Beschluss vom 28.06.2023 -
BVerwG 20 F 2.23ECLI:DE:BVerwG:2023:280623B20F2.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.06.2023 - 20 F 2.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:280623B20F2.23.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 2.23

  • OVG Greifswald - 16.12.2022 - AZ: 13 P 213/20 OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 28. Juni 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und Dr. Henke
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Dezember 2022 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 31. Januar 2020 ist rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 21 bis 192 des Verwaltungsvorgangs zu den gespeicherten Daten des Klägers bezieht.
  2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht ... begehrt der Kläger (weitere) Auskunft über die bei der Verfassungsschutzbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu seiner Person gespeicherten Daten.

2 Im Hauptsacheverfahren forderte der Kammervorsitzende den Beklagten mit der Eingangsverfügung auf, sämtliche Verwaltungsvorgänge im Original vorzulegen. Daraufhin hat der Beklagte mit Schwärzungen versehene Ausdrucke der elektronisch geführten Verwaltungsvorgänge vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten hingegen unter Vorlage einer Sperrerklärung vom 31. Januar 2020 verweigert. Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 27. Februar 2020 darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der angeforderten Akten nach Ansicht der Kammer keines Beweisbeschlusses bedürfe, weil sie zweifelsfrei rechtserheblich seien. Auf Antrag des Klägers hat das Verwaltungsgericht das Verfahren zur Durchführung eines "In-Camera"-Verfahrens an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern abgegeben.

3 Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. November 2022 ergänzende Ausführungen zur Sperrerklärung gemacht.

4 Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 16. Dezember 2022 abgelehnt. Hiergegen richtet sich dessen Beschwerde.

II

5 Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und größtenteils begründet. Sein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

6 1. Die Zulässigkeit eines Antrags auf Entscheidung des Fachsenats im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt voraus, dass das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen ordnungsgemäß bejaht hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2021 - 20 F 13.20 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 98 Rn. 7 m. w. N.). Dafür ist grundsätzlich ein der Sperrerklärung vorausgehender förmlicher Beweisbeschluss und dieser - wie vorliegend verwaltungsprozessual geboten - durch den Spruchkörper zu fassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. April 2023 - 20 F 17.22 - juris Rn. 14). Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zu Recht angenommen, dass die Mitteilung des Berichterstatters vom 27. Februar 2020 auf einen vorangegangenen Beschluss des Spruchkörpers schließen lässt. In einem solchen Fall kann ein Vorlageschreiben für die Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit jedenfalls dann ausreichen, wenn die Beiziehung der Behördenakte für die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens - wie hier - unumgänglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. April 2023 - 20 F 17.22 - juris Rn. 14 m. w. N.).

7 2. Der Antrag ist weitgehend begründet. Die Sperrerklärung vom 31. Januar 2020 ist im tenorierten Umfang rechtswidrig.

8 a) Sie bezieht sich auf die vorenthaltenen Akteninhalte in dem 192-seitigen Verwaltungsvorgang zu den gespeicherten Daten des Klägers (im Folgenden: Akte).

9 b) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern. Danach ist die Sperrerklärung rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 21 bis 192 der Akte bezieht. Im Übrigen ist sie rechtmäßig.

10 aa) Bei den gesperrten Inhalten auf Blatt 21 bis 192 der Akte kann dahinstehen, ob die - in der Sperrerklärung in Bezug auf diese Aktenteile ausweislich des Inhaltsverzeichnisses der Akte nicht nach ihren drei Varianten differenziert ausgewiesenen - Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorliegen. Jedenfalls ist die Sperrerklärung insoweit ermessensfehlerhaft.

11 (1) Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Da die Sperrerklärung als Erklärung des Prozessrechts auf die Prozesslage abgestimmt sein muss, in der sie abgegeben wird, genügt es grundsätzlich nicht, in ihr lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründe des - je nach Fachgesetz im Einzelnen normierten - Geheimnisschutzes zu verweisen. Die oberste Aufsichtsbehörde ist vielmehr im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise in den Blick zu nehmen, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für den Betroffenen haben kann. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermessensausübung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt. Maßstab ist dabei neben dem privaten Interesse an effektivem Rechtsschutz und dem - je nach Fallkonstellation - öffentlichen oder privaten Interesse am Geheimnisschutz auch das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. - BVerfGE 115, 205 <241>). Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m. w. N.).

12 Dabei ist eine nachträgliche Ergänzung von Ermessenserwägungen wie auch sonst nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht möglich, wenn die neuen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 2020 - 20 F 2.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 89 Rn. 27). Allerdings setzt eine Ergänzung von Ermessenserwägungen in einem gerichtlichen Verfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO nach dem dort entsprechend anwendbaren § 114 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Mai 2006 - 20 F 2.05 u. a. - juris Rn. 5 und vom 25. Februar 2008 - 20 F 43.07 - juris Rn. 12) voraus, dass bei der behördlichen Entscheidung, schon "Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes" angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist. § 114 Satz 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, dass defizitäre Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen, dass das Ermessen erstmals ausgeübt oder die Gründe einer Ermessensausübung (komplett oder doch in ihrem Wesensgehalt) ausgewechselt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1999 - 6 B 133.98 - juris Rn. 10).

13 (2) Ausgehend davon leidet die - insoweit allein maßgebliche - Sperrerklärung (Seite 1 bis 5 Mitte des Schriftsatzes vom 31. Januar 2020), selbst wenn der klageerwidernde Teil des Schriftsatzes (Seite 5 Mitte bis Seite 7) zu ihrer Auslegung mit herangezogen wird, bezogen auf Blatt 21 bis 192 der Akte an einem vollständigen Ermessensausfall, weshalb auch die im gerichtlichen Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO mit Schriftsatz vom 23. November 2022 erfolgten Ermessenserwägungen insoweit nicht berücksichtigt werden können.

14 (a) Dies gilt zunächst für die Sperrungen auf Blatt 21 bis 155 der Akte (Dokumente aus Maßnahmen gemäß § 10 Abs. 1 LVerfSchG M-V). In der Sperrerklärung heißt es dazu unter Ziffer 3: "Über den gesetzlich definierten Auskunftsanspruch hinaus besteht kein Anspruch des Klägers über den Umweg der Einsicht in den Verwaltungsvorgang faktisch eine Übersicht darüber zu erhalten, von welchen nachrichtendienstlichen Einzelmaßnahmen er generell im streitgegenständlichen Zeitraum direkt oder indirekt betroffen war." Damit hat der Beklagte den Charakter des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO als im Verhältnis zu den fachgesetzlich geregelten Auskunftsansprüchen prozessrechtliche Spezialnorm verkannt, die eine Informationsfreigabe auch jenseits fachgesetzlicher Verweigerungsgründe eröffnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. April 2023 - 20 F 17.22 - juris Rn. 19 m. w. N.).

15 (b) Entsprechendes gilt für die Sperrungen auf Blatt 156 bis 187 der Akte (polizeiliche Mitteilungen im Rahmen der VV-Informationsübermittlungen nach § 24 LVerfSchG M-V), zu denen unter Ziffer 4 der Sperrerklärung ausgeführt wurde: "Im Übrigen steht es dem Kläger offen, sich bezüglich zu ihm erfassten personenbezogenen Daten auch direkt an die Polizei zu wenden. Auch insoweit kommt hier wieder das Argument einer zu vermeidenden Umgehung durch die Vorlage der Verwaltungsvorgänge zum Tragen." Zum einen ist eine Verweisung des Betroffenen auf die für die Aktenführung federführende Polizeibehörde nicht möglich, weil Gegenstand des Zwischenverfahrens allein das auf § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützte Begehren des Hauptsachegerichts ist, die den Kläger betreffenden Akten vorzulegen (vgl. BVerwG, Beschluss von 8. März 2010 - 20 F 11.09 - juris Rn. 15). Zum anderen kann die behauptete Gefahr einer Störung der informellen Zusammenarbeit von Landespolizei und Landesverfassungsschutz nicht als Weigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO anerkannt werden. Denn das beklagte Land hat es in der Hand, eine reibungslose Zusammenarbeit der eigenen Landesbehörden bei der wechselseitigen Information (hier: Auskunftserteilung nach § 24 LVerfSchG M-V) zu organisieren. Schließlich greift auch das "Umgehungsargument" nicht. Eine vom Gesetzgeber ungewollte Umgehung der fachgesetzlichen Weigerungsgründe läge in der nicht erwogenen Freigabe nicht. Zwar kann in Streitverfahren der vorliegenden Art die Entscheidung im Zwischenverfahren, sofern sie zugunsten der Aktenvorlage ausfällt, faktisch zur Erfüllung des im Hauptsacheverfahren in Streit stehenden Anspruchs führen, weil mit der Vorlage der Akten an das Gericht der Hauptsache stets das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO entsteht. Doch hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit als unvermeidbare Folge des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO in Kauf genommen. Er hätte ihr nur dadurch entgegenwirken können, dass er die Entscheidung "in-camera" über das Zwischenverfahren hinaus auf den Rechtsstreit in der Hauptsache erstreckt hätte. Dieses Verfahrensmodell, bei dem das Gericht der Hauptsache die Akten ohne das Recht der Beteiligten zur Einsichtnahme für seine Entscheidung verwerten darf, ist jedoch in § 99 Abs. 2 VwGO nicht verwirklicht worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2009 - 20 F 3.08 - juris Rn. 6 m. w. N.).

16 Ergänzend wird auf folgende Unstimmigkeit hingewiesen: Freigegeben wurden die in den offengelegten Unterlagen so paginierten Blatt 156, 168, 176, 177, 180 (teilweise) und 181. Tatsächlich handelt es sich jedoch bei dem in den offengelegten Unterlagen mit "168" paginierten Blatt um eine Kopie des im Originalvorgang so paginierten Blattes 170. Das Blatt 168 des Originalvorgangs ist hingegen abgesehen von der Paginierung leer.

17 (c) Zu den Sperrungen auf Blatt 188 bis 192 der Akte (Schriftverkehr mit anderen Sicherheitsbehörden gemäß § 6 BVerfSchG) heißt es unter Ziffer 5 der Sperrerklärung lediglich: "Bei den entnommenen Seiten handelt es sich um VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestufte Dokumente von Sicherheitsbehörden aus anderen Ländern, deren Weitergabe ohne deren Zustimmung nicht möglich ist. Eine Zustimmung liegt nicht vor." Auch diesen Ausführungen sind - ungeachtet der Frage, ob der Beklagte die Relevanz der Einstufung von Akten als VS-Sache im Verfahren nach § 99 VwGO richtig erkannt hat (dazu BVerwG, Beschluss vom 7. April 2020 - 20 F 2.19 - juris Rn. 29) – keine Ermessenserwägungen zu entnehmen.

18 (d) Nach Einsichtnahme in den Originalvorgang bestehen in Bezug auf die Seiten 21 bis 192 der Akte ersichtlich in großem Umfang Weigerungsgründe im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wie sie für die Seiten 15 bis 20 der Akte differenziert nach den Kategorien A bis D geltend gemacht wurden. Die Geltendmachung solcher Weigerungsgründe ist aber in der Sperrerklärung von 31. Januar 2020 für diese Aktenteile nicht erfolgt und kann daher auch nicht der Prüfung des Sentas zugrunde gelegt werden. Erst recht fehlt es insoweit bislang an jeder Ermessensausübung. Der Beklagte wird zu prüfen haben, ob er insofern eine neue Sperrerklärung unter Beachtung der dafür geltenden Darlegungsanforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2023 - 20 F 4.23 - Rn. 19) erlässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 18).

19 bb) Demgegenüber ist die Sperrerklärung rechtmäßig, soweit sie die Schwärzungen auf Blatt 15 bis 20 der Akte (interne Dokumente) betrifft.

20 (1) Diese Schwärzungen wurden teilweise auf § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO und teilweise auf § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO gestützt. So wurde insoweit unter Ziffer 2 der Sperrerklärung eine Differenzierung nach den Kategorien A (Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Signaturen), B (Verfügungen), C (Namentliche Hinweise auf Sachbearbeiter, Durchwahlnummern) und D (Schutzwürdige Belange Dritter <Quellenbezeichnungen, Namen anderer Personen>) vorgenommen. In der Kategorie A wurde auf die Folgen für die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden und deren Aufgabenerfüllung abgestellt, in der Kategorie B auf Belange des Landesverfassungsschutzes, in der Kategorie C auf den Schutz der Sachbearbeiter vor personenbezogenen Repressalien und in der Kategorie D auf schützenswerte Belange Dritter, namentlich deren Persönlichkeitsrechte. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. November 2022 erläutert, dass mit den Kategorien A und B der Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO und mit den Kategorien C und D derjenige des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO geltend gemacht wurde. Eine solche Ergänzung der bereits in der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe um tatsächliche Angaben und Erläuterungen ist zulässig (BVerwG, Beschluss vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 96 Rn. 32).

21 (2) Für die genannten Weigerungsgründe gelten folgende Maßstäbe:

22 (a) Ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO ist gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 - 20 F 6.14 - juris Rn. 7 m. w. N.). Dies kann der Fall sein, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen - vor allem in einer Zusammenschau - Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Zu solchen Rückschlüssen geeignet sind z. B. Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2021 - 20 F 4.21 - juris Rn. 7 m. w. N.).

23 (b) Personenbezogene Daten sind ihrem Wesen nach grundsätzlich geheimhaltungsbedürftig im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Sie werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst, welches die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2020 - 1 BvR 3214/15 - BVerfGE 156, 11 Rn. 71). Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn sie Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 2020 - 20 F 13.17 - juris Rn. 13). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Daran ändert nichts, dass diese in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2021 - 20 F 3.21 - juris Rn. 7). Anderes gilt bei Beschäftigten, welche die Behörden nach außen vertreten (BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2017 - 20 F 2.16 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 72 Rn. 18), oder wenn die Daten anderweitig öffentlich bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 22). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2021 - 20 F 4.21 - juris Rn. 8 m. w. N.).

24 (3) Eine Einsicht in die ungeschwärzte Fassung von Blatt 15 bis 20 der Akte durch den Senat hat ergeben, dass die geltend gemachten Weigerungsgründe für die Schwärzungen bestehen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

25 (4) Die Entscheidung, die betreffenden Aktenbestandteile nicht freizugeben, ist unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ermessenserwägungen unter Ziffer 2 der Sperrerklärung sowie der insoweit entsprechend § 114 Satz 2 VwGO zulässigen ergänzenden Ermessenserwägungen im Schriftsatz des Beklagten vom 23. November 2022 ermessensfehlerfrei. Der Beklagte hat die gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen bezogen auf die einzelnen Aktenstücke abgewogen und eine Ermessensentscheidung getroffen, die den oben aufgezeigten rechtlichen Anforderungen genügt.

26 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.