Urteil vom 13.12.2012 -
BVerwG 2 WD 29.11ECLI:DE:BVerwG:2012:131212U2WD29.11.0

Leitsatz:

Auch bei einem Zugriff auf Eigentum oder Vermögen von Kameraden oder Kameradengemeinschaften ist der geringe Wert des Zugriffsobjekts mildernd zu berücksichtigen.

  • Rechtsquellen
    WDO § 38 Abs. 1; § 58 Abs. 7; § 60
    SG §§ 7, 12 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1
    StGB §§ 22, 23, 242, 248a

  • Truppendienstgericht Süd 3. Kammer - 06.09.2011 - AZ: TDG S 3 VL 29/10

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 2 WD 29.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:131212U2WD29.11.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 29.11

  • Truppendienstgericht Süd 3. Kammer - 06.09.2011 - AZ: TDG S 3 VL 29/10

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 13. Dezember 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtliche Richterin Oberfeldapotheker Steinbeck und
ehrenamtlicher Richter Oberleutnant Meinhardt-Heib,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen das Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 6. September 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 42 Jahre alte Soldat absolvierte nach dem Erwerb der mittleren Reife zunächst eine Ausbildung zum Maurer. Er wurde 1990 zum Grundwehrdienst einberufen und im Mai 1991 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Im Juli 1997 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Seine Dienstzeit wird mit Ablauf des Januar 2026 enden. Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt im April 2005 zum Oberleutnant.

2 Seinen Grundwehrdienst trat der Soldat bei der 3./...bataillon ... in R. an. Zum Mai 1991 wurde er zur StKp/...brigade ... in H. versetzt. Zum November 1992 folgte die Versetzung zur 2./...regiment ... in F. und im April 1995 zur 3./...regiment ... in F.. Von dort aus war der Soldat u.a. für die Zeiträume März bis August 1998 und November 2001 bis Februar 2002 zur ...kompanie EK SFOR in M. kommandiert. Verschiedenen Versetzungen und Kommandierungen im Zusammenhang mit der weiteren Ausbildung für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes folgte zum April 2005 eine Versetzung zur 6./...Btl ... in N.. Im Dezember 2008 wurde der Soldat zur 2./...Btl ... in F. versetzt. Nach Aufnahme der Ermittlungen in diesem Disziplinarverfahren wurde der Soldat zunächst zur ...Brigade ... in Fr. und dann zum Stab/...regiment ... in S. kommandiert.

3 Die letzte planmäßige Beurteilung vom 11. Februar 2009 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit 5,14.
Oberleutnant ... habe sich innerhalb seiner Vergleichsgruppe nicht abschließend im oberen Bereich durchsetzen können. Aufgrund einer in der jüngsten Vergangenheit angespannten persönlichen Lage im Beurteilungszeitraum habe er in der Vergangenheit deutlich erkennbare und für ihn sonst unübliche Einbrüche gezeigt. Dies habe sich auch in den gezeigten Leistungen der jüngsten Zeit niedergeschlagen, so dass in der aktuellen vergleichenden Betrachtung der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung nicht einhergehe mit früher gezeigten Leistungen. Unabhängig davon berge Oberleutnant ... nach wie vor ein hohes Leistungspotenzial, welches es zu nutzen gelte. Es sei zu erwarten, dass der Soldat in näherer Zukunft wieder an sein altes Leistungsbild anknüpfen und sich so wieder im oberen Bereich seiner Vergleichsgruppe etablieren könne. Die körperlichen Einschränkungen, welche Grundlage für die truppenärztliche Befreiung vom Dienstsport seien, hätten bei Oberleutnant ... zu keinerlei Einschränkungen bei der Auftragserfüllung auf seinem Dienstposten geführt.

4 Im Persönlichkeitsprofil wurde die funktionale Kompetenz als „stärker ausgeprägt“ und „bestimmendes Merkmal“ bewertet. Gleichfalls „stärker ausgeprägt“ sei die konzeptionelle Kompetenz, während die geistige Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung „ausgeprägt“, die soziale Kompetenz „weniger ausgeprägt“ seien.
Oberleutnant ... sei generell ein sehr selbstständiger und arbeitsamer Soldat, der sich voll und ganz mit dem Soldatenberuf identifiziere und private Interessen dienstlichen Erfordernissen unterordne. Er überzeuge grundsätzlich im Handeln und Auftreten durch Leistungsbereitschaft und berufliches Selbstverständnis. Mit seinem Fachwissen sei er vielseitig einsetzbar, sowohl in einem Stab als auch in einer Einsatzkompanie. Die Zusammenarbeit mit Oberleutnant ... gestalte sich stets produktiv und am Auftrag orientiert. Auch spreche er dabei von sich aus Problemfelder an. Hierbei wisse er sich jederzeit gegenüber Vorgesetzten und auch Untergebenen korrekt zu verhalten. Oberleutnant ... sei gleichzeitig auch ein Teamplayer. Er könne sich in bestehende Gemeinschaften einfügen und finde seinen Platz. Hierbei könne er auch innerhalb des Teams vermittelnd wirken. Sein Humor wirke auflockernd und ansteckend. Vor fordernden Aufgaben schrecke der Soldat in seinem Kompetenzbereich, wenn gefordert, nicht zurück. Angemessen und mit dem notwendigen Nachdruck setze der Soldat die Weisungen im Sinne des Auftrages durch. Auch neuen Aufgaben stehe Oberleutnant ... jederzeit aufgeschlossen gegenüber. Schnell durchdringe er dabei die anstehenden Sachverhalte. In Gesprächsrunden sei Oberleutnant ... ein guter Zuhörer, wisse aber auch durch sein breites Allgemeinwissen mitzureden. Er überzeuge hierbei durch klare Argumentationsführung und beharre nicht steif auf einen Standpunkt, sondern sei jederzeit offen für andere Sichtweisen. Kritik setze er sofort gewinnbringend um. Vor dem Hintergrund von Spannungen im persönlichen Umfeld, welche dem Soldaten im Beurteilungszeitraum seine Energie und Aufmerksamkeit phasenweise raubten, und mit Blick auf die gezeigten früheren Leistungen, solle diesem Offizier vor einer grundsätzlichen Bewertung hinsichtlich seiner Eignung, Leistung und Befähigung, aber auch bezüglich Kameradschaft und Potenzial des Soldaten, eine angemessene Zeit zur Verfügung gestellt werden, sich umfassend zu rehabilitieren. Vorausgesetzt Oberleutnant ... finde dabei zu seinem alten Leistungs- und Eignungsbild zurück, stehe es außer Zweifel, dass dieser noch ein beachtliches Entwicklungspotenzial sein Eigen nennen könne, welches weiter gefördert werden solle.

5 Der beurteilende Vorgesetzte hielt den Soldaten für Stabsverwendungen für „besonders gut geeignet“ und für Führungs- sowie Lehrverwendungen für „gut geeignet“.

6 Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte der Beurteilung und den Verwendungshinweisen zu.
Oberleutnant ... sei ein offen und zielgerichtet agierender, leistungsbereiter Offizier des Militärfachlichen Dienstes, der über herausragende Fachkenntnisse sowie nachhaltig überzeugendes praktisches Geschick verfüge. Bereitwillig übernehme er auch über seinen eigenen Aufgabenbereich hinausgehende Aufträge. Er arbeite überzeugend selbstständig. Es stehe außer Frage, dass Oberleutnant ... nach Überwindung seiner persönlich schwierigen, angespannten Lage sein außerordentlich großes Leistungspotenzial zur weiteren Leistungssteigerung werde nutzen können. Aufgrund seiner gezeigten Leistungen sowie guten geistigen Anlagen empfehle er Oberleutnant ... in der Entwicklungsprognose derzeit bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.

7 Die Sonderbeurteilung vom 14. November 2011 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit 7,55.
Der Soldat habe sich in kürzester Zeit in das ...regiment ... integriert, in das für ihn bis dato unbekannte Aufgabengebiet „Lagezentrum“ eingearbeitet und überzeuge seitdem als „Leiter Lagezentrum“ mit einer auch im Vergleich „Klasse-Leistung“. Den in seiner vorigen Beurteilung 2009 noch attestierten Leistungseinbruch aufgrund seiner damals schwierigen persönlichen Lage habe er in seiner jetzigen Verwendung mehr als wett gemacht. Er habe in beeindruckender Art und Weise zu alter Leistungsstärke zurück gefunden.

8 Im Persönlichkeitsprofil wurden die funktionale Kompetenz als „bestimmendes Merkmal“, die soziale Kompetenz als „stärker ausgeprägt“, die geistige Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung als „ausgeprägt“ sowie die konzeptionelle Kompetenz als „weniger ausgeprägt“ bewertet.
Der beurteilende Vorgesetzte beschrieb den Soldaten als äußerst leistungsstarken Offizier des Militärfachlichen Dienstes, den herausragendes Engagement, bestes praktisches Können, organisatorisches Geschick und eine tadellose Berufseinstellung auszeichnen würden. Er gehöre im Leistungsvergleich zur Spitzengruppe der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes im Regiment. Er denke stets mit und voraus und habe seinen Aufgabenbereich als „Leiter Lagezentrum“ bestens im Griff. Er agiere höchst eigenständig, ohne dabei seine Vorgesetzten zu übergehen. Er wisse immer genau, wann er den Vorgesetzten informieren und einbinden müsse. Er habe sich bisher stets auf den Soldaten verlassen und sei noch nie enttäuscht worden. Mit seiner ausgeprägten positiven Lebenseinstellung, seiner starken Kommunikationsfähigkeit, seiner Hilfsbereitschaft und dem ihm eigenen Humor sei er im Kameradenkreis gern gesehen, anerkannt und eine Bereicherung des Offizierkorps. Ein insgesamt angenehmer, verträglicher Charakter, mit dem man gerne zusammenarbeite und den er im Regiment behalten möchte. Insgesamt ein „Klasse-OffzMiIFD“ mit bestem Leistungsbild, der seinen Leistungszenit noch längst nicht erreicht habe. Potenzial bis in die Ebene A 12 sei ganz ohne Zweifel vorhanden; er sollte dahingehend zielgerichtet gefördert werden.

9 Der Vorgesetzte sah ihn für Stabsverwendungen „besonders gut geeignet“ sowie für Führungs- und Lehrverwendungen „gut geeignet“.

10 Der nächsthöhere Vorgesetzte schloss sich der Beurteilung an und sah eine Entwicklungsprognose oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive.

11 In einer richterlichen Vernehmung durch den Vorsitzenden der Truppendienstkammer hat der Disziplinarvorgesetzte zum Tatzeitpunkt, Oberstleutnant M., zu Person und Führung des Soldaten ausgeführt, der Soldat sei zu ihm versetzt worden, weil er in der vorigen Einheit wegen seines Schuldenmachens nicht mehr tragbar gewesen sei. Im Zuge der Ermittlungen sei herausgekommen, dass der Soldat sich auch in seinem Bataillon öfter im Unteroffizierskorps Geld geliehen und nur zögerlich zurückgezahlt habe. Ein Hauptmann der Reserve habe ihm mitgeteilt, dass der Soldat sich von ihm 700 € geliehen und noch nicht zurückgezahlt habe. Er gehe davon aus, dass die Geldschwierigkeiten des Soldaten aus seinen persönlichen Verhältnissen und seiner Spielleidenschaft resultierten. Die dienstlichen Leistungen des Soldaten seien gut. Er sehe ihn im unteren Bereich des oberen Drittels vergleichbarer Offiziere des Bataillons sowohl in fachlicher als auch in allgemein militärischer Hinsicht. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe der Soldat in seinen Leistungen keineswegs nachgelassen. Der Diebstahl sei im Verband bekannt geworden. Wegen des vorherigen Verschwindens der Unteroffizierkasse habe es heftige Aversionen gegen den Soldaten gegeben, so dass dieser nach Fr. habe versetzt werden müssen. Er habe sich nicht vorstellen können, dass der Soldat den Diebstahl begehen würde, obwohl er schon mit der Maßgabe zu ihm gekommen sei, dass er erhebliche Geldschwierigkeiten habe und damit rechnen habe müssen, dass man ihm genau auf die Finger schaue.

12 In der Berufungshauptverhandlung hat der frühere Disziplinarvorgesetzte des Soldaten bis zum 23. Oktober 2012, Oberst ... Sch., ausgeführt, der Soldat habe im Lagezentrum des ...regiments ... in S. erstklassige Arbeit geleistet. Es habe dort auch keine Probleme dergestalt gegeben, dass der Soldat bei Kameraden Schulden machen würde. Der Soldat habe vielmehr kontinuierlich sehr gute Leistungen gezeigt, so dass er auch seinem Nachfolger empfohlen habe, den Soldaten beim ...regiment ... zu halten. In seiner dortigen Aufgabe sei der Soldat besonders aufgegangen. Er habe seine Leistungen gegenüber der letzten planmäßigen Beurteilung deutlich gesteigert. Der Soldat sei höchst verlässlich und ehrlich. Er habe sich über das Disziplinarverfahren oder seinen bisherigen Verband nie despektierlich geäußert.

13 Der Soldat ist Träger des Leistungsabzeichens in Bronze, der Einsatzmedaille der Bundeswehr und von NATO-Medaillen für den SFOR-Einsatz. Er hat 2003 und 2011 Leistungsprämien als Einmalzahlung erhalten und in den Jahren 1998 und 2002 förmliche Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung.

14 Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 7. November 2012 verweist auf die beiden förmlichen Anerkennungen und die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 200 € durch das Amtsgericht Fr. am 14. Dezember 2010.

15 Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 5. November 2012 enthält die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen zu je 20 € durch das Amtsgericht Fr. am 24. November 2010, rechtskräftig seit dem 14. Dezember 2010, wegen Betruges. Diese Eintragung betrifft nicht den Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Insoweit ist allerdings ein weiteres gerichtliches Disziplinarverfahren bereits in erster Instanz anhängig. Außerdem enthält der Zentralregisterauszug einen am 13. Oktober 2011 eingetragenen Suchvermerk der Staatsanwaltschaft K.. Dieses Ermittlungsverfahren ist mit dem vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht sachgleich und zwischenzeitlich eingestellt.

16 Das mit diesem Disziplinarverfahren sachgleiche Strafverfahren wegen versuchten Diebstahls einer Sache von geringem Wert ist durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 18. März 2010 unter der Auflage, 300 € in monatlichen Raten zu je 50 € an das Soldatenhilfswerk zu zahlen, nach § 153a StPO vorläufig und mit Beschluss vom 21. September 2010 nach Erfüllung der Auflage endgültig eingestellt worden.

17 Der Soldat ist geschieden und hat ein eheliches und zwei außereheliche Kinder.

18 Nach der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung vom 13. November 2012 erhielt er im November 2012 Bezüge in Höhe von 3 611,24 € brutto. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge, eines Pfändungsbetrages von 1 349,73 €, Vermögenswirksamer Leistungen und einem Abzugsbetrag für einen Bw-Rahmenvertrag wurden ihm tatsächlich 1 371,52 € netto ausgezahlt.

19 In der Berufungshauptverhandlung hat der Soldat ergänzend zu seiner finanziellen Situation erläutert, er habe aktuell ca. 16 000 € Schulden. Seit 2008 nutze er wegen seiner finanziellen Probleme die Sozialberatung der Bundeswehr. Nach deren Auskunft könne er wegen seiner vergleichsweise hohen Einkünfte kein Privatinsolvenzverfahren betreiben. Die Unterhaltsleistungen an seine Kinder zahle die Wehrbereichsverwaltung direkt an die Mütter aus. Auch ein Pfändungsbetrag in Höhe von 416 € werde direkt von seinen Bezügen abgezogen. Daher würden ihm noch etwa 1 300 € monatlich ausgezahlt. Von diesem Betrag leiste er noch ca. 150 € weitere Raten auf seine Verbindlichkeiten. Ihm seien auch im Tatzeitraum aber noch über 1 000 € nach Abzug der monatlich zu tilgenden Verbindlichkeiten verblieben. Er zahle derzeit monatlich 430 € Mietzins. Er habe zwischenzeitlich seine monatlichen Ausgaben dadurch gesenkt, dass er umgezogen sei und nunmehr näher an seiner Dienststelle wohne. Daher habe er den PKW abschaffen können. Seine Lebensgefährtin fahre ihn zum Dienst oder er nutze eine Fahrgemeinschaft.

II

20 1. Das Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Befehlshabers des Streitkräfteunterstützungskommandos vom 7. Juni 2010 eingeleitet worden. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte der Soldat am 3. Mai 2010 widersprochen.

21 Nachdem der Soldat im Schlussgehör vom 29. Juni 2010 angeführt hatte, von seinem Recht, bei der abschließenden Vernehmung einen Verteidiger beizuziehen, Gebrauch machen zu wollen, wurde er auf den 22. Oktober 2010 erneut zum Schlussgehör geladen. Wegen einer Erkrankung des Soldaten wurde diese Ladung aber aufgehoben und dem Soldaten entsprechend einer telefonischen Absprache schriftlich Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben. Diese nahm er selbst wahr.
Daraufhin hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 23. November 2010 folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„Der Soldat nahm im Stabsgebäude des Bataillons ... (...Btl) ... in der B...-Kaserne in F. am 14. Juli 2009 während der Dienstzeit einen mit der Aufschrift ‚Spende Uffz-Kasse’ versehenen Briefumschlag vom Schreibtisch des (damaligen) S3-Feldwebels Oberstabsfeldwebel K. aus dessen Dienstzimmer, öffnete diesen und nahm den Inhalt, drei teilweise mit Silbernitrat präparierte Geldscheine, im Einzelnen zwei Fünf-Euro-Scheine mit den Nummern X19367380559 und X16269578534 sowie ein Zehn-Euro-Schein mit der Nummer X39607517108, wissentlich und willentlich an sich, um diese für sich zu verwenden.“

22 Mit Beschluss vom 14. März 2011 wurde dem Soldaten für die 1. Instanz von Amts wegen gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO für das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren Rechtsanwalt S. als Pflichtverteidiger bestellt.

23 Mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom 2. August 2011 wurde ihm hilfsweise im Nachtrag zur Anschuldigungsschrift vom 23. November 2010 folgender Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„Der Soldat nahm im Stabsgebäude des Bataillons ... (...Btl) ... in der B...-Kaserne in F. am 14. Juli 2009 während der Dienstzeit einen mit der Aufschrift ‚Spende Uffz-Kasse’ versehenen Briefumschlag vom Schreibtisch des zu diesem Zeitpunkt urlaubsbedingt abwesenden S3-Feldwebels Oberstabsfeldwebel K. (heute außer Dienst) aus dessen Dienstzimmer, was er verbal zumindest dem Hauptgefreiten (heute der Reserve) S. anzeigte. Nachdem er sein Dienstzimmer erreicht hatte, öffnete er den Briefumschlag und nahm den Inhalt, drei teilweise mit Silbernitrat präparierte Geldscheine, im Einzelnen zwei Fünf-Euro-Scheine mit den Nummern X19367380559 und X16269578534 sowie ein Zehn-Euro-Schein mit der Nummer X39607517108, wissentlich und willentlich aus dem Umschlag heraus und vermischte die Geldscheine mit denen in seiner Hosentasche, um diese zumindest bis zur Rückkehr des Oberstabsfeldwebels in den Dienst für sich zu verwenden. Den Briefumschlag warf er in seinen Papierkorb für den VS-Müll.“

24 2. Die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat mit Urteil vom 6. September 2011 gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 18 Monaten verhängt.

25 Ihrer Entscheidung legt die Kammer folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
„Der Soldat hat im Jahr 2002 einen Kredit in Höhe von 20.000,00 Euro aufgenommen, auf den er insgesamt ca. 30.000,00 Euro zurückzuzahlen hat. Mit diesem Freund, der das Geld für sein Geschäft brauchte, war vereinbart, dass dieser den Kreditbetrag, den er aufgrund seiner schlechten finanziellen Situation von der Bank nicht erhalten hatte, an die Bank zurückzahlt. Dies tat er auch 11/2 Jahre lang, danach nicht mehr. Nun wandte sich die Bank an den Soldaten, der schließlich Kreditnehmer war. Dieser nahm zunächst - wenn es für ihn finanziell eng wurde - Kleinkredite auf, dann fing er an, an Geldautomaten zu spielen, um mit dem Gewinn die von der Bank geforderten Raten zahlen zu können. Dieses Spielen verlief dergestalt, dass er spielte bis sein Geld alle war und danach mehrere Wochen aussetzte. Der Soldat fing dann auch an, bei Kameraden Geld zu leihen, was schließlich dazu führte, dass er zum 1. Oktober 2008 von der 6./...Btl ... in N. zur 2./...Btl ... in F. versetzt werden musste. Hier wurde ihm durch seinen Vorgesetzten klar gemacht, dass in keinem Fall geduldet werde, dass er bei Kameraden weitere Schulden mache und diese zögerlich oder gar nicht zurückzahle.
In der Zeit zwischen dem 2. und 29.06.2009 wurde im Büro des Stabsgebäudes der B...-Kaserne in F. eine Geldkassette mit der sogenannten ‚Unteroffizierkasse’ entwendet. Diese enthielt zum Zeitpunkt der Wegnahme ca. 1.500,00 Euro. Trotz Herbeiziehung der Polizei und entsprechender Ermittlungstätigkeiten konnte kein Täter festgestellt werden. Festgestellt wurde jedoch, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen sogenannten ‚Innentäter’ gehandelt haben müsse, da der Diebstahl in der vorgenommenen Art und Weise nur von einem Täter habe durchgeführt werden können, der die Umstände und die räumliche Situation sehr genau gekannt habe.
Im Hinblick auf die desolate finanzielle Situation des Soldaten geriet er in Verdacht, ein gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren wurde jedoch mangels hinreichenden Tatverdachtes gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Um des Täters habhaft zu werden, wurde eine sogenannte ‚Diebesfalle’ wie folgt installiert:
Am 6. Juli 2009 wurden durch den Polizeihauptkommissar Ma. zwei Fünf-Euro-Geldscheine mit Silbernitrat präpariert und zusammen mit einem unpräparierten 10-Euro-Schein in einem verschlossenen Briefumschlag im Büro des Zeugen Oberstabsfeldwebel a.D. K. offen auf dessen Schreibtisch gelegt. Da der Umschlag mit einem Sichtfenster versehen war, konnte man den 10-Euro-Schein erkennen.
Das Büro des Oberstabsfeldwebel a.D. K. musste von verschiedenen Soldaten mehrfach aufgesucht werden, da dort Dienstpläne und ähnliches hingen, die für die Stabsarbeit insgesamt benötigt wurden. Der Zeuge Oberstabsfeldwebel a.D. K. befand sich zu diesem Zeitpunkt auf einem mehrwöchigen Lehrgang, sodass sein Büro leer stand. Am 14. Juli 2009 begab sich der Soldat in das Büro des Zeugen und nahm dort den Briefumschlag mit den Geldscheinen - nach eigenem Bekunden, um ihn sicherzustellen - an sich. Er öffnete dann den Briefumschlag und nahm die Geldscheine heraus - nach eigenem Bekunden, um festzustellen, welchen Geldbetrag der Briefumschlag insgesamt enthielt -; anschließend steckte er die Geldscheine in seine Hosentasche, wo er sie mit dem eigenen, dort vorhandenen Geld vermischte. Er hatte zwar bemerkt, dass sich die Geldscheine irgendwie seltsam anfühlten, hatte dies bezüglich jedoch noch keinen dahingehenden Verdacht geschöpft, dass es sich um präpariertes Geld im Rahmen einer ‚Diebesfalle’ handeln könne. Zuvor hatte er sowohl dem Zeugen Hauptgefreiten der Reserve S., der sich im Büro nebenan befand, als auch dem Zeugen Stabsunteroffizier Ko. deutlich und für beide auch gut vernehmbar zugerufen, dass er den Briefumschlag - den er bei diesen Worten auch in die Höhe hielt - aus dem Büro des Stabsfeldwebels K. an sich nehme, um ihn sicherzustellen, da er bereits seit mehreren Tagen unbeaufsichtigt auf dem leeren Schreibtisch gelegen habe.
Der Soldat gibt an dies getan zu haben, um zu vermeiden, dass der Briefumschlag mit dem Geld ebenso wie die Unteroffizierkasse wegkäme und er wiederum aufgrund seiner finanziellen Situation des Diebstahls bezichtigt werde.
Der Soldat fuhr nun zum Tanken. Nachdem er sein Fahrzeug betankt hatte, bezahlte er mit zumindest einem der präparierten Geldscheine, wobei er feststellte, dass sich aufgrund des darauf befindlichen Silbernitrats seine Hände schwarz verfärbt hatten. Nun leuchtete ihm ein, dass es sich bei dem Geld offensichtlich um eine ‚Diebesfalle’ gehandelt hatte und er beschloss, das Geld wieder in die Kaserne zurückzubringen. Dies tat er auch, indem er dort den Zeugen Oberstleutnant St. aufsuchte und ihm das Geld mit der Bemerkung ‚Jetzt habt ihr mich ja wohl erwischt’ auf den Schreibtisch legte.
Da der Soldat über so enge finanzielle Mittel verfügte, dass er beim Tanken lediglich das Benzin für die Strecke von der Kaserne nach Hause und wieder zurück bezahlen konnte, musste er zuvor noch bei dem Zeugen Hauptmann der Reserve W. vorbeifahren, um sich von diesem 20,00 Euro zu leihen. Hierbei erklärte er dem Zeugen W., wofür er das Geld brauche, nämlich um nochmals in die Kaserne zurückzufahren und dann wieder nach Hause zu kommen, um anschließend am nächsten Tag wieder in die Kaserne fahren zu können. Hierfür hätte aber das Geld, das der Soldat zuvor eingesteckt hatte, nicht mehr gereicht, da er ja 20,00 Euro, die er aus dem Briefumschlag entnommen hatte, wieder in der Kaserne abliefern wollte.
Der Zeuge W. gab ihm nach dieser Erklärung das Geld, das ihm der Soldat dann auch einige Zeit später wieder zurückerstattete.
Nachdem gegen den Soldaten ein polizeiliches Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Sache an die Staatsanwaltschaft übergeben worden war, wurde er am 30. Dezember 2009 durch die Staatsanwaltschaft M. angeklagt, versucht zu haben, den im Briefumschlag befindlichen Geldbetrag zu stehlen. In der anschließend stattfindenden Hauptverhandlung am 18. März 2010 wurde das Verfahren gemäß § 153a Strafprozessordnung gegen Zahlung von 300,00 Euro an das Soldatenhilfswerk vorläufig eingestellt. Die endgültige Einstellung erfolgte am 21. September 2010, nachdem der Soldat diese Auflage erfüllt hatte.
Soweit der Soldat behauptet, er habe den Briefumschlag an sich genommen, um das darin befindliche Geld sicherzustellen, geht die Kammer von einer unglaubwürdigen Schutzbehauptung aus. Um den Briefumschlag sicherzustellen, war es zu keiner Zeit erforderlich, diesen zu öffnen und das Geld herauszunehmen bzw. es sogar mit dem eigenen Geld in der Hosentasche zu vermischen. Zur Sicherstellung des Umschlages bzw. des darin enthaltenen Geldes wäre es ein leichtes gewesen, dieses dem Oberstleutnant St., der im Büro nebenan saß, zu übergeben bzw. es in einem der in den umliegenden Büros vorhandenen abschließbaren Schränke zu verschließen. Viel wahrscheinlicher erscheint es der Kammer, dass der Soldat das Geld deshalb in die Hosentasche steckte, um es sozusagen als vorübergehenden Kredit für sich zu benutzen. Fest steht zur Überzeugung der Kammer allerdings auch, dass der Soldat zu keinem Zeitpunkt beabsichtigte, das Geld endgültig für sich zu behalten; sonst hätte er sicherlich nicht die Zeugen Hauptgefreiter der Reserve S. und Stabsunteroffizier Ko. so klar und eindeutig unter Winken mit dem Briefumschlag darauf hingewiesen, dass er diesen an sich nähme. Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass er offensichtlich nach wie vor verdächtigt wurde, die Unteroffizierkasse gestohlen zu haben, durfte er zu keinem Zeitpunkt erwarten, dass ihn niemand mehr auf den mitgenommenen Briefumschlag angesprochen hätte. Somit konnte er auch nach menschlicher Logik nicht davon ausgehen, dass er dieses Geld endgültig für sich würde behalten können, sondern vielmehr davon, dass er es alsbald würde zurückgeben müssen.“

26 Der Soldat habe ein Dienstvergehen begangen, indem er die Pflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verletzt habe. Vorsätzlich habe er bezüglich der Wegnahme, nicht jedoch im Hinblick auf die endgültige Zueignung gehandelt, da er davon ausgegangen sei, das Geld alsbald zurückgeben zu müssen. Damit sei der Vorwurf der Nachtragsanschuldigung, nicht aber der der Hauptanschuldigung bewiesen. Gegen die Kameradschaftspflicht sei nicht verstoßen worden. Es habe sich objektiv nicht um Geld der Unteroffizierkasse, sondern um solches der Polizei gehandelt.

27 Das Dienstvergehen wiege nicht leicht. Die verletzte Pflicht sei keine bloße Nebenpflicht, sondern habe funktionellen Bezug zur Erfüllung des Auftrages der Streitkräfte und erhebliche Bedeutung für den militärischen Dienstbetrieb. Die Schwere des Dienstvergehens ergebe sich zudem aus der Stellung als Offizier. Er habe als Vorgesetzter ein außerordentlich schlechtes Beispiel gegeben. Zu berücksichtigen sei, dass der Soldat nicht mit endgültiger Schädigungsabsicht gehandelt habe und dass ein Schaden maximal 20 € betragen hätte. Er habe nur geringe kriminelle Energie aufgewandt, da Polizei und Vorgesetzte bewusst eine ihn zur Tat verführende Situation geschaffen hätten. Es sei daher von einem eher unterdurchschnittlichen Dienstvergehen auszugehen, auch wenn es innerhalb des Dienstes und in dienstlichen Räumen stattgefunden habe. Von einer reinigenden Maßnahme sei daher nicht auszugehen. Die Kammer berücksichtige, dass sich das Dienstvergehen nicht gegen den Dienstherrn oder gegen Kameraden gerichtet habe und dass auch die Polizei nur dem Risiko eines geringfügigen Schadens ausgesetzt gewesen sei. Zu Ungunsten des Soldaten wirke, dass er von Kameradengeldern ausgegangen sei und sich wegen seiner finanziellen Lage nicht sicher sein konnte, den Betrag zurückzahlen zu können. Milderungsgründe in der Tat lägen nicht vor. Es handele sich weder um eine wesensfremde Augenblickstat noch um eine unverschuldete wirtschaftliche Notlage. Wegen Milderungsgründen in der Person könne das Beförderungsverbot am unteren Bereich des gesetzlich Möglichen orientiert werden. Der Soldat habe stets - auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe - gute und ansteigende dienstliche Leistungen erbracht. Er sei auf einem guten Weg, eine finanzielle Konsolidierung zu erreichen. Sein Disziplinarvorgesetzter vertraue ihm. Der Soldat gehe durch eine ambulante Therapie aktiv gegen seine Neigung, an Geldautomaten zu spielen, vor. Er sei geständig und habe glaubhaft Reue gezeigt. Er sei weder disziplinar- noch strafrechtlich vorbelastet. Da sich das Beförderungsverbot wegen einer anstehenden Beförderung zum Hauptmann auswirke, sei von einer zusätzlichen Kürzung der Dienstbezüge abzusehen.

28 3. Gegen das Urteil hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 14. Oktober 2011 in vollem Umfang zuungunsten des Soldaten Berufung eingelegt.

29 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätte das Truppendienstgericht den Vorwurf der Hauptanschuldigungsschrift und nicht nur denjenigen der Nachtragsanschuldigungsschrift als erwiesen betrachten müssen. Ein Rückgabewille des Soldaten sei nach den Gesamtumständen nicht anzunehmen. Rechtsfehlerhaft sei der Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht verneint worden. Das Geld für die Diebesfalle sei von einem Kameraden zur Verfügung gestellt worden. Außerdem habe der Soldat wegen der Aufschrift auf dem Briefumschlag von Kameradengeld ausgehen müssen. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen und hier auch geboten sei eine Dienstgradherabsetzung. Die Kammer lasse die Auswirkungen des Fehlverhaltens auf den Dienstbetrieb in Form der Ablösung des Soldaten von seiner Funktion und seiner Wegversetzung von dem Standort und das kritische Leumundszeugnis des Oberstleutnant M. unberücksichtigt. Nicht berücksichtigt worden sei auch, dass der Soldat bei einem Kameraden Schulden gemacht habe, die er trotz Aufforderung nicht zurückzahle. Reue habe der Soldat nicht gezeigt, vielmehr sein Vergehen geleugnet. Von einer Nachbewährung sei nicht auszugehen. Der Soldat gehe fortgesetzt respektlos mit dem Geld Anderer um. Er habe sich als Offizier nachhaltig disqualifiziert.

30 Rechtsanwalt S. ist durch Beschluss vom 30. Januar 2012 auf Antrag für das Berufungsverfahren zum Verteidiger bestellt worden.

III

31 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung ist unbegründet, da die angestrebte Dienstgradherabsetzung und auch eine Verlängerung des von der Vorinstanz verhängten Beförderungsverbotes für eine angemessene Ahndung des Dienstvergehens nicht geboten sind.

32 Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Da das Rechtsmittel zuungunsten des Soldaten durch die WDA eingelegt wurde, ist der Senat nicht an das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) gebunden.

33 1. Den Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung ist, bestimmt die Anschuldigungsschrift vom 23. November 2010 auch hinsichtlich des Schuldvorwurfes mit der im Interesse einer effektiven Verteidigung gegen den Vorwurf gebotenen Klarheit (vgl. zu den Anforderungen: Beschluss vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 129 <131 ff.>). Der Senat sieht weder im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmtheitsanforderungen noch bezüglich der vorgeworfenen Pflichtverletzungen erhebliche Unterschiede zwischen der Anschuldigungsschrift und der Nachtragsanschuldigung vom 2. August 2011. Letztere enthält lediglich eine detailreichere und deshalb plastischere Schilderung des vorgeworfenen Handlungsablaufes. Beide Anschuldigungsschriften enthalten aber den Vorwurf eines versuchten Diebstahls zulasten einer Kameradenkasse, weil die Zueignungsabsicht im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB ohnehin nur eine auf die zumindest vorübergehende Zuführung zum eigenen Vermögen gerichtete Absicht verlangt.

34 2. Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung folgender Sachverhalt fest:

35 a) aa) Nachdem im Juni 2009 aus einem Büro im Stabsgebäude der B...kaserne in F., zu dem nur eine begrenzte Anzahl von Personen Zugang hatte, eine Geldkassette mit einem vierstelligen Geldbetrag, der sogenannten Unteroffizierkasse, entwendet worden war, vereinbarte der Kompaniechef der 1. Kompanie, der Zeuge Major Schr., in Absprache mit dem Kommandeur und auch in Kenntnis des S3-Stabsoffiziers und stellvertretenden Kommandeurs, des Zeugen Oberstleutnant St., mit den ermittelnden Polizeibeamten die Einrichtung einer sogenannten Diebesfalle. Zu diesem Zweck brachte er aus eigenen Mitteln drei Geldscheine zur Polizeidienststelle, wo zwei von diesen mit Silbernitrat präpariert und in einen Umschlag mit einem Sichtfenster so eingelegt wurden, dass ein 10-Euro-Schein erkennbar war. Der Umschlag wurde zusätzlich mit Klebeband verschlossen und mit der Aufschrift „Spende Uffz-Kasse“ versehen auf dem Schreibtisch im Büro des zum fraglichen Zeitpunkt nicht im Dienst befindlichen Oberstabsfeldwebels K. platziert. Der Zeuge Schr. und die ermittelnden Polizeibeamten hielten es nach den Umständen für möglich, dass der Dieb der Geldkassette eine im Stabsgebäude beschäftigte Person war, die ein zweites Mal zugreifen könnte, wenn Geld herumliegen würde. Wer den Umschlag mit dem präparierten Geld öffnen würde, wäre an schwarz verfärbten Fingern erkennbar. Auf diese Weise sollte ein Ermittlungsansatz für die noch offene Frage nach dem Täter des Diebstahls der Geldkassette gefunden werden. Wie der Zeuge Oberstleutnant St. ausführte, wussten er und auch Oberstleutnant M., dass der Soldat erhebliche finanzielle Probleme hatte, wegen derer er von seiner vorherigen Dienststelle wegversetzt werden musste, und dass er sich wegen seiner Spielsucht in Behandlung befand.

36 Diese Feststellungen entnimmt der Senat den Angaben des Zeugen Schr.. Glaubhaft sind diese schon deshalb, weil der Zeuge die Abläufe aus eigenem Erleben plastisch und detailreich schilderte und auch weder der Soldat bzw. sein Verteidiger noch der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwaltes Anlass hatten, seine Angaben, die im Übrigen auch weitgehend mit den Feststellungen der Vorinstanz übereinstimmen, in Zweifel zu ziehen.

37 bb) Der Senat geht weiter davon aus, dass am 14. Juli 2009, als der Umschlag mit den präparierten Scheinen bereits einige Tage im Büro des Oberstabsfeldwebels K. gelegen hatte, der Soldat in diesen Raum trat und den Umschlag an sich nahm. Auf dem Weg zurück in sein eigenes Büro trat er - den Umschlag in der Hand - in das an den Raum von Oberstabsfeldwebel K. angrenzende Büro ein, in dem sich der Zeuge Hauptgefreiter d.R. S. befand. Diesem teilte er mit, dass sich in dem Umschlag Geld befinde und dass er den Umschlag mitnehme, damit dieser nicht wegkomme. Der Soldat trat auch in das vom Zeugen Stabsunteroffizier Ko. genutzte Büro ein und sagte - den Umschlag in der Hand - auch diesem, dass er den Umschlag in Gewahrsam nehme. In seinem eigenen Büro öffnete der Soldat den Umschlag, wobei er das Klebeband ein Stück weit ablöste, und entnahm die enthaltenen Geldscheine. Diese legte er dann in seine Hosentasche, in der sich auch sein eigenes Bargeld, etwa 20 €, befand. Den Umschlag warf er in den Müll.

38 Diese Feststellungen entsprechen den übereinstimmenden Angaben des Soldaten und der Zeugen S. und Ko. in der Berufungshauptverhandlung.

39 cc) Der Senat ist überzeugt, dass der Soldat entgegen seiner Einlassung den Zeugen Ko. und S. nicht die Höhe der im Umschlag enthaltenen Summe genannt hatte.

40 Die Zeugen haben auf Nachfragen übereinstimmend und schon deshalb glaubhaft angegeben, die enthaltene Geldsumme sei ihnen nicht genannt worden und sie wüssten auch nicht, wie viel Geld in dem Umschlag enthalten gewesen wäre. Damit stimmt überein, dass beide davon sprachen, der Soldat sei mit dem Umschlag zu ihnen gekommen. Dann muss seine Mitteilung an die Zeugen aber vor seiner Rückkehr in sein eigenes Büro und der vom Soldaten eingeräumten Öffnung des Umschlages erfolgt sein, sodass eine entsprechende Mitteilung dem Soldaten auch gar nicht möglich war, da die im Umschlag enthaltene Gesamtsumme von außen nicht erkennbar war.

41 dd) Der Soldat fuhr dann zur Überzeugung des Senats nach Hause und betankte unterwegs für 20 € seinen PKW. Zur Begleichung der Tankrechnung setzte er auch einen der aus dem Umschlag entnommenen Scheine ein. Dabei bemerkte er die Schwarzfärbung seiner Hände, brachte dies in Zusammenhang mit einer Substanz, die ihm bei der Öffnung des Umschlages aufgefallen war, deren Bedeutung er aber nicht sofort erkannt hatte, und beschloss, den Betrag umgehend dem S3-Stabsoffizier, dem Zeugen Oberstleutnant St., zurückzubringen. Da der Tankinhalt aber für die Rückkehr von seinem Wohnsitz zu seiner Dienststelle und die zusätzliche Fahrt von dieser nach Hause und zurück nicht ausgereicht hätte, er weiteres Bargeld auch nicht bei sich trug, fuhr er zunächst bei einem Kameraden vorbei, der ihm weitere 20 € für Benzin lieh. Zurück in der Kaserne übergab er dem Zeugen Oberstleutnant St. mit den Worten „Jetzt habt ihr mich aber erwischt“ die Summe von 20 €.

42 Dies ergibt sich aus den insofern übereinstimmenden Angaben des Soldaten und des Zeugen St.. Der Soldat konnte sich nicht mehr an seine konkreten Worte dem Zeugen St. gegenüber erinnern, ist dessen genauerer Erinnerung an den Wortlaut seiner Einlassung aber auch nicht entgegen getreten.

43 b) Der Senat glaubt dem Soldaten nicht, dass er den Inhalt des Umschlages nur sicher aufbewahren wollte. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass der Soldat bereits bei der Wegnahme des Umschlages die Absicht hatte, die im Umschlag enthaltenen Scheine wie eigenes Bargeld für die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten zu nutzen und dem Oberstabsfeldwebel K. zu einem späteren Zeitpunkt eine Geldsumme in der Höhe der entnommenen Scheine zu übergeben.

44 Diese Absicht entnimmt der Senat bereits dem vom Soldaten eingeräumten Verhalten nach der Ansichnahme des Umschlages. Wer diesen öffnet, die Geldscheine entnimmt und zu eigenem Geld legt, verhält sich wie ein Eigentümer der Geldscheine und macht damit deutlich, dass er diese genauso verwenden will wie eigenes Bargeld, also zum Begleichen eigener Verbindlichkeiten. Im Übrigen hat der Soldat auf ausdrückliche Nachfrage in der Berufungshauptverhandlung auch bestätigt, dass er zu einem späteren Zeitpunkt zwar einen Geldbetrag in der entnommenen Höhe, aber nicht die konkret entnommenen Scheine zurückgeben wollte.

45 Bezüglich der konkreten Geldscheine hatte der Soldat nach der Überzeugung des Senats mithin nicht die Absicht, sie nur vor dem Zugriff des unbekannten Diebes der Geldkassette zu sichern. Diese Einlassung wäre nur glaubhaft gewesen, wenn der Soldat den Umschlag, der zudem mit Klebestreifen sicher verschlossen war, nicht geöffnet hätte, um über den unbeschädigten Klebestreifen nachzuweisen, dass der Umschlag mit dem gesamten Inhalt zurück gegeben wurde. Die Erklärungsversuche des Soldaten für sein Verhalten wertet der Senat als unglaubhafte Schutzbehauptungen, weil die Untauglichkeit der in Rede stehenden Handlungen für die Erreichung des behaupteten Ziels auf der Hand liegt: Den Umschlag zu öffnen, um bei der Rückgabe des Geldes dem Vorwurf zu entgehen, es sei mehr Geld enthalten gewesen, ist sinnlos, wenn die Öffnung des Umschlages - wie hier - nicht in Gegenwart von Zeugen geschieht. Dass er den Umschlag wegwarf, weil dieser durch das zur Markierung des Geldes genutzte Material beschmutzt war, ist keine nachvollziehbare Erklärung. Der Umschlag wäre als Erklärung dafür wichtig gewesen, woher das Geld stammt. Diese Funktion hätte er auch verschmutzt erfüllen können.

46 Soweit die Einlassung des Soldaten, er habe das Geld nur vor dem Zugriff des unbekannten Diebes der Geldkassette sichern wollen, zugleich die Behauptung enthalten sollte, der Soldat sei davon ausgegangen, mit der Nutzung der Geldscheine für eigene Zwecke und der späteren Rückgabe einer gleich hohen Summe nichts Verbotenes zu tun, glaubt der Senat ihm einen solchen Irrtum über das Unrecht seines Tuns nicht.
Der Senat ist vielmehr überzeugt, dass der Soldat bei seinem Zugriff erkannt hat, dass er unabhängig von der Frage nach der Strafbarkeit seines Handelns als Diebstahl jedenfalls wusste, dass er kein Recht hatte, sich eigenmächtig ein Kurzzeitdarlehen auf Kosten einer Kameradenkasse zu verschaffen, ohne mit dem Kassenwart über die Rückzahlungskonditionen auch nur zu verhandeln. Denn nachdem der Soldat die Erfahrung gemacht hatte, wegen seines Schuldenmachens bei Kameraden und seiner zögerlichen Rückzahlungspraxis bereits bei einer Dienststelle untragbar geworden zu sein, konnte ihm nicht entgangen sein, dass nicht jeder potentielle Gläubiger ihm ohne weiteres und ungefragt eine Geldsumme als Darlehen überlassen würde. Es liegt fern, dass der intellektuell keineswegs unbedarfte Soldat diesen sich aufdrängenden Schluss nicht gezogen haben könnte.

47 3. Damit hat der Soldat vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

48 a) Durch sein Verhalten hat er zunächst vorsätzlich die Pflicht zum treuen Dienen aus § 7 SG verletzt.

49 § 7 SG verpflichtet auch zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung. Diese Pflicht ist dadurch verletzt, dass der Soldat einen versuchten Diebstahl geringwertiger Sachen im Sinne von § 242 Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1, § 248a StGB begangen hat. Die versuchte Straftat stellt eine vollendete Dienstpflichtverletzung dar. Denn die Pflicht zur Loyalität zur Rechtsordnung untersagt die Begehung von Straftaten jeder Art und nicht nur die Begehung von vollendeten Straftaten, so dass schon der Versuch einer Straftat sämtliche Merkmale der Dienstpflichtverletzung verwirklicht.

50 aa) Dass der Diebstahl trotz der Mitnahme des Geldes und seiner zumindest teilweisen Nutzung für die Zahlung einer eigenen Verbindlichkeit an der Tankstelle nicht vollendet ist, folgt daraus, dass es sich um eine Diebesfalle handelte. Wegnahme setzt den Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams und damit ein Handeln gegen den Willen des Berechtigten voraus (Fischer, Strafgesetzbuch, 59. Aufl., § 242 Rn. 16 und 23 m.w.N. zur Rspr.). Bei einer Diebesfalle besteht aber Einverständnis des Berechtigten mit der Wegnahme, der diese wollen muss, um den Dieb zu überführen. Dass ein entsprechendes Einverständnis auch konkret vorgelegen hatte, hat der Zeuge Major Schr. in der Berufungshauptverhandlung auch bestätigt. Der Soldat hat hier in objektiver Hinsicht alles getan, was zur Vollendung des Deliktes nötig war und damit auch unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt.

51 bb) aaa) Der Vorsatz des Soldaten bezog sich sowohl auf die Wegnahme als auch auf die Fremdheit des Zugriffsobjekts.

52 Dass er nicht Eigentümer des Geldes war, wusste der Soldat. Selbst wenn er - wie von seinem Verteidiger vorgetragen - davon ausgegangen sein sollte, ebenso wie alle Nutzer von an das Büro des Oberstabsfeldwebels K. angrenzenden Büros während dessen Abwesenheit Mitgewahrsam an dem Umschlag gehabt zu haben, muss er dann auch von Mitgewahrsam aller anderen Gewahrsamsinhaber ausgegangen sein. Der Bruch fremden Mitgewahrsams reicht für die Wegnahmehandlung aus (vgl. Fischer, a.a.O., § 242 Rn. 16a). Dass die von ihm über die Mitnahme des Umschlages informierten Zeugen S. und Ko. Einverständnis mit der Mitnahme geäußert hätten, hat er nicht behauptet. Von einem Einverständnis sämtlicher weiterer Mitgewahrsamsinhaber ist ebenfalls nicht die Rede gewesen. Heimlichkeit, also Unkenntnis des Gewahrsamsinhabers, ist für die Wegnahme nicht erforderlich (vgl. Fischer, a.a.O., § 242 Rn. 16). Mithin waren dem Soldaten alle tatsächlichen Umstände bekannt, aus denen sich die Wegnahme des fremden Geldes ergibt.

53 bbb) Der Soldat hat auch mit Zueignungsabsicht gehandelt. Denn wie ausgeführt geht der Senat davon aus, dass er die konkreten Geldscheine wie eigenes Geld für die Begleichung eigener Verbindlichkeiten nutzen wollte und allenfalls die Absicht hatte, an die Unteroffizierkasse einen gleich hohen Geldbetrag zurück zu erstatten. Damit richtete sich seine Absicht auf die dauernde Verdrängung des bisherigen Eigentümers aus seinem Eigentum an den konkreten Geldscheinen und die zumindest vorübergehende Überführung dieser konkreten Scheine in das Vermögen des Soldaten.

54 Die dauerhafte Verdrängung des bisherigen Eigentümers aus seinem Eigentum erfolgt, soweit sie nicht bereits durch den Erwerb von Miteigentum des Soldaten infolge der Vermischung nach § 948 Abs. 1 i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB erfolgt ist, spätestens durch den gutgläubigen Erwerb des Gläubigers des Soldaten nach § 935 Abs. 2 BGB bei der Hingabe der Geldscheine als Zahlungsmittel. Dass der Eigentümer des Geldes mit der Verdrängung aus seiner Position einverstanden gewesen sein könnte, liegt trotz des Einsatzes des Geldes für die Diebesfalle fern. Damit die Diebesfalle ihren Zweck erfüllt, muss der Eigentümer des „Köders“ mit der Wegnahme einverstanden sein. Er ist aber nicht auch mit dem Verlust seines Eigentums einverstanden. Die Diebesfalle ist kein Schenkungsangebot an einen potentiellen Dieb. Dass ein solches Einverständnis gerade im konkreten Fall nicht bestand, hat der Zeuge Schr. deutlich gemacht. Nach seinen Angaben hat er nur das Risiko in Kauf genommen, dass er die Geldscheine nicht zurückerhalten würde. Damit ist aber kein Einverständnis mit dem Verlust verbunden.

55 Die Absicht, die Geldsumme später zurück zu erstatten, steht der Zueignungsabsicht ebenfalls nicht entgegen. Denn Zueignungsobjekt des Diebstahls ist die Sache selbst, d.h. der konkrete Geldschein, oder - aber nur subsidiär - der in der Sache verkörperte Wert, d.h. der Nennwert des Geldscheines (Fischer, a.a.O., § 242 Rn. 35 m.w.N.).

56 In dem angestrebten Einsatz der Geldscheine als Zahlungsmittel zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten liegt das Aneignungselement der Zueignungsabsicht. Bei einem unbefugten Geldwechseln mag man von einer mutmaßlichen Einwilligung des Eigentümers ausgehen dürfen (vgl. Fischer, a.a.O., § 242 Rn. 44). So liegt der Fall bei einem unbefugten Darlehen aber nicht. Es liegt auf der Hand, dass - gerade bei einem mit der Rückzahlung zögerlichen Schuldner wie dem Soldaten - sich jeder Eigentümer die Entscheidung über die Auszahlung einer bestimmten Darlehenssumme und die Rückzahlungskonditionen vorbehalten wird und nicht ungefragt mit einer eigenmächtigen Darlehensnahme einverstanden ist. Daher nimmt der Senat auch nicht an, dass der Soldat irrig von einem mutmaßlichen Einverständnis des Berechtigten ausgegangen sein könnte.

57 b) Durch das Begehen einer Straftat im Dienst und in dienstlichen Räumen hat der Soldat auch vorsätzlich seine Pflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt.

58 c) Er hat schließlich ebenfalls vorsätzlich die Kameradschaftspflicht des § 12 Satz 2 SG verletzt.

59 Hierfür kommt es entgegen der Einschätzung des Truppendienstgerichts nicht darauf an, in wessen Eigentum das für die Diebesfalle genutzte Geld zum Zeitpunkt des Zugriffes stand. Da es sich wegen der Diebesfalle ohnehin im strafrechtlichen Sinne nur um eine Versuchstat handelt, kommt es auf die seinen Vorsatz begründende Vorstellung des Soldaten zum Zeitpunkt des Zugriffes an. Es kann hierbei zudem dahinstehen, welche Vorstellung der Soldat in dem Moment, in dem er den Briefumschlag an sich nahm, zu der Frage hatte, wer aktuell Eigentümer des in dem Umschlag befindlichen Geldes gewesen war. Denn jedenfalls musste er der Aufschrift auf dem Umschlag entnehmen, dass das Geld als Spende für die Unteroffizierkasse in das Eigentum der Kameradengemeinschaft überführt werden sollte und es allenfalls noch der Annahme des Übereignungsangebotes des unbekannten Spenders durch den Kassenverwalter für den Eigentumserwerb der Kameradengemeinschaft bedurfte. Wer unter diesen Umständen auf die Spende zugreift, vereitelt damit das Recht der Kameradengemeinschaft, das Übereignungsangebot des Spenders anzunehmen und Eigentum zu erwerben. Auch darin liegt eine wirtschaftlich bedeutsame Schädigung der Kameradengemeinschaft.

60 Dass ein solches Recht hier wegen der Einrichtung der Diebesfalle tatsächlich gar nicht bestand, ändert nichts an der Verletzung der Kameradschaftspflicht. Denn der Senat ist überzeugt, dass der Soldat wegen der Aufschrift auf dem Umschlag und seiner Unkenntnis der Diebesfalle von einer Spende für die Kameradenkasse ausgegangen ist und deshalb auch nach laienhaftem Verständnis wusste, dass die Gemeinschaft jederzeit das Eigentum an dieser Spende erwerben durfte. Dass es sich insoweit - nach strafrechtlichen Begriffen - um einen untauglichen Versuch einer Schädigung der Kameradengemeinschaft handelte, ist unerheblich, weil für die disziplinarrechtliche Würdigung der Versuch ebenso eine Pflichtverletzung darstellt wie die Vollendung (vgl. Urteil vom 14. Oktober 2009 - BVerwG 2 WD 16.08 - juris Rn. 59 m.w.N.).

61 4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.

62 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegen die Pflichtverletzungen nicht leicht.

63 Der dienstliche wie außerdienstliche Zugriff auf Eigentum und Vermögen von Kameraden oder Kameradengemeinschaften („Griff in Kameradenkasse“) stellt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N., vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 18 und vom 8. März 2011 - BVerwG 2 WD 15.09 - juris Rn. 33) ein so schwerwiegendes Dienstvergehen dar, dass grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung - gegebenenfalls bis in einen Mannschaftsdienstgrad - Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist. Ein Eigentums- oder Vermögensdelikt zum Nachteil von Kameraden lässt nicht nur negative Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Soldaten zu und berührt die Möglichkeit seiner dienstlichen Verwendungen, sondern ist auch stets geeignet, das gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen, zu gefährden, sowie die Kameradschaft und den militärischen Zusammenhalt, auf dem die Bundeswehr nach § 12 Satz 1 SG beruht, zu untergraben. Ein solches Verhalten löst häufig, wie hier, neben Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten auch solche der Strafverfolgungsorgane aus. All dies führt regelmäßig zu gegenseitigen Verdächtigungen und Anschuldigungen und kann damit ein Klima der Unruhe und des Misstrauens schaffen, das dem Dienstbetrieb höchst abträglich ist. Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfordert im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfalle gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und kann damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 1. März 2007 - BVerwG 2 WD 4.06 - Rn. 46 m.w.N.). Ist der Diebstahl wegen der Einrichtung einer Diebesfalle nur versucht, gilt nichts anderes.

64 Gewicht verleiht dem Dienstvergehen nicht zuletzt die Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens ergibt sich auch daraus, dass der frühere Soldat gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, verstoßen und kriminelles Unrecht begangen hat, auch wenn es hier nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung gekommen ist.

65 Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.

66 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberleutnant in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N., vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 30).

67 b) Die nachteiligen Auswirkungen des Dienstvergehens fallen nicht schwer ins Gewicht.

68 Zwar musste der Soldat wegen des in Rede stehenden Vorfalles an eine andere Dienststelle kommandiert werden. Allerdings ist er dort seinen besonderen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt und leistet erfolgreich auf einem schwierigen Posten Dienst, während seine Leistungen auf dem bisherigen Dienstposten als deutlich schlechter beschrieben wurden. Damit hat sich die Wegkommandierung für den Dienstherrn im Ergebnis nicht nachteilig ausgewirkt.

69 Der in Rede stehende Vorfall mag zwar zu Aversionen gegenüber dem Soldaten im Kameradenkreis geführt haben. Da diese aber nach den Ausführungen des Zeugen St. zumindest auch darauf zurückzuführen sind, dass der Soldat trotz der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO nach wie vor als Dieb der Unteroffizierkasse verdächtigt wird, berücksichtigt der Senat diesen Umstand nicht zu seinen Lasten. Denn im Hinblick auf diesen Vorfall greift die Unschuldsvermutung. Einem Unschuldigen kann nicht vorgeworfen werden, dass er zu Unrecht weiterer Straftaten verdächtigt wird.

70 Es kann dahinstehen, ob in der Presse in einer Kurznotiz über das eingestellte Strafverfahren gegen den Soldaten wegen des Diebstahls von 20 € berichtet worden sein sollte. Dass diese Notiz geeignet gewesen wäre, in einer breiteren Öffentlichkeit das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Angehörigen der Streitkräfte zu beeinträchtigen, kann der Senat nicht feststellen.

71 c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn, weil er aus finanziellem Eigennutz gehandelt hat, um einen „Liquiditätsengpass“ zu überbrücken.

72 d) aa) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.

73 bb) Der Soldat war nicht im Sinne des § 21 StGB vermindert schuldfähig. Da er nach seinen in der Berufungshauptverhandlung ausdrücklich bestätigten Angaben seit 2008 nicht mehr spielt und die Therapie seiner Spielsucht allein noch durch den gelegentlichen Besuch einer Selbsthilfegruppe erfolgt, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass er zum Tatzeitpunkt in seiner Steuerungsfähigkeit durch den Drang, Geld zur Finanzierung eines zwanghaften Spielverhaltens zu bekommen, beeinträchtigt gewesen sein könnte.

74 cc) Der Soldat kann sich auch nicht auf einen entsprechend § 17 Satz 2 StGB die Maßnahme potenziell mildernden Verbotsirrtum berufen. Denn wie oben ausgeführt glaubt der Senat dem Soldaten nicht, dass er sich über das Unrecht seines Tuns nicht im Klaren gewesen sein könnte, auch wenn er sein Handeln selbst nicht unter den Straftatbestand des Diebstahls subsumiert haben sollte.

75 dd) Der Soldat kann sich nicht auf den Milderungsgrund des Handelns in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die nicht anders zu beheben war, berufen. Nach den Angaben des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung hatte er zum Tatzeitpunkt nach Abzug seiner Belastungen durch Unterhaltsverpflichtungen und die Abzahlung von Krediten für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes Mittel zur Verfügung, die deutlich oberhalb der Leistungen der Grundsicherung lagen. Damit befand er sich nicht in einer wirtschaftlichen Notlage, die die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse in Frage stellt. Zudem ist auch nicht feststellbar, dass seine finanzielle Situation, die nach seinen eigenen Angaben durch die Aufnahme eines Darlehens für einen Freund und den Versuch, die Verbindlichkeiten durch Spielgewinne zu begleichen, verschlechtert wurde, unverschuldet ist.

76 ee) Es handelt sich auch nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten. Eine Augenblickstat liegt vor, wenn der Entschluss zum Tun oder Unterlassen nicht geplant oder wohl überlegt, sondern spontan und aus den Umständen eines Augenblickszustandes zustande gekommen ist (Urteile vom 19. September 2001 - BVerwG 2 WD 9.01 - juris Rn. 19 und vom 30. März 2011 - BVerwG 2 WD 5.10 - juris Rn. 52). Von Spontaneität, Kopflosigkeit oder Unüberlegtheit ist nicht mehr zu sprechen, wenn das Dienstvergehen sich als mehraktiges Verhalten darstellt, das immer wieder neue, wenn auch kurze Überlegungen erfordert (vgl. Urteil vom 27. Juli 2010 - BVerwG 2 WD 5.09 - juris Rn. 23). Um ein mehraktiges Geschehen - und damit eben keine Augenblickstat - handelt es sich aber schon nach den Angaben des Soldaten, weil er hiernach den Umschlag an sich nahm, den Zeugen S. und Ko. die Mitnahme zu Sicherstellungszwecken mitteilte, in sein Dienstzimmer ging, den Umschlag öffnete, den Geldbetrag entnahm und in seine Hosentasche steckte.

77 ff) Von einer freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens (vgl. zu diesem Milderungsgrund Urteil vom 9. März 1995 - BVerwG 2 WD 1.95 - BVerwGE 103, 217 <218> m.w.N.) geht der Senat nicht aus. Freiwillig ist die Offenbarung eines Fehlverhaltens oder die Wiedergutmachung eines Schadens aber nur, wenn sie ohne äußeren oder inneren zwingenden Anlass erfolgt und wenn das Verhalten des Soldaten erkennbar von Einsicht oder Reue bestimmt ist, so dass deswegen das an sich zerstörte Vertrauen des Dienstherrn in die Zuverlässigkeit und Treuebereitschaft des Soldaten wiederhergestellt werden kann (objektiv nachträgliche Prognose). Hier hat der Soldat die 20 € zwar noch am Tag des Zugriffes zurückgezahlt. Er hat dies aber erst getan, als ihm klar war, in eine Diebesfalle geraten zu sein. Damit fehlt die Freiwilligkeit.

78 gg) Vorliegend greift des Weiteren nicht der Milderungsgrund eines Mitverschuldens von Vorgesetzten in Form einer mangelhaften Dienstaufsicht ein.
Dieser Milderungsgrund steht einem Soldaten nur dann zur Seite, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. z.B. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 und vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 37). Der Soldat bedurfte nicht des hilfreichen Einschreitens der Dienstaufsicht um zu erkennen, dass er fremdes Geld nicht als eigenmächtiges Darlehen zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten an sich nehmen darf.

79 Die Dienstaufsicht hat die Tat auch nicht deshalb mit zu verantworten, weil sie durch die Diebesfalle eine Ursache für die Tatbegehung gesetzt und damit zur Tatbegehung provoziert hat. Es verstößt weder gegen rechtsstaatliche Grundsätze noch gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, aus konkretem Anlass Bedienstete mit Hilfe einer präparierten Diebesfalle auf ihre Redlichkeit zu überprüfen (vgl. Urteil vom 26. November 1991 - BVerwG 1 D 19.91 - juris). Vielmehr ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Vorgesetzte bei der Abwägung der Fürsorgepflichten für geschädigte oder unschuldig unter Verdacht geratene Bedienstete mit der Fürsorgepflicht zugunsten eines in die Falle tappenden Diebes ersterer klar den Vorrang einräumen.

80 Dennoch berücksichtigt der Senat bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme, dass durch eine bewusste Entscheidung Vorgesetzter hier eine besondere Versuchungssituation gerade für den Soldaten geschaffen wurde. Wie der Zeuge Oberstleutnant St. in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt hat, war ihm und dem Oberstleutnant M. noch vor der Entscheidung über die Einrichtung der Diebesfalle bekannt geworden, dass der Soldat erhebliche finanzielle Schwierigkeiten hat, wegen der Aufnahme zahlreicher Darlehen bei Kameraden und der nur sehr zögerlichen Rückzahlungspraxis in seiner alten Einheit untragbar geworden und deshalb wegversetzt worden und außerdem wegen seiner Spielsucht in Behandlung gewesen war. Damit war den über die Diebesfalle entscheidenden Vorgesetzten bewusst, dass durch die besondere Situation des Soldaten die Diebesfalle für ihn eine stärkere Versuchung begründete als für Kameraden, die in wirtschaftlich geordneteren Verhältnissen lebten.
Der Senat berücksichtigt diesen Umstand maßnahmemildernd, weil dadurch die Hemmschwelle zum Zugriff herabgesetzt ist, sodass es geringerer krimineller Energie zu ihrer Überwindung bedarf. Diesem geringeren Maß an krimineller Energie kann ausreichend auch noch mit einer weniger stark eingreifenden pflichtenmahnenden Maßnahme begegnet werden.

81 hh) Auch bei einem Zugriff auf Eigentum oder Vermögen von Kameraden oder Kameradengemeinschaften ist der geringe Wert des Zugriffsobjekts mildernd zu berücksichtigen.

82 Soweit ein Zugriff auf Vermögen des Dienstherrn in Rede steht, kann von einer an sich verwirkten (Höchst-)Maßnahme abgesehen werden, wenn der Vermögenswert der in Rede stehenden Sache gering ist und durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Interessen verletzt sind (vgl. Urteil vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 5.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 3). Die „Bagatellgrenze“ liegt bei ca. 50 € (Urteil vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - juris Rn. 30 m.w.N.).

83 Der Milderungsgrund des Zugriffs auf geringwertige Objekte ist auch außerhalb der Zugriffsdelikte im engeren Sinne des Zugriffs auf dienstlich anvertraute Geldsummen oder Gegenstände zu berücksichtigen.

84 Denn hinter diesem Milderungsgrund steht die Erwägung, dass bei geringwertigen Dingen die Hemmschwelle zum Zugriff herabgesetzt ist, so dass nur geringere kriminelle Energie aufgewandt werden muss, um sie zu überwinden, und mit der Tat daher auch ein geringeres Unrechtsbewusstsein einhergeht. Da eine solche Tat geringere Charaktermängel offenbart, verlangt sie auch nach einer weniger weitgehenden Maßnahme zur Erreichung des pflichtenmahnenden Zwecks der Sanktion. In diesem Punkt gibt es keinen Unterschied zwischen Zugriffsdelikten zulasten des Dienstherrn und Zugriffen auf Kameradeneigentum oder -vermögen. Dass ein geschädigter Kamerad oder eine geschädigte Kameradengemeinschaft einen Zugriff auf geringwertige Güter wirtschaftlich deutlicher fühlt als die Bundesrepublik Deutschland ist schon deshalb nicht ausschlaggebend, weil das Disziplinarrecht nicht der Wiedergutmachung des Geschädigten dient oder Genugtuungsfunktion hat. Hinzu kommt noch, dass eine Schädigung des Dienstherrn sehr häufig ohnehin zusätzlich eine Schädigung der Kameradengemeinschaft ist. Denn die dem Dienstherrn entzogenen Gelder oder Gegenstände sollen in der Regel von Kameraden genutzt werden bzw. ihnen zugute kommen.

85 Dass es bei Kameradendiebstählen häufig um geringwertige Güter geht, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die unter general- wie spezialpräventiven Gesichtspunkten angemessene Sanktionierung ist nämlich durch die Berücksichtigung dieses Milderungsgrundes nicht gefährdet. Denn dem die Schwere dieser Pflichtverletzung kennzeichnenden Umstand - dass nämlich das für die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte wesentliche Element des Vertrauens der Kameraden untereinander beeinträchtigt ist - wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass mit der Dienstgradherabsetzung die zweitschärfste Maßnahme Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist. Soweit ein mehrfacher Zugriff auf geringwertige Güter in Rede steht, stellt die Wiederholung ein bei der Maßnahmebemessung ebenfalls zu berücksichtigendes erschwerendes Element dar, das im Ergebnis die Verhängung einer milderen Maßnahme verhindern kann.

86 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sprechen die dienstlichen Leistungen des Soldaten auf seinem Dienstposten als Leiter des Lagezentrums beim ...regiment ... in S. nachdrücklich für den Soldaten. Sein früherer Disziplinarvorgesetzter hat als Leumundszeuge in der Berufungshauptverhandlung die Einschätzungen der von ihm verfassten Sonderbeurteilung bestätigt und entsprechende Leistungen auch in der Folgezeit angegeben. Seine noch im Oktober 2012 abgegebene Empfehlung an seinen Nachfolger, den Soldaten wegen dessen Spitzenleistungen auf diesem Dienstposten zu behalten, bestätigt die seit der Wegkommandierung vom Bataillon ... in F. zu konstatierende, deutliche und nachhaltige Leistungssteigerung. Von einer Nachbewährung im engeren Sinne geht der Senat gleichwohl nicht aus, weil sich der Soldat in der Folgezeit während der laufenden Ermittlungen nicht vollständig tadelfrei geführt hat. Denn er hat durch den mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Strafbefehl geahndeten Tankbetrug Anlass für Ermittlungen in einem weiteren Disziplinarverfahren gesetzt.

87 Der Senat glaubt dem Soldaten auch, dass er durch das Verfahren gelernt und seine Einsicht in das Unrecht seiner Tat vertieft hat.

88 f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts das verhängte Beförderungsverbot erforderlich und wegen seiner faktischen Verlängerung durch die Dauer des Berufungsverfahrens noch ausreichend.

89 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

90 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägung“.

91 Beim vorsätzlichen Zugriff auf Eigentum oder Vermögen von Kameraden oder Kameradengemeinschaften - „Griff in die Kameradenkasse“ - ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich - und so auch hier - eine Dienstgradherabsetzung (vgl. Urteile vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 -, vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 41 und vom 8. März 2011 - BVerwG 2 WD 15.09 - juris Rn. 33).

92 bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

93 Hiernach rechtfertigt es die Kumulation des nur einmaligen Zugriffs auf ein geringwertiges Objekt und das Handeln in einer besonderen, vom Dienstherrn bewusst geschaffenen Versuchungssituation, für die gerade dieser Soldat besonders empfänglich war, die Annahme eines insgesamt minderschweren Falles und die Modifikation der Maßnahmeart nach unten. Die Verhängung eines Beförderungsverbotes war damit geboten, aber auch ausreichend.

94 Dieses war seiner Länge nach allerdings nicht am unteren Rand des nach § 60 Abs. 2 WDO Zulässigen zu bemessen. Die für den Soldaten sprechenden guten Leistungen und die sehr deutliche Leistungssteigerung auf seinem aktuellen Dienstposten sprechen zwar gegen das Erfordernis, den Bemessungsrahmen nach oben hin voll auszuschöpfen. Jedoch ist insbesondere auch der im Hinblick auf § 10 Abs. 1 SG erschwerend ins Gewicht fallenden, herausgehobenen Vorgesetztenstellung des Soldaten als Offizier und den gegen den Soldaten sprechenden eigennützigen Beweggründen seiner Pflichtverletzung Rechnung zu tragen, so dass ein Beförderungsverbot über deutlich mehr als die Hälfte der zulässigen Höchstdauer geboten ist.

95 Allerdings ist bei der Bemessung auch zu berücksichtigen, dass die Dauer des Berufungsverfahrens nicht nur durch die mit ihm verbundenen psychischen Belastungen bereits pflichtenmahnende Wirkung hat, sondern dass sich die durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Berufung bereits als faktisches Beförderungsverbot ausgewirkt hat. Da das vom Truppendienstgericht bereits verhängte Beförderungsverbot erst mit der Rechtskraft seiner Entscheidung anläuft und somit durch eine bestätigende Entscheidung des Senats insgesamt ein Beförderungsverbot von 32 Monaten tatsächlich bestanden haben wird, ist die damit erreichte Sanktion als Pflichtenmahnung unter spezial- wie generalpräventiven Gesichtspunkten ausreichend.

96 5. Da die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft im Ergebnis ohne Erfolg geblieben ist, sind dem Bund gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Nach § 140 Abs. 3 Satz 1 WDO trägt er auch die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen.