Beschluss vom 26.11.2014 -
BVerwG 1 B 25.14ECLI:DE:BVerwG:2014:261114B1B25.14.0

Beschluss

BVerwG 1 B 25.14

  • VG Ansbach - 30.01.2007 - AZ: VG AN 19 K 06.01116
  • VGH München - 23.07.2014 - AZ: VGH 19 B 12.1073

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt ..., ..., beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
  3. der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
  4. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  5. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und seinen Bevollmächtigten beizuordnen, ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehend ausgeführten Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2 2. Die auf die Zulassungsgründe der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

3 2.1 Die Divergenzrüge ist unzulässig. Eine die Revision eröffnende Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur dann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 15. April 2013 - BVerwG 1 B 22.12 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 66 = NVwZ-RR 2013, 774, jeweils Rn. 21). Dazu müssen die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze einander gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45).

4 Diese Darlegungsanforderungen verfehlt die Beschwerde. Sie rügt, der Verwaltungsgerichtshof sei von der Entscheidung des beschließenden Senats vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 118.05 - abgewichen. Dazu führt sie aus, dass nach dieser Entscheidung medizinische Wertungen, für die das Berufungsgericht selbst nicht ausreichend sachkundig sei, nicht ohne weitere Aufklärung vorgenommen werden dürften; vielmehr sei hierzu von Amts wegen ein aktuelles, wissenschaftlichen Standards entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen. Damit macht die Beschwerde der Sache nach lediglich geltend, das Berufungsgericht habe einen Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall fehlerhaft angewendet; mit diesem Vorbringen kann eine Abweichung nicht bezeichnet werden. Diese Ausführungen gelten entsprechend für die darüber hinaus geltend gemachten Abweichungen von dem Urteil vom 29. Oktober 2002 - BVerwG 1 C 1.02 - (DVBl 2003, 463 <464>) und dem Beschluss vom 17. Mai 2006 - BVerwG 1 B 100.05 (juris).

5 2.2 Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Eine Zulassung der Revision aufgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt voraus, dass ein Verfahrensmangel des gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert und schlüssig dargetan wird (vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 1. Dezember 2000 - BVerwG 9 B 549.00 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 60 S. 18 f.).

6 Die Beschwerde wendet sich gegen die Ablehnung mehrerer in der Berufungsverhandlung gestellter, auf Einholung von Sachverständigengutachten sowie eine Zeugeneinvernahme gerichteter Beweisanträge zu unterschiedlichen Beweisthemen. Sie rügt, das Berufungsgericht habe diese Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt und sich insbesondere in medizinischen Fragen eigene Sachkunde angemaßt, über die es nicht verfüge. Damit habe es § 86 VwGO verletzt. Diese Rügen führen nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Soweit sie den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügen, liegt kein Verfahrensmangel des Berufungsgerichts vor, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann.

7 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung von Sachverständigengutachten oder einer amtlichen Auskunft im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen (vgl. Beschlüsse vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - InfAuslR 2000, 412 und vom 11. Februar 1999 - BVerwG 9 B 381.98 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 42 = DVBl 1999, 1206; jeweils m.w.N.). Liegen bereits Gutachten vor, handelt die Tatsacheninstanz nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sich die Einholung eines weiteren Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden Gutachten hätte aufdrängen müssen. Gutachten und Stellungnahmen sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschlüsse vom 2. März 1995 - BVerwG 5 B 26.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 267 S. 12 und vom 4. Januar 2007 - BVerwG 10 B 20.06 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 S. 5 m.w.N.).

8 2.2.1 Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe nicht die gesundheitliche Auswirkung des Abschiebevorgangs als solchen für den Kläger aufgeklärt, obwohl auch insoweit ausdrücklich Beweisanträge gestellt worden seien; damit liege auch ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO vor.

9 Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung die Einholung eines psychiatrischen und kardiologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass ihm für den Fall der zwangsweisen Durchführung der Abschiebung die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands [drohe] und damit eine konkrete Gefahr für Leib und Leben bestehe (Beweisantrag Nr. 5). Das Berufungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung mit der Begründung abgelehnt, dass für die Annahme, der Kläger werde sich mit seiner Abschiebung nicht abfinden (und deshalb einer außergewöhnlichen seelischen und kardiologischen Belastung ausgesetzt sein), nichts spreche, so dass es an der für einen Beweisantrag erforderlichen Substantiierung fehle. Es hat dazu auf die seit März 2010 kontinuierlich erfolgende und durch eine Begleitperson auch bei der Abschiebung zu gewährleistende neuroleptische Medikation des Klägers abgestellt, die eine produktiv-psychotische Episode verhindere; aber selbst in der neuroleptisch unbehandelten Zeit hätten behördliche Maßnahmen beim ihm keine Steigerung der gesundheitlichen Beeinträchtigung herbeigeführt. Des Weiteren hat das Berufungsgericht auf die bereits vorliegenden Gutachten vom 9. Februar 2010 und 8. April 2013 mit den darin getroffenen diagnostischen Feststellungen verwiesen.

10 Die Ablehnung des Beweisantrags als unsubstantiiert ist im vorliegenden Fall mit Blick auf die im Berufungsverfahren bereits erfolgte umfangreiche Sachverhaltsaufklärung zur gesundheitlichen Situation des Klägers nicht zu beanstanden. Welche Anforderungen vom Gericht an die Substantiierung eines Beweisantrags gestellt werden dürfen, bestimmt sich zum einen danach, ob die zu beweisende Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt, und zum anderen nach der konkreten prozessualen Situation (vgl. Beschlüsse vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14, vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 und vom 30. Mai 2014 - BVerwG 10 B 34.14 <juris Rn. 9>).

11 Dem Berufungsgericht lagen mehrere, u.a. im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten und Stellungnahmen nebst aktualisierenden Ergänzungen zum Gesundheitszustand des Klägers vor, deren Tauglichkeit dieser nicht infrage gestellt hat. Demzufolge wäre für eine ausreichende Substantiierung des Beweisantrags in diesem Stadium des Verfahrens eine genauere Darlegung insbesondere der konkret befürchteten gesundheitlichen Folgen der Abschiebung erforderlich gewesen, um den Tatrichter zu einer weiteren Aufklärung in diese Richtung zu veranlassen. Die in dem gestellten Beweisantrag pauschal geäußerte Befürchtung, dem Kläger drohe „für den Fall der zwangsweisen Durchführung der Abschiebung die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands“, reichte in dieser durch bereits intensive Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Klägers gekennzeichneten Prozesssituation zu einer hinreichenden Substantiierung nicht mehr aus. Auch für eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO ist nichts ersichtlich.

12 2.2.2 Die Beschwerde macht ferner geltend, dem Berufungsgericht fehle die medizinische Sachkunde, um die Erwerbsfähigkeit des Klägers mit Blick auf seine psychiatrische Erkrankung (Schizophrenie) selbst beurteilen zu können. Sie rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe den auf Einholung eines ergänzenden arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag, dass aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers keine Erwerbsfähigkeit bestehe (Nr. 3) sowie den wiederholt gestellten Beweisantrag mit der ergänzenden Maßgabe, dem Sachverständigen hierzu eine einzuholende fachpsychiatrische Stellungnahme zu dieser Beweisfrage zur Verfügung zu stellen (Anlage 5), zu Unrecht abgelehnt.

13 Das Berufungsgericht hat keine zureichenden Anhaltspunkte für die Beweisbehauptung bzw. die Einholung einer fachpsychiatrischen Stellungnahme zur Erwerbsfähigkeit des Klägers gesehen und die Ablehnung der Beweisanträge in der Verhandlung ausführlich und tragfähig begründet. Auch insoweit ist kein Verfahrensmangel zu erkennen, zumal die Beschwerde keine Gründe anführt, aus denen sich die Notwendigkeit einer weiteren fachärztlichen Begutachtung ergäbe. Auch für eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nichts ersichtlich.

14 Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Hinblick auf die Prognose des Berufungsgerichts, der Kläger sei in der Lage, sich in seinem Herkunftsland den gesamten Existenzbedarf zu erwirtschaften, keine ausschließlich fachmedizinischer Expertise vorbehaltene Fragestellung. Vielmehr baut die tatrichterliche Würdigung zu dieser Frage auch auf tatsächlichen Umständen (u.a. seiner bisherigen Erwerbsbiographie sowie der Würdigung familiärer und sozialer Begleitumstände) auf, deren Einschätzung nicht in allen Aspekten nur auf der Grundlage spezifischen Spezialwissens eines Sachverständigen möglich ist. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihren Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne jedoch - was allein einen Verfahrensmangel begründen könnte - aufzuzeigen, dass der Tatrichter seinen durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingeräumten Wertungsrahmen verlassen hätte (vgl. Beschluss vom 10. Oktober 2013 - BVerwG 10 B 19.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 67 Rn. 4). Die Beschwerde vernachlässigt, dass es Aufgabe des Tatrichters ist, ein Gutachten u.a. auf die Korrektheit der Anknüpfungstatsachen sowie die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen zu hinterfragen. Denn ein Sachverständigengutachten kann die dem Gericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorbehaltene Beweiswürdigung nicht ersetzen, sondern als Beweismittel nur zur Unterstützung der letztlich maßgeblichen richterlichen Überzeugungsbildung beitragen (vgl. Beschluss vom 13. März 2009 - BVerwG 1 B 20.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 65 = NVwZ-RR 2009, 977, jeweils Rn. 5). Anders als die Beschwerde meint, schließt das nicht aus, dass das Gericht ohne Notwendigkeit erneuter Begutachtung zu anderen Schlussfolgerungen gelangen kann als der Sachverständige. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der angefochtenen Entscheidung (UA Rn. 57 ff.) ausführlich und nachvollziehbar begründet, aus welchen - nicht spezifisch medizinischen - Gründen er die überwiegend negative Erwerbsprognose der Gutachter nicht teilt. Das ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Ausführungen gelten entsprechend für die Rüge, das Berufungsgericht (UA Rn. 48 ff.) setzte sich in wesentlichem Umfang über die Einschätzung der Sachverständigen Dr. W. und Dr. G. hinweg und ersetze deren sachverständige Beurteilung durch eine eigene Würdigung (Beschwerdebegründung S. 11 bis 14).

15 2.2.3 Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe weder aufgeklärt, ob der Kläger Unterkunft in einer „Kommunalka“ (Wohngemeinschaft) finden könne, noch, ob dies zu einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands führen werde, obwohl entsprechende Beweisanträge gestellt worden seien. Dazu hatte der Kläger in der Berufungsverhandlung die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass dem Kläger in Russland oder St. Petersburg keine für ihn unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands (vgl. Attest der Beklagten vom 6. Februar 2013) geeignete einfache Wohnung durch die Kommune kostenfrei zur Verfügung gestellt werde (Nr. 2a). Ferner hatte er die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass es bei dem Kläger im Falle einer zwangsweisen Unterkunft in einer sog. „Kommunalka“ oder anderen Form der Gemeinschaftsunterkunft zu einer alsbaldigen wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands und damit [zu einer] Gefahr für Leib und Leben komme (Nr. 1a) und er, soweit er nicht mehr bei seiner Mutter bleiben könne, auf eine Unterkunft in beschützter Umgebung für geistig behinderte Erwachsene angewiesen sei (Nr. 1c).

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beweisantrag Nr. 2a als nicht erheblich abgelehnt, weil der Kläger mit Wahrscheinlichkeit nicht unterstützungsbedürftig sein und somit auch nicht auf eine kostenfreie städtische Unterkunft angewiesen sein werde. Den Beweisantrag Nr. 1a hat er als nicht erheblich angesehen, weil davon auszugehen sei, dass der Kläger nicht nur in Gemeinschaftsunterkünften unterkommen könne und dass er auch nicht zu einer speziellen Unterkunft („zwangsweisen Unterkunft“) genötigt sei. Das ist nicht zu beanstanden.

17 Den Beweisantrag Nr. 1c hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt, da es an zureichenden Anhaltspunkten dafür fehle, dass sich die Gesundheit des Klägers ohne eine derartige Unterkunft alsbald wesentlich verschlechtern werde, er also unfähig zum Wohnen in einer Gemeinschaftswohnung sei, auch wenn es sein möge, dass eine Unterkunft in beschützter Umgebung dem Gesundheitszustand des Klägers am förderlichsten sei (wird weiter ausgeführt). Mit Blick auf den vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten strengen Maßstab einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Revisionsurteil in dieser Sache vom 22. März 2012 - BVerwG 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179 Rn. 35) lässt diese Vorgehensweise keinen Verfahrensmangel erkennen. Das Attest vom 6. Februar 2013 bot keinen Anlass für eine weitere Aufklärung in die erstrebte Richtung. Denn es wurde anlässlich der Haftentlassung des Klägers und dessen Verpflichtung zum Aufenthalt in einer Sammelunterkunft in Deutschland erstellt. Diese Art der Unterbringung ist nach dem Attest aus ärztlicher Sicht kontraindiziert, denn bei einer schweren psychotischen Erkrankung mit einer bekannt niedrigen Reizschwelle brauche der Patient unbedingt einen ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit; außerdem sei der Kontakt zu seiner Mutter derzeit stabilisierend. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bieten die im Herkunftsort des Klägers (St. Petersburg) verbreiteten Wohngemeinschaften, bei denen nur Sanitär- und Kücheneinrichtungen miteinander geteilt werden, jedoch ausreichende Rückzugsmöglichkeiten. Daher sprach auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen zum Gesundheitszustand des Klägers kein greifbarer Anhaltspunkt für die behauptete Beweistatsache.

18 2.2.4 Die Beschwerde sieht einen Aufklärungsmangel sowie einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO hinsichtlich der Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger werde in der Russischen Föderation kostenlose medizinische Leistungen erhalten. Diese Rüge bleibt erfolglos, da das Berufungsgericht sich bei dieser tatsächlichen Feststellung auf bereits vorliegende vorhandene sachverständige Stellungnahmen gestützt hat (UA Rn. 86 ff.). Die Beschwerde lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Aufklärung hierzu hätte aufdrängen müssen. Vielmehr wendet sie sich im Gewande der Aufklärungsrüge lediglich gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung; damit kann sie die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO indes nicht erreichen.

19 2.2.5 Die weiteren Rügen einer Verletzung des § 86 sowie § 108 Abs. 1 VwGO, das Berufungsgericht sei trotz des angebotenen Zeugenbeweises (Beweisantrag Nr. 4) und einer Beweisanregung nicht der Frage nachgegangen, ob der Kläger Verwandte in der Russischen Föderation habe, einen Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsleistung besitze und sich an das Komitee für Sozialpolitik wenden könne, wenn er Unterkunft benötige, führen nicht zur Zulassung der Revision. Selbst wenn - wofür nichts spricht - das Berufungsgericht seine Feststellungen dazu verfahrensfehlerhaft getroffen haben sollte, kann die angefochtene Entscheidung darauf nicht beruhen. Denn die unter II. bis IV. des Berufungsurteils abgehandelten Punkte ergänzen die Erwägungen zu I., die die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs selbständig tragen. Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht unter I. im Rahmen seiner umfangreichen Würdigung zur mangelnden Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger nach der Abschiebung das Neuroleptikum absetzen werde, ganz am Rande u.a. von der Existenz von Verwandten in St. Petersburg ausgeht.

20 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

21 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.