Beschluss vom 23.08.2021 -
BVerwG 4 B 28.20ECLI:DE:BVerwG:2021:230821B4B28.20.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 23.08.2021 - 4 B 28.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:230821B4B28.20.0]
Beschluss
BVerwG 4 B 28.20
- VG Chemnitz - 19.08.2015 - AZ: VG 3 K 1240/13
- OVG Bautzen - 12.03.2020 - AZ: OVG 1 A 526/16
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. August 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. März 2020 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 900 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
3 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3). Daran fehlt es.
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a) Die Frage,
ob die wirksame Erstreckung des Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 467 Satz 2 BGB den Erlass eines Erstreckungsbescheides als Verwaltungsakt erfordert,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt hat oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 - 6 B 73.09 - juris Rn. 4 <insofern nicht abgedruckt in Buchholz 448.0 § 29 WPflG Nr. 24>).
5 Die Beschwerde verweist auf die Ausführungen des Berufungsgerichts unter Randnummer 55 des Urteils. Danach hat die Gemeinde dem durch § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB begründeten öffentlich-rechtlichen Erstreckungsanspruch des Verkäufers bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen (Erstreckungsverlangen des Verkäufers und trennungsbedingter Nachteil für den Verkäufer) – wie hier geschehen - durch Erlass eines privatrechtsgestaltenden Erstreckungsbescheides Rechnung zu tragen, wenn sie an der Ausübung des Vorkaufsrechts festhält. Aus diesen Erwägungen folgt nur, dass das Berufungsgericht den Erstreckungsbescheid nicht schon mit der Begründung als rechtswidrig erachtet hat, dass die Beklagte zu seinem Erlass mangels Ermächtigungsgrundlage nicht befugt gewesen sei. Entscheidungstragend war für das Berufungsgericht vielmehr die Annahme, dass es an einem Nachteil im Sinne von § 467 Satz 2 BGB fehle (UA Rn. 57 ff.) und der aus diesem Grund rechtswidrige Bescheid den Kläger auch in seinen Rechten verletze (UA Rn. 70 ff.).
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b) Die Beschwerde hält zudem für klärungsbedürftig,
ob nach Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts die Leistungspflichten fortbestehen oder durch Unmöglichkeit vollständig erlöschen.
7 Diese Frage führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision, weil sie am Inhalt des angegriffenen Urteils vorbeigeht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. August 2012 nur für hier nicht streitgegenständliche Teilflächen an den Flurstücken Nrn. 785a und 795a ausgeübt (vgl. UA Rn. 5). Hinsichtlich dieser Teilflächen geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Fortbestand des Erstvertrags sich "nach dem Zivilrecht" richte (vgl. UA Rn. 72). Dass der gesamte Grundstückskaufvertrag unter der auflösenden Bedingung der Ausübung des Vorkaufsrechts stand, hat es im Wege der Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB verneint (UA Rn. 73 ff.).
8 Sollte die Frage darauf zielen, ob eine teilflächenbezogene Vorkaufsrechtsausübung zu einer Vollunmöglichkeit der Übereignungsverpflichtung aus dem Drittkaufvertrag (Erstkaufvertrag) gemäß § 275 Abs. 1 BGB führen kann (vgl. Mayer, NJW 1984, 100 <103>; Hellmann-Sieg/Smeddinck, BauR 1999, 122 <128>), wäre sie - sofern überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortbar - nicht klärungsfähig. Eine Vollunmöglichkeit setzt zivilrechtlich voraus, dass es sich um eine unteilbare Leistung handelt, d.h. der Leistungsgegenstand technisch oder nach dem Willen der Parteien unteilbar ist (vgl. BGH, Urteile vom 7. März 1990 - VIII ZR 56/89 - NJW 1990, 3011 <3012> und vom 13. Dezember 1991 - LwZR 5/91 - BGHZ 116, 334 = NJW 1992, 1036 <1037>; Ernst, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 128; Lorenz, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, Stand August 2021, § 275 Rn. 53 und § 266 Rn. 6). Das ist nach den - nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden - Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Die in Rede stehenden Grundstücksflächen seien weder technisch unteilbar (vgl. insb. UA Rn. 58 ff.) noch sei der Wille der Parteien auf eine Unteilbarkeit der Grundstücke gerichtet (vgl. UA Rn. 74 f.).
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c) Schließlich wäre auch die Frage,
ob ein nur am Preis bzw. an der preislichen Verwertbarkeit der Restgrundstücke orientierter enger oder ein weiter Nachteilsbegriff gilt,
in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zwar einen "wirtschaftlichen" (engen) Nachteilsbegriff zugrunde gelegt (UA Rn. 58 ff.). Es hat aber - mit bindender Wirkung (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) – auch festgestellt, dass sich die verbleibenden Restflächen für sinnvolle Nutzungen eigneten (UA Rn. 60 a.E.) bzw. die Teilflächen Nr. 785a und 795a als Wohnbauflächen nutzbar seien (UA Rn. 62). Damit hat es im Ergebnis auch einen Nachteil im weiten Sinne verneint.
10 Soweit die Beschwerde geltend macht, allein die Vermessungskosten stellten einen trennungsbedingten Nachteil dar, führt dies nicht auf eine entscheidungserhebliche Frage. Das Berufungsgericht hat einen durch Vermessungskosten begründeten Nachteil bereits mit der Begründung verneint, dass diese nicht von der Beigeladenen (Verkäuferin), sondern von der Beklagten zu tragen seien (vgl. UA Rn. 63). Die Beschwerde hält diese Würdigung für unzutreffend. Allein mit Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung lässt sich die grundsätzliche Bedeutung aber nicht begründen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. März 2014 - 4 B 3.19 - UPR 2014, 313 Rn. 9 und vom 15. September 2020 - 4 B 46.19 - juris Rn. 15).
11 2. Die Revision ist nicht wegen eines - sinngemäß gerügten - Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
12 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen kann, wenn das Tatsachengericht fehlerhaft das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen bejaht und zu Unrecht ein Sachurteil ergeht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 2011 - 3 B 54.11 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 96 Rn. 4 ff. und vom 13. Januar 2016 - 7 B 3.15 - juris Rn. 18). Ein rügefähiger Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn die inkorrekte Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, etwa einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte und der zugrunde liegenden Maßstäbe; demgegenüber liegt ein materiell-rechtlicher Mangel vor, wenn die Vorinstanz deswegen zu einer unzutreffenden Bewertung der Zulässigkeit gelangt ist, weil sie eine materiell-rechtliche Vorfrage fehlerhaft beantwortet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2016 - 7 B 3.15 - juris Rn. 18, vom 20. Dezember 2017 - 6 B 14.17 - Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 111 Rn. 11, vom 19. November 2020 - 4 BN 14.20 - ZfBR 2021, 180 Rn. 8 und vom 25. Januar 2021 - 4 BN 57.20 - juris Rn. 3, jeweils m.w.N.).
13 Ein Verfahrensmangel steht hiernach nicht in Rede. Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte durch Prozessurteil entscheiden müssen. Es habe dem Erstreckungsbescheid zu Unrecht Regelungswirkung beigemessen und hätte ihn jedenfalls nach Eintragung der Beklagten im Grundbuch als erledigt betrachten müssen. Mit diesen Rügen legt die Beschwerde aber nicht dar, dass das Berufungsgericht die prozessrechtlichen Maßstäbe für das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses verfehlt hat. Vielmehr wendet sie sich gegen dessen materiell-rechtlichen Bewertungen, die das Verhältnis der öffentlich-rechtlichen Erstreckung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 467 Satz 2 BGB zur privatrechtlichen Auflassung und zur Grundbucheintragung betreffen.
14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.