anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. Beschluss vom 30. August 1989 - BVerwG 4 B 97.89 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 5 S. 2). Ziel der Bewertung der Kosten hinsichtlich des damit erzielbaren Lärmschutzeffekts muss eine Lärmschutzkonzeption sein, die auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Lärmbetroffenen vertretbar erscheint (vgl. Urteile vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - a.a.O. S. 382, vom 24. September 2003 - BVerwG 9 A 69.02 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 39 S. 103 und vom 3. März 2004 - BVerwG 9 A 15.03 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 40 S. 113). Kriterien für die Bewertung des Schutzzwecks sind die Vorbelastung, die Schutzbedürftigkeit und Größe des Gebietes, das ohne ausreichenden aktiven Schallschutz von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche des betreffenden Verkehrsweges betroffen wäre, die Zahl der dadurch betroffenen Personen sowie das Ausmaß der für sie prognostizierten Grenzwertüberschreitungen und des zu erwartenden Wertverlustes der betroffenen Grundstücke. Innerhalb von Baugebieten sind bei der Kosten-Nutzen-Analyse insbesondere Differenzierungen nach der Zahl der Lärmbetroffenen zulässig und geboten (Betrachtung der Kosten je Schutzfall). So wird bei einer stark verdichteten Bebauung noch eher ein nennenswerter Schutzeffekt zu erzielen sein als bei einer aufgelockerten Bebauung, die auf eine entsprechend geringe Zahl von Bewohnern schließen lässt (vgl. Urteil vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - a.a.O. S. 383).
65 Bei der planfestgestellten Trassenführung bestand in der Ortslage Buir in insgesamt etwa 1 600 Fällen die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einzuhaltende Pflicht, Grenzwertüberschreitungen, die ohne aktiven Schallschutz einträten, zu vermeiden. Bei der vorgesehenen Höhe der Lärmschutzwand von 4 m im westlichen und mittleren Bereich wird nur noch in 212 Fällen ein Grenzwert überschritten. In etwa 1 388 Fällen werden also infolge der vorgesehenen Schutzmaßnahmen die Grenzwerte voraussichtlich eingehalten. Die dabei für den baulichen Schallschutz zu erwartenden Kosten belaufen sich auf 1 960 000 €. Die Kosten je „Schutzfall“ liegen demnach bei 1 412 €. Da der Kläger weitergehende aktive Schallschutzmaßnahmen fordert, ist im Vergleich dazu hier nur das Kosten-Nutzen-Verhältnis für diejenigen Varianten zu untersuchen, die eine weitergehende Reduzierung der Zahl der Grenzwertüberschreitungen erwarten lassen und dem Wohnhaus des Klägers, bei dem der Grenzwert nur geringfügig überschritten ist, Vollschutz verschaffen. Ebenso müssen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Lärmbetroffenen alle Varianten außer Betracht bleiben, die nur dem Wohnhaus des Klägers und seiner Umgebung Vollschutz verschaffen, anderen, in vergleichbarer Weise bebauten Bereichen der Ortslage gleich wirksamen Schallschutz jedoch vorenthalten. Um dem Kläger Vollschutz zu verschaffen, müsste die Wand auf mindestens 7 m erhöht und, um den anderen Bereichen der Ortslage gleich wirksamen Schallschutz zu verschaffen, auf 2 200 m verlängert werden. Die Kosten dieser Variante betragen 3 940 000 € für 1 525 Schutzfälle, was 2 584 € je Schutzfall entspricht. Alternativ käme eine 8 m hohe und 1 950 m lange Lärmschutzwand mit gleichen Kosten für 1 528 Schutzfälle in Betracht, was 2 579 € je Schutzfall entspräche.
66 Vollschutz für Buir wäre erst mit einer 10 bis 15 m hohen und 2 700 m langen Wand zu erreichen, die 7 400 000 €, d.h. 4 625 € je Schutzfall kosten würde. Im Hinblick darauf, dass die Schutzbedürftigkeit des betroffenen Gebiets bereits durch die von der Bahnstrecke ausgehende Vorbelastung gemindert ist, erweist sich dieser für einen Vollschutz von Buir notwendige Aufwand als unverhältnismäßig. Erst recht gilt dies für die Führung der Autobahn in einem Tunnelbauwerk, die einen dreistelligen Millionenbetrag erfordern würde. Von den unterhalb des Vollschutzes in Betracht kommenden, den Schallschutz des Klägers nicht verschlechternden Varianten erreicht die planfestgestellte Variante ein Kosten-Nutzen-Verhältnis, das den weiteren Varianten deutlich überlegen ist. Die nächst günstige in Betracht kommende Variante wäre mit einer Verdoppelung der Kosten verbunden und würde die Zahl der durch aktiven Lärmschutz bewältigten Schutzfälle dennoch nur um etwa ein Zehntel erhöhen. Dass bei einer derartigen Relation die Kosten außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck ständen, ist offensichtlich.
67 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine über den durch den Planfeststellungsbeschluss zuerkannten Anspruch auf passiven Schallschutz hinausgehende Entschädigung. Soweit der Planfeststellungsbeschluss für Art und Umfang der im Einzelnen notwendigen Maßnahmen, die vom Anspruch auf passiven Schallschutz umfasst sind, auf die 24. BImSchV i.V.m. den VLärmSchR 97 verweist, ist dies hinreichend bestimmt. In der Nebenbestimmung 5.2.2 des Planfeststellungsbeschlusses wurde für die Eigentümer aller Grundstücke in Buir, für die in den schalltechnischen Untersuchungen unter Berücksichtigung der Lärmschutzwand und eines Korrekturwerts DStrO von nur -2 dB(A) für lärmmindernden Asphalt noch eine Grenzwertüberschreitung angegeben war, ein Anspruch auf passiven Schallschutz dem Grunde nach festgestellt, auch soweit infolge der Anordnung der Aufbringung offenporigen Asphalts mit einem Korrekturwert DStrO = -5 dB(A) und damit um etwa 3 dB(A) niedrigeren Beurteilungspegeln keine Überschreitung mehr verbliebe. Der Anspruchsberechtigung sind also die in der planfestgestellten schalltechnischen Untersuchung ausgewiesenen Beurteilungspegel zugrunde zu legen, die auf einem Korrekturwert DStrO von nur -2 dB(A) beruhen. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Hinweis auf die „zusätzliche immissionsmindernde Wirkung“ des offenporigen Asphalts in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses und ist deshalb nach den für Verwaltungsakte geltenden Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB analog) aus der Sicht von Adressaten und Drittbetroffenen nach Treu und Glauben geboten.
68 Dass der Planfeststellungsbeschluss dem Kläger - zu Recht - keinen Anspruch auf Entschädigung für die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs gewährt, ergibt sich mit hinreichender Klarheit daraus, dass nach der entsprechenden Nebenbestimmung 5.2.3 im Einklang mit § 2 Abs. 3 der 16. BImSchV und Nr. 51.1 Abs. 2 VLärmSchR 97 dabei nur auf den Immissionsgrenzwert am Tage abzustellen ist und dieser auf dem Grundstück des Klägers durch die in der planfestgestellten schalltechnischen Untersuchung ausgewiesenen Beurteilungspegel nicht überschritten wird.
69 Ein Anspruch des Klägers auf weitergehenden Schallschutz ergibt sich auch nicht aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für Gesundheit und Eigentum. Denn nach den vom Kläger nicht schlüssig in Zweifel gezogenen Berechnungen des Beklagten erreicht der Summenpegel von sämtlichen künftig am nördlichen Ortsrand von Buir vorhandenen Verkehrswegen am Hause des Klägers voraussichtlich nicht die dafür maßgeblichen Schwellenwerte von 70 dB(A) tags oder 60 dB(A) nachts. Eine mögliche zukünftige Belastung durch Lärm aus dem künftigen Braunkohletagebaubetrieb musste in diese Betrachtung nicht einbezogen werden, weil sie außerhalb des Prognosezeitraums läge und zudem der Beurteilung in einem entsprechenden bergrechtlichen Zulassungsverfahren vorbehalten bleiben muss. In diesem Verfahren wäre auch zu prüfen, ob - unter Berücksichtigung dann vorhandener Vorbelastungen - gesundheitsgefährdende Auswirkungen des Betriebs auf die benachbarten Wohnlagen zu erwarten sind (vgl. Urteile vom 4. Juli 1986 - BVerwG 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 <323 ff.> und vom 13. Dezember 1991 - BVerwG 7 C 25.90 - BVerwGE 89, 246 ff.). Für eine Beeinflussung des Summenpegels durch auf das Wohnhaus des Klägers einwirkenden sonstigen Gewerbelärm fehlt es an jedem schlüssigen Anhaltspunkt.
70 Auf der nach den obigen Ausführungen tragfähigen Basis der Verkehrs- und Immissionsprognosen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf einen im Zuge der Planfeststellung zu gewährenden Schutz vor Luftschadstoffen, etwa durch weitergehende Schutzvorkehrungen nach § 17b Abs. 1 FStrG i.V.m. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Wie im Zusammenhang mit dem Hauptantrag dargelegt, ist eine unzulässige Überschreitung der durch die 22. BImSchV in Übereinstimmung mit Gemeinschaftsrecht festgelegten Schadstoffgrenzwerte auf dem Grundstück des Klägers nicht zu erwarten. Deshalb scheidet auch ein Entschädigungsanspruch nach § 17b Abs. 1 FStrG i.V.m. § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG insoweit aus.
71 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.