Urteil vom 14.11.2007 -
BVerwG 2 WD 29.06ECLI:DE:BVerwG:2007:141107U2WD29.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.11.2007 - 2 WD 29.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:141107U2WD29.06.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 29.06

  • Truppendienstgericht Nord 7. Kammer - 27.06.2006 - AZ: N 9 VL 2/06

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 14. November 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtliche Richterin Oberstabsveterinär Dr. Hornkamp und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel Wolf,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Pflichtverteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 27. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1 Der 43 Jahre alte frühere Soldat (geboren am ...) absolvierte mit Erfolg die zehnklassige allgemeinbildende Polytechnische Oberschule in H. mit befriedigendem Erfolg, durchlief anschließend eine Ausbildung zum Baufacharbeiter mit der Spezialisierungsrichtung Tiefbauarbeiten und wurde im November 1983 zur Nationalen Volksarmee der DDR als Unteroffizierschüler einberufen. Er strebte als Berufsunteroffizier eine Verwendung „als Hauptfeldwebel“ (Kompaniefeldwebel) an, die er jedoch nicht erreichte, weil er nach seinen Angaben am 5. Dezember 1986 vom Hauptfeldwebel-Lehrgang abgelöst wurde, nachdem er, so seine Angaben, während seines UvD-Dienstes „Westfernsehen“ angesehen hatte. Nach anschließender Degradierung vom Dienstgrad eines Unterfeldwebels in den Dienstgrad eines Unteroffiziers wurde er im Jahre 1987 zum Unterfeldwebel, 1988 zum Feldwebel befördert. Sein letzter Dienstgrad in der Nationalen Volksarmee der DDR war Feldwebel.

2 Aufgrund seiner Bewerbung vom 26. November 1990 für den Dienst in der Bundeswehr wurde er mit Wirkung vom 1. Mai 1990 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Feldwebel ernannt. Auf seinen Antrag wurde ihm am 11. Januar 1995 die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Auf seinen Antrag vom 12. März 2003 wurde ihm aufgrund der Verfügung der Stammdienststelle des Heeres vom 28. April 2003 nach dem Personalstärkegesetz am 11. Juni 2003 wiederum die Eigenschaft eines Soldaten auf Zeit verliehen. Die dann auf insgesamt 13 Jahre und drei Monate festgesetzte Dienstzeit endete mit Ablauf des 31. Juli 2004.

3 Der frühere Soldat war am 16. Februar 1995 zum Oberfeldwebel befördert worden. Mit Urteil der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 17. März 1998, rechtskräftig seit dem 30. Juni 1998 wurde er in den Dienstgrad eines Feldwebels herabgesetzt. Am 3. September 2001 wurde er erneut zum Oberfeldwebel ernannt. Durch Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 16. Juli 2003, rechtskräftig seit dem 16. September 2003, wurde er wiederum in den Dienstgrad eines Feldwebels herabgesetzt.

4 Nach seiner im Jahre 1991 erfolgten Übernahme in die Bundeswehr wurde der frühere Soldat zunächst im ...bataillon ... in T. eingesetzt und nach einer kurzen Verwendung als Panzergrenadierfeldwebel an der ...schule ... in D. im November 1995 zur .../...bataillon ... nach Ha. versetzt. Für die Zeit vom 18. Juni 2003 bis 4. November 2003 wurde er zum Zwecke einer Dienstzeit beendenden berufsfördernden Maßnahme zur Bundeswehrfachschule nach Ha. kommandiert, um dort das Fachabitur abzulegen; für die Zeit bis zum 31. Juli 2004 wurde er vom militärischen Dienst freigestellt. Bedingt durch die zum 31. Dezember 2003 erfolgte Auflösung des ...bataillons ... erfolgte dann mit Verfügung der Stammdienststelle des Heeres vom 18. November 2003 seine Versetzung zur ...kompanie ...kommando Ha.

5 In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 17. August 2001 wurden seine dienstlichen Leistungen einmal („Fachwissen“) mit der Stufe „4“, 13-mal mit der Stufe „3“ und zweimal („Zusammenarbeit“, „Beurteilungsverhalten“) mit der Stufe „2“ („Leistungen entsprechen im Wesentlichen den Anforderungen“) beurteilt. Seine „Eignung und Befähigung“ wurden zweimal mit „B“ und zweimal („Verantwortungsbewusstsein“; „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) mit „A“ („Eignung und Befähigung sind mit Einschränkungen vorhanden“) bewertet. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ heißt es:
„Feldwebel S. identifiziert sich mit dem Soldatenberuf und ist bemüht, im Sinne der übergeordneten Führung zu handeln. Es gelingt ihm aber immer noch nicht, sich in die hierarchische Struktur einzuordnen. Hier muss er mehr Einsicht zeigen und Kritik und Anregungen annehmen. Umso mehr wird es ihm dann gelingen, im Kreise der Unteroffiziere seiner Einheit uneingeschränkt anerkannt und respektiert zu werden.
Feldwebel S. versucht sich stets aktiv in die zu bewältigenden Aufgaben einzubringen und arbeitet im Rahmen seiner persönlichen Merkmale uneingeschränkt mit. Im Leistungsvergleich mit den Feldwebeln und Oberfeldwebeln seiner Einheit ist er im unteren Drittel anzusiedeln.
Feldwebel S. stellt in seinem Auftreten und in seinem beruflichen Selbstverständnis noch nicht das Bild des U.m.P. dar, welches für den erweiterten Auftrag der Streitkräfte geeignet ist. Einem Auslandseinsatz und damit einer Bewährung im Einsatz kann zur Zeit nur bedingt zugestimmt werden. Gleichwohl hat er in letzter Zeit bewiesen, in der 3./... als auch in der 5./..., dass er als Gruppenführer in der Allgemeinen Grundausbildung sehr wohl in der Lage ist, ordentliche Ausbildungsergebnisse zu erzielen.“

6 Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte dieser Beurteilung durch den Kompaniechef zu und führte ergänzend aus:
„Oberfeldwebel S. muss sich die kritischen Anmerkungen und gutgemeinten Ratschläge des erstbeurteilenden Disziplinarvorgesetzten zu Herzen nehmen, weiter an sich arbeiten und festigen, damit er das erforderliche Anforderungsprofil eines künftigen PzGrenZgFhr uneingeschränkt erfüllt; das Potential ist vorhanden.“

7 Die Förderungswürdigkeit beurteilte er mit „B“ („Eignung und Leistungen des Beurteilten entsprechen den Anforderungen. Er ist förderungswürdig.“).

8 Der Auszug aus dem Zentralregister vom 10. August 2006 weist zehn Eintragungen auf:
1) Strafbefehl des Amtsgerichts W. vom 4. März 1997, rechtskräftig seit 31. Juli 1997, - Az.: 8 Cs 180 Js 11013/96 - über 40 Tagessätze zu je 70 DM Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 31. Mai 1998 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort am 29. Juni 1996
2) Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 15. April 1997, rechtskräftig seit 6. Mai 1997, - Az.: 1812 Js 131/97 (214-159/97) über 30 Tagessätze zu je 80 DM Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 28. Dezember 1997 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr am 29. Januar 1997
3) Strafbefehl des Amtsgerichts U. vom 14. März 1998, rechtskräftig seit 16. Februar 1999, - Az.: 2 Cs 55/98, 716 VRS 268/99 -: 20 Tagessätze zu je 50 DM Geldstrafe wegen Urkundenfälschung am 2. Februar 1993
4) Beschluss des Amtsgerichts W. vom 29. März 2000, rechtskräftig seit 3. Mai 2000, - Az.: 8 CS 180 Js 11013/96 - über nachträglich gebildete Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amtsgerichts W. vom 4. März 1997, des Amtsgerichts H. vom 15. April 1997 und des Amtsgerichts U. vom 14. März 1998 von 80 Tagessätzen zu je 70 DM Geldstrafe.
5) Strafbefehl des Amtsgerichts Ha. vom 13. Februar 2002, rechtskräftig seit 29. Juni 2002, - Az.: 2403 Js 752/01 V 214-64/02 - über 50 Tagessätze zu je 30 € Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 28. Juni 2003 wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis
6) Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 22. August 2002, rechtskräftig seit 30. August 2002, - Az.: 2403 Js 888/01 V 624-48/02 - über 50 Tagessätze zu je 50 € Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 28. Februar 2003 wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen (letzte Tat: 30. Oktober 2001)
7) Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 12. September 2002, rechtskräftig seit 20. September 2002, - Az.: 7303 Js 14/02 V 620-48/02 - über 90 Tagessätze zu je 30 € Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 20. März 2003 unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts Ha. vom 22. August 2002 (Az.: 2403 Js 888/01 V 624-48/02) wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges trotz Entzugs der Fahrerlaubnis (letzte Tat: 18. März 2002)
8) (mit Anschuldigungspunkt 1 im vorliegenden Verfahren sachgleiches Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 24. April 2003, rechtskräftig seit 3. Mai 2003, - Az.: 2403 Js 956/02 627-502/02 - zu drei Monaten Freiheitsstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 2. Mai 2004; Bewährungszeit bis 2. Mai 2006; wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis (letzte Tat: 16. Oktober 2002)
9) Strafbefehl des Amtsgerichts Ha. vom 18. Juli 2003, rechtskräftig seit 26. Juli 2003, - Az.: 2405 Js 394/03 628-429/03 - über zehn Tagessätze zu je 20 € Geldstrafe wegen Erschleichens von Leistungen nach § 265a Abs. 1 StGB (letzte Tat: 8. Mai 2003)
10) (mit Anschuldigungspunkt 2 des vorliegenden Verfahrens teilweise sachgleicher) Strafbefehl des Amtsgerichts Ha. vom 25. Juni 2004, rechtskräftig seit dem 12. August 2004, - Az.: 7303 Js 8/04 621-166/04 - zu 120 Tagessätzen zu je 20 € Geldstrafe wegen eigenmächtiger Abwesenheit von der Truppe in drei Fällen (letzte Tat: 9. April 2004)

9 Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 30. Juni 2004 weist folgende Disziplinarmaßnahmen auf:
1) Getilgte Disziplinarbuße über 100 DM vom 21. Januar 1993
2) Getilgte Disziplinarbuße über 1 000 DM vom 25. März 1993
3) Disziplinarbuße über 750 DM vom 16. Februar 1996 (Nichtausführung eines Befehls)
4) Verweis vom 9. Oktober 1996 (Nichtbefolgung eines Befehls)
5) Dienstgradherabsetzung durch Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 4. Juni 1998 (Dienstpflichtverletzung - Betäubungsmittel -); offenbar gemeint: Urteil des Truppendienstgerichts Nord - N 9 VL 13/97 - vom 17. März 1998, rechtskräftig seit dem 30. Juni 1998: Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels
6) Strenger Verweis vom 7. Juni 2000 (Nichtbefolgung eines Befehls)
7) Disziplinarmaßnahme vom 15. Mai 2001 (12 Tage Disziplinararrest), offenbar gemeint: Disziplinarmaßnahme vom 17. Mai 2001 über 12 Tage Disziplinararrest
8) Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 19. Februar 2003 (offenbar gemeint: 16. Juli 2003): Dienstgradherabsetzung zum Feldwebel (Fahren ohne Fahrerlaubnis am 18. März 2002, 2. August 2001, 30. Oktober 2001 und 18. Juli 2001)

10 Der ersten disziplinargerichtlichen Verurteilung des früheren Soldaten zur Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels hatte die 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord am 17. März 1998 folgende tatsächlichen Feststellungen zugrunde gelegt:
„1. Am 5. Mai 1996 führte der Soldat mit seiner Gruppe in M. einen 12 km-Nachtmarsch durch, bei dem die Soldaten gefechtsmäßig Abstände einzuhalten und zugewiesene Bereiche zu beobachten hatten. Die Waffen waren mit Manövermunition fertiggeladen. Dem Soldaten fiel auf, dass der Panzergrenadier K. während des Marsches an seiner Waffe herumspielte und diese im Wechsel sicherte und entsicherte. Trotz mehrfacher Aufforderung, dieses zu unterlassen, setzte der Panzergrenadier K. sein Tun fort und löst schließlich in unmittelbarer Nähre des Soldaten einen Schuss aus. Daraufhin verabfolgte der Soldat dem Panzergrenadier K. einen Schlag auf den Hinterkopf, obwohl er wusste, dass eine derartige Maßnahme nicht zu den erlaubten ‚Erzieherischen Maßnahmen’ gehört.
2. Am 24. November 1996 führte der Soldat mit seiner Einheit einen Eisenbahntransport von Ha. aus zum Truppenübungsplatz B. durch. Der Soldat saß mit den damaligen Stabsunteroffizieren B. und O. in einem Abteil. Er hatte zu den beiden Stabsunteroffizieren ein etwas engeres Verhältnis, weil B. ähnliche persönliche Probleme und ebenfalls seine Wohnung verloren hatte. O. wiederum war häufig mit B. zusammen. B. und O. verließen nacheinander das Abteil. O. kam dann zurück und bat den Soldaten, mit ihm zur Toilette zu kommen, auf der B. eine Haschischzigarette rauchte. Den Rest dieser Haschischzigarette konsumierte der Soldat, dem es davon nach eigenen Angaben so schlecht wurde, dass er sich übergeben musste.
3. Ein anderer Gruppenführer, der den Soldaten und die damaligen Stabsunteroffiziere B. und O. bei dem verbotenen Rauschmittelgenuss auf der Zugfahrt von Ha. nach B. beobachtet hatte, fühlte sich verpflichtet, seine Beobachtungen seinem Zugführer, dem Zeugen Hauptfeldwebel A., zu melden. Dieser weihte den Kompaniefeldwebel, den Zeugen Hauptfeldwebel D., ein. Beide riefen den Soldaten zu sich und machten ihm entsprechende Vorhalte. Daraufhin gab der Soldat nicht nur den Rauschmittelkonsum in der Zugtoilette zu, sondern gestand den beiden Zeugen auch, dass er seit wenigstens einem Jahr mit den beiden vorgenannten ehemaligen Stabsunteroffizieren Haschisch in seiner und in deren Stuben konsumiert habe.
4. Am 28. Januar 1997 besuchte der Soldat eine Diskothek in Ha. Nachdem er größere Mengen Alkohol zu sich genommen hatte, fiel ihm in den frühen Morgenstunden des 29. Januar 1997 gegen 3.00 Uhr ein, dass er seinen auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz abgestellten Pkw besser auf einen gebührenfreien in 800 m Entfernung bringen sollte. Aufgrund der Schwierigkeiten, die er schon beim Anfahren hatte und aufgrund seiner Fahrweise fiel er einer Polizeistreife auf. Die ihm entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 Promille.
Das Fehlverhalten des Soldaten war Gegenstand eines Strafverfahrens. Mit Strafbefehl vom 16. April 1997 - rechtskräftig seit dem 6. Mai 1997 - hat ihn das Amtsgericht Ha. wegen Trunkenheit im Verkehr nach §§ 316, 42, 69, 69a StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 80 DM = 2 400 DM verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Eine neue Fahrerlaubnis hat der Soldat bisher nicht erhalten.
5. Obwohl der Soldat über den Umgang mit Munition belehrt worden war und daher wusste, dass man diese nicht im Spind oder im Auto aufbewahren darf, sammelte er nach und nach bei Übungsvorhaben übrig gebliebene Pistolenmanövermunition (9 x19 mm, DM 28 A 1 B 1), anstatt sie pflichtgemäß den Zuständigen zurückzugeben. Zunächst bewahrte er sie in seinem Spind und später in seinem Pkw auf, wo 133 Patronen anlässlich des Vorfalles vom 29. Januar 1997 von der Polizei gefunden wurden.
6. Am 29. Juni 1996 befuhr der Soldat in W. abends gegen 20.35 Uhr mit seinem Pkw Audi, polizeiliches Kennzeichen ..., die ...straße aus Richtung ... Straße. Bei dem Versuch, in eine Grundstückseinfahrt einzubiegen, übersah der Soldat einen ihm entgegenkommenden Pkw Fiat. Bei dem Zusammenstoß entstand am gegnerischen Fahrzeug ein Schaden in Höhe von 2 229,19 DM. Der Soldat stieg zunächst aus und unterhielt sich mit der Unfallgegnerin. Dabei bot er ihr an, ihr seine Personalien und die Versicherungsdaten zu übergeben. Die Unfallgegnerin bestand jedoch auf der Hinzuziehung der Polizei. Darauf bestieg der Soldat seinen Pkw, angeblich um ihn aus der Grundstücksausfahrt herauszufahren. Auf der Fahrbahn angekommen, fuhr er jedoch plötzlich davon, ohne seiner Unfallgegnerin weitere Feststellungen zu ermöglichen.“

11 Die durch das Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 16. Juli 2003 - N 3 VL 18/03 - erfolgte erneute Herabsetzung des früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Feldwebels (Führen eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen am 18. März 2002, 2. August 2001, 30. Oktober 2001 und 18. Juli 2001) wird u.a. ausgeführt:
„Auch seine privaten Probleme, die die Kammer nachvollziehen konnte, sind kein Grund, ständig disziplinar- und strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Unter Zurückstellung erheblicher Bedenken konnte es die Kammer gerade noch vertreten, ihn lediglich wieder nur um einen Dienstgrad herabzusetzen, um ihn über das Dienstzeitende hinaus nicht untragbar auch finanziell zu belasten.
Der Soldat sollte sich aber bewusst sein, dass er bei weiterem Fehlverhalten zwangsläufig nicht nur einen Dienstgrad einbüßen muss, sondern mit einer wesentlich empfindlicheren Maßnahme zu rechnen hat.“

12 Der frühere Soldat ist nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung in zweiter Ehe seit dem 21. Juli 2006 verheiratet. Er ist Vater von drei Kindern (A, geboren am ...; B, geboren am ...; C, geboren am ...).

13 Ausweislich der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Ost - Gebührniswesen - vom 3. August 2006 erhielt der frühere Soldat bei Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ablauf des 31. Juli 2004 eine einmalige Übergangsbeihilfe in Höhe von 12 392,51 €, die jedoch gemäß § 82 Abs. 2 WDO zunächst einbehalten wurde. Ferner erhielt er auf die Dauer von 36 Monaten (bis zum 31. Juli 2007) monatliche Übergangsgebührnisse in Höhe von brutto 1 639,73 €, wovon ihm nach Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge und von Unterhaltspfändungen monatlich netto ca. 944,94 € ausgezahlt wurden.

14 Der frühere Soldat durchlief im Rahmen des Berufsförderungsdienstes eine Ausbildung zum Speditionskaufmann, und zwar zunächst bis zum Mai 2004 am Bildungszentrum H. der Stiftung ... und sodann in einer anderen Einrichtung in Emden. Nach seinen Angaben unterzieht er sich in Kürze einer Nachprüfung zwecks Erwerb eines Abschlusses im Ausbildungsberuf Speditionskaufmann. Gegenwärtig ist er in einem bis zum 31. Dezember 2007 befristeten Zeitarbeitsverhältnis im Speditionsbereich tätig und erzielt hieraus monatliche Einkünfte von ca. 980 Euro netto. Seine Ehefrau ist ganztags berufstätig als Bürofachangestellte.

II

15 In dem nach zuvor erfolgter Anhörung mit Verfügung des Befehlshabers im Wehrbereich I durch Aushändigung am 12. Juli 2004 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft mit Anschuldigungsschrift vom 9. Februar 2006, zugestellt am 18. Februar 2006, dem früheren Soldaten folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:
„1. Der frühere Soldat führte am 16.10.2002 gegen 9:20 Uhr im Wiederholungsfalle in Ha. auf der Straße S. den auf ihn zugelassenen Kleinbus mit dem amtlichen Kennzeichen ... ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein.
2. Der frühere Soldat nahm am 07.11.2003, vom 18.11. bis 21.11.2003, am 02.12.2003, vom 04.12. bis 05.12.2003, am 08.12.2003, am 10.12.2003, am 12.12.2003, vom 15.12. bis 19.12.2003, am 02.01.2004, am 05.01.2004, vom 08.01. bis 09.01.2004, vom 21.01. bis 23.01.2004, vom 26.01. bis 30.01.2004, vom 02.02. bis 06.02.2004 sowie am 09.02.2004 nicht an der ihm unter Freistellung vom militärischen Dienst bewilligten Fachausbildung zum Speditionskaufmann am Bildungszentrum H. der Stiftung ... in Ha. teil und meldete sich auch nicht unverzüglich bei seiner Einheit zum Dienst. Damit war er im vorbezeichneten Zeitraum unerlaubt abwesend.
Die Verpflichtung zur persönlichen Meldung und Dienstleistung bei Unterbrechung bzw. Abbruch der bewilligten Fachausbildung war dem früheren Soldaten bekannt. Zumindest hätte er diese Verpflichtung kennen können und auch müssen, da er hierüber sowohl in den Fachausbildungsbescheiden des Kreiswehrersatzamtes Ha. - Berufsförderungsdienst - vom 06.11.2003 und 09.12 . 2003 als auch im Freistellungsbescheid der Stammdienststelle des Heeres vom 07.11.2003 ausdrücklich hingewiesen worden ist.“

16 Die 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Juni 2006 dem früheren Soldaten das Ruhegehalt aberkannt.

17 Zu Anschuldigungspunkt 1 hat sie als gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindend die folgenden tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Ha. vom 24. April 2003 - Az.: 627-502/02 (2403 Js 956/02) zugrunde gelegt, mit dem der frühere Soldaten wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war:
„Der Angeklagte führte am 16.10.2002 gegen 9:20 Uhr im Wiederholungsfalle den auf ihn zugelassenen Kleinbus ... in der Straße S. in Ha., ohne dass er im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist. Aufgrund früherer Verkehrsvergehen wurde gegen ihn eine Sperre zur Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 30.08.2003 verhängt.
Der Angeklagte hat den Tatvorwurf in Abrede gestellt. Er ist der Täterschaft aufgrund der glaubwürdigen und glaubhaften Begründungen der Zeugin Bö., die ihn am Tattage als Polizeibeamtin kontrolliert hat, überführt.“

18 Zu Anschuldigungspunkt 2 hat die Truppendienstkammer „aufgrund der im Hauptverhandlungstermin abgegebenen Geständniserklärung“ folgenden Sachverhalt festgestellt:
„Dem früheren Soldaten war bekannt, dass er während seiner dienstzeitbeendenden Ausbildung als Angehöriger der ... ...kommandantur Ha. unter Freistellung vom militärischen Dienst bei einer (sei es auch nur vorübergehenden) Nicht-Teilnahme an der Fachausbildung sich bei seiner Einheit melden musste, um dort militärischen Dienst zu leisten. Dennoch nahm der Soldat
- am 07.11.2003,
- vom 18.11. bis 21.11.2003,
- am 02.12.2003,
- vom 04.12. bis 05.12.2003,
- am 08.12.2003,
- am 10.12.2003,
- am 12.12.2003,
- vom 15.12. bis 19.12.2003,
- am 02.01.2004,
- am 05.01.2004,
- vom 08.01. bis 09.01.2004,
- vom 21.01. bis 23.01.2004,
- vom 26.01. bis 30.01.2004,
- vom 02.02. bis 06.02.2004 sowie
- am 09.02.2004
nicht an der ihm unter Freistellung vom militärischen Dienst bewilligten Fachausbildung zum Speditionskaufmann am Bildungszentrum H. der Stiftung ... in Ha. teil, ohne sich jeweils unverzüglich bei seiner Einheit zum Dienst zu melden.“

19 „Durch sein Verhalten“ habe der frühere Soldat jeweils vorsätzlich seine Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt.

20 Gegen dieses ihm am 5. August 2006 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat mit Berufungsschrift vom 31. August 2006, die beim Truppendienstgericht am selben Tag eingegangen ist, Berufung „in vollem Umfang“ eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 habe er bereits das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Ha. nicht akzeptieren wollen, da er seine Täterschaft in Abrede stelle. Dieses Urteil sei aber dennoch ungeprüft in das Urteil der Truppendienstkammer eingeflossen. Darin liege ein Verstoß gegen das Verbot, wegen derselben Sache zweimal bestraft zu werden. Insbesondere sei das von ihm im Wiedereinsetzungsverfahren Vorgebrachte nicht gewürdigt worden.

21 Das „Geständnis“, das sein Verteidiger in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer nach Absprache mit ihm abgegeben habe, sei „so nicht (mehr) haltbar“. Es lägen ihm nunmehr Unterlagen vor, welche bewiesen, dass er „an mehreren, eventuell sogar (an) allen der vorgeworfenen ausgeurteilten Terminstagen (...) anders als bisher wohl doch nicht unentschuldigt gefehlt“ habe. Dies habe eine „zunächst überschlägige Prüfung wohl so ergeben“. Danach solle er sich tatsächlich jeweils rechtzeitig bei seiner zuständigen Einheit gemeldet haben. Dies gehe aus Bescheinigungen einiger Dienststellen hervor, die nunmehr gefunden worden seien. Diese Unterlagen würden zur Zeit gesichtet und dem Gericht noch zur Verfügung gestellt.

22 Bis zum Ende der Berufungshauptverhandlung hat der frühere Soldat solche Unterlagen nicht vorgelegt. Er hat eingeräumt, an den in Anschuldigungspunkt 2 aufgeführten Einzeltagen die Ausbildungseinrichtung nicht aufgesucht und hierfür keine Entschuldigungen oder sonstige Nachweise vorgelegt zu haben. Einmal sei er wegen einer Rückenverletzung an einem Tag zu Hause geblieben, am nächsten dann im Bundeswehr-Krankenhaus in Ha. behandelt und anschließend zwei Tage „krank geschrieben“ worden. Ein anderes Mal habe er sich an zwei Tagen einer Zahnbehandlung/Kieferoperation unterziehen müssen. Unterlagen darüber habe er weder bei sich gefunden noch bei den behandelnden Ärzten erhalten können.

23 Angesichts dessen sei er „zu einer unangemessenen hohen Strafe“ verurteilt worden. Statt einer Aberkennung des Ruhegehalts sei eine Herabsetzung in den untersten möglichen Dienstgrad angemessen und akzeptabel gewesen.

24 Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers habe „ja seinen Grund gehabt“. Auch sein aktueller und sein damaliger Gesundheitszustand seien „überhaupt nicht gewürdigt worden“.

25 „Zeitgitter- und Erinnerungsstörungen“ ließen zumindest die Möglichkeit zu, dass er, der frühere Soldat, während der Zeit der ihm vorgeworfenen Handlungen - wenn sie denn so stattgefunden hätten - „eigentlich im wahrsten Sinne handlungsunfähig bzw. unfähig war, seine Schuld und die Pflichtwidrigkeit zu erkennen und damit einzusehen“. Weiterhin sei zwar der Umstand, dass er als Fachausbildungsteilnehmer kein aktiver Soldat mehr gewesen sei, angesprochen, aber nicht ausreichend als Milderungsgrund gewertet worden. Vielmehr sei dieser Milderungsgrund mit „anderen“ Gründen, vor allem seinen Vorbelastungen aufgerechnet worden.

III

26 1. Die gegen das Urteil am 31. August 2006 eingelegte Berufung des früheren Soldaten ist zulässig. Sie ist statthaft. Ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).

27 2. Die Berufung ist ausdrücklich und nach ihrem eindeutigen Wortlaut in vollem Umfang eingelegt worden. Die Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift greifen sowohl die Schuldfeststellungen der Truppendienstkammer als auch die Maßnahmebemessung an.

28 Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen sowie unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 123 Satz 3 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO), das angesichts der Verhängung der Höchstmaßnahme jedoch gegenstandslos ist, ggf. über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

29 3. Die Berufung des früheren Soldaten hat keinen Erfolg. Die Truppendienstkammer hat ihm zu Recht das Ruhegehalt aberkannt.

30 a) Tatsächliche Feststellungen
Anschuldigungspunkt 1: Fahren ohne Fahrerlaubnis am 16. Oktober 2002 gegen 9:20 Uhr in Ha. auf der Straße S. mit dem auf den früheren Soldaten zugelassenen Kleinbus mit dem amtlichen Kennzeichen ...
Insoweit liegen die gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des seit dem 3. Mai 2003 rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts Ha. vom 24. April 2003 - Az.: 627 - 502/02 (2403 Js 956/02) - vor. Die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO sind nicht erfüllt.

31 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214, vom 28. April 2005 - BVerwG 2 WD 25.04 -, vom 13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 - und vom 14. März 2007 - BVerwG 2 WD 3.06 - NZWehrr 2007, 212) ist die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines sachgleichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils auf Fälle beschränkt, in denen das Wehrdienstgericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offenkundig unzureichender oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden. Bei der Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO muss das gesetzlich normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis beachtet werden. Ausnahmevorschriften sind einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis darf nicht in sein Gegenteil verkehrt werden. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung, im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unterschiedliche Feststellungen zu einem historischen Geschehensablauf in verschiedenen rechtskräftigen Entscheidungen zu verhindern, ergibt sich, dass die Wehrdienstgerichte an die Beweiswürdigung in einem sachgleichen rechtskräftigen Strafurteil grundsätzlich auch dann gebunden sein sollen, wenn sie aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Anderenfalls wäre die Vorschrift des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO auf Fälle beschränkt, in denen das Wehrdienstgericht der Beweiswürdigung des Strafgerichts ohnehin folgen würde. Das aber wäre weder mit der in § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO normierten grundsätzlichen Bindung noch mit dem Gesichtspunkt vereinbar, dass die Wehrdienstgerichte nach ihrer Zuständigkeit und Funktion keine Überprüfungsinstanz für Strafurteile sind. Die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen objektiv oder subjektiv auch anders gewesen sein könnte als vom Strafgericht rechtskräftig festgestellt, reicht für einen Lösungsbeschluss nicht aus. Erhebliche und damit für einen Lösungsbeschluss ausreichende Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen bestehen jedoch dann, wenn (1.) die strafgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich oder sonst unschlüssig sind, (2.) im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder (3.) aus sonstigen - vergleichbar gewichtigen - Gründen offenkundig unzureichend sind. Offenkundig unzureichend in diesem Sinne sind strafgerichtliche Feststellungen dann (3a), wenn sie in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind oder (3b), wenn entscheidungserheblich neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung standen oder (3c), wenn die im strafgerichtlichen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung ausweislich der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar ist (vgl. u.a. Urteile vom 12. Februar 2003 a.a.O. und vom 14. März 2007 a.a.O.). Keiner dieser Gründe liegt hier vor.

32 Allein der Umstand, dass der frühere Soldat im Berufungsschriftsatz und in der Berufungshauptverhandlung weiterhin seine Täterschaft bestritten und insofern geltend gemacht hat, entgegen den Angaben der Hauptbelastungszeugin sei der von ihm am Tattag gefahrene Kleinbus nicht grün, sondern „grün-gestreift“ gewesen, reicht nicht aus, um hinreichende Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil zu begründen. Das Urteil des Amtsgerichts Ha. ist zwar hinsichtlich der Beweiswürdigung sehr knapp gehalten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um ein gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürztes Urteil handelt. Dies hatte zur Voraussetzung, dass alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichtet oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt hatten. Dies war hier der Fall. Die im Strafurteil vorgenommene Beweiswürdigung ist nachvollziehbar, in sich schlüssig und ohne Widersprüche sowie ohne Verstoß gegen die Denkgesetze begründet. Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Der frühere Soldat hat auch keine neuen, dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung stehende Beweismittel vorgelegt.

33 Angesichts dessen ist der in der Berufungsschrift erhobene Vorwurf gegen das Urteil der Truppendienstkammer hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1, die Truppendienstkammer habe „ungeprüft“ die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Ha. seinem Urteil zugrunde gelegt, ohne Substanz. Hierzu war die Truppendienstkammer gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 mangels vorliegender Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss rechtlich verpflichtet.

34 Der von der Verteidigung im Berufungsschriftsatz geltend gemachte, allerdings nicht vorliegende Verstoß gegen das „Verbot einer Doppelbestrafung“ berührt nicht die - zur Verhinderung unterschiedlicher Feststellungen zu einem historischen Geschehensablauf in verschiedenen rechtskräftigen Entscheidungen und damit im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - gesetzlich angeordnete Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils. Dieser Einwand greift im Übrigen auch deshalb nicht, weil selbst bei einer Sachgleichheit von Straftat und Dienstvergehen eine jeweils unter strafrechtlichen und disziplinaren Gesichtspunkten vorgenommene doppelte Sanktion zulässig ist. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 2. Mai 1967 - 2 BvR 391.64 , 263.66 - BVerfGE 21, 378 <384>, vom 2. Mai 1967 - 2 BvL 1.66 - BVerfGE 21, 391 <401 ff.>, vom 22. Juli 1970 - 2 BvL 8.70 - BVerfGE 29, 125 <140 ff.> und vom 12. Oktober 1971 - 2 BvR 65.71 - BVerfGE 32, 40 <48>) und des Senats unterscheiden sich eine strafgerichtliche Bestrafung einerseits und eine disziplinarrechtliche Ahndung andererseits nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung grundlegend voneinander. Das Wehrdisziplinarrecht ist Dienstordnungsrecht. Es soll die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung der Streitkräfte sichern und zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben beitragen (vgl. u.a. Urteile vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 105 = Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169 <insoweit nicht veröffentlicht>, vom 22. Mai 2007 - BVerwG 2 WD 13.06 - und vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 -). Während die Kriminalstrafe dazu dient, der Begehung weiterer Straftaten entgegenzuwirken sowie dem Täter die Fähigkeit und den Willen zu verantwortlicher Lebensführung zu vermitteln und zu helfen, etwaige soziale Anpassungsschwierigkeiten, die mit der Tat zusammenhängen, zu überwinden (vgl. dazu u.a. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 46 Rn. 2 m.w.N.), ist die disziplinargerichtliche Ahndung ausschließlich darauf ausgerichtet, einen geordneten und integeren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 9.00 - BVerwGE 111, 291 = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 33 = NZWehrr 2001, 36 und vom 25. September 2007 a.a.O.).

35 Anschuldigungspunkt 2: Nichtteilnahme an der unter Freistellung vom militärischen Dienst im Rahmen der Berufsförderung bewilligten Fachausbildung zwischen dem 7. November 2003 und dem 9. Februar 2004
Insoweit fehlt es zwar an einem sachgleichen rechtskräftigen Strafurteil. Es liegt allein ein - teilweise sachgleicher - rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Ha. vom 23. Juni 2004 - Az.: 621 Ds 7303 Js 8/04 (166/04) - vor. Nur eine durch strafrichterliches Urteil, nicht aber eine durch Strafbefehl erfolgte Verurteilung begründet jedoch die Bindungswirkung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 11. Juli 2002 - BVerwG 2 WD 3.02 -, vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 <263 ff.> und vom 27. April 2004 - BVerwG 2 WD 4.04 - BVerwGE 120, 350 = Buchholz 262.1 § 5 ATGV Nr. 2), sodass sich die Frage eines Lösungsbeschlusses nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO vorliegend nicht stellt.

36 Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Berufungshauptverhandlung steht aufgrund der Einlassungen des früheren Soldaten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, und der zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der frühere Soldat - wie angeschuldigt - in Ha. in der Zeit vom 7. November 2003 bis 9. Februar 2004 an insgesamt 32 Tagen, und zwar
- am 7. November 2003,
- vom 18. bis 21. November 2003,
- am 2. Dezember 2003,
- vom 4. bis 5. Dezember 2003,
- am 8. Dezember 2003,
- am 10. Dezember 2003,
- am 12. Dezember 2003,
- vom 15. bis 19. Dezember 2003,
- am 2. Januar 2004,
- am 5. Januar 2004,
- vom 8. bis 9. Januar 2004,
- vom 21. bis 23. Januar 2004,
- vom 26. bis 30. Januar 2004,
- vom 2. bis 6. Februar 2004 sowie
- am 9. Februar 2004
als damaliger Soldat der Bundeswehr in Kenntnis seiner Dienstpflicht nicht an der ihm mit Fachausbildungsbescheid vom 6. November 2003 genehmigten Ausbildung am Bildungszentrum H. der Stiftung ...-Schule teilnahm, dass er für diese Fehlzeiten keine Nachweise über die Berechtigung seines Fernbleibens gegenüber den zuständigen Stellen vorlegte und dass er sich auch nicht, wie im vorgenannten Bescheid für diesen Fall angewiesen, zum militärischen Dienst in seiner Einheit, also der .../...bataillon ..., ..., ... Ha., einfand.

37 Der frühere Soldat war gemäß Freistellungsbescheid Nr. ... der Stammdienststelle des Heeres vom 7. November 2003 im Rahmen der Berufsförderung für eine Fachausbildung in der Zeit vom 6. November 2003 bis 31. Juli 2004 - seinem Dienstzeitende - vom militärischen Dienst freigestellt worden, um das Bildungszentrum der Stiftung ...-Schule in ... Ha. zu besuchen. Er nahm gemäß dem Fachausbildungsbescheid des Berufsförderungsdienstes beim Kreiswehrersatzamt Ha. vom 6. November 2003 zunächst an einer Trainingsmaßnahme der vorgenannten Schule teil, welche auf das Berufsbildungsziel Speditionskaufmann ausgerichtet war. Der Fachausbildungsbescheid wurde dem früheren Soldaten mit Einwurf-Einschreiben zugestellt. In diesem Fachausbildungsbescheid wurde er unter Ziffer 5.2 insbesondere darauf hingewiesen, dass er militärischen Dienst zu leisten habe, soweit er die bewilligte Berufsbildungsmaßnahme vor Beendigung des Dienstverhältnisses 1. nicht oder verspätet angetreten oder 2. ihr ohne berechtigten Grund, insbesondere ohne ausdrückliche Entschuldigung durch die Ausbildungsstätte - auch an einzelnen Tagen - fernbleiben oder 3. sie vorzeitig beenden würde. In einem solchen Fall habe er sich unverzüglich bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder bei der im Freistellungsbescheid bestimmten militärischen Dienststelle persönlich zur Aufnahme des Dienstes zu melden. Weiterhin wurde er dahingehend belehrt, dass er verpflichtet sei, die unter den Ziffern 1. bis 3. vorbezeichneten Tatsachen sowie alle sonstigen neu eintretenden Umstände, die für seine Fachausbildung von Bedeutung sein könnten, während der Förderungsdauer - auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses - dem für ihn zuständigen Kreiswehrersatzamt - Berufsförderungsdienst - unverzüglich anzuzeigen. Er wurde weiterhin dahingehend belehrt, dass Verletzungen der vorstehend aufgeführten Pflichten disziplinar- und gegebenenfalls auch strafrechtlich geahndet werden sowie zum Verlust der Besoldungsansprüche und zu berufsförderungsrechtlichen Einbußen führen können. An dieser Trainingsmaßnahme hat der frühere Soldat am 7. November und vom 18. bis 21. November 2003 trotzdem unentschuldigt nicht teilgenommen. Auf die vorgenannte Trainingsmaßnahme aufbauend wurde dem früheren Soldaten sodann mit Fachausbildungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes Ha. - Berufsförderungsdienst - vom 9. Dezember 2003, ihm ebenfalls per Einwurf-Einschreiben zugestellt, eine weitere Berufsbildungsmaßnahme mit dem Berufsziel Speditionskaufmann bei der ...-Schule für den Zeitraum vom 1. Dezember 2003 bis 31. Mai 2005 bewilligt. Auch mit diesem Fachausbildungsbescheid wurde der Soldat wiederum auf seine vorstehend bezeichneten Dienst-, Melde- und Anzeigepflichten hingewiesen. Dieser Fachausbildung blieb er, wie im verfügenden Teil der Anschuldigungsschrift näher dargelegt, unberechtigt und unentschuldigt fern. Er hat sich insbesondere nicht unverzüglich bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten bzw. der im Freistellungsbescheid bestimmten militärischen Dienststelle persönlich zur Aufnahme des Dienstes gemeldet. Diese Meldung hätte bis zum 31. Dezember 2003 beim Kompaniechef .../...bataillon ... und ab dem 1. Januar 2004 beim Chef ... ...kommando, jeweils in Ha., erfolgen müssen. Die Stiftung ...-Schule forderte den früheren Soldaten sodann mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 auf, Atteste bzw. Entschuldigungen hinsichtlich seiner Fehlzeiten einzureichen. Das Kreiswehrersatzamt Ha. - Berufsförderungsdienst - teilte zudem dem früheren Soldaten mit Schreiben vom 30. Januar 2004 mit, dass er im Dezember 2003 sowie bereits in der vorangegangenen Trainingsmaßnahme unentschuldigt gefehlt habe. Der frühere Soldat wurde außerdem darauf hingewiesen, dass dies seinem derzeitigen Einheitsführer gemeldet werde. Weiterhin wurde er mit Schreiben der Stiftung ...-Schule vom 15. Januar 2004 und 28. Januar 2004 hinsichtlich seiner unentschuldigten Fehlzeiten wiederholt ermahnt. Schließlich wurde der die Fachausbildung bewilligende Bescheid mit Widerrufsbescheid des Kreiswehrersatzamtes Ha. - Berufsförderungsdienst - vom 9. Februar 2004, dem früheren Soldaten per Einwurf-Einschreiben zugestellt, wegen der unentschuldigten Fehlzeiten widerrufen. Der frühere Soldat wurde gleichzeitig aufgefordert, sich unverzüglich bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten persönlich zur Aufnahme des Dienstes zu melden. Der Widerruf erfolgte, weil der Soldat nach Ansicht der Stiftung ...-Schule das Ausbildungsziel wegen der erheblichen Fehlzeiten nicht mehr erreichen konnte.

38 Der Soldat bestreitet die in Anschuldigungspunkt 2 aufgeführten Fehlzeiten nicht, sondern hat sowohl vor der Truppendienstkammer durch seinen Verteidiger als auch in der Berufungshauptverhandlung persönlich eingeräumt, dass er an den in Anschuldigungspunkt 2 aufgeführten Tagen nicht zur Fachausbildung erschienen ist, dafür keine „Entschuldigung“ vorgelegt und sich auch nicht zu seiner militärischen Einheit begeben bzw. das Kreiswehrersatzamt verständigt hat. Er hat ausdrücklich zugegeben, weder die ...-Schule noch seinen Disziplinarvorgesetzten oder andere zuständige Stellen über die Gründe seines Fernbleibens unverzüglich informiert zu haben. In der Berufungshauptverhandlung hat er - ebenso wie ähnlich schon im Rahmen seiner Anhörung vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens am 27. Mai 2004 und bei späteren Einlassungen - lediglich vorgetragen, er sei im fraglichen Zeitpunkt wiederholt krank gewesen. So sei er wegen starker Rückenschmerzen im Bereich der Wirbelsäule von sich aus einen Tag zu Hause geblieben; wegen dieser Beschwerden habe er an einem weiteren Tag Ärzte im Bundeswehrkrankenhaus Ha. sowie wegen einer Zahn- oder Kiefererkrankung an zwei weiteren Tagen einen Zahnarzt in der ...-Kaserne aufgesucht. Nach der Behandlung seiner Wirbelsäulenbeschwerden sei er zwei Tage „krankgeschrieben“ gewesen. Diese Einlassungen - ihre Richtigkeit unterstellt - ändern jedoch nichts daran, dass der frühere Soldat - wie angeschuldigt - zur im Rahmen der Berufsförderung angeordneten Fachausbildung nicht erschienen ist und auch keine Entschuldigungen für sein Fernbleiben bei den vorgenannten Stellen vorgelegt hat. Der frühere Soldat hat - trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die gerichtliche Verfügung vom 21. August 2007 sowie auch auf entsprechendes Anraten seines Verteidigers und auf mehrfache Nachfragen in der Berufungshauptverhandlung hin - die im Berufungsschriftsatz angekündigten, nicht näher spezifizierten „Unterlagen“ zum Nachweis der Berechtigung seines Fernbleibens ebenfalls nicht vorgelegt. Da er schließlich auch in der Berufungshauptverhandlung letztlich nicht in Zweifel gezogen hat, dass er für die in Anschuldigungspunkt 2 im Einzelnen bezeichneten Fehltage weder der ...-Schule noch seiner militärischen Einheit noch einer anderen zuständigen Stelle jeweils auf sein Fernbleiben bezogene Entschuldigungen vorlegte, hat der Senat keine Veranlassung, von sich aus den Gründen des Fernbleibens im Einzelnen nachzugehen. Es war Sache des früheren Soldaten, diese Gründe rechtzeitig gegenüber den dafür zuständigen Stellen, die ihm durch die vorgenannten Bescheide ausdrücklich mitgeteilt worden waren, nachzuweisen. Solche zeitgerechten Nachweise („Entschuldigungen“) können nicht Jahre danach durch gerichtliche Ermittlungen zu den Hintergründen des Verhaltens des früheren Soldaten gleichsam ersetzt werden.

39 b) Disziplinarrechtliche Würdigung
Anschuldigungspunkt 1:
Aufgrund der bindenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 24. April 2003 - Az.: 627 - 502/02 (2403 Js 956/02) ist davon ausgehen, dass der frühere Soldat am 16. Oktober 2002 mit seinem vorsätzlichen Führen eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis eine Straftat gemäß §§ 21 StVG, 56 Abs. 1, 69a StGB beging. Diese Straftat des früheren Soldaten, der zum Tatzeitpunkt noch der Bundeswehr angehörte, erfolgte im außerdienstlichen Bereich. Er verstieß damit zwar nicht - wie von der Truppendienstkammer offenbar angenommen - gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, jedoch gegen seine Pflicht, sich außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Liegenschaften so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wurde, die sein Dienstverhältnis erforderte (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG). Denn dieses Achtungs- und Vertrauenswahrungsverbot verlangte von einem im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit stehenden Soldaten der Bundeswehr jedenfalls, im außerdienstlichen Bereich keine Straftat zu begehen.

40 Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und seiner Integrität weckt (vgl. Urteil vom 2. April 1974 - BVerwG 2 WD 5.74 - BVerwGE 46, 244 = NZWehrr 1975, 69 <71 f.>). Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts generell die allgemeine Gesetzestreue eines Beamten - und nichts anderes gilt für Soldaten - eine wesentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes ist, dem nach Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse obliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR 2257.96 - DÖD 2003, 37). Deshalb ist auch ein außerdienstlicher Verstoß gegen eine Strafrechtsnorm allgemein geeignet, das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung zu erschüttern. Ob die weitgehende Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht bedenkenfrei ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls eine Dienstpflicht des Inhalts, außerhalb des Dienstes keine mit Freiheits- oder Geldstrafe bedrohte Straftat zu begehen, begegnet aus Sicht des Bestimmtheitsgebots keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch Urteile vom 3. April 2003 - BVerwG 2 WD 46.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 3 = NZWehrr 2003, 259 <insoweit nicht veröffentlicht> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 2 WD 11.06 -).

41 Sein Fehlverhalten erfolgte auch, wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil ergibt, vorsätzlich.

42 Anschuldigungspunkt 2:
Mit seinem von Anschuldigungspunkt 2 erfassten und vom Senat festgestellten Fehlverhalten beging der frühere Soldat, soweit er insgesamt fünfmal, nämlich vom 18. bis 21. November 2003, vom 15. bis 19. Dezember 2003, vom 21. bis 23. Januar 2004, vom 26. Januar bis 30 Januar 2004 und vom 2. Februar bis 6. Februar 2004 jeweils mindestens drei Tage lang unentschuldigt nicht zum Dienst erschien, tatmehrheitlich (§ 53 StGB) jeweils eine Straftat nach § 15 Abs. 1 WStG („eigenmächtige Abwesenheit“). Mit seinen Straftaten verstieß er gegen seine in § 7 SG normierte Pflicht zum treuen Dienen und zwar in ihrer Ausprägung als Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung (vgl. dazu u.a. Urteile vom 16. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N. und vom 24. April 2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - DÖV 2007, 973).

43 Aber auch soweit es sich dabei um Fehlzeiten von jeweils weniger als drei zusammenhängenden Tagen handelte, verletzte er an den jeweiligen Fehltagen seine Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG) in Gestalt der Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht (vgl. dazu Urteile vom 24. April 1980 - BVerwG 2 C 26.77 - BVerwGE 60, 118, vom 5. November 1998 - BVerwG 2 A 2.98 - ZBR 1999, 171, vom 29.Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 9.03 - BVerwGE 119, 164 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 13 und vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50 <insoweit nicht veröffentlicht>; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 7 Rn. 14).

44 Selbst wenn man davon ausginge, dass der frühere Soldat im Tatzeitraum, wie von ihm in der Berufungshauptverhandlung geltend gemacht, wegen einer Erkrankung an der Wirbelsäule und wegen einer erforderlichen Zahn- und Kieferbehandlung an insgesamt sechs Tagen durch Krankheit an der Erfüllung seiner Dienstleistungspflicht gehindert gewesen sein sollte, würde dies nichts daran ändern, dass er sein Fernbleiben nicht rechtzeitig bei den zuständigen Stellen entschuldigt hätte.

45 Die Verstöße gegen § 7 SG erfolgten bewusst und gewollt, mithin vorsätzlich (vgl. zum Begriff des Vorsatzes u.a. Urteil vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - m.w.N.). Dem früheren Soldaten war, wie er in der Berufungshauptverhandlung auch eingeräumt hat, schon aufgrund der in den Freistellungsbescheiden erhaltenen Hinweise bekannt, dass er verpflichtet war, für jeden Fall des Fernbleibens von der Fachausbildung der zuständigen Stelle einen Nachweis über die Berechtigung seines Fernbleibens („Entschuldigung“) unverzüglich vorzulegen. Ungeachtet dessen entschied er sich dazu, hiervon Abstand zu nehmen und selbst schriftliche Mahnungen, mit denen er an die Notwendigkeit der Vorlage der erforderlichen Entschuldigungen erinnert wurde, zu ignorieren.

46 Mit seinem Fernbleiben vom Dienst bzw. von der Fachausbildung an den vorbezeichneten Tagen verletzte er auch seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Denn ein solches Verhalten ist geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn, seiner Vorgesetzten und Kameraden in seine persönliche Integrität und in seine Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Dienstleistungspflicht zu erschüttern. Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. Urteil vom 2. April 1974 a.a.O.). Dieses ist jedenfalls bei unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst der Fall (vgl. Urteile vom 27. Oktober 1976 - BVerwG 2 WD 41.76 - BVerwGE 53, 201 <203>, vom 29. Oktober 2003 a.a.O. und vom 26. Januar 2006 a.a.O.).

47 c) Bemessung der Disziplinarmaßnahme
Die von der Truppendienstkammer verhängte Dispziplinarmaßnahme einer Aberkennung des Ruhegehalts nach § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 und § 67 Abs. 1 Satz 1 WDO ist angemessen und geboten. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.

48 aa) Das Dienstvergehen des früheren Soldaten wiegt sehr schwer. Das Gewicht seines von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Fehlverhaltens ergibt sich, soweit er sich jeweils wegen „eigenmächtiger Abwesenheit“ strafbar machte, bereits aus dem kriminellen Unrechtsgehalt dieser Straftaten. Dies gilt auch für das von Anschuldigungspunkt 1 erfasste Fehlverhalten. Aber auch soweit das unerlaubte Fernbleiben von der Fachausbildung bzw. vom Dienst keinen Straftatbestand erfüllte, stellt es dienst- und disziplinarrechtlich ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen dar.

49 Mit einem unerlaubten Fernbleiben von der Truppe versagt ein Soldat - gleichgültig, ob es strafrechtlich als Fahnenflucht (§ 16 WStG) oder als eigenmächtige Abwesenheit (§ 15 WStG) zu beurteilen ist oder keinen Straftatbestand erfüllt - im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Gerade bei einem aufgrund freiwilliger Verpflichtung berufenen Soldaten gehören Anwesenheit und Dienstleistung zu den zentralen Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft (Urteile vom 31. Juli 1996 - BVerwG 2 WD 21.96 - BVerwGE 103, 361 <f.> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 9 = NZWehrr 1997, 117 m.w.N. und vom 2. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 47.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 8 = NZWehrr 2004, 80). Dazu gehören die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 26. Januar 2006 a.a.O.).

50 Der erkennende Senat hat daher in ständiger Rechtsprechung, was die Einstufung des Dienstvergehens eines unerlaubten, eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe angeht, bei kürzerer eigenmächtiger Abwesenheit regelmäßig auf die Dienstgradherabsetzung, unter Umständen bis in einen Mannschaftsdienstgrad, sowie bei Fahnenflucht, längerdauernder oder wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit regelmäßig auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis erkannt (vgl. Urteile vom 28. April 1978 - BVerwG 2 WD 6.78 - BVerwGE 63, 66, vom 6. März 1990 - BVerwG 2 WD 36.89 - BVerwGE 86, 258 <f.>, vom 24. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 11.90 - und vom 29. Oktober 2003 a.a.O.).

51 Der Senat hat allerdings das Unterlassen der Rückkehr zur Truppe nach Abbruch oder Unterbrechung einer Fachausbildung stets milder beurteilt als die eigenmächtige Abwesenheit eines aktiven Soldaten. Ein Soldat, der sich - meist schon längere Zeit - in der Fachausbildung befindet, ist nicht mehr im gleichen Maße in die militärische Organisation eingegliedert. Bei dem Entschluss, nach Abbruch der Fachausbildung der Truppe fernzubleiben, ist daher eine weit geringere Hemmschwelle zu überwinden als bei demjenigen Soldaten, der sich aus dem Dienst in der militärischen Gemeinschaft löst. Auch die dienstlichen Folgen der Abwesenheit sind in beiden Fällen nicht identisch. Das eigenmächtige Fernbleiben eines Soldaten, der seinen Dienst in einer militärischen Einheit verrichtet, bringt Unruhe in die Truppe, gefährdet die Disziplin und schafft unter Umständen sogar Anreiz zur Nachahmung, während ein Unterlassen der Rückkehr im Rahmen der Fachausbildung bei der Mehrzahl der Angehörigen der Einheit mitunter zunächst unbemerkt bleibt und den Dienstbetrieb nicht unmittelbar gefährdet oder belastet. Der Dienstposten eines zur Fachausbildung vom Dienst freigestellten Soldaten ist ohnehin in der Zwischenzeit in der Regel anderweitig wieder besetzt worden; und selbst wenn dies noch nicht geschehen sein sollte, kann der zurückgekehrte Soldat nicht in der gleichen Weise wie ein anderer Soldat wieder für den regulären Dienst eingeplant werden, weil er zumeist die weitere Bewilligung von berufsfördernden Maßnahmen beanspruchen wird. Der Nachteil, der der Truppe dadurch entsteht, dass ein Soldat im Rahmen oder nach seiner Fachausbildung nicht zur Truppe zurückkehrt, ist mithin geringer als derjenige, der in der Truppe durch das eigenmächtige Fernbleiben eines in der aktiven Dienstleistung in der militärischen Einheit stehenden Soldaten eintritt. Aus diesen Gründen hat es der Senat in solchen Fällen in der Regel bei der nächstniedrigeren disziplinargerichtlichen Maßnahme bewenden lassen (vgl. dazu Urteile vom 29. Januar 1988 - BVerwG 2 WD 61.87 - m.w.N., vom 6. März 1990 a.a.O. und vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50).

52 bb) Die Auswirkungen des Fehlverhaltens des früheren Soldaten sind dadurch gekennzeichnet, dass er trotz seines unentschuldigten Fernbleibens von der Fachausbildung und damit vom Dienst weiterhin Gehaltszahlungen seines Dienstherrn - ohne jede Gegenleistung - in Anspruch nahm und damit in dieser Form öffentliche Mittel aus eigenem Entschluss gleichsam zweckentfremdete. Er machte zudem personalwirtschaftliche Maßnahmen insoweit erforderlich, als seine Zuweisung zur Fachausbildung an die Stiftung ...-Schule aufgehoben werden musste. Auch das Bekanntwerden der Verfehlungen des Soldaten bei der ...-Schule, der Polizei und den sonstigen mit der Strafverfolgung und Durchführung des Strafverfahrens befassten Organen außerhalb der Bundeswehr ist zu Lasten des Soldaten zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 2.03 - Buchholz 235.01 § 84 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2003, 170 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N. und vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 <insoweit nicht veröffentlicht>), da der Vorfall bei Außenstehenden ein schlechtes Licht auf den Ruf der Bundeswehr und ihrer Angehörigen warf, in deren Reihen sich der frühere Soldat damals befand. Letzteres gilt auch für sein von Anschuldigungspunkt 1 erfasstes außerdienstliches Fehlverhalten.

53 cc) Für das Maß der Schuld des früheren Soldaten fällt die vorsätzliche Begehensweise entscheidend ins Gewicht. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich. Gleiches gilt hinsichtlich der - fehlenden - tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 21 StGB (analog). Der frühere Soldat hat im Berufungsschriftsatz zwar vortragen lassen, er habe „Zeitgitter- und Erinnerungsstörungen“; diese ließen die „Möglichkeit zu“, dass er im jeweiligen Tatzeitraum „eigentlich im wahrsten Sinne handlungsunfähig bzw. unfähig war, seine Schuld und die Pflichtwidrigkeit zu erkennen und damit einzusehen.“ Er hat jedoch in der Berufungshauptverhandlung auf Befragen ausdrücklich eingeräumt und glaubhaft bestätigt, dass ihm - hinsichtlich der von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Vorgänge - damals seine rechtliche Verpflichtung sehr wohl bewusst gewesen sei, im Falle seines Nichterscheinens zur Fachausbildung bzw. zum Dienst die notwendigen Entschuldigungen unverzüglich vorlegen zu müssen. Er habe es aber einfach nicht getan. Er sei während seiner langen Dienstzeit immer ein pflichtbewusster Soldat gewesen. Seit einigen Jahren habe er aber aufgrund mehrfach erlebter ungerechter Behandlungen, die er durch seine Vorgesetzten erfahren habe, „innerlich mit der Bundeswehr abgeschlossen“ gehabt. Konkrete Anhaltspunkte für eine psychische oder geistige Erkrankung oder eine sonstige schwerwiegende seelische Störung im Sinne von §§ 20, 21 StGB hat der - anwaltlich vertretene - frühere Soldat nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht erkennbar geworden. Nach seinen Angaben war er auch im Anschluss an die hier in Rede stehenden Fehlzeiten mit Erfolg darum bemüht, seine Ausbildung zum Speditionskaufmann bei einer anderen Einrichtung fortzusetzen. Nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die zuständigen Stellen erhielt er dafür nach seinem unwiderlegten Vorbringen auch weiterhin Leistungen des Dienstherrn im Rahmen der Berufsförderung, ohne dass dabei konkrete Anhaltspunkte für eine schwere seelische oder geistige Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB offenbar geworden wären. Er befand sich nach seinen Angaben auch zu keinem Zeitpunkt wegen seines seelischen oder geistigen Zustandes in ärztlicher Behandlung. Dafür sah und sieht er keine Notwendigkeit.

54 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern würden, sind nicht ersichtlich. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 18. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 10.96 - BVerwGE 103, 343 <347> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 15, vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und vom 13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 -) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, deren Voraussetzungen vorliegend ausnahmslos nicht erfüllt sind. Als solche Besonderheiten sind z.B. ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 1. September 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 <129 f.> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 16 = NZWehrr 1998, 83 <insoweit nicht veröffentlicht>, vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01 , 32.02 -, BVerwGE 117, 117 <124> = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 1, vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127 <insoweit nicht veröffentlicht> und vom 24. April 2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - DÖV 2007, 973 <insoweit nicht veröffentlicht>).

55 Die in der Rechtsprechung des Senats anerkannten Milderungsgründe eines Handelns unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder eines Handelns in einer ausweglos erscheinenden unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, sind nicht erkennbar. Gegenteiliges macht auch der frühere Soldat nicht geltend.

56 Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Fehlverhalten des früheren Soldaten unter Umständen erfolgte, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen. Denn der frühere Soldat ist bereits vor seinen hier in Rede stehenden schuldhaften Pflichtverletzungen in einer Vielzahl von Fällen straf- und disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Er war alles andere als ein tadelfreier und im Dienst bewährter Soldat.

57 Konkrete Anhaltspunkte für ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation sind von dem - anwaltlich vertretenen - früheren Soldaten weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Allein der Umstand, dass er nach seinem Vorbringen damals gesundheitliche Probleme hatte und sich wegen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule sowie wegen einer Zahn- und Kiefererkrankung nach seinen Angaben in ärztliche Behandlung begab, begründet noch keine körperliche oder seelische Ausnahmesituation im dargelegten Sinne.

58 Dass das Fehlverhalten des früheren Soldaten aus einer außergewöhnlichen situationsgebundenen Erschwernis bei der Erfüllung eines dienstlichen Auftrages resultierte (vgl. dazu u.a. Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 <insoweit nicht veröffentlicht>), ist ebenfalls nicht ersichtlich.

59 Gleichfalls fehlt es an jedem konkreten Anhaltspunkt für ein den früheren Soldaten teilweise entlastendes Mitverschulden von Vorgesetzten, etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Dienstaufsicht (vgl. dazu u.a. Urteile vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127 und vom 6. Mai 2003 a.a.O.).

60 Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Situation in der der Soldat versagt hat, von außergewöhnlichen Besonderheiten der dargelegten Art gekennzeichnet war.

61 dd) Die Beweggründe für das Fehlverhalten des früheren Soldaten sind ausweislich seiner Bekundungen in der Berufungshauptverhandlung auch ihm letztlich nicht hinreichend klar. Seine von Anschuldigungspunkt 2 erfassten schwerwiegenden Pflichtverletzungen resultierten offenkundig aus seiner damals fehlenden hinreichenden Motivation zur Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten und seiner subjektiven Enttäuschung über „die Bundeswehr“ angesichts von ihm so wahrgenommener ungerechter Behandlungen durch einzelne Vorgesetzte. Sein von Anschuldigungspunkt 1 erfasstes kriminelles Verhalten im Straßenverkehr offenbarte seine - auch zuvor - wiederholt gezeigte Bereitschaft, ein Kraftfahrzeug ungeachtet einer nicht vorhandenen Fahrerlaubnis zu nutzen.

62 ee) Die während seiner Dienstzeit von ihm erbrachten dienstlichen Leistungen lagen ausweislich der vom Senat an Hand der bei den Akten befindlichen und in die Berufungshauptverhandlung eingeführten dienstlichen Beurteilungen überwiegend im unteren Bewertungsbereich. Sie fallen schon deshalb nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht. Das dienstliche und außerdienstliche Verhalten des früheren Soldaten ist zudem dadurch geprägt, dass er seit Jahren in einer Vielzahl von Fällen straf- und disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dies offenbart, dass er schon vor seinem hier in Rede stehenden Fehlverhalten über Jahre hinweg offenkundig nicht bereit war, sich straffrei zu verhalten und seine Dienstpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Seine Persönlichkeit ist nach dem vom Senat in der Berufungshauptverhandlung von ihm gewonnenen persönlichen Eindruck augenscheinlich dadurch gekennzeichnet, dass er erlittene Enttäuschungen und ihn bedrängende Probleme im dienstlichen und außerdienstlichen Bereich nicht in hinreichendem Maße kritisch auf ihre jeweiligen Ursachen hin analysiert und sich hierauf einzustellen versucht, sondern dass er stattdessen vor allem darum bemüht ist, diese vorschnell und leichtfertig dem Fehlverhalten anderer zuzuschreiben. Zu einem selbstkritischen Aufarbeiten eigener Schwächen und Defizite zeigt er bis heute wenig Bereitschaft.

63 ff) Bei Würdigung aller für und gegen den früheren Soldaten sprechenden Umstände kommt als angemessene Disziplinarmaßnahme im vorliegenden Falle nur die Verhängung der Höchstmaßnahme, mithin gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 WDO die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht.

64 Welche gerichtliche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall verhängt werden darf, bestimmt sich nicht nach dem Zeitpunkt der Tat, sondern nach der Rechtsstellung, die der betreffende Soldat im Zeitpunkt der Verurteilung hat (vgl. Urteil vom 7. Juli 1965 - BDH 2 WD 2.65 -, NZWehrr 1967, 169; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 58 Rn. 2b). Dies ergibt sich vor allem aus der Systematik und dem Regelungszusammenhang des § 58 WDO, der als zentrale Vorschrift für alle gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen ausgestaltet ist. Die Zulässigkeit der vom Gericht vorzunehmenden Verhängung einer bestimmten Disziplinarmaßnahme wird in § 58 WDO ausdrücklich jeweils davon abhängig gemacht, welcher Statusgruppe der betreffende Soldat angehört. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Anwendung des § 58 WDO durch das Wehrdienstgericht.

65 Frühere Soldaten, die einen Anspruch auf Dienstzeitversorgung (oder Berufsförderung) haben, gelten bis zur Beendigung der Gewährung dieser Leistungen gemäß § 1 Abs. 3 WDO als Soldaten im Ruhestand (Satz 1). Die Leistungen, die sie erhalten, gelten als Ruhegehalt (Satz 2). Um im Sinne von § 1 Abs. 3 WDO als Soldat im Ruhestand zu gelten, muss ein Anspruch auf Dienstzeitversorgung (oder Berufsförderung) noch bestehen. Dies ist auch dann der Fall, wenn - wie im vorliegenden Fall - zwar die Zahlung der monatlichen Übergangsgebührnisse (§ 11 SVG) bis zum Dienstzeitende vollständig erfolgt, die Übergangsbeihilfe aber noch nicht ausgezahlt worden ist, der diesbezügliche Anspruch mithin also noch nicht erloschen ist. Auch derjenige, dem die Übergangsbeihilfe (§§ 12, 13 SVG) gemäß § 82 Abs. 2 WDO teilweise einbehalten worden ist, hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren insoweit noch einen (Rest-)Anspruch auf Dienstzeitversorgung und gilt mithin als Soldat im Ruhestand im Sinne von § 1 Abs. 3 WDO. Da der frühere Soldat gleichzeitig Angehöriger der Reserve ist, kommen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 WDO die in § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 WDO bestimmten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen in Betracht. Eine Kürzung des Ruhegehalts (bzw. der Übergangsbeihilfe) oder eine Dienstgradherabsetzung, wie sie der frühere Soldat angeregt hat, scheiden im vorliegenden Fall jedoch aus.

66 Auch bei unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst bestimmt sich die angemessene gerichtliche Disziplinarmaßnahme nach dem Zweck des Wehrdisziplinarrechts, nämlich aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im Gesetz vorgesehene Maßnahme einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.

67 Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist geboten, wenn der betreffende Soldat mit seinem Fehlverhalten das in ihn gesetzte Vertrauen des Dienstherrn so schwerwiegend und nachhaltig zerstört hat, dass diesem bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr, vgl. u.a Urteil vom 9. März 1995 - BVerwG 2 WD 1.95 - BVerwGE 103, 217 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 2 = NZWehrr 1995, 161 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N., vom 19. Juli 1995 - BVerwG 2 WD 9.95 - BVerwGE 103, 265 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 4 = NZWehrr 1996, 164, vom 7. Mai 1998 BVerwG 2 WD 29.97 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 20 = NZWehrr 1998, 252 und vom 6. Mai 2003 a.a.O.). Die Beantwortung der Frage nach der erforderlichen fortbestehenden Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten ist dabei ausschließlich an von den Disziplinargerichten festzustellende objektive Bewertungsmerkmale gebunden und hängt nicht entscheidend von den - manchmal rein pragmatischen - Erwägungen und Entscheidungen der jeweiligen Einleitungsbehörde oder der Einschätzung der unmittelbaren oder früheren Vorgesetzten ab. Ob das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des betroffenen Soldaten erschüttert oder gar zerstört ist, ist nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten zu prüfen und zu bewerten (Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31).

68 Die Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts in Gestalt der Dienstzeitversorgung ist vorliegend nach diesen Maßstäben unabweisbar. Bereits die Eigenart und das Ausmaß der Verletzung der Pflicht zur Dienstleistung durch den früheren Soldaten erschütterten und zerstörten bei der gebotenen objektiven Betrachtung das Vertrauen des Dienstherrn in seine persönliche Integrität unwiederbringlich. Wer unberechtigt trotz mehrfacher Ermahnungen über Monate hinweg an insgesamt 32 Tagen ohne Entschuldigung nicht zum Dienst bzw. zur angeordneten Fachausbildung erscheint und darüber hinaus auch nachträglich solche Entschuldigungen nicht beibringt, gibt zu erkennen, dass er sein Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Dienstleistungspflicht gänzlich verloren hat. Der frühere Soldat hatte - wie er in der Berufungshauptverhandlung mehrfach zum Ausdruck gebracht hat - bereits seit Jahren „mit der Bundeswehr abgeschlossen“. Auf ihn war (und ist) damit für den Dienstherrn kein Verlass mehr. Diesen gravierenden Vertrauensverlust hat der frühere Soldat auch in der Folgezeit nicht auszugleichen vermocht. Dabei fällt erschwerend ins Gewicht, dass er zum Tatzeitpunkt aufgrund seines Dienstgrades als Feldwebel eine Vorgesetztenstellung innehatte. Eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses war dem Dienstherrn angesichts dessen nicht mehr zumutbar.

69 Auch der Umstand, dass sich das unentschuldigte, teilweise nach § 15 WStG strafbare Fernbleiben vom Dienst nicht während der Verwendung des früheren Soldaten in einer militärischen Einheit, sondern während der angeordneten Fachausbildung im Rahmen der Berufsförderung ereignete, gibt vorliegend zu einer milderen Beurteilung keine Veranlassung. Gegen eine solche Milderung spricht vor allem, dass der frühere Soldat bereits zuvor zweimal jeweils wegen eines Dienstvergehens zu einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme (jeweils Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels) verurteilt worden war. In der letzten Verurteilung durch das Truppendienstgericht Nord (Urteil vom 16. Juli 2003 - N 3 VL 18.03 -), die nur wenige Monate vor seinem von Anschuldigungspunkt 2 erfassten erneuten Fehlverhalten erfolgte, wurde er ausweislich der Urteilsgründe unmissverständlich über die Folgen etwaiger weiterer Dienstpflichtverletzungen hingewiesen („Der Soldat sollte sich aber bewusst sein, dass er bei weiterem Fehlverhalten zwangsläufig nicht nur einen Dienstgrad einbüßen muss, sondern mit einer wesentlich empfindlicheren Maßnahme zu rechnen hat.“). Auch diese deutliche Pflichtenmahnung reichte offenkundig nicht aus, um ihn hinreichend zur künftigen Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten. Zu seinen Lasten fallen auch seine sonstigen zahlreichen strafrechtlichen und disziplinaren Vorverfehlungen sowie der Umstand ins Gewicht, dass Milderungsgründe in den Umständen der Tat oder in seiner Person nicht vorliegen.

70 Hinzu kommt, dass von einer hinreichenden Einsicht und Aufarbeitung seines Fehlverhaltens bei dem früheren Soldaten bis heute sehr wenig zu erkennen ist. Dies haben seine Einlassungen in der Berufungshauptverhandlung unzweideutig offenbart. Nach wie vor ist er primär darum bemüht, sein Verhalten zu bagatellisieren und die Verantwortlichkeit dafür anderen zuzuweisen. Auf Befragen durch seinen Verteidiger hat er sich sogar als Opfer eines - nicht näher konkretisierten - „Komplotts“ von Ärzten, Vorgesetzten oder anderen nicht näher bezeichneten Personen bezeichnet, ohne dafür irgendeinen konkreten Anhaltspunkt angeben zu können.

71 Angesichts seines besonders gravierenden Dienstvergehens und dieser besonderen Umstände ist im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Disziplinarrechts und aus generalpräventiven Gründen die Verhängung der Höchstmaßnahme unabweisbar. Dadurch wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass solch schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzungen (eines langjährigen Soldaten auf Zeit) nicht hingenommen werden können, soll ein ordnungsgemäßer Dienstbetrieb auch während der Zeit der Berufsförderung gewährleistet werden. Jeder Eindruck einer Bagatellisierung seines Fehlverhaltens muss vermieden werden.

72 Die damit für den früheren Soldaten verbundenen finanziellen Nachteile sind für ihn angesichts seiner von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Situation offenkundig schwerwiegend. Sie sind jedoch die vom Gesetz vorgesehene Folge seines schuldhaften Fehlverhaltens und vermögen ihn nicht zu entlasten.

73 4. Da die Berufung des früheren Soldaten keinen Erfolg hat, hat er gemäß § 139 Abs.2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die ihm er- wachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.