Verfahrensinformation

Die erstinstanzlichen Klageverfahren beim Bundesverwaltungsgericht betreffen das Recht der Anlegung von Schienenwegen, konkret den Neubau der Schnellbahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe im Planfeststellungsabschnitt 1 von Hasselbrook bis Luetkensallee.


Die Kläger sind Eigentümer von im Planfeststellungsabschnitt 1 liegenden Grundstücken, die teilweise für die Durchführung der festgestellten Planung vorübergehend und auch dauerhaft in Anspruch genommen werden sollen (Enteignung) oder aber im Nahbereich des Planfeststellungsabschnittes liegen. Die Kläger wenden sich unter Berufung auf ihre Eigentumsbetroffenheiten und ihre Betroffenheiten durch Immissionen (Lärm, Erschütterungen usw.) aber auch mit Blick auf die zu errichtenden Lärmschutzwände und mit dem Vorhaben einhergehende Straßenverkehrsprobleme gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1.


Pressemitteilung Nr. 63/2021 vom 05.10.2021

Klagen gegen den Neubau der S-Bahnlinie S4 (Ost) in Hamburg erfolglos

Der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 zum Neubau der Eisenbahnstrecke 1249 Hamburg-Hasselbrook - Ahrensburg-Gartenholz, Bau-km 100,000 bis 103,114 (Planfeststellungsabschnitt 1), ist rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der S-Bahnlinie 4 in Hamburg, Planungsabschnitt 1. Die Deutsche Bahn plant den Bau der S-Bahnlinie 4 von Hamburg Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitten geplant, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist das prognostizierte Fahrgastaufkommen, zu dessen Bewältigung ein 10-Minuten-Takt bis Ahrensburg während der Hauptverkehrszeit vorgesehen ist.


Auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses sollen Grundstücke von Klägern dauerhaft oder bauzeitlich in Anspruch genommen werden. Die übrigen Kläger wenden sich gegen befürchtete Immissionen durch Lärm, Luftschadstoffe und Erschütterungen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Es hat erst- und letztinstanzlich über den streitigen Teil der S-Bahnlinie S4 entschieden. Der Neubau der Eisenbahnstrecke ist vom Begriff des Gr0ßknotens Hamburg im Bundesbedarfsplan gedeckt.


Der Planfeststellungsbeschluss weist keine Verfahrensfehler auf. Insbesondere waren alle notwendigen Unterlagen im Planfeststellungsverfahren bekannt gemacht worden. Die (gesetzliche) Planrechtfertigung für das Vorhaben liegt vor. Sie ist auf Entmischung des Nahverkehrs von anderen Eisenbahnverkehren und auf die baulichen Voraussetzungen für den angestrebten Fahrplantakt ausgerichtet. Die Auffassung der Kläger, der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verknüpfe Teile mehrerer Vorhaben (Neubau einer zweigleisigen S-Bahnstrecke, Erweiterung der Horner Verbindungskurve sowie die Verlängerung von Gleisen im Güterbahnhof Wandsbek) unzulässig zu einem Gesamtvorhaben, blieb ohne Erfolg. Die Verwirklichung der Teilziele ist erforderlich, um das Vorhaben als Teil des Großknotens Hamburg umsetzen zu können.


Da keine FFH-Gebiete im streitigen Planfeststellungsabschnitt oder dessen Einwirkungsbereich liegen, war nur ein vorläufiges positives Gesamturteil erforderlich, dass in den Folgeabschnitten, in denen sich FFH-Gebiete befinden, insoweit keine unüberwindbaren naturschutzrechtlichen Hindernisse bestehen. Eine plausible Einschätzung hierzu liegt vor. Der Schutz von Fledermäusen und anderen Tieren ist im Planfeststellungsverfahren ebenfalls hinreichend beachtet worden.


Die Abwägung mit planerischen Varianten zum Ausbau der Neubaustrecke ist rechtsfehlerfrei. Soweit eine Null-Variante geltend gemacht wurde, haben die Kläger nicht aufgezeigt, dass durch die Nutzung etwa schon bestehender Strecken und den Einbau von weiteren Weichen die planerischen Ziele hätten erreicht werden können. Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde gegen einen von den Klägern für eindeutig vorzugswürdig gehaltenen Neubau einer zweigleisigen Güterverkehrstrecke zwischen Hamburg und Lübeck entlang der Bundesautobahn 1 ("Variante A1") ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Diese Variante würde ein anderes Vorhaben (Aliud) betreffen, so dass von einer Alternative nicht mehr gesprochen werden kann.


Soweit eine fehlerhafte Planung der Horner Verbindungskurve beanstandet wurde, hat die Beklagte im Planfeststellungsbeschluss die Erforderlichkeit des zweigleisigen Ausbaus der Kurve für das Vorhaben und seine Eignung, die entstehenden Verkehre zu bewältigen, plausibel dargelegt. Zudem haben die Kläger die der Planung zugrundeliegenden Verkehrsprognosen nicht erschüttert; dies gilt auch für die Prognosen hinsichtlich des Fahrgastaufkommens an den neu geplanten Haltepunkten. Schließlich war der geplante Bau von Wendehämmern an einer von dem Vorhaben berührten Straße rechtlich nicht zu beanstanden.


BVerwG 7 A 13.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021

BVerwG 7 A 14.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021

BVerwG 7 A 16.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021

BVerwG 7 A 17.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021


Beschluss vom 29.10.2020 -
BVerwG 7 VR 6.20ECLI:DE:BVerwG:2020:291020B7VR6.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.10.2020 - 7 VR 6.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:291020B7VR6.20.0]

Beschluss

BVerwG 7 VR 6.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Oktober 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 wird abgelehnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe, Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek". Sie begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

2 Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines parkähnlichen unter anderem mit wertvollen Rotbuchen bestandenen von ihr selbst zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks, das an die vorhandene Trasse angrenzt. Sie macht geltend, ihr Eigentum werde in unverhältnismäßigem Umfang bauzeitlich und dauerhaft in Anspruch genommen; unwiederbringlicher Bewuchs ginge verloren.

3 Mit ihrer Klage (BVerwG 7 A 16.20 ) begehrt die Antragstellerin die Aufhebung, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

II

4 1. Der Antrag ist zulässig.

5 1. 1. Die Antragstellerin ist als Eigentumsbetroffene antragsbefugt. Teile ihres Grundstücks sollen für das planfestgestellte Vorhaben dauerhaft bzw. zumindest vorübergehend in Anspruch genommen werden. Als Grundstückseigentümerin kann sie geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 sowie Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6).

6 1.2. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig. Der Neubau der S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe ist im Bundesverkehrswegeplan als Teilmaßnahme des Knotens Hamburg aufgeführt und näher beschrieben. Der Knoten Hamburg ist seinerseits in der Anlage zu § 1 Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221) - Bedarfsplan für die Bundesschienenwege - unter Nr. 39 als "Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den VB aufsteigen können" ausgewiesen. Durch die am 5. November 2018 bekanntgegebene Entscheidung des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (Bundesverkehrsministeriums) über die Bewertung der Schienenausbauvorhaben des potenziellen Bedarfs ist er in den vordringlichen Bedarf aufgestiegen und Teil des in der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG unter Nr. 41 und gleichzeitig im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf ausgewiesenen Großknotens Hamburg geworden.

7 1.3. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG kraft gesetzlicher Anordnung sofort vollziehbar. Danach hat die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes, für die nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz vordringlicher Bedarf festgestellt ist, keine aufschiebende Wirkung. Das Vorhaben ist - wie gezeigt - im Bundesbedarfsplan in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf ausgewiesen.

8 2. Der Antrag ist nicht begründet.

9 2.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss anordnen.

10 In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8 m.w.N. sowie vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 9).

11 Bei der Gewichtung der einander gegenüberstehenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber ausweislich des § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG dem Vollzugsinteresse - und damit der beschleunigten Umsetzung eisenbahnrechtlicher Planungsentscheidungen - erhebliches Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244>, vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7 und vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 10). Eine längere Dauer des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens schmälert das Gewicht dieses Vollzugsinteresses nicht.

12 Vorliegend sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten. Zum einen verträgt die Entscheidung über den Antrag keinen Aufschub. Zum anderen werden in diesem Verfahren Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

13 Die Entscheidung über den Antrag ist dringlich. Dies folgt aus dem Beschleunigungsgebot, das sich aus der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit - und damit zugunsten der unverzüglichen Umsetzung - von Planfeststellungsbeschlüssen für Bauvorhaben des vordringlichen Bedarfs ergibt. Zudem folgt eine besondere Eilbedürftigkeit daraus, dass zur Baufeldfreimachung die Beigeladene Rodungsarbeiten durchführen muss, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nur bis Ende Februar durchgeführt werden dürfen. Falls die vorgesehenen Rodungsarbeiten nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind, hätte dies eine deutliche Verzögerung der Umsetzung des Vorhabens von einem Jahr zur Folge. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses stellen sich zudem Sach- und Rechtsfragen, die erst im Zuge der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden können.

14 2.2. Das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen überwiegen das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit ist hierfür maßgeblich, dass mit einer Fortsetzung der von der Beigeladenen begonnenen Arbeiten keine irreparablen bzw. nicht rückgängig zu machenden Folgen zulasten Drittbetroffener eintreten. Vollendete Tatsachen werden nicht geschaffen. Sollten sich die bis zu einer Entscheidung des Senats in der Hauptsache durchgeführten bauvorbereitenden Maßnahmen bzw. Baumaßnahmen als rechtswidrig erweisen, ließen sich die eingetretenen Folgen im Wege des Rückbaues und der Wiederbepflanzung gerodeter Flächen beseitigen bzw. rückgängig machen. Entsprechendes gilt für die bei der Antragstellerin vorgesehenen dauerhaften Inanspruchnahmen.

15 Dem steht nicht entgegen, dass nach einer Wiederbepflanzung gerodeter Flächen vor dem Erreichen des ursprünglichen Zustands Neuanpflanzungen zunächst noch eine Anwachsphase durchlaufen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 15). Der Gesetzgeber setzt Ausgleich und Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft (vgl. § 15 Abs. 2 BNatSchG) nicht mit einer Naturalrestitution im naturwissenschaftlichen Sinne gleich. Vielmehr nimmt er im Rahmen der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen Zustands hin, weil es auf der Hand liegt, dass etwa ein ausgewachsener Baum erst Jahre später gleichwertig substituiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - juris Rn. 149 m.w.N. [insoweit in BVerwGE 145, 40 nicht abgedruckt]). Für eine Rückgängigmachung von Eingriffen in Natur und Landschaft kann nichts anderes gelten. Entsprechendes gilt auch für die Rückgängigmachung von etwaigen Eingriffen in Hausgärten.

16 Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf den wertvollen alten Baumbestand auf ihrem Grundstück die diesbezüglichen Anordnungen im Planfeststellungsbeschluss als unzureichend rügt, kann ihr nicht gefolgt werden. Wie sie selbst ausführt, hat die Beigeladene eigens für die auf ihrem Grundstück stehenden Rotbuchen durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachverständigen ein Gutachten erstellen lassen, das die Erhaltungsmöglichkeit bei Erstellung einer Baustraße in deren Schutzbereich geprüft hat (PFB, S. 342). Die daraufhin in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommenen Auflagen A.4.26.3 PFB, S. 92) stellen in ausreichender Weise sicher, dass vor Beginn der Bauausführungen geprüft wird, ob im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin Anpassungen an der Lage oder dem Umfang der Baustraße vorzunehmen sind. In der Auflage kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Beigeladene vor dieser Prüfung keinerlei Maßnahmen, auch keine bauvorbereitenden Maßnahmen, ergreifen darf, die die Rotbuche Nr. 5 gefährden könnten. Entsprechendes gilt für die angeordneten Standortverbesserungsmaßnahmen. Die weitere Rüge, der Planfeststellungsbeschluss habe sich nicht zu Rotbuche Nr. 4 verhalten, greift ebenfalls nicht durch. Aus dem genannten Gutachten ergibt sich, dass dieser Baum nicht erhalten werden kann, da er auf der Trasse der vorgesehenen Baustraße steht. Dies erschließt sich auch aus der planfestgestellten Unterlage 10.5. des Baustelleneinrichtungs- und -erschließungsplans. Daraus wird deutlich, dass angesichts der örtlichen Verhältnisse eine den Erhalt dieses Baumes sichernde Anpassung der Baustraße ausgeschlossen ist. Das dürfte selbst bei einer deutlichen Reduktion der Breite der Baustraße der Fall sein, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Breite der Straße erheblich reduziert werden könnte. Sie ist ersichtlich so konzipiert, einen Begegnungsverkehr von Baufahrzeugen zu ermöglichen.

17 Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des Senats in der Hauptsache voraussichtlich im Jahr 2021 und mithin während der laufenden Ausbaumaßnahmen erfolgen soll, ist vor der Entscheidung über die erhobene Klage auch mit keinen dem planfestgestellten Ausbau zuzurechnenden betriebsbedingten Beeinträchtigungen der Antragstellerin zu rechnen. Entsprechendes gilt für die vorgesehene dauerhafte Inanspruchnahme eines Teils ihres Grundstücks für die Anlage eines Wendehammers.

18 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Urteil vom 05.10.2021 -
BVerwG 7 A 16.20ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A16.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.10.2021 - 7 A 16.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A16.20.0]

Urteil

BVerwG 7 A 16.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2021
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther,
Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
am 5. Oktober 2021 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek".

2 Die beigeladene DB Netz AG plant den Bau der S-Bahnlinie S4 von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitte aufgeteilt, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Hamburg-Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist das prognostizierte Fahrgastaufkommen, zu dessen Bewältigung ein 10-Minuten-Takt bis Ahrensburg während der Hauptverkehrszeit vorgesehen ist.

3 Von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg soll die Strecke zweigleisig und von Ahrensburg bis Ahrensburg-Gartenholz eingleisig gebaut werden; im Übrigen soll die S-Bahn die bestehenden Gleise nutzen. Daneben sollen zugunsten des Güterverkehrs Anpassungen einschließlich teilweiser Neuerrichtungen der bestehenden Gleisführungen erfolgen.

4 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der 1. Planfeststellungsabschnitt, dessen Feststellung die Beigeladene im August 2016 beantragte. Am 24. August 2020 wurde der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der 4. Planänderung erlassen und im Amtlichen Anzeiger der Stadt Hamburg am 15. September 2020 öffentlich bekannt gemacht.

5 Die Klägerin ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in Hamburg-Wandsbek. Das Grundstück ist insgesamt 3 436 m² groß und befindet sich zwischen Bahn-km 58,63 und 58,70 auf der Südseite der Strecke 1120 Lübeck-Hamburg. Das Grundstück verfügt über einen alten Baumbestand mit markanten Einzelbäumen; es soll im Umfang von 328 m² zugunsten des planfestgestellten Vorhabens erworben werden. Die entsprechenden Flächen werden für den Bau einer Lärmschutzwand nebst Entwässerungsmulde, eines Treppenabgangs der Eisenbahnüberführung "Schlossgarten", der auch Zugang zur neu zu errichtenden Station Claudiusstraße sein soll, und der Anpassung eines Wendehammers für das Wenden dreiachsiger Müllfahrzeuge in Anspruch genommen. Eine dauerhafte Belastung des Grundstücks durch Aufwuchsbeschränkungen und das Setzen und Verbleiben von Ankern ist im Umfang von 479 m² planfestgestellt. Bauzeitlich sollen für die Anlegung einer Baustraße 664 m² in Anspruch genommen werden.

6 Die Klägerin hat gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Die ebenfalls beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat der Senat mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 (BVerwG 7 VR 6.20 ) abgelehnt. Erste Bauarbeiten finden statt.

7 Die Klägerin trägt vor: Dem als Nahverkehrsprojekt ausgewiesenen Vorhaben fehle die Planrechtfertigung. Es würden zusätzliche Trassen geschaffen, die vor allem der Abwicklung des Güterverkehrs dienten. Die Inanspruchnahme ihres Grundstücks sei - auch unter den Gesichtspunkten der kumulativen Belastung und des entstehenden untypischen Grundstückszuschnitts - abwägungsfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Neuherstellung eines Wendehammers sei nicht erforderlich. Es sei nicht gerechtfertigt, dass mindestens eine über 200 Jahre alte Rotbuche der temporären Herstellung und Nutzung einer Baustraße zum Opfer falle. Die während der mehrjährigen Bauzeit entstehenden Beeinträchtigungen seien unzumutbar.

8 Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek" aufzuheben,
hilfsweise,
ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

9 Weiter beantragt die Klägerin hilfsweise,
die maßgeblichen Beurteilungspegel zur Anspruchsbegründung von Entschädigungen gemäß der Nebenbestimmung A4.10.1.7 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 70) auf 67 dB(A) tags und 57 dB(A) nachts in Wohngebieten herabzusetzen.

10 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

11 Sie treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

II

12 Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Er leidet nicht an Fehlern, die zu seiner Aufhebung, zur Feststellung seiner Rechtswidrig- und Nichtvollziehbarkeit oder - im Sinne des Hilfsantrags der Klägerin - zu der Verpflichtung führen, die Beurteilungspegel für Entschädigungsleistungen herabzusetzen.

13 A. Das Bundesverwaltungsgericht ist als erstinstanzliches Gericht zuständig.

14 Dies folgt aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG in der vor dem 13. März 2020 geltenden Fassung (vgl. § 38 Abs. 8 AEG). Gemäß § 18e Abs. 1 Nr. 5 AEG gilt § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG, soweit die Vorhaben Schienenwege betreffen, die wegen der besonderen Funktion zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpässe in der Anlage 1 aufgeführt sind. Diese Anlage weist die dort genannten Schienenwege ausdrücklich der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu. Die Zuweisung richtet sich nach der Vorhabenbezeichnung in der Anlage. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist an die Aufnahme des Vorhabens in die Anlage zum Allgemeinen Eisenbahngesetz geknüpft, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte (vgl. Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2012, § 18e Rn. 2). Die Vorhabenbezeichnungen entstammen dem Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (vgl. Schütz, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 18e AEG Rn. 17). In Nr. 41 der Anlage 1 ist der Großknoten Hamburg aufgeführt.

15 Die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an das Bundesverwaltungsgericht als erst- und letztinstanzliches Gericht bedarf der hinreichenden Begründung. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte des Bundes von denen der Länder berührt den föderalen Aufbau des Gerichtswesens und damit die Aufgabenverteilung im Bundesstaat (Art. 92 Halbs. 2, Art. 20 Abs. 1 GG). Bei der Beurteilung, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist dem Gesetzgeber, weil damit oft (verkehrs-, wirtschafts- und rechts-)politische Wertungen verbunden sind, ein weiter Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Ein hinreichender Grund für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist gegeben. Die hier in Rede stehende Neuregelung betrifft Verkehrsprojekte, deren Fertigstellung der Gesetzgeber wegen eines gesamtstaatlichen Interesses, das über eine bloß regionale Bedeutung der Projekte hinausgeht und die Bundesebene berührt, für besonders eilbedürftig hält (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 31 ff.; Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 50 Rn. 17).

16 Der Katalog der Schienenwege mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG knüpft begrifflich wie inhaltlich an den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) an (vgl. BT-Drs. 19/4459 S. 43). Dort werden "Großknoten" einschließlich des Großknotens Hamburg in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 als (neue) Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs - Engpassbeseitigung (VB-E) eingestuft. Eine nähere Bestimmung der einem Großknoten zuzuordnenden Teile des Schienenwegenetzes der Eisenbahnen des Bundes (vgl. § 1 Abs. 1 BSWAG) findet sich an dieser Stelle nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, den Begriff des Großknotens näher zu bestimmen. Er hat diesen lediglich aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) übernommen, der dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege zugrunde liegt (vgl. BT-Drs. 18/9524 S. 12, 22 f.). Der Bundesverkehrswegeplan stellt zu den Großknoten-Projekten fest, diese könnten voraussichtlich einen wichtigen Beitrag zur Engpassauflösung im Schienennetz leisten, und sieht hierfür ein besonderes Budget vor, behält jedoch aufgrund der verkehrlichen Komplexität die Identifizierung der notwendigen konkreten Maßnahmen in den Knoten sowie den Nachweis ihrer Wirtschaftlichkeit einer nachfolgenden Untersuchung vor (vgl. BVWP S. 39). Dementsprechend listet der Bedarfsplan die Knoten Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Mannheim und München in Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 lfd. Nr. 38 bis 43 als Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den Vordringlichen Bedarf aufsteigen können und nach Satz 2 der Vorbemerkungen in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen werden, sobald sie die Kriterien dafür nachweislich erfüllen. Die Listung der Großknoten Frankfurt, Hamburg, Köln, Mannheim und München als Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 des Bedarfsplans erfüllt insoweit - ebenso wie lfd. Nr. 24 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <Streckenmaßnahmen>"), Nr. 26 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <weitere Knoten, mikroskopische Maßnahmen>") und Nr. 27 ("Kombinierter Verkehr/Rangierbahnhöfe") im Hinblick auf die entsprechenden Vorhaben des Potenziellen Bedarfs nach Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 - die Funktion einer Öffnungsklausel bzw. eines "Platzhalters" (vgl. auch BVWP S. 39: "Im Vordringlichen Bedarf ist ein Budget als Platzhalter für die Projekte des Potenziellen Bedarfs vorgesehen."). Auf diese Weise werden die Vorhaben unter dem Vorbehalt weiterer Prüfung dem Vordringlichen Bedarf bereits gesetzlich zugeordnet (vgl. auch schon BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 7 VR 6.12 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 2 Rn. 4).

17 Es bedarf deshalb für den Aufstieg eines Vorhabens vom Potenziellen in den Vordringlichen Bedarf nicht erst noch einer Anpassung des Bedarfsplans, für die § 4 Abs. 1 Satz 2 BSWAG ein Gesetz voraussetzt. Ausreichend ist vielmehr eine hinreichend verlautbarte Verwaltungsentscheidung, wie sie hier für den Knoten Hamburg mit der im November 2018 bekanntgegebenen Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zum Aufstieg in den Vordringlichen Bedarf erfolgt ist (vgl. BMVI, Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs, 5. November 2018, S. 30; Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030, 6. November 2018, S. 1 f.; vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 7.20 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 4 Rn. 6). Dabei führt die Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs zum Knoten Hamburg (lfd. Nr. 39) aus (Bewertung S. 30), dass der Planfall u.a. auch die S4 Ost umfasst (unter 3: Ausbau S4 Hasselbrook-Ahrensburg). Des Weiteren wird zum Potenziellen Bedarf der Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg (lfd. Nr. 25) dargelegt, dass das Projekt S4 Ost als Teil des Knotens Hamburg effektiver die Verkehrsbedürfnisse als ein dreigleisiger Ausbau erfüllt (Bewertung S. 31). Zudem verweist der Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan im Zusammenhang mit dem Knoten Hamburg auch auf die mitumfasste S4 Ost (S. 2). Diese Zuordnung von Ausbau- und Neubauvorhaben zum Großknoten Hamburg ist nicht zu beanstanden.

18 Die Zuordnung hat vom Begriff des "Großknotens" her zu erfolgen, dessen Gehalt anhand objektiver Kriterien durch Auslegung zu bestimmen ist. Dabei kommt auch dem Beschleunigungszweck, der gleichermaßen § 18e Abs. 1 AEG wie dem Bundesschienenwegeausbaugesetz zugrunde liegt, Bedeutung zu. Neben einem räumlichen Zusammenhang mit einer der genannten Knoten-Standorte kommt es danach wesentlich auf die Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion an, wie sie für Schienenverkehrsknoten, an denen zahlreiche Verkehrsströme mit unterschiedlichen Schienenverkehrsarten (Fern- und Nahverkehr, Personen- und Güterverkehr) zusammenfließen, charakteristisch ist. Das jeweilige Vorhaben muss einen funktionalen Beitrag zu dieser Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion des betreffenden Knotens leisten. Es muss eine knotentypische Verknüpfungsfunktion gegeben sein, was bei hinreichender räumlicher Nähe und Einbindung in das am jeweiligen Knoten bereits existierende Schienenwegenetz regelmäßig der Fall sein wird. So liegt es auch hier.

19 Der Neubau der im Hamburger Stadtgebiet beginnenden S-Bahnstrecke zielt neben einer verbesserten Anbindung des Hamburger Ostens und des südöstlichen Teils Schleswig-Holsteins im Schienenpersonennahverkehr auf eine zumindest teilweise Entflechtung der knotentypisch gewachsenen Parallelnutzung der Bestandsanlagen durch Nah- und Fernverkehr sowie Personen- und Güterverkehr und, in der Folge, auf eine Taktverdichtung im S-Bahnverkehr. Zugleich sollen im Hauptbahnhof Hamburg die Fernbahnsteige entlastet und insoweit freie Kapazitäten geschaffen werden. Auch wird aufgrund vereinfachter Umstiege zu anderen S-Bahnen und der Möglichkeit einer direkten Weiterfahrt zu Zielen in der Hamburger Innenstadt eine Entlastung von Bahnsteigen, Treppenanlagen und anderen Wegen im Hauptbahnhof bezweckt. Die neuen Haltepunkte Claudiusstraße und Bovestraße zielen darauf, einen größeren Personenkreis als bislang zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu veranlassen.

20 Auch der Ausbau der Horner Kurve ist dem Großknoten Hamburg zuzurechnen. Der Umstand, dass sie im BVWP 2030 (S. 168) als Bestandteil des unter Nr. 25 aufgeführten Vorhabens Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg des Potenziellen Bedarfs erwähnt wird, ändert hieran nichts. Es handelt sich hierbei, wie sich aus der als Anlage 2 dem BVWP 2030 beigefügten Projektliste ergibt, lediglich um eine vorläufige Beschreibung der Maßnahme, die keine konstitutive Bedeutung hat. Sie steht daher einer Realisierung im Rahmen eines anderen Vorhabens - hier des Vordringlichen Bedarfs - nicht entgegen, sofern eine räumlich-funktionale Einbindung in das andere Vorhaben gegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - um eine Teilmaßnahme handelt, die weder die Identität des neuen Gesamtvorhabens betrifft noch dessen Wirtschaftlichkeitsbeurteilung erheblich verändert. Angesichts der hiernach bestehenden räumlich-funktionalen Einbindung des streitigen Vorhabens in das Hamburger Schienenwegenetz spricht auch der vom Gesetzgeber mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts verfolgte Beschleunigungszweck für seine - einheitliche - Zuordnung zum "Großknoten Hamburg" im Sinne der lfd. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG.

21 B. Die Klage ist zulässig.

22 Die Klägerin kann als enteignungsbetroffene Grundstückseigentümerin geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 und Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6). Ihr steht ein "Vollüberprüfungsanspruch" zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 ff. und Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 11 f. m.w.N.).

23 C. Die Klage ist unbegründet.

24 1. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt.

25 Die Planrechtfertigung als ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 m.w.N. und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 33), liegt für das planfestgestellte Vorhaben vor. Die Planrechtfertigung kann sich aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ergeben, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist und grundsätzlich die Nachprüfung ausschließt, ob für das geplante Vorhaben ein Verkehrsbedarf vorhanden ist (§ 1 Abs. 2 BSWAG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - a.a.O.). Insoweit geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 180 ff.) zutreffend davon aus, dass das Vorhaben gemessen an den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene zu gewährleisten, und der gesetzlichen Bedarfsfeststellung vernünftigerweise geboten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 58 und Beschluss vom 17. September 2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 7 m.w.N.).

26 Für die mitgeplanten Änderungen an den für den Fern- und Güterverkehr bestimmten Gleisen bedarf es keiner eigenen Planrechtfertigung im engeren Sinne.

27 Grundsätzlich bestimmt der Träger eines Vorhabens dessen Gegenstand. Er ist dabei aber rechtlichen Grenzen aufgrund des materiellen Planungsrechts unterworfen, die sich namentlich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und dem Abwägungsgebot ergeben. Die Aussagekraft der Abwägung darf insbesondere nicht durch Zusammenfassung mehrerer Planungen beeinträchtigt werden. Grenzen des Bestimmungsrechts des Vorhabenträgers bestehen deshalb, wenn zwei oder mehr geplante Maßnahmen von ihm als ein Vorhaben behandelt werden. Verfolgt der Vorhabenträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Planungsziele und können diese Maßnahmen unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung der Ziele einer Maßnahme durch den Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, so handelt es sich um mehrere Vorhaben. Der Vorhabenträger darf dann nicht mehrere Vorhaben als ein Vorhaben bezeichnen und damit verhindern, dass über die Zulässigkeit jedes der Vorhaben von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesonderten fachplanerischen Abwägung der für und gegen das einzelne Vorhaben sprechenden Belange entschieden wird. Die mit der Behandlung als ein Vorhaben einhergehende Abwägung der kumulierten Vorteile gegen die kumulierten Nachteile könnte nämlich dazu führen, dass ein Vorhaben ein anderes "mitzieht", obwohl dessen Verkehrsbedeutung bei isolierter Betrachtung die Umweltauswirkungen der allein durch es verursachten Baumaßnahme nicht rechtfertigen würde. Die Rechtmäßigkeit einer Planung kann aber nicht davon abhängen, ob der Vorhabenträger seine Planungsziele mit getrennten Planfeststellungsanträgen verfolgt oder die Ziele und Maßnahmen in einem Antrag bündelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 35).

28 Hieran gemessen stellen die drei Maßnahmen "Neubau einer zweigleisigen S-Bahnstrecke", "Erweiterung der Horner Verbindungskurve um ein zweites Gleis" und "Verlängerung der Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek" ein einziges Vorhaben im fachplanungsrechtlichen Sinne dar.

29 Die mit der geplanten S-Bahn-Neubaustrecke verfolgten Ziele wären ohne den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Gleisverlängerungen im Güterbahnhof Wandsbek nicht in vollem Umfang erreichbar. Der Neubau der S-Bahnstrecke zielt wesentlich auf eine Entflechtung des Personennahverkehrs vom Fern- und Güterverkehr ab (PFB S. 180, 330; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14). Die Erweiterung der Verbindungskurve um ein zweites Gleis gleicht den Entfall der bislang vorhandenen Güterverkehrsinfrastruktur aus, die für die Errichtung der zwei neuen S-Bahngleise zurückgebaut werden muss (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 11. November 2020 - 7 VR 5.20 - juris Rn. 20). Die durch den S-Bahn-Neubau zwischen den neuen S-Bahnstationen Claudiusstraße und Bovestraße notwendig werdende Verlegung der Gleise der Bestandsstrecke 1120 nach Süden zieht ihrerseits einen Teilrückbau und damit eine Verkürzung der südlich der Strecke 1120 parallel dazu verlaufenden Güterzugstrecke 1242 nach sich (PFB S. 96 f., 200; Lagepläne, Planunterlagen 3.5 und 3.6 ). Im Güterbahnhof Wandsbek werden durch den Neubau der S-Bahngleise Überholungsgleise "verdrängt" (PFB S. 201). Die hieraus folgenden Kapazitätsverluste auf der vorhandenen Strecke sollen durch den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Verlängerung der als Güterzugüberholungsgleise dienenden Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek abgewendet werden (PFB S. 97, 201). Soweit mit den Maßnahmen in ihrer Gesamtheit auch das Ziel verfolgt wird, infolge der Verlagerung des Personennahverkehrs auf separate S-Bahngleise frei werdende Kapazitäten auf der Bestandsstrecke 1120 für zusätzliche Fern- und insbesondere Güterverkehre zur Verfügung zu stellen (PFB S. 181, 201, 203; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14, 23), entspricht dies dem Sinn und Zweck einer Entflechtung unterschiedlicher Verkehre. Damit trägt die Planung dem vom Gesetzgeber für den Großknoten Hamburg grundsätzlich festgestellten Bedarf an einer Engpassbeseitigung (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 lfd. Nr. 25 der Anlage 1 zu § 1 BSWAG) Rechnung. Dies geschieht gerade in der Kombination der einzelnen Maßnahmen, die jeweils für sich genommen allenfalls einen geringeren Beitrag zur Verkehrsentflechtung und Engpassbeseitigung zu leisten in der Lage wären.

30 2. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen die Verordnung zum Schutz des Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg - Hamburger Baumschutzverordnung - vom 17. September 1948.

31 Soweit die Klägerin meint, die mit dem Planfeststellungsbeschluss erteilte Genehmigung zum Fällen von Bäumen und Gehölzen nach der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Wandsbeker Geest" (LSGVO WB) sei rechtswidrig erteilt worden, dringt sie nicht durch. Der Planfeststellungsbeschluss steht mit den Anforderungen dieser Verordnung und der Hamburger Baumschutzverordnung vom 17. September 1948 (HmbBl. I 791-i), die entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch vorliegend anwendbar ist, in Einklang. Der Planfeststellungsbeschluss befreit nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG von den zum Schutz von Bäumen und Gehölzen bestehenden Verboten der Verordnungen. Einer ausdrücklichen Entscheidung, die das Fällen von Bäumen und Gehölzen gestattet, bedurfte es insoweit nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 S. 207 f.). Es genügt, wenn sich die Befreiung aus dem Planfeststellungsbeschluss der Sache nach ergibt. Dies ist hier der Fall. Der Planfeststellungsbeschluss führt aus, dass die Rodung der 133 unter die Baumschutzverordnung fallenden Einzelbäume "im überwiegend öffentlichen Interesse" geschehe, weil anderenfalls das Gesamtvorhaben nicht oder nur unter unzumutbaren Beschränkungen verwirklicht werden könne, da trotz kleinräumiger Anpassungen zur Minimierung dieser Eingriffe ein zur Umsetzung der Maßnahme erforderlicher Flächenbedarf verbleibe (S. 213 f.).

32 3. Die fachplanerische Abwägung leidet nicht an den von der Klägerin mit Blick auf die Inanspruchnahme von Teilflächen ihres Wohngrundstücks geltend gemachten Mängeln.

33 a) Eine Inanspruchnahme privater Grundstücksflächen für ein planfestgestelltes Vorhaben ist nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der mit dem Vorhaben angestrebten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich ist (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG). Eine einzelne Enteignungsmaßnahme ist nur dann erforderlich, wenn und soweit sie für die Verwirklichung eines Vorhabens unverzichtbar ist, es hierfür also kein milderes Mittel gibt, das gleich geeignet wäre. Kann das Vorhaben hingegen in gleicher Weise auch ohne den Entzug privaten Eigentums verwirklicht werden, ist die Enteignung unzulässig (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 182 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2021 - 7 A 9.20 - UPR 2021, 487 Rn. 30). Zudem muss sich die Inanspruchnahme privater Grundstücksflächen auch als verhältnismäßig im engeren Sinne erweisen. Eine einzelne Enteignungsmaßnahme ist dann mit dem Übermaßverbot vereinbar, wenn der Beitrag, den das entzogene Eigentumsrecht zur Verwirklichung des Vorhabens leistet, nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des Eingriffs steht, den der konkrete Eigentumsentzug für den betroffenen Rechtsinhaber bedeutet (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 186 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2021 a.a.O. Rn. 31). Diesen Maßgaben wird der Planfeststellungsbeschluss gerecht.

34 b) Die im Bereich des Grundstücks der Klägerin vorübergehend vorgesehene Baustraße ist nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung in der gewählten Lage unmittelbar parallel zum Gleisbereich und in der planfestgestellten Breite von sechs Metern zur Durchführung der Bauarbeiten geeignet und erforderlich. Die von der Klägerin insbesondere gerügte Breite ist jedenfalls im Bereich ihres Grundstücks, das nahe einer Einmündung der Baustraße ins öffentliche Straßennetz liegt, unverzichtbar, um den Baufahrzeugen einen Begegnungsverkehr zu ermöglichen. Ohne die Möglichkeit des Begegnungsverkehrs jedenfalls in diesem Einmündungsbereich käme es - wie auch in der mündlichen Verhandlung seitens der Beigeladenen noch einmal in nachvollziehbarer Weise verdeutlicht worden ist - zu erheblichen baustellenlogistischen Einschränkungen mit der Folge maßgeblicher Bauzeitverlängerungen und Baukostensteigerungen. Die lediglich vorübergehende Inanspruchnahme führt auch zu keiner übermäßigen Belastung der Klägerin.

35 Die planfestgestellte Baustraße beeinträchtigt zugleich zwei auch über das Wohngrundstück der Klägerin hinaus prägende Rotbuchen. Nach dem Gutachten des seitens der Beigeladenen beauftragten Baumsachverständigen (Z., Vorabdruck des Gutachtens zum Zustand von zwei Rotbuchen inkl. Darstellung der Erhaltungsmöglichkeit bei Erstellung einer Baustraße in deren Schutzbereichen vom 23. März 2020) werden diese als Rotbuchen Nr. 4 und 5 benannt. Nach den der Planfeststellung zugrunde gelegten Feststellungen des Gutachters ist ein Erhalt der Rotbuche Nr. 4 im Hinblick auf die Lage der Baustraße nahe am Stamm nicht realisierbar. Demgegenüber erachtet der Gutachter die Erhaltung der Rotbuche Nr. 5 bei Ausführung von Baumschutz-, Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen als realisierbar (vgl. Gutachten S. 25).

36 Ausgehend hiervon verpflichtet der Planfeststellungsbeschluss (S. 92) die Beigeladene - mit dem Ziel der Erhöhung der Überlebenschance der Rotbuche Nr. 5 - im Zuge der Erstellung der Ausführungsplanung eine Anpassung der Baustraße zu prüfen und, soweit umsetzbar, Anpassungen an der Lage oder dem Umfang der Baustraße vorzunehmen. Der vom Gutachter vorgeschlagene Wurzelvorhang ist ungeachtet dieser Prüfung verbindlich in den Boden einzubringen. Soweit von der Klägerin gewünscht, sind auch die im Gutachten genannten vorbereitenden Standortverbesserungsmaßnahmen, namentlich die Bepflanzung des Wurzelbereichs mit Pachysandra, umzusetzen (vgl. Gutachten S. 27).

37 Abwägungsmängel hinsichtlich der Betroffenheit der Rotbuchen ergeben sich auf der Grundlage dieser Regelungen nicht. Wie bereits ausgeführt, hat sich in tatsächlicher Hinsicht ergeben, dass die Baustraße in der gewählten Lage und in der vorgesehenen Breite zur sachgerechten Errichtung des planfestgestellten Vorhabens erforderlich ist. Insoweit ist die Inkaufnahme des Verlustes der Rotbuche Nr. 4 - die in vollem Umfang zu entschädigen ist - unvermeidlich. Hinsichtlich des für realisierbar erachteten Erhalts der Rotbuche Nr. 5 verpflichtet der Planfeststellungsbeschluss - wie dargelegt - die Beigeladene, sämtliche seitens des Fachgutachters vorgeschlagenen Baumschutz-, Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen. Das zum Erhalt dieses Baumes Mögliche hat die Planfeststellungsbehörde damit getan. Defizite der Planfeststellung sind insoweit nicht ersichtlich (vgl. hierzu auch bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 6.20 - juris Rn. 16).

38 Unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin und die Beigeladene hinsichtlich der Frage des Erhalts der Rotbuchen Nr. 4 und 5 im Rahmen einer Einigung über die Besitzüberlassung vom 22. Januar 2021 zwischenzeitlich eine Verständigung erzielt haben, die über die Maßgaben der Planfeststellung hinausreicht. Grundsätzliches Ziel auch der Beigeladenen ist es hiernach, neben der Rotbuche Nr. 5 auch die Rotbuche Nr. 4 zu erhalten. Konkret ist hierfür durch zwei Sachverständige vor Beginn jeglicher bauvorbereitender Maßnahmen insbesondere zu ermitteln, welche nach dem Stand der Technik bekannten Maßnahmen zum Schutz des Wurzelwerks der Bäume anzuwenden sind. Auf die Realisierung eines - wurzelgefährdenden - Kabelkanals in der Nähe von Rotbuche Nr. 4 wird verzichtet. Für den Fall des nicht abwendbaren Verlustes einer oder beider Rotbuchen werden nähere Regelungen zur Entschädigung getroffen.

39 c) Abwägungsmängel bestehen auch nicht hinsichtlich der Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin zur Errichtung eines zweiseitigen Wendehammers. Die Anlage dient insbesondere dem Wenden der in Hamburg auch im Bereich Wandsbek regelmäßig eingesetzten dreiachsigen Müllfahrzeuge in der Straße "Schlossgarten" und ersetzt einen im Bestand vorhandenen, für das Wenden der Müllfahrzeuge zu kleinen rechtsseitigen Wendehammer, der im Zuge der Errichtung der Baustraße für das Vorhaben in Anspruch genommen wird. Der bestehende rechtsseitige Wendehammer steht zudem in Widerspruch zu lenktechnischen Erfordernissen, deretwegen einseitige Wendehämmer linksseitig angelegt werden sollen (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 - RASt06 - S. 65).

40 Die planfestgestellten Maßnahmen beschränken sich auf eine Anpassung des Wendehammers an den Stand der Technik nach den einschlägigen Maßstäben der Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen, Ausgabe 2017 - ReStra - (S. 15), die hinsichtlich der baulichen Gestaltung von Wendeanlagen auf die RASt06 (S. 65) Bezug nehmen und festlegen, dass in Hamburg Wendeanlagen für ein dreiachsiges Müllfahrzeug zu dimensionieren sind. Diese Maßstäbe stehen zudem mit § 16 Nr. 1 der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschrift Müllbeseitigung vom 1. Oktober 1979 in der Fassung vom 1. Januar 1997 in Einklang, wonach - vorbehaltlich einer Übergangsregelung - Müll aus Sicherheitsgründen nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist.

41 Die Grundinanspruchnahme für den Wendehammer zu Lasten der Klägerin ist verhältnismäßig. Zum einen nimmt der planfestgestellte zweiseitige Wendehammer nach den unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen etwa 15 m² weniger Fläche in Anspruch als ein ausreichend groß dimensionierter einseitiger Wendehammer. Zum anderen werden die im Bereich des Wendehammers anliegenden Privatgrundstücke durch die zweiseitige Ausführung jeweils geringer und in ausgeglichenerer Art und Weise belastet als durch einen rechts- oder linksseitigen Wendehammer. Darüber hinaus nähme ein - wie ausgeführt - wegen der lenktechnischen Erfordernisse an sich zu bevorzugender linksseitiger Wendehammer eine deutlich größere Fläche des Grundstücks der Klägerin in Anspruch, das für den zweiseitigen Wendehammer in einem noch moderaten Umfang von 78 m² im Randbereich überbaut werden soll.

42 d) Gegen die Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin im Zuge der planfestgestellten Neuerrichtung eines Treppenabgangs und einer Lärmschutzwand (nebst Entwässerungsmulde) ergeben sich ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Der Treppenabgang zu der planfestgestellten Eisenbahnüberführung dient sowohl als Ersatz für den im Bestand vorhandenen Bahnübergang als auch als Zugang zu der neu zu errichtenden Station Claudiusstraße. Nach den nachvollziehbaren Erläuterungen der Beigeladenen ist eine Verlegung der Treppenanlage insbesondere im Hinblick auf die Lage des Bahnsteigs der geplanten Station Claudiusstraße, der wiederum aus anderen Zwangspunkten folgt, nicht möglich.

43 Die planfestgestellte, nicht barrierefreie Ausgestaltung als (reine) Treppenanlage (ohne Rampe und/oder Aufzug) führt zu einer vergleichsweise geringen Grundinanspruchnahme zu Lasten der Klägerin im Umfang von 52 m². Ein vollständiger Verzicht auf einen zweiten Bahnsteigzugang sowie auf eine Eisenbahnüberführung, die die bisher mittels eines beschrankten Bahnübergangs gewährleistete Verbindung zwischen den südlich und nördlich der Bahntrasse gelegenen Abschnitten der Straße "Schlossgarten" aufrechterhält, wäre möglicherweise nicht frei von planerischen Mängeln. Eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin ergibt sich durch die planfestgestellte (reine) Treppenanlage jedenfalls nicht. Hinsichtlich der Neuerrichtung der Lärmschutzwände nebst einer Entwässerungsmulde vermochte die Klägerin schon im Ansatz nicht deutlich zu machen, dass die planfestgestellte Ausgestaltung, die insbesondere der hinreichenden Wirksamkeit des Schallschutzes geschuldet ist, in unverhältnismäßiger Art und Weise ihr Grundeigentum in Anspruch nimmt.

44 e) Auch unter den Gesichtspunkten der kumulativen Belastung durch die Betroffenheit hinsichtlich einer Mehrzahl von Grundstücksteilflächen als auch eines entstehenden unregelmäßigen Zuschnitts des zum ganz überwiegenden Teil im Eigentum der Klägerin verbleibenden Grundstücks ergibt sich keine unzumutbare Beeinträchtigung. Die nach der Planfeststellung dauerhaft in Anspruch zu nehmenden Flächen liegen einerseits jeweils an den Grundstücksrändern und machen andererseits insgesamt weniger als zehn Prozent der Gesamtfläche des Grundstücks aus. Insoweit führen die vorhabenbedingten Eingriffe auch in ihrer Gesamtwirkung zu keiner unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Klägerin. Die entstehenden Unregelmäßigkeiten des Grundstückszuschnitts an dessen Rändern stellen weder den Gesamtzuschnitt noch die uneingeschränkte weitere Nutzbarkeit zu Wohnzwecken infrage und erweisen sich insoweit ebenfalls als zumutbar.

45 f) Schließlich ergeben sich auch mit Blick auf die planerische Bewältigung baubedingter Immissionen, insbesondere Lärm und Staub, keine Rechtsfehler der Planfeststellung. Namentlich ist nicht ersichtlich, dass die umfangreichen diesbezüglichen Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. zum Lärm S. 66 ff. und zum Staub S. 81 f.) den Interessen betroffener Anwohner - einschließlich der Klägerin - nicht in abwägungsfehlerfreier Art und Weise gerecht würden. Mit Blick auf die Grundstücksbezogenheit der Immissionen ist bei dieser Betrachtung die individuelle Situation der Klägerin bzw. deren Mieter nicht ausschlaggebend (vgl. hierzu auch Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 74 Rn. 107 m.w.N.).

46 Bei der fachplanerischen Abwägungsentscheidung durfte auch die Situationsgebundenheit des Grundstückseigentums unmittelbar an einer bereits seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehenden Eisenbahnstrecke Berücksichtigung finden (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 132). Insoweit musste von je her mit der Durchführung von Bauarbeiten an der Strecke unter Betroffenheit des anliegenden Grundstücks gerechnet werden. Etwaige vermehrte Lichteinwirkungen im Gebäudebereich infolge der Beseitigung vorhandenen Bewuchses sind als zumutbar hinzunehmen. Detailfragen des Anwohnerschutzes während der Bauausführung können zudem der Ausführungsplanung vorbehalten bleiben.

47 4. Unbegründet ist schließlich der Hilfsantrag der Klägerin, die maßgeblichen Beurteilungspegel zur Anspruchsbegründung für Entschädigungen wegen unzumutbarer baubedingter Lärmbeeinträchtigungen auf 67 dB(A) tags und 57 dB(A) nachts in Wohngebieten herabzusetzen. Diesem Begehren der Klägerin wird der Planfeststellungsbeschluss gerecht, ohne dass es einer Änderung oder Ergänzung bedarf. Nach der einschlägigen Nebenbestimmung A.4.10.1.7 Buchst. b Nr. 1 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 70 f.) stehen betroffenen Eigentümern bei einem Beurteilungspegel zwischen 67 dB(A) und 70 dB(A) tags bezogen auf Wohnräume Entschädigungsansprüche zu. Bezogen auf Schlafräume sieht der Planfeststellungsbeschluss (S. 71) nach der Nebenbestimmung A.4.10.1.7 Buchst. b Nr. 4 Entschädigungsansprüche für Nächte mit einem Beurteilungspegel von mehr als 57 dB(A) und bis zu 60 dB(A) vor. Nach der weiteren Nebenbestimmung A.4.10.1.7 Buchst. a des Planfeststellungsbeschlusses (S. 70) besteht ab einem Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags bezogen auf Wohnräume und von mehr als 60 dB(A) nachts bezogen auf Schlafräume zudem eine Verpflichtung der Vorhabenträgerin zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum.

48 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.