Beschluss vom 18.02.2021 -
BVerwG 4 B 25.20ECLI:DE:BVerwG:2021:180221B4B25.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.02.2021 - 4 B 25.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:180221B4B25.20.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 25.20

  • OVG Berlin-Brandenburg - 12.03.2020 - AZ: OVG 11 A 7.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Februar 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. März 2020 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich als Enteignungsbetroffener gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb einer Erdgasfernleitung. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

2 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>, vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3).

4 1. Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der sachlichen Reichweite der Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
ob § 16 UVPG i.V.m. Anlage 4 Ziffer 4 Buchst. c Doppelbuchst. bb UVPG dahin auszulegen ist, dass eine Genehmigungsbehörde im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung die bei der Produktion notwendiger Bauteile für ein Vorhaben entstehenden Treibhausgasemissionen ermitteln, beschreiben und bewerten muss, wenn diese die Grenze zu möglichen erheblichen Auswirkungen auf das Klima überschreiten.

5 Sie hält insoweit auch für klärungsbedürftig,
ob sich eine solche Pflicht aus einer Auslegung der Richtlinie 2011/92/EU in der Fassung nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/52/EU mit Blick auf Ziffer 5 Buchst. f des Anhangs IV der Richtlinie ergibt.

6 Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der Vorinstanz, die bei der Produktion der notwendigen Stahlrohre entstehenden Treibhausgasemissionen seien in der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Dies führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

7 a) aa) Maßgeblich für das Vorhaben ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808).

8 Der vom Vorhabenträger vorzulegende UVP-Bericht muss nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UVPG eine Beschreibung der zu erwartenden erheblichen Umweltauswirkungen des Vorhabens enthalten. Der UVP-Bericht muss nach § 16 Abs. 3 UVPG auch die in Anlage 4 genannten weiteren Angaben enthalten, soweit diese Angaben für das Vorhaben von Bedeutung sind. Zu den Schutzgütern gehört nach Nr. 4 Buchst. b der Anlage 4 zum UVPG auch das Klima, z.B. seine Veränderung durch Treibhausgasemissionen (zur früheren Rechtslage BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 180 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 14.18 - Buchholz 407.4 § 4 FStrG Nr. 2 Rn. 28), als mögliche Ursache von Umweltauswirkungen nennt Buchstabe c Doppelbuchst. bb die verwendeten Techniken und eingesetzten Stoffe. Zu den Auswirkungen eines Vorhabens gehören auch mittelbare Auswirkungen, wenn es sich um solche des Vorhabens handeln (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 UVPG), es bedarf daher vorhaben- und standortbezogener Kriterien (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 - BVerwGE 150, 92 Rn. 22 und vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 25 <jeweils zur Vorprüfung>). Was aus dem Vorhabenbezug für die Betrachtung von Treibhausgasemissionen bei der Produktion von eingesetzten Baustoffen folgt, hat das Bundesverwaltungsgericht noch nicht entschieden.

9 Jedenfalls bestimmen sich nach § 16 Abs. 4 Satz 1 UVPG Inhalt und Umfang des UVP-Berichts nach den Rechtsvorschriften, die für die Zulassungsentscheidung maßgeblich sind. Die Angaben des UVP-Berichts müssen nach § 16 Abs. 5 Satz 3 UVPG ausreichend sein, um der zuständigen Behörde eine begründete Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nach § 25 Abs. 1 UVPG zu ermöglichen und Dritten die Beurteilung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen des Vorhabens betroffen sein können. Die Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung werden daher von den materiellrechtlichen Maßstäben des jeweiligen Fachgesetzes geprägt, für deren Prüfung die Umweltverträglichkeitsprüfung durch Zusammenstellung und Aufbereitung des umweltbezogenen Tatsachenmaterials den Rahmen und die Grundlage bildet (BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 32; BT-Drs. 18/1499 S. 76). Zweck der Umweltverträglichkeitsprüfung ist es u.a., die Abwägung der Planfeststellungsbehörde vorzubereiten (BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 - 3 C 12.18 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 90 Rn. 23).

10 bb) Anders als die Beschwerde meint, war der Beklagte nach dem einschlägigen Fachgesetz nicht befugt, Erkenntnisse zu Treibhausgasemissionen bei der Stahlproduktion und den Auswirkungen auf die Stahlnachfrage zum Anlass zu nehmen, die Planfeststellung im Wege der Abwägung abzulehnen und sich damit für die Nullvariante zu entscheiden. Nach § 1 Abs. 1 EnWG ist Zweck des Gesetzes u.a. eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht. Der Gesetzgeber hält es für erforderlich, dieses Ziel auch durch Netzausbaumaßnahmen zu verfolgen. So muss der Netzentwicklungsplan nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EnWG alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum bedarfsgerechten Ausbau des Netzes und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit enthalten. Insbesondere ist in den Plan nach Satz 3 der Vorschrift aufzunehmen, welche Netzausbaumaßnahmen in den nächsten drei Jahren durchgeführt werden müssen. Damit übereinstimmend ist die Errichtung und der Betrieb von Gasversorgungsleitungen mit einem gewissen Durchmesser nach § 43 Abs. 1 Nr. 5 EnWG zwar planfeststellungspflichtig, aber auch planfeststellungsfähig. Dem Gesetzgeber war bekannt, dass die Errichtung von Gasversorgungsleitungen mit Baustoffen, insbesondere Stahl, erfolgt, deren Produktion in nicht geringem Ausmaß Treibhausgasemissionen - insbesondere CO2 - bewirken, nimmt dies im Interesse der Versorgungssicherheit aber hin. Dazu hätte sich die Planfeststellungsbehörde nicht in Widerspruch setzen dürfen.

11 cc) Die Beschwerde fordert die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Treibhausgasemissionen bei der Stahlproduktion, weil die Planfeststellungsbehörde berechtigt sei, dem Vorhabenträger im Wege einer Auflage den Einsatz besonders klimaschonend hergestellter Baustoffe aufzuerlegen.

12 Es bedürfte rechtlicher Prüfung, ob eine Frage der Bauausführung betroffen ist, die nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 60) und daher auch nicht des UVP-Berichts ist (BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 27) oder die Herstellung der Baustoffe als zeitlich der Errichtung vorausgehend nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist (so UA S. 18). Es wäre weiter zu prüfen, ob einer Nebenbestimmung im Planfeststellungsbeschluss andere Regelungen entgegenstehen, weil eine solche Bestimmung darauf gerichtet wäre, in ein auch durch Unions- und Völkerrecht geregeltes Marktgeschehen einzugreifen, und Produktionsprozesse betroffen sind, für welche die Reduktion von Treibhausgasemissionen mit anderen Regelungen angestrebt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 2017 - 4 CN 6.16 - BVerwGE 159, 356 Rn. 12 ff.). Schließlich wäre zu erwägen, ob die Frage die inhaltliche Vollständigkeit des UVP-Berichts und damit eine des materiellen Rechts betrifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 29 ff.); in diesem Fall wäre das Urteil der Vorinstanz insoweit im Ergebnis entsprechend § 144 Abs. 4 VwGO richtig, weil die Klimabilanz der eingesetzten Baustoffe für die Inanspruchnahme des Eigentums des Klägers nicht kausal wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15).

13 dd) Es fehlen jedenfalls ausreichende tatsächliche Feststellungen, um die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage zu beurteilen (BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> und vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - juris Rn. 12).

14 Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die Regeln der Technik zu beachten. Deren Einhaltung wird nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnWG vermutet, wenn bei Anlagen zur Fortleitung von Gas die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. eingehalten worden sind. Dies folgt ebenso aus § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über Gashochdruckleitungen (Gashochdruckleitungsverordnung - GasHDrLtgV) vom 18. Mai 2011 (BGBl. I S. 928). Die planfestgestellte Leitung soll aus Stahlrohren des Werkstoffs L 485 ME gemäß DIN EN ISO 3183, Annex M errichtet werden (PFB S. 73). Dass andere, möglicherweise das Klima schonendere Werkstoffe als Stahl die Sicherheitsanforderungen an eine Gashochdruckleitung erfüllen und damit überhaupt in Betracht kommen könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat auch weitere Ermittlungen in diese Richtung nicht beantragt.

15 Die tatrichterlichen Feststellungen lassen nicht erkennen, dass dem Vorhabenträger der Einbau von Stahlrohren aus einem klimaschonenden Produktionsverfahren aufgegeben werden und die Umweltverträglichkeitsprüfung der Vorbereitung einer solchen Entscheidung dienen könnte. Der zur Vorlage des UVP-Berichts verpflichtete Vorhabenträger ist nur zu solchen Angaben verpflichtet, die er mit zumutbarem Aufwand ermitteln kann (§ 16 Abs. 5 Satz 2 UVPG). Bezieht er seine Baumaterialien von Dritten - hier den Herstellern von Stahlrohren - werden ihm die dortigen Produktionsprozesse allenfalls in Grundzügen bekannt sein. Konkrete Emissionen zu einzelnen Produktionsprozessen kann er nicht angeben, da diese von dem eingesetzten Brennstoff oder der Energiequelle der elektrischen Energie abhängen. Verlässliche Angaben werden umso schwieriger, je mehr Vorprodukte in die Betrachtung einfließen (vgl. Rasmussen et al., UVP-Report 2020, 92 <94>). Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, dass es Produktionsprozesse gibt, die - auch hinsichtlich etwaiger Nachteile wie höherer Kosten oder geringerer Verfügbarkeit - so verlässlich bestimmbar sind, dass ihre Angabe und Darstellung in einer Umweltverträglichkeitsprüfung zumutbar erscheint und die Anknüpfungspunkte für eine Nebenbestimmung im Planfeststellungsbeschluss sein könnten. Auch die Beschwerde nennt keine verlässlichen Zertifizierungen oder Gütesiegel (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 22), sondern behauptet pauschal die Verfügbarkeit klimaschonend erzeugter Baustoffe. Es fehlen damit hinreichende tatsächliche Feststellungen, dass der Einsatz von Stahl aus bestimmten Produktionsprozessen eine abzuwägende Alternative in der von der Umweltverträglichkeitsprüfung vorzubereitenden Entscheidung hätte sein können.

16 b) Die Beschwerde zeigt auch mit Blick auf das Unionsrecht keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

17 Nach Ziffer 5 Satz 1 Buchst. f des Anhangs IV zur Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 vom 28. Januar 2012, S. 1) in der Fassung nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 (ABl. L 124 S. 1) (im Folgenden: UVP-Richtlinie) verlangen die Angaben für den UVP-Bericht eine Beschreibung der möglichen erheblichen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt unter anderem infolge der Auswirkungen des Projekts auf das Klima (z.B. Art und Ausmaß der Treibhausgasemissionen) sowie nach Ziffer 5 Satz 1 Buchst. g des Anhangs IV der UVP-Richtlinie eine Beschreibung der eingesetzten Techniken und Stoffe. Die Beschreibung sollte sich nach Ziffer 5 Satz 2 des Anhangs IV der UVP-Richtlinie auf die direkten und die etwaigen indirekten, sekundären, kumulativen, grenzüberschreitenden, kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen, ständigen und vorübergehenden, positiven und negativen Auswirkungen des Projektes erstrecken.

18 Ungeachtet dieses weitreichenden Ansatzes dient die Umweltverträglichkeitsprüfung technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen (Erwägungsgrund 2 der UVP-RL), das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung schließt mit der Integration der begründeten Schlussfolgerung der zuständigen Behörde in alle Entscheidungen der nationalen Behörden ab (Art. 1 Abs. 2 Buchst. g UAbs. v UVP-RL). In die Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung werden nach Art. 8a Abs. 1 Buchst. b UVP-RL mindestens Angaben über etwaige Umweltauflagen aufgenommen, die mit der Entscheidung verbunden sind sowie eine Beschreibung der Aspekte des Projekts und/oder der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden, verhindert oder verringert oder soweit wie möglich ausgeglichen werden sollen und, soweit angemessen, eine Beschreibung der Überwachungsmaßnahmen. Der Umweltbericht geht nach Art. 2 Abs. 1 UVP-RL der Genehmigung voraus, damit die zuständige Behörde bei ihrer Meinungsbildung die Auswirkungen auf die Umwelt bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen so früh wie möglich berücksichtigt, um Umweltbelastungen von vornherein zu vermeiden statt sie erst nachträglich in ihren Auswirkungen zu bekämpfen (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C 196/16 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2017:​589] - NVwZ 2017, 1611 Rn. 33). Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist damit auch im Unionsrecht auf die Zulassungsentscheidung bezogen, eine Beschreibung von Umweltauswirkungen um ihrer selbst willen fordert die UVP-Richtlinie nicht. Es fehlen indes tatrichterliche Feststellungen, dass die Anordnung des Einsatzes eines anderen Rohstoffes als Stahl oder Stahlrohre aus bestimmten Produktionsprozessen Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses hätte werden können.

19 2. Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf,
ob § 16 UVPG i.V.m. Anlage 4 Ziffer 4 Buchst. c Doppelbuchst. bb UVPG dahin auszulegen ist, dass eine Genehmigungsbehörde bei der Entscheidung über eine Erdgastransportleitung die bei der Verbrennung des transportierten Erdgases entstehenden Treibhausgasemissionen ermitteln, beschreiben und bewerten muss, wenn diese die Grenze zu möglichen erheblichen Auswirkungen auf das Klima überschreiten und die Transportleitung unmittelbar kausal für den Transport des verbrannten Erdgases ist.

20 Sie möchte darüber hinaus auch klären lassen,
ob diese Pflicht aus der Richtlinie 2011/92/EU in der Fassung nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/52/EU mit Blick auf Ziffer 5 Satz 1 Buchst. f des Anhangs IV folgt.

21 Die Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision. Eine solche Pflicht besteht nicht. Um dies festzustellen, bedarf es keines Revisionsverfahrens.

22 Die Umweltverträglichkeitsprüfung stellt das umweltbezogene Tatsachenmaterial dar und bereitet es für die nach Maßgabe des jeweiligen Fachgesetzes durchzuführende Zulassungsentscheidung auf (s.o.). Dies gilt nach nationalem Recht ebenso wie nach der UVP-Richtlinie. Es ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung die Treibhausgasemissionen des verbrannten Gases für die behördliche Entscheidung haben könnte. Das Energiewirtschaftsgesetz dient u.a. einer leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Gas (§ 1 Abs. 1 EnWG) und unterwirft den Bau von Leitungen weiteren Regelungen, u.a. zur Planrechtfertigung. Er nimmt damit aber zugleich die durch die Verbrennung von Gas entstehenden Treibhausgasemissionen hin. Darüber dürfte der Beklagte sich nicht im Wege der Abwägung hinwegsetzen und eine eigene Energiepolitik betreiben. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass zu den Umweltauswirkungen eines Energieleitungsvorhabens weder die Auswirkungen solcher Tätigkeiten gehören, die mit der fortgeleiteten Energie durchgeführt werden, noch etwaige Auswirkungen auf den Energiemarkt; sie sind daher weder nationalrechtlich noch unionsrechtlich Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung.

23 3. Die Beschwerde möchte ferner klären lassen,
ob Art. 5 und 6 der Richtlinie 2011/92/EU in der Fassung nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/52/EU dahin auszulegen sind, dass die völlige Außerachtlassung der mit einem Projekt verbundenen erheblichen Treibhausgasemissionen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung dazu führen muss, dass die darauf beruhende Genehmigung aufgehoben bzw. jedenfalls für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt werden muss (absoluter Verfahrensfehler).

24 Die Beschwerde verfehlt insoweit die Darlegungsanforderungen. Sie behauptet allein, die Frage sei ungeklärt, und beruft sich auf "die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs", der die "Betrachtungsweise des Bundesverwaltungsgerichts" widerspreche, ohne konkrete Entscheidungen zu benennen. Dies genügt § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

25 4. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,
ob die Genehmigungsbehörde im Rahmen der Planfeststellung einer Gasversorgungsleitung nach § 43 EnWG für die Feststellung des Bedarfs im Rahmen der Planrechtfertigung auf den nach § 15a Abs. 1 EnWG von den Betreibern von Fernleitungsnetzen erstellten "Szenariorahmen" zurückgreifen darf, ohne eine eigenständige Prüfung dieser Prognose vorzunehmen und anderweitige Studien zur Entwicklung des Gasbedarfs zu berücksichtigen.

26 Die Frage ist nicht entscheidungserheblich. Nach Auffassung der Beschwerde verlangt Verfassungsrecht eine eigenständige Prüfung der Planrechtfertigung durch die demokratisch legitimierte Planfeststellungsbehörde (unter Berufung auf BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 180). Dies sei bei einem Rückgriff auf den Szenariorahmen nach § 15a Abs. 1 Satz 4 EnWG nicht gewährleistet, der von den Betreibern der Fernleitungsnetze entworfen und von der - insoweit nach Art. 39 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. L 211 S. 94) unabhängigen - Regulierungsbehörde nach § 15a Abs. 1 Satz 7 EnWG bestätigt werde. Das Oberverwaltungsgericht hat indes nicht angenommen, dass der Beklagte als Planfeststellungsbehörde bei der Annahme der Planrechtfertigung an den Szenariorahmen gebunden ist, sondern die prognostische Bestimmung des erforderlichen Bedarfs als Aufgabe der Planfeststellungsbehörde angesehen (UA S. 37) und eine eigenständige Planungsentscheidung des Beklagten angenommen (UA S. 40). Das Gericht hat damit zwar gebilligt, dass der Beklagte inhaltlich auf den Szenariorahmen zurückgreift (UA S. 38), ihn daran aber nicht gebunden gesehen, sondern eine eigenständige Ermittlung des prognostischen Bedarfs angenommen (vgl. UA S. 45 ff.).

27 Die Ausführungen der Beschwerde zur gerichtlichen Kontrolle zeigen gleichfalls keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Das Vorliegen der Planrechtfertigung ist vom Gericht vollständig zu prüfen. Dies gilt jedoch nicht für die insoweit anzustellenden Prognosen. Diese sind nicht zu beanstanden, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurden, der ihnen zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 59; vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <234>). Dass und aus welchen Gründen diese Rechtssätze einer Fortentwicklung oder Korrektur bedürfen könnten, legt die Beschwerde nicht dar. Ihre Kritik an den tatrichterlichen Würdigungen des Einzelfalls zeigt keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf.

28 Der Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG, die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss vom 23.09.2021 -
BVerwG 4 B 11.21ECLI:DE:BVerwG:2021:230921B4B11.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.09.2021 - 4 B 11.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:230921B4B11.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 11.21

  • OVG Berlin-Brandenburg - 12.03.2020 - AZ: OVG 11 A 7.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. September 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senates vom 18. Februar 2021 - 4 B 25.20 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Rügeverfahrens trägt der Kläger. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Senat hat bei seinem Beschluss vom 18. Februar 2021 - 4 B 25.20 - zur Post aufgegeben am 28. April 2021 (GA Bl. 361) dem Kläger rechtliches Gehör gewährt. Er hat die Ausführungen des Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

2 Nach § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO muss die Rüge das Vorliegen einer Gehörsverletzung im Sinne des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO darlegen. Wird die Gehörsrüge - wie hier - darauf gestützt, dass relevantes Vorbringen übergangen worden ist, bedarf es der Darlegung, welches Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt das nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42 und vom 18. Mai 2021 - 4 C 6.19 - juris Rn. 21). Diesen Anforderungen genügt die Anhörungsrüge jedenfalls in Teilen.

3 1. Der Kläger sieht sein Vorbringen übergangen, dass es an einer eigenständigen Bedarfsprognose durch den Beklagten fehle. Dies führt nicht auf einen Gehörsverstoß. Der Senat hat dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts die Feststellung entnommen, dass die Planfeststellungsbehörde die Notwendigkeit des Vorhabens fachlich umfassend begründet (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. März 2020 - 11 A 7.18 - UA S. 38), sie eine eigenständige Planungsentscheidung getroffen (UA S. 40) und den prognostischen Bedarf hinreichend ermittelt habe (UA S. 45). Dass der Kläger diese tatsächliche Würdigung nicht teilt, hat der Senat zur Kenntnis genommen. Das Vorbringen spielte für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde indes keine Rolle, weil das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO in dem angestrebten Revisionsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils gebunden gewesen wäre.

4 Auch der Hinweis auf Seite 48 des vorinstanzlichen Urteils zeigt keinen Gehörsverstoß auf. Die Anhörungsrüge legt nicht dar, dass die Beschwerdebegründung einen solchen Hinweis enthalten hätte. Sie geht im Übrigen daran vorbei, dass das Urteil selbstständig tragend auf eine Prognose des Beklagten gestützt ist.

5 2. Die Kritik an den Ausführungen zur Nullvariante in Randnummer 10 legt nicht im Sinne von § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO dar, welches Vorbringen der Beschwerdebegründung der Kläger für übergangen hält. Die Beschwerdebegründung hat die Abwägung einer Nullvariante zwar am Rande angesprochen (Beschwerdeschrift S. 2, 9), ihren Schwerpunkt aber auf die Forderung gelegt, den Möglichkeiten klimaschonend hergestellter Baustoffe in der Umweltverträglichkeitsprüfung nachzugehen und im Planfeststellungsbeschluss die Nutzung solcher Baustoffe anzuordnen. Hiervon unabhängig beschränkt sich die Anhörungsrüge insoweit auf eine inhaltliche Kritik an dem Senatsbeschluss.

6 Die Ausführungen in Randnummern 15 und 18 verletzen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidungserheblichkeit der als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfrage feststeht (BA Rn. 13 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2018 - 7 BN 3.18 - Buchholz 406.27 § 32 BBergG Nr. 2 Rn. 8). Diese Anforderung steht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Einklang (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - juris Rn. 13 f.). Es obliegt den Beteiligten, in der Tatsacheninstanz auf Feststellungen hinzuwirken, welche die Entscheidungserheblichkeit einer als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfrage aufzeigen (BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62>). Kritik an dieser Rechtsprechung führt nicht zum Erfolg einer Anhörungsrüge. Denn das Verfahren nach § 152a VwGO dient nicht dazu, die prozessrechtlichen Voraussetzungen für eine Revisionszulassung zu überprüfen (BVerwG, Beschluss vom 23. August 2016 - 4 B 25.16 - juris Rn. 15).

7 Der Senat hat dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts keine ausreichenden Feststellungen dazu entnommen, dass es Produktionsprozesse gibt, die so verlässlich bestimmbar sind, dass ihre Angabe und Darstellung in einer Umweltverträglichkeitsprüfung zumutbar erscheint und die Anknüpfungspunkt für eine Nebenbestimmung im Planfeststellungsbeschluss sein könnten (BA Rn. 15). Es fehlten tatrichterliche Feststellungen, dass die Anordnung des Einsatzes eines anderen Rohstoffes als Stahl oder Stahlrohre aus bestimmten Produktionsprozessen Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses hätten werden können (BA Rn. 18). Dass der Senat bei diesen Feststellungen Vorbringen übersehen hat, macht die Anhörungsrüge nicht geltend; in der Beschwerdebegründung ist auch nicht dargelegt, dass der Kläger in der Vorinstanz durch die Stellung von Beweisanträgen oder in anderer Form auf entsprechende Feststellungen hingewirkt hätte.

8 3. Die Kritik an Randnummer 22 des Beschlusses vom 18. Februar 2021 - 4 B 25.20 - geht ins Leere. Dass der Kläger die Rechtsauffassung des Senats für falsch hält, verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich aus Nr. 5400 KV zu § 3 Abs. 2 GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.