Beschluss vom 28.04.2009 -
BVerwG 1 WB 4.09ECLI:DE:BVerwG:2009:280409B1WB4.09.0
Leitsätze:
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1. Für die Anfechtung einer Verfügung, mit der die Beurteilung eines Soldaten oder die Stellungnahme zu einer Beurteilung im Wege der Dienstaufsicht aufgehoben wird, beginnt die Beschwerdefrist mit der förmlichen Unterrichtung des beurteilten Soldaten über diese Aufhebungsverfügung.
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Rechtsquellen
WBO § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 ZDv 20/6 Nr. 901 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 28.04.2009 - 1 WB 4.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:280409B1WB4.09.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 4.09
In den Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Kapitän zur See Koch und
den ehrenamtlichen Richter Fregattenkapitän Windmeier
am 28. April 2009 beschlossen:
- Die Verfahren BVerwG 1 WB 4.09 und BVerwG 1 WB 5.09 werden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
- Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen eine Verfügung des Personalamtes der Bundeswehr, mit der die Stellungnahme des Amtschefs des ...amtes der Bundeswehr vom 19. März 2008 zu seiner planmäßigen Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2007 insgesamt aufgehoben worden ist; er wünscht stattdessen lediglich die Berichtigung der Angaben zu persönlichen Kontakten im Abschnitt 8.1 und der Bewertung im Abschnitt 8.5 der Beurteilung (BVerwG 1 WB 4.09 ). Ferner strebt der Antragsteller die gerichtliche Feststellung an, dass die vom Amtschef im Abschnitt 8.4 dieser Stellungnahme getroffenen Aussagen im Widerspruch zu der von ihm vorgenommenen Bewertung „Individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ im Abschnitt 8.5 stehen (BVerwG 1 WB 5.09 ).
2 Der 1957 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 2019 enden wird. Er wurde mit Wirkung zum 1. Juli 1996 zum Flottillenarzt ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seit dem 1. Oktober 2002 wird er als Dezernatsleiter in der Abteilung ... (Einsatzmedizin, Stressbewältigung) im ...amt der Bundeswehr in M. verwendet.
3 Am 10. September 2007 erstellte der Abteilungsleiter ... für den Antragsteller eine planmäßige Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2007. Diese Beurteilung hob der Stellvertretende Amtschef und Chef des Stabes des ...amtes durch Verfügung vom 5. November 2007 mit der Begründung auf, in der Beurteilung sei ein unzutreffender Wertungsmaßstab angelegt worden. Er ordnete an, dass die Neufassung der Beurteilung durch ihn selbst erstellt werde. In einem Aktenvermerk vom 15. November 2007 hielt er fest, dass im Verhältnis zwischen dem Abteilungsleiter ... und dem Antragsteller Befangenheit nicht auszuschließen sei.
4 Am 7. Januar 2008 fertigte der Chef des Stabes des ...amtes unter Hinweis auf Nr. 305 Buchst. a ZDv 20/6 die Neufassung der Beurteilung vom 10. September 2007 an, die dem Antragsteller am 8. Januar 2008 eröffnet wurde. Im Abschnitt 5 (Verwendung) schlug er für den Antragsteller als Folgeverwendung „Dezernatsleiter ...amt der Bundeswehr/...führungskommando“ und als Verwendung auf weitere Sicht „Gruppenleiter ...amt der Bundeswehr“ vor.
5
Zu der Neufassung der Beurteilung nahm der Amtschef des ...amtes (als nächsthöherer Vorgesetzter) am 19. März 2008 Stellung. Im Abschnitt 8.1 (Hauptsächliche Beurteilungsgrundlagen) gab er in der Zeile a (Persönliche Kontakte) „gelegentlich“ an. Im Abschnitt 8.2 (zu den Abschnitten 3. bis 5. sowie gegebenenfalls 7. und beigefügten Beurteilungsbeiträgen) führte der Amtschef aus:
„Der Beurteilung schließe ich mich inhaltlich voll an. FltlArzt B. ist ein leistungsstarker SanStOffz, dessen Zuverlässigkeit beeindruckt. Sein hohes Maß an Eigenständigkeit und sein vorbildliches Auftreten, gepaart mit seinem anerkannten fachlichen Können zeichnen ihn aus. Den vorerst vorrangigen Standortwunsch des Soldaten unterstütze ich vorbehaltlos und erachte einen Verbleib im ...ABw als Gewinn für das Amt.“
6 Im Abschnitt 8.3 bestätigte der Amtschef den im Beurteilungsabschnitt 3.2 angegebenen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 5,10.
7
Im Abschnitt 8.4 (Aussagen zum Potenzial, Begründung der Entwicklungsprognose) legte der Amtschef Folgendes dar:
„Das Entwicklungspotenzial dieses soldatisch gefestigten Offiziers ist sicherlich noch nicht voll ausgereizt. Auch wenn im derzeitigen Eignungs- und Leistungsvergleich innerhalb der Vergleichsgruppe im ...amt der Bundeswehr die individuelle Laufbahnperspektive als erreicht bewertet werden muss, kann ich mir langfristig auch einen Einsatz als Gruppenleiter im ...ABw vorstellen. Im Hinblick auf das erweiterte Aufgabengebiet im internationalen Umfeld sollte er dazu auch sein Sprachleistungsprofil zertifizieren.“
8 Im Abschnitt 8.5 (Entwicklungsprognose) kreuzte der Amtschef das Feld „Individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ an.
9 Gegen diese ihm am 25. März 2008 eröffnete Stellungnahme legte der Antragsteller mit Schreiben vom 4. April 2008 Beschwerde ein. Er machte einen Widerspruch zwischen den im Abschnitt 8.4 getroffenen Aussagen und der Wertung „Individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ im Abschnitt 8.5 geltend; die Entwicklungsprognose müsse widerspruchsfrei begründet werden. Außerdem erklärte der Antragsteller, entgegen der Angabe in Nr. 8.1 habe es im Beurteilungszeitraum keine gelegentlichen persönlichen Kontakte mit dem Amtschef gegeben.
10 Das ...amt der Bundeswehr legte die Beschwerde dem Bundesministerium der Verteidigung/Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr zur Prüfung und Entscheidung vor. Das Referat Fü San/RB bestätigte dem Antragsteller mit Schreiben vom 29. April 2008 den Eingang der Beschwerde.
11 Am 7. Mai 2008 verfügte das Personalamt der Bundeswehr im Wege der Dienstaufsicht die Aufhebung der Stellungnahme des Amtschefs vom 19. März 2008 wegen Nichtbeachtung der Beurteilungsbestimmungen in Nr. 102 Buchst. c, Nr. 906 Buchst. b und Nr. 910 i.V.m. Nr. 401 ZDv 20/6. In der Begründung der Aufhebungsverfügung ist u.a. ausgeführt, in der Stellungnahme bestehe ein Widerspruch zwischen den Aussagen zum Potenzial und zur Begründung der Entwicklungsprognose im Abschnitt 8.4 und der Vergabe der Entwicklungsprognose im Abschnitt 8.5. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Dienstposten eines Gruppenleiters im ...amt nach Besoldungsgruppe A 16 dotiert sei. Eine Neufassung der Stellungnahme wurde angeordnet.
12 Mit Schreiben vom 19. Mai 2008 teilte das Bundesministerium der Verteidigung (Fü San/RB) dem Antragsteller den Inhalt der Aufhebungsverfügung mit und übersandte ihm eine Kopie der Verfügung mit der Bitte um Erklärung, ob die Beschwerde aufrechterhalten werde.
13 Unter dem 18. Juni 2008 bestätigte der Antragsteller, er habe am 13. Juni 2008 Kenntnis von dem Schreiben vom 19. Mai 2008 erhalten, halte seine Beschwerde vom 4. April 2008 jedoch aufrecht. Bis heute sei er über die Aufhebungsverfügung und die dazu führenden Gründe noch nicht durch seine Vorgesetzten unterrichtet worden; ihm sei weder ein Aufhebungsvermerk noch eine Neufassung der Stellungnahme eröffnet worden. Am 27. August 2008 legte der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde ein. Am 3. September 2008 gab das Bundesministerium der Verteidigung (Fü San/RB) das Verfahren an das Referat PSZ I 7 unter Hinweis auf dessen Zuständigkeit ab.
14 Der Amtschef des ...amtes hatte inzwischen den Antragsteller unter dem 9. Juli 2008 über die Aufhebungsverfügung des Personalamtes unterrichtet. In dem der Unterrichtung beigefügten Empfangsbekenntnis bestätigte der Antragsteller, dass er das Original der Aufhebungsverfügung am 11. Juli 2008 erhalten habe.
15 Mit Schreiben vom 23. Juli 2008 an das Personalamt der Bundeswehr, zugleich nachrichtlich an das Bundesministerium der Verteidigung (Referat Fü San/RB) legte der Antragsteller gegen die Aufhebungsverfügung Beschwerde ein und rügte deren Verstoß gegen die Bestimmungen der ZDv 20/6. Die Beschwerde ging am 25. Juli 2008 per Post beim Personalamt und ausweislich des vorgelegten Sendeberichts am selben Tag per Telefax beim Bundesministerium der Verteidigung (Fü San/RB) ein. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat mit Schreiben vom 8. April 2009 ergänzend mitgeteilt, die Beschwerde sei am 24. Juli 2008 per Post beim Bundesministerium der Verteidigung (Fü San) eingegangen; das Personalamt habe die Beschwerde am 25. Juli 2008 erhalten. Nach Weiterleitung durch das Personalamt ging die Beschwerde am 19. August 2008 beim Bundesminister der Verteidigung- PSZ I 7 - ein.
16 Mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 beantragte der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts; dabei bezog er sich auch auf seine Untätigkeitsbeschwerde vom 27. August 2008. Diesen Antrag hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seinen Stellungnahmen vom 26. Januar 2009 dem Senat vorgelegt.
17
Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Die vollständige Aufhebung der Stellungnahme des Amtschefs vom 19. März 2008 durch die angefochtene Aufhebungsverfügung sei rechtswidrig. In seinem Fall sei eine Fehlerberichtigung ausreichend gewesen. Insoweit folge aus Nr. 901 Satz 2 ZDv 20/6, dass die personalbearbeitende Stelle eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen habe, ob eine Aufhebung erforderlich sei oder ob sich ein Mangel durch Berichtigung oder Ergänzung und erneute Eröffnung beheben lasse. Zwar habe das Personalamt den ins Auge springenden Widerspruch zwischen den Aussagen in Abschnitt 8.4 und Abschnitt 8.5 erkannt, dabei jedoch übersehen, dass ein Subsumtionsirrtum des nächsthöheren Vorgesetzten vorliege. Dieser Subsumtionsirrtum könne durch Berichtigung bereinigt werden, indem im Abschnitt 8.5 das Feld „Förderung bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive“ angekreuzt werde. Jene Wertung habe der nächsthöhere Vorgesetzte sowohl in Abschnitt 8.2 als auch in Abschnitt 8.4 bereits in seinen schriftlich festgehaltenen Wertungen getroffen. Überdies habe er, der Antragsteller, selbst rechtzeitig gegen die Aufhebungsverfügung Beschwerde eingelegt. Zwar habe er bereits durch das Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung (vom 19. Mai 2008) von der Aufhebungsverfügung Kenntnis erlangt. Dieser Bescheid sei ihm jedoch nicht formell zugestellt worden. Das Bundesministerium der Verteidigung sei für die Bekanntgabe eines Bescheides des Personalamtes nicht die zuständige Behörde. Seine Beschwerde vom 23. Juli 2008 sei fristgerecht. Mindestens sei schon seinem Schreiben vom 18. Juni 2008 eine Beschwerde gegen die Aufhebungsverfügung zu entnehmen.
18
Der Antragsteller beantragt
im Verfahren BVerwG 1 WB 4.09 ,
1. die Aufhebungsverfügung des Personalamtes der Bundeswehr vom 7. Mai 2008 aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zur Anweisung an das Personalamt der Bundeswehr zu verpflichten, dass in der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 19. März 2008 im Abschnitt 8.1 Buchst. a „keine“ angekreuzt und Abschnitt 8.5 in „Förderung bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive“ berichtigt wird,
2. hilfsweise,
die Aufhebungsverfügung des Personalamtes der Bundeswehr vom 7. Mai 2008 aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, das Personalamt der Bundeswehr zum Erlass eines neuen Bescheides zu veranlassen,
im Verfahren BVerwG 1 WB 5.09 ,
festzustellen, dass in der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 19. März 2008 ein Widerspruch zwischen Abschnitt 8.4 (Aussagen zum Potenzial, Begründung der Entwicklungsprognose) und Abschnitt 8.5 (Entwicklungsprognose) besteht, wo die Entwicklungsprognose „Individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ angekreuzt ist.
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Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
20 Er hält die Anträge im Verfahren BVerwG 1 WB 4.09 für offensichtlich unbegründet, weil der Antragsteller die Aufhebungsverfügung des Personalamtes nicht rechtzeitig angefochten habe. Kenntnis vom Beschwerdeanlass habe der Antragsteller durch das Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung (Fü SanRB) vom 19. Mai 2008 erhalten. Diesem Schreiben sei die Aufhebungsverfügung in Kopie beigefügt gewesen; deren Erhalt habe der Antragsteller am 18. Juni 2008 bestätigt. Deshalb hätte der Antragsteller seine Beschwerde bis spätestens 2. Juli 2008, 24.00 Uhr, beim Chef des Stabes des ...amtes als zuständigem Disziplinarvorgesetzten bzw. beim Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - als zuständiger Stelle für die Beschwerdeentscheidung einlegen müssen. Er habe jedoch erst am 23. Juli 2008 seinen Rechtsbehelf verfasst und unmittelbar an das Personalamt übersandt. Von dort aus sei die Beschwerde erst am 19. August 2008 beim Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - eingegangen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei nicht relevant, zu welchem Zeitpunkt er von seinem beurteilenden Vorgesetzten über die Aufhebung unterrichtet worden sei. Eine Aushändigung der Aufhebungsverfügung an den beurteilten Soldaten sei nach der ZDv 20/6 nicht vorgesehen. Der Antrag im Verfahren BVerwG 1 WB 5.09 sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
21 Die Neufassung der aufgehobenen Stellungnahme hat der Amtschef des ...amtes nach vorheriger Anhörung des Antragstellers (Schreiben vom 28. Juli 2008 und vom 1. August 2008) am 17. September 2008 abgeschlossen. Das Verfahren der dagegen gerichteten Beschwerde des Antragstellers vom 2. Oktober 2008 hat das Bundesministerium der Verteidigung (Fü San/RB) mit Verfügung vom 4. November 2008 bis zur Entscheidung im vorliegenden gerichtlichen Antragsverfahren ausgesetzt.
22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - .../08 und .../08 sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
23 Die Anträge werden wegen des sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden (§ 93 Satz 1 VwGO i.V.m. § 23a Abs. 2 WBO in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 2009, BGBl I S. 81).
24 Die Anträge haben keinen Erfolg.
25 Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Anträge sachlich zuständig.
26 Im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 4.09 ist auf die Beschwerde des Antragstellers vom 23. Juli 2008 gegen die Aufhebungsverfügung des Personalamtes der Bundeswehr vom 7. Mai 2008 seitens des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - als zuständiger Stelle nicht innerhalb eines Monats (vgl. § 16 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 WBO) ein Beschwerdebescheid ergangen. Bei unterbliebener Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung ist gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 WBO unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig (Beschluss vom 4. März 2004 - BVerwG 1 WB 32.03 - insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 120, 188 und in Buchholz 403.11 § 20 BDSG Nr. 1).
27 Entsprechendes gilt für den Antrag im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 5.09 . Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers vom 27. August 2008 gegen die Nichtbescheidung seiner Beschwerde vom 4. April 2008 durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - als zuständige Stelle (§ 16 Abs. 3 WBO) keinen Beschwerdebescheid erlassen, obwohl das Verfahren am 3. September 2008 vom Referat Fü San/RB an ihn abgegeben worden war.
28 1. Der Antrag zu 1. ist zulässig.
29 Das Ergebnis oder die Durchführung einer dienstaufsichtlichen Prüfung ist zwar grundsätzlich einer wehrdienstgerichtlichen Kontrolle entzogen, weil die Dienstaufsicht dem zuständigen Vorgesetzten nicht gegenüber dem Untergebenen obliegt; sie dient damit nicht der Wahrung der Rechte eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (stRspr, Beschlüsse vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 = NZWehrr 2007, 252, vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 4.07 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 69> und vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 78.08 - m.w.N.). Die Aufhebung einer Beurteilung oder Stellungnahme im Wege der Dienstaufsicht durch die personalbearbeitende Stelle ist aber ausnahmsweise als dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO zu qualifizieren und kann wehrdienstgerichtlich angefochten werden, wenn sie gegen den Willen des beurteilten Soldaten erfolgt (stRspr, Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 29.96 - BVerwGE 113, 1 = Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 1, vom 17. Februar 2000 - BVerwG 1 WB 10.00 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 9 und vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08 - m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
30 Die Aufhebungsverfügung des Personalamtes stellt gegenüber dem Antragsteller im Übrigen keine Abhilfemaßnahme im Verfahren seiner Beschwerde vom 4. April 2008 dar, weil sie mit ihrem Regelungsgehalt der (Gesamt-)Aufhebung der Stellungnahme maßgeblich über das - nur auf Berichtigung beschränkte - Beschwerdeanliegen hinausgeht. Sie ist daher eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Personalamtes.
31 Der Antrag zu 1. ist jedoch unbegründet.
32 Die Aufhebungsverfügung vom 7. Mai 2008 ist bestandskräftig geworden, weil der Antragsteller sie nicht rechtzeitig mit der Beschwerde angefochten hat. Deshalb ist die vom Antragsteller angestrebte Berichtigung der Stellungnahme vom 19. März 2008 rechtlich unmöglich (geworden).
33 Für die Anfechtung der Aufhebungsverfügung hatte der Antragsteller hier noch die Zwei-Wochen-Frist des § 6 Abs. 1 WBO in der bis zum 31. Januar 2009 gültigen Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 11. September 1972 (BGBl I S. 1737, 1906), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. August 2005 (BGBl I S. 2354), einzuhalten. Maßgeblich für den Beginn der Beschwerdefrist ist, wann der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, Beschlüsse vom 30. November 2006 - BVerwG 1 WB 18.06 - Buchholz 450.1 § 6 WBO Nr. 4 = NZWehrr 2007, 127 und vom 13. August 2008 - BVerwG 1 WB 45.07 -). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die „Bekanntgabe des ablehnenden Bescheides“ (in der alten Fassung der Norm) bzw. an die „Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheides“ (in der Fassung der Bekanntmachung der WBO vom 22. Januar 2009 <BGBl I S. 81>) anknüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist (nur) die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus (vgl. Beschlüsse vom 13. August 2008 - BVerwG 1 WB 45.07 - und vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 -).
34 Etwas anderes gilt nur dann, wenn für eine truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine spezielle gesetzliche Regelung oder durch eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen (Beschluss vom 4. September 1996 - BVerwG 1 WB 14.96 - Buchholz 311 § 6 WBO Nr. 2 = NZWehrr 1997, 78; Dau, WBO, 5. Auflage 2009, § 6, Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 13. August 2008 - BVerwG 1 WB 45.07 -). Eine derartige besondere Art der Bekanntgabe bestimmt die ZDv 20/6 i.d.F. vom 17. Januar 2007 für die Mitteilung einer Aufhebungsverfügung nach Nr. 901 ZDv an den Beurteilten. Dieser ist nach Nr. 903 Buchst. c ZDv 20/6 über die Aufhebung und die hierfür maßgeblichen Gründe zu „unterrichten“.
35 Für die Unterrichtung über die Aufhebung sieht die ZDv 20/6 auch eine bestimmte Form vor.
36 Sie hat zwar nicht - wie Berichtigungen oder Ergänzungen der Beurteilung im Sinne der Nr. 901, 903 Buchst. a ZDv 20/6 - in Gestalt einer förmlichen Eröffnung mit Empfangsbestätigung durch den Beurteilten nach Maßgabe der Nr. 803 Buchst. a und b ZDv 20/6 zu erfolgen. Da insoweit spezielle Regelungen in Kapitel 9 der ZDv 20/6 und in den dazu ergangenen Bestimmungen in den Anlagen 19/1, 19/2 und 20 fehlen, muss die Unterrichtung auch nicht notwendig mündlich vollzogen werden; die ZDv 20/6 schließt eine schriftliche Unterrichtung des Beurteilten nicht aus.
37 Aus dem Text der Formulare, die das Bundesministerium der Verteidigung als Erlassgeber auf Grund der Nr. 903 Buchst. b und der Nr. 1201 Buchst. b ZDv 20/6 in den Anlagen 19/1 und 19/2 (Vordrucke I) und in Anlage 20 (Vordruck J) ermessensbindend vorgegeben hat, folgt aber eindeutig, dass die Unterrichtung entweder durch den beurteilenden Vorgesetzten oder durch den Stellung nehmenden Vorgesetzten erfolgen muss, dessen Beurteilung bzw. Stellungnahme aufgehoben worden ist. Dieser Vorgesetzte soll in den genannten Formularen Inhalt und Zeitpunkt der Unterrichtung des Beurteilten dokumentieren. Damit soll nach dem Willen des Erlassgebers ersichtlich der Zeitpunkt dieser besonderen Form der Bekanntgabe fixiert werden, um den Beginn der Beschwerdefrist aktenkundig zu erfassen. Nur so ist überdies die Vorgabe in den Formularen verständlich und sinnvoll, im Anschluss an die Anordnung der Unterrichtung (Vordrucke I) bzw. an den Vermerk der vollzogenen Unterrichtung (Vordruck J) die Anweisungen zur Vernichtung der Beurteilungsausfertigungen unmittelbar mit dem Ablauf der Beschwerdefrist zu verknüpfen. Der Senat geht - auch unter Berücksichtigung seiner Erkenntnisse aus anderen Aufhebungsverfahren nach Nr. 901 ZDv 20/6 - davon aus, dass die in den Vordrucken I und J (in den Anlagen 19/1, 19/2 und 20 zur ZDv 20/6) festgelegte Handhabung der Unterrichtung des Beurteilten tatsächlich der ständigen Verwaltungspraxis im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung entspricht. Gegenteiliges haben weder der Antragsteller noch der Bundesminister der Verteidigung vorgetragen.
38 Demnach hat der Antragsteller eine formgerechte Unterrichtung über die Aufhebung der Stellungnahme und die hierfür maßgeblichen Gründe noch nicht durch das Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung (Fü San/RB) vom 19. Mai 2008 mit der beigefügten Kopie der Aufhebungsverfügung erhalten.
39 Maßgeblich für den Beginn der Beschwerdefrist ist vielmehr die vom Amtschef des ...amtes am 9. Juli 2008 veranlasste Unterrichtung des Antragstellers, weil erst mit dieser Form der Bekanntgabe die in der Aufhebungsverfügung des Personalamtes auf Vordruck I (Anlage 19/1) angeordnete Unterrichtung durch den Stellung nehmenden Vorgesetzten umgesetzt worden ist. Auf dem Empfangsbekenntnis zu dieser Unterrichtung vom 9. Juli 2008 hat der Antragsteller den Erhalt der Aufhebungsverfügung am 11. Juli 2008 bestätigt. Damit endete die Beschwerdefrist nach der im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 25. Juli 2008.
40 Die an das Personalamt gerichtete Beschwerde des Antragstellers vom 23. Juli 2008 ist innerhalb dieser Frist dort eingegangen. Das Personalamt erfüllte jedoch nicht die Voraussetzungen einer empfangsberechtigten Stelle nach § 5 Abs. 1 WBO. In Anwendung dieser Vorschrift hätte die Beschwerde entweder beim nächsten Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers im ...amt oder beim Bundesminister der Verteidigung als der für die Entscheidung über die Beschwerde zuständigen Stelle (§ 9 Abs. 1 WBO) eingelegt werden müssen. Auf die Ausnahmebestimmung in § 23 Abs. 2 Satz 1 WBO kann sich der Antragsteller nicht berufen. Die hiernach mögliche Einlegung der Beschwerde auch bei der Stelle, deren Entscheidung angefochten wird, beschränkt sich auf Beschwerden in Verwaltungsangelegenheiten, für die der Rechtsweg zu den (allgemeinen) Verwaltungsgerichten gegeben ist. § 23 Abs. 2 Satz 1 WBO erfasst hingegen nicht Beschwerden in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, Beschluss vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 66.06 - m.w.N.). Um eine solche Beschwerde handelt es sich hier.
41 Mit der - zusätzlichen - nachrichtlichen Übermittlung der Beschwerde an das Bundesministerium der Verteidigung (Fü San/RB) am 24. und 25. Juli 2008 hat der Antragsteller die Beschwerdefrist nicht gewahrt. Eine lediglich nachrichtliche Übersendung dieses Rechtsbehelfs stellt kein „Einlegen“ der Beschwerde im Sinne des § 5 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 WBO dar.
42 Der Begriff des „Einlegens“ der Beschwerde ist - nach dem Wortlaut und der Systematik des § 5 Abs. 1, Abs. 2 im Verhältnis zu § 5 Abs. 3 WBO - dahin auszulegen, dass er die förmliche Mitteilung des Beschwerdegegenstandes durch den Beschwerdeführer an eine in der Wehrbeschwerdeordnung bestimmte empfangsberechtigte Stelle (den Beschwerdeadressaten) mit dem Willen darstellt, durch die für die Entscheidung zuständige Stelle klaglos gestellt zu werden (im Ergebnis ebenso: Dau, a.a.O. § 6 Rn. 27). Beschwerdeadressaten in truppendienstlichen Angelegenheiten sind die in § 5 Abs. 1, Abs. 2 und § 11 Buchst. b WBO genannten Vorgesetzten und Stellen der Bundeswehr. Gegenüber diesen für die Beschwerde empfangsberechtigten Beschwerdeadressaten muss der Beschwerdeführer seinen Willen, klaglos gestellt zu werden, vorbehaltlos äußern. Das bedeutet einerseits nach der Systematik des § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 im Verhältnis zu § 5 Abs. 3 WBO und andererseits nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO, dass der Beschwerdeführer von diesen Beschwerdeadressaten entweder (in deren originärer Kompetenz) eine eigene Entscheidung über die Beschwerde oder (bei fehlender Zuständigkeit) die unverzügliche Weiterleitung der Beschwerde an die für die Entscheidung zuständige Stelle verlangt. Das heißt in jedem Falle, dass der Beschwerdeführer ein Handeln des Beschwerdeadressaten fordern muss. Schließt der Beschwerdeführer diese Erwartung bzw. diese Zielsetzung seiner Beschwerde gegenüber einem angeschriebenen Beschwerdeadressaten dagegen durch die gewählte Ansprache aus, ist die Beschwerde nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 WBO „eingelegt“. Das ist hier der Fall.
43 Die lediglich nachrichtliche Übermittlung einer Beschwerde erschöpft sich nur in einer Nachricht, also in der Information an den Adressaten, der Beschwerdeführer habe bei einer anderen Stelle seine Beschwerde eingelegt und erwarte von dieser Stelle entweder eine eigene Entscheidung oder die Weiterleitung des Rechtsbehelfs an die für die Entscheidung zuständige Stelle. Die nachrichtlich informierte Stelle soll damit nach dem Willen des Beschwerdeführers gerade nicht handeln oder etwas veranlassen.
44 Demzufolge kann die nachrichtliche Übersendung der Beschwerde vom 23. Juli 2008 an das Bundesministerium der Verteidigung (Fü San/RB) - in Abgrenzung zu der Übersendung an das Personalamt ohne diesen Zusatz, aber im selben Schreiben - bei der erforderlichen objektiven Betrachtung nur so interpretiert werden, dass der Antragsteller den Rechtsberater im Führungsstab des Sanitätsdienstes, mit dem er schon zuvor korrespondiert hatte, über diese neue Beschwerde informieren wollte. Eine Entscheidung gerade dieser Stelle über die Beschwerde gegen die Aufhebungsverfügung konnte der Antragsteller im Übrigen nicht erwarten, weil der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr nicht für die Entscheidung in Beschwerdeverfahren gegen das Personalamt zuständig ist. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob eine „nachrichtlich“ an die für die Entscheidung zuständige Stelle übersandte Beschwerdeschrift als im Sinne des § 5 Abs. 1 WBO „eingelegt“ anzusehen wäre.
45 Vom Antragsteller ist nicht geltend gemacht und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass er an der Einhaltung der Frist im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO durch militärischen Dienst, Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert war. Es liegt auch kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor. Die Aufhebungsverfügung des Personalamtes bedurfte als truppendienstliche Erstmaßnahme dieser Dienststelle keiner Rechtsbehelfsbelehrung (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. November 2004 - BVerwG 1 WB 36.04 - und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 8.08 - Buchholz 450.1 § 5 WBO Nr. 1 jeweils m.w.N.).
46 Nach der Rechtsprechung des Senats besteht keine Pflicht für eine unzuständige Stelle (hier für das Personalamt), einen bei ihr eingegangenen Rechtsbehelf - auch bei Einlegung per Telefax - noch zur Sicherung der Fristwahrung bevorzugt und außerhalb des regulären Geschäftsganges an die zuständige Stelle weiterzuleiten (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 26 m.w.N.).
47 Die Aufhebungsverfügung des Personalamtes ist demnach bestandskräftig geworden.
48 Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass der Antrag auch bei fristwahrender Einlegung der Beschwerde unbegründet wäre.
49 Die Aufhebungsverfügung des Personalamtes vom 7. Mai 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
50 Nach Nr. 901 ZDv 20/6 prüfen die nächsthöheren Vorgesetzten und die zuständige personalbearbeitende Stelle die Beurteilung und deren ordnungsgemäßes Zustandekommen. Werden Verfahrensverstöße oder inhaltliche Fehler festgestellt, entscheidet im Rahmen der Dienstaufsichtspflicht jeder Vorgesetzte, solange er mit der Beurteilung befasst ist, anschließend die personalbearbeitende Stelle, ob die Beurteilung oder eine Stellungnahme aufgehoben, berichtigt oder ergänzt werden muss oder ob davon abgesehen werden kann. Nr. 901 Satz 2 ZDv 20/6 erfordert damit eine zweigliedrige Prüfung des jeweiligen Vorgesetzten bzw. der personalbearbeitenden Stelle, nämlich einerseits die Feststellung eines Verfahrensverstoßes oder eines inhaltlichen Fehlers und andererseits eine - als Ermessensentscheidung ausgestaltete - Prüfung, ob die Beurteilung oder die Stellungnahme deshalb aufgehoben oder berichtigt bzw. ergänzt werden muss oder ob davon abgesehen werden kann (Beschluss vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 8.04 - NZWehrr 2005, 118).
51 Zutreffend hat das Personalamt hier einen inhaltlichen Fehler der Stellungnahme des Amtschefs festgestellt, weil zwischen dessen Äußerung in Abschnitt 8.4 und der Bewertung in Abschnitt 8.5 ein Widerspruch im Sinne der Nr. 401 ZDv 20/6 vorliegt.
52 Nach Nr. 906 Buchst. b und Nr. 910 Buchst. a ZDv 20/6 erstreckt sich die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten auch darauf, auf der Grundlage der Aussagen und Wertungen in der Beurteilung abschließend das Potenzial des Beurteilten zu beschreiben und zusätzlich eine prognostische Einschätzung der künftigen Entwicklung abzugeben. Das besondere Kennzeichen dieser beiden Aussagen ist ihr Charakter als nicht vergangenheitsbezogene Betrachtung (anders als die Wertungen zur Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten: Nr. 102 Buchst. b ZDv 20/6); sie stellen vielmehr in die Zukunft orientierte Einschätzungen dar. Aus diesem Aspekt zieht Nr. 102 Buchst. c ZDv 20/6 die ermessensbindende Schlussfolgerung, dass die prognostischen Teile der Beurteilung oder der Stellungnahme nicht allein aus den Aussagen und Wertungen zur Aufgabenerfüllung abgeleitet werden und deshalb inhaltlich von diesen abweichen können. Nicht zuletzt deshalb ordnet das Bundesministerium der Verteidigung in Anlage 1/6 zur ZDv 20/6 (Vordruck A) an, dass insbesondere die Entwicklungsprognose besonders begründet werden muss.
53 Der Amtschef hat das individuelle Entwicklungspotenzial des Antragstellers in Nr. 8.4 der Beurteilung als „noch nicht voll ausgereizt“ bezeichnet und damit eine Steigerung dieses Potenzials für möglich gehalten. Zwar muss die davon getrennt zu formulierende Entwicklungsprognose nicht zwingend mit der Einschätzung des Entwicklungspotenzials korrespondieren. Das folgt bereits aus der Vorgabe bestimmter abstrakter Stufenregelungen nur für die Entwicklungsprognose in Nr. 910 Buchst. b ZDv 20/6 i.V.m. Anlage 7. Das Potenzial kann demgegenüber in freiem Text bewertet werden. Zwischen der in Nr. 8.4 der Beurteilung verlangten (nach Nr. 401 ZDv 20/6 sorgfältigen!) Begründung der Entwicklungsprognose und ihrer - lediglich durch Ankreuzen einer Stufe erfolgenden - Benennung in Nr. 8.5 muss allerdings eine widerspruchsfreie und schlüssige Verbindung bestehen. Das ist hier nicht der Fall.
54 Bei der Entwicklungsprognose hat der Amtschef dem Antragsteller im „derzeitigen“ Eignungs- und Leistungsvergleich das Erreichen der individuellen Laufbahnperspektive bestätigt, ausdrücklich aber hinzugefügt, dass langfristig sein Einsatz als Gruppenleiter im ...amt der Bundeswehr, also auf einem Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 vorstellbar sei. Mit diesen Aussagen korrespondiert nicht die Vergabe der Entwicklungsprognose „Individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ im Abschnitt 8.5. Denn diese Stufe ist in Anlage 7 zur ZDv 20/6 wie folgt definiert: „Der oder die Beurteilte hat eine Ebene, auch oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive erreicht und verfügt aus Sicht des oder der Stellung nehmenden Vorgesetzten über keine darüber hinausgehende Förderperspektive“. Mit der Vergabe dieser Stufe der Entwicklungsprognose schließt der Stellung nehmende Vorgesetzte eine weitere Förderperspektive für den Beurteilten vollständig aus. Da der Amtschef in Abschnitt 8.4 der Beurteilung lediglich auf die „derzeitige“ Position des Antragstellers im Eignungs- und Leistungsvergleich in der Vergleichsgruppe verwiesen und nicht erläutert hat, warum er trotz einer vorstellbaren Verwendungsperspektive für den Antragsteller als Gruppenleiter auch prognostisch auf längere Sicht nur die Erreichung der individuellen Laufbahnperspektive bescheinigt, liegt ein inhaltlicher Widerspruch zwischen beiden Äußerungen vor. Dieser verschärft sich dadurch, dass der Amtschef in Nr. 8.2 der Beurteilung das Votum des Erstbeurteilers zu einer Verwendung des Antragstellers als Gruppenleiter uneingeschränkt bestätigt hat.
55 Die Entscheidung des Personalamtes, trotz dieses Mangels keine Berichtigung der Nr. 8.5 der Beurteilung zu veranlassen, sondern die Stellungnahme insgesamt aufzuheben, weist keine Ermessensfehler auf.
56 Eine Berichtigung im Sinne der Nr. 901 ZDv 20/6 kommt - wie Nr. 801 ZDv 20/6 dokumentiert - in erster Linie bei Schreibfehlern oder formellen Unrichtigkeiten in der Beurteilung oder Stellungnahme in Betracht. Die Beschreibung des Potenzials des Beurteilten und die Aussage zu seiner Entwicklungsprognose nach Nr. 910 Buchst. a ZDv 20/6 entziehen sich hingegen einer lediglich formellen Kategorie. Diese beiden Einschätzungen stellen prognostische Wertungen im Zentrum des Beurteilungsspielraumes des Vorgesetzten dar, die auf einer umfassenden Abwägung des gesamten individuellen Eignungs- und Entwicklungsbildes des Soldaten beruhen. Wenn sich zwei derartige Prognoseaussagen inhaltlich widersprechen, liegt kein sachlicher, durch formelle Berichtigung zu korrigierender Fehler, sondern ein grundlegender Wertungswiderspruch vor. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Einschätzung des Potenzials ebenso wie die Entwicklungsprognose nicht durch ein schlichtes „Subsumieren“ unter die Aussagen in den Abschnitten 3. bis 5. gekennzeichnet bzw. darauf reduziert. Vielmehr kann und soll sich diese Bewertung des Vorgesetzten - als eine nicht vergangenheitsbezogene Einschätzung der Anlagen und des Potenzials des Antragstellers - im Einzelfall auch von der Leistungsbewertung lösen dürfen. Genau das hat das Bundesministerium der Verteidigung in Nr. 102 Buchst. c ZDv 20/6 ermessensbindend festgelegt und damit den Vorgesetzten eine weiterreichende Beurteilungsfreiheit eingeräumt als im Rahmen des früheren Kriteriums der Förderungswürdigkeit. Bei den Prognosen wird dem nächsthöheren Vorgesetzten damit auch die Möglichkeit eröffnet, einem Soldaten, der auf einem bestimmten Dienstposten nicht reüssiert und deshalb weniger günstige Wertungen zur Aufgabenerfüllung erzielt hat, trotzdem in einer Gesamtbetrachtung seines Potenzials eine positivere Wertung in Nr. 8.4 und Nr. 8.5 der Beurteilung zuzubilligen.
57 Vor diesem Hintergrund ist es keine fehlerhafte Ausübung des Ermessens, die Auflösung eines festgestellten Wertungswiderspruches in Nr. 8.4 und 8.5 einer Beurteilung mit Rücksicht auf die in Nr. 102 Buchst. c ZDv 20/6 festgelegte individuelle Einschätzungsprärogative des nächsthöheren Vorgesetzten vorrangig durch die Aufhebung der Stellungnahme zu gewährleisten. Bei einem Wertungswiderspruch der hier vorliegenden Art würde diese höchstpersönliche Einschätzungsprärogative weitgehend beschränkt, wenn die nach Nr. 901 ZDv 20/6 dienstaufsichtlich prüfende Stelle durch ihre eigene Anordnung einer bestimmten Korrektur anstelle des Stellung nehmenden Vorgesetzten dessen Wertungsschwerpunkte selbst (er-)setzen könnte. Die Aufhebung muss grundsätzlich die gesamte Stellungnahme erfassen, weil nach Nr. 903 Buchst. b ZDv 20/6 eine Teilaufhebung der Beurteilung oder der Stellungnahme unzulässig ist. Dass diese Bestimmung gegen höherrangiges Recht verstieße, ist für den Senat nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht.
58 Eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung des Personalamtes war im vorliegenden Fall entbehrlich, weil sie sich unmittelbar aus den Bestimmungen in Nr. 102 Buchst. c und Nr. 910 Buchst. a ZDv 20/6 ergibt. Diese Vorschriften hat das Personalamt in seiner Aufhebungsverfügung vom 7. Mai 2008 genannt.
59 Die Aufhebungsverfügung verstößt auch nicht gegen Nr. 1201 Buchst. d ZDv 20/6. Das Personalamt war während des laufenden Beschwerdeverfahrens nicht gehindert, eine Aufhebungsverfügung nach Nr. 901 ZDv 20/6 zu erlassen.
60 Nach der genannten Vorschrift tritt im Beschwerdeverfahren (gegen eine Beurteilung oder eine Stellungnahme) ein stattgebender Beschwerdebescheid (oder eine Gerichtsentscheidung) an die Stelle der Aufhebungsverfügung. Sinn dieser Regelung ist ersichtlich, wie auch ihre Stellung im Kapitel 12 der ZDv 20/6 und ihr Fehlen in Kapiteln 9 und 11 belegen, dass der Disziplinarvorgesetzte, der nach Nr. 1103 Buchst. b ZDv 20/6 über die Beschwerde gegen eine Beurteilung oder Stellungnahme zu entscheiden hat, nicht genötigt wird, neben seinem eventuell stattgebenden Beschwerdebescheid zusätzlich eine Aufhebungsverfügung zu erlassen. Die Vorschrift schließt es andererseits nicht aus, dass eine personalbearbeitende Stelle im Rahmen ihrer Dienstaufsicht ungeachtet eines Beschwerdeverfahrens eine Aufhebungsverfügung erlässt. Insofern beschränkt sich der Regelungsbereich der Nr. 901 ZDv 20/6 nicht auf bestandskräftig gewordene Beurteilungen oder Stellungnahmen.
61 2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Aufhebung der Aufhebungsverfügung des Personalamtes und auf Verpflichtung des Personalamtes zur Neubescheidung ist unbegründet.
62 Die Aufhebungsverfügung des Personalamtes ist - wie oben dargelegt - bestandskräftig geworden. Sie ist im Übrigen auch inhaltlich rechtlich nicht zu beanstanden.
63 3. Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist unzulässig.
64 Ihm fehlt insoweit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil der beanstandete Widerspruch durch die Aufhebungsverfügung des Personalamtes der Bundeswehr bereits festgestellt worden ist.