Beschluss vom 21.12.2023 -
BVerwG 8 A 1.23ECLI:DE:BVerwG:2023:211223B8A1.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2023 - 8 A 1.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:211223B8A1.23.0]

Beschluss

BVerwG 8 A 1.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2023
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die Kosten des Verfahrens trägt Rechtsanwalt Dr. M., ..., ... B., als vollmachtloser Vertreter.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerinnen haben mit Schriftsatz vom 15. Februar 2023 ihre Klagen zurückgenommen. Das Verfahren ist deshalb gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Die Kosten des Verfahrens sind in entsprechender Anwendung von § 173 Satz 1 VwGO, § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO i. V. m. § 179 BGB dem (angeblichen) Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen aufzuerlegen, weil er als vollmachtloser Vertreter das eingestellte Klageverfahren veranlasst hat (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 1982 - 1 C 63.79 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 55, vom 25. September 2006 - 8 KSt 1.06 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 108 und vom 16. Januar 2007 - 8 C 14.06 - juris). Er ist zur beabsichtigten Kostenentscheidung angehört worden.

3 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass im Fall des Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung die Prozesskosten grundsätzlich demjenigen aufzuerlegen sind, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat. Als Veranlasser kann zwar nicht nur der vollmachtlose Vertreter selbst, sondern je nach den Umständen auch die Prozesspartei in Betracht kommen, für die der vollmachtlose Vertreter gehandelt hat (BVerwG, Beschluss vom 29. November 2010 - 6 B 59.10 -‌ NJW 2011, 1894 Rn. 11). Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Die angeblich vertretenen Klägerinnen zu 3 und 4 des Ausgangsverfahrens haben sich einer schriftlichen Vollmacht nicht entäußert, sodass sie das Auftreten des (angeblichen) Prozessbevollmächtigten für sie nicht in einer prozessual zurechenbaren Weise veranlasst haben. Vielmehr hat dieser die Klageerhebung für die Klägerinnen zu 3 und 4 des Ausgangsverfahrens BVerwG 8 A 2.22 veranlasst. Er hat dort mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2022 "namens und in Vollmacht" der dortigen Klägerinnen zu 1 bis 4 gegen die Anordnung der Beklagten vom 14. September 2022 Klage erhoben und zugleich Prozessvollmachten der Klägerinnen zu 1 und 2 eingereicht. Eine Prozessvollmacht der beiden Klägerinnen zu 3 und 4 wurde trotz mehrfacher gerichtlicher Aufforderung vom 17. Oktober 2022, vom 15. November 2022 und vom 19. Januar 2023 nicht vorgelegt. Er ist auch der mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Januar 2023 mitgeteilten Bitte nachzuweisen, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerinnen zu 3 und 4 deren jeweilige Alleingesellschafterin bevollmächtigt hätten, eine solche Prozessvollmacht zu erteilen, oder zu belegen, dass die Klägerinnen zu 3 und 4 eine entsprechende Bitte verweigert oder unbeantwortet gelassen hätten, nicht nachgekommen. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2023 hat er die im Namen der Klägerinnen zu 3 und 4 erhobene Klage in deren Namen zurückgenommen. Der Senat hat daraufhin deren Klagen mit Beschluss vom 16. Februar 2023 abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen gesondert weitergeführt.

4 Die von den Klägerinnen zu 1 und 2 des Ausgangsverfahrens erteilten Prozessvollmachten decken das Auftreten des (angeblichen) Prozessbevollmächtigten für die Klägerinnen zu 3 und 4 nicht ab. Die Angaben des Rubrums der Klageschrift zur Vertretung der Klägerinnen zu 3 und 4 durch die jeweilige Alleingesellschafterin treffen, soweit sie hier - hinsichtlich der Erteilung der Prozessvollmacht - zu prüfen sind, nicht zu. Gesetzlich werden die Klägerinnen zu 3 und 4 gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG durch die jeweiligen Geschäftsführer und nicht unmittelbar durch die jeweilige Alleingesellschafterin vertreten. Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass die Klägerinnen zu 3 und 4 ihre jeweilige Alleingesellschafterin bevollmächtigt hätten, in ihrem Namen eine Prozessvollmacht zu erteilen, und dass dies geschehen wäre. Ebenso wenig besteht aus den im gerichtlichen Hinweis von 19. Januar 2023 mitgeteilten Gründen ein "Notklagerecht" der Klägerinnen zu 1 und 2 als Alleingesellschafterinnen der Klägerinnen zu 3 und 4, das die fehlende Prozessvollmacht ersetzen könnte.

5 Der Einwand des (angeblichen) Prozessbevollmächtigten, er habe im Auftrag und auf Weisung der Klägerinnen zu 1 und 2 auch für die Klägerinnen zu 3 und 4 des Ausgangsverfahrens gehandelt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Er betrifft lediglich das - hier nicht relevante - Innenverhältnis zwischen dem (angeblichen) Prozessbevollmächtigten und den Klägerinnen zu 1 und 2, kann aber deren fehlende Befugnis zur Erteilung einer Prozessvollmacht für ihre jeweilige Tochtergesellschaft nicht ersetzen und lässt die Pflicht des vollmachtlosen Vertreters zur Kostentragung für das Verfahren der Klägerinnen zu 3 und 4 nicht entfallen. Dieser kann sich als Rechtsanwalt auch nicht darauf berufen, die rechtlichen Voraussetzungen einer wirksamen Prozessvollmacht unzutreffend eingeschätzt zu haben. Sein Einwand, der Rechtsstreit habe neue Vorschriften zum Gegenstand gehabt, trifft nur auf die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 17 EnSiG, nicht jedoch auf die Regelungen zur Vertretung von Gesellschaften und zur Prozessvollmacht zu. Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1960 - III ZR 83/59 - (BGHZ 32, 250) und vom 25. Mai 1977 - VIII ZR 18/76 - (BGHZ 68, 391) rechtfertigen ebenfalls keine andere Beurteilung. Sie betreffen gestufte Vertretungsverhältnisse, bei denen der Unterbevollmächtigte die Wirksamkeit der Vollmacht des Hauptbevollmächtigten gegenüber dem Oberbevollmächtigten nicht nachprüfen kann. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

6 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Ebenso wie im Ausgangsverfahren BVerwG 8 A 2.22 bemisst der Senat das wirtschaftliche Interesse des Verfahrens nach den Einbußen, die die Klägerinnen aufgrund der Treuhandverwaltung zu erwarten haben, wobei auf jede der Klägerinnen ein Viertel des Höchstbetrags des § 39 Abs. 2 GKG entfällt.