Verfahrensinformation

Der 1. Wehrdienstsenat verhandelt erst- und letztinstanzlich über den Antrag eines Generalleutnants a.D., der vom Mai 2019 bis März 2020 als Befehlshaber des NATO-Kommandos in Brunssum eingesetzt worden ist und in dieser Verwendung vorübergehend den Dienstgrad General geführt hat (sog. "temporary rank"). Seine Hoffnung, dort vom Generalleutnant ("Drei-Sterne-General", B 9) zum General ("Vier-Sterne-General", B 10) befördert zu werden, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ist er mit Verfügung vom 11. März 2020 nach Berlin zurückversetzt und als Generalleutnant in den Ruhestand versetzt worden.


Er ist gegen die Wegversetzung von dem Dienstposten mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorgegangen und hat versucht, deren Vollziehung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu verhindern. Diesen Antrag hat der 1. Wehrdienstsenat mit Beschluss vom 24. April 2020 (1 WDS-VR 3.20) abgelehnt. Der Generalleutnant a.D. will nun im Hauptsacheverfahren die Feststellung erreichen, dass seine Wegversetzung rechtswidrig war. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass er in einer Personalkonferenz im Bundesministerium der Verteidigung unter mehreren Bewerbern für den NATO-Oberbefehlshaberposten (B 10) nach Leistungsgesichtspunkten mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden sei. Dies könne er durch die Vernehmung des früheren Generalinspekteurs der Bundeswehr und eines ehemaligen Staatssekretärs als Zeugen beweisen. Er hätte daher nicht mehr auf einen niedriger dotierten Dienstposten (B 9) wegversetzt werden dürfen. Er habe auch nach seiner Pensionierung ein Interesse an der Klärung dieser Frage, weil er eine Schadlosstellung für die unterbliebene Beförderung erreichen und im Ruhestand den Dienstgrad eines Generals a.D. führen wolle.


Das Bundesministerium der Verteidigung erwidert, der Generalleutnant habe nach seiner Pensionierung kein rechtlich geschütztes Interesse mehr an einer rechtlichen Überprüfung der Versetzung. Außerdem habe es die von ihm behauptete Auswahlkonferenz für eine Beförderung auf den Generalsdienstposten nicht gegeben. Vielmehr sei der Generalleutnant von Anfang an nur zeitlich befristet auf einem höherwertigen Dienstposten eingesetzt worden. Eine Beförderung zum General sei ihm weder in Aussicht gestellt noch beschlossen worden.


Pressemitteilung Nr. 55/2022 vom 06.09.2022

Anspruch auf Generalsdienstposten nach förderlicher Auswahlentscheidung

Der 1. Wehrdienstsenat hat heute dem Antrag eines Generalleutnants a.D. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner letzten dienstlichen Versetzung stattgegeben. Der Generalleutnant a.D. ist vom Mai 2019 bis März 2020 als Befehlshaber eines NATO-Kommandos in Europa auf einem Generalsdienstposten (B 10) eingesetzt worden und hat in dieser Verwendung vorübergehend den Dienstgrad General geführt (sog. "temporary rank"). Seine Hoffnung, dort vom Generalleutnant ("Drei-Sterne-General") zum General ("Vier-Sterne-General") befördert zu werden, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ist er mit Verfügung vom 11. März 2020 vom Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) nach Berlin auf eine mit B 9 dotierte Position zurückversetzt und später als Generalleutnant in den Ruhestand verabschiedet worden.


Diese Versetzung war rechtswidrig. Der 1. Wehrdienstsenat hat durch Vernehmung mehrerer hochrangiger Zeugen - insbesondere des früheren und gegenwärtigen Generalinspekteurs der Bundeswehr und des ehemaligen Staatssekretärs - die Umstände aufgeklärt, die zur Auswahl des Antragstellers zum Befehlshaber des NATO-Hauptquartiers in Brunssum geführt haben. Danach ist er im Frühjahr 2018 in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Generalleutnante nach Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des § 3 Abs. 1 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor. Der Dienstherr kann sich aber auf diesen von ihm selbst verschuldeten Formmangel im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber nicht berufen. Vielmehr muss er die Auswahlentscheidung gegen sich gelten lassen und kann den ausgewählten Bewerber, der eine Anwartschaft auf eine Beförderung erworben hat, nicht ohne Weiteres wieder auf einen Dienstposten mit geringerer Dotierungshöhe versetzen.


Die Versetzung vom März 2020 war auch nicht ausnahmsweise deswegen zulässig, weil die ursprüngliche förderliche Auswahlentscheidung im April 2019 einvernehmlich in eine reine Querversetzung abgeändert worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist damals zwar bei einem Gespräch mit der Verteidigungsministerin die Dauer der Verwendung im NATO-Hauptquartier einvernehmlich von drei Jahren auf elf Monate verkürzt worden. Hingegen ist ein Ausbleiben der Beförderung nicht besprochen worden. Eine Umwandlung der förderlichen Auswahlentscheidung in eine vorübergehende höherwertige Verwendung wurde auch nicht verfügt. Lediglich soweit der Antragsteller die Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer in seiner Versetzung nach Brunssum angegriffen hat, blieb sein Antrag ohne Erfolg.


Über die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf die von ihm beantragte Beförderung hatte, hatte der 1. Wehrdienstsenat nicht zu entscheiden. Diese Frage ist Gegenstand eines beim Verwaltungsgericht Berlin anhängigen Rechtsstreits. Die dem zugrundeliegende Aufteilung des Rechtswegs ergibt sich aus § 17 Abs. 1 WBO und § 82 Abs. 1 SG.


BVerwG 1 WB 29.21 - Beschluss vom 06. September 2022


Beschluss vom 06.09.2022 -
BVerwG 1 WB 29.21ECLI:DE:BVerwG:2022:060922B1WB29.21.0

Rückversetzung auf einen niedriger bewerteten Dienstposten nach Auswahl im Aufstiegswettbewerb

Leitsätze:

1. Ein Aufstiegsbewerber, der nach einen am Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten Auswahlverfahren für einen höherwertigen Dienstposten ausgewählt wurde, darf nicht treuwidrig allein zur Verhinderung der Beförderung auf einen niedriger bewerteten Dienstposten wegversetzt werden.

2. Verletzt der Dienstherr die ihm in Bezug auf das Auswahlverfahren für den höherwertigen Dienstposten obliegende Dokumentationspflicht, kann er sich hierauf im Rechtsstreit um die Versetzung des ausgewählten Kandidaten auf einen niedriger bewerteten Dienstposten nicht berufen.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 33 Abs. 2
    SG § 3 Abs. 1
    ZE B-1300/46

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.09.2022 - 1 WB 29.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:060922B1WB29.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 29.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2022 und 6. September 2022 durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Generalmajor Kohl und
den ehrenamtlichen Richter Brigadegeneral Zeyen
am 6. September 2022 beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass die Versetzungsverfügung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. März 2020 (Nr. ...) rechtswidrig gewesen ist.
  2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
  3. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zu 3/4 dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antrag betrifft die Verwendung des Antragstellers als Befehlshaber ...

2 Der am 20. Januar ... geborene Antragsteller war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Ende Mai 2020 Berufssoldat. ... wurde er zum Generalleutnant befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 9 eingewiesen. Zum 1. Oktober ... wurde er auf den entsprechend dotierten Dienstposten des Abteilungsleiters ... nach ... versetzt. Seit Oktober ... war er auf einem ebenfalls mit B 9 bewerteten dienstpostenähnlichen Konstrukt beim ... in ... verwendet worden.

3 Auf eine - vom damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr General A. und von Staatssekretär B. mitgezeichnete - Vorlage vom 7. Februar 2018 entschied die damalige Bundesministerin der Verteidigung am 20. Februar 2018, den Dienstposten des ... in ... ab dem 1. Februar 2019 für drei Jahre mit dem Antragsteller zu besetzen. Am 15. Mai 2019 entschied sie auf einen - ebenfalls vom Generalinspekteur und vom Staatssekretär mitgezeichneten - Vorschlag vom 30. April 2019, dass der Antragsteller die in Rede stehende Verwendung bis zum Erreichen seiner allgemeinen Altersgrenze am 31. März 2020 im temporären Dienstgrad ("Temporary Rank") General wahrnehmen und im Anschluss im Dienstgrad Generalleutnant in den Ruhestand versetzt werden solle. Sein Nachfolger in ... solle ab dem 1. April 2020 Generalleutnant C. werden.

4 Durch am 30. April 2019 ausgehändigte Verfügung vom 11. April 2019 wurde der Antragsteller zum 6. Mai 2019 auf den mit B 10 dotierten Dienstposten des Befehlshabers ... versetzt. Die Versetzungsverfügung gibt die voraussichtliche Verwendungsdauer auf dem Dienstposten mit dem 31. März 2020 an. Die Ermächtigung, in dieser Verwendung den Dienstgrad General zu führen, war ihm unter dem 17. April 2019 erteilt worden.

5 Schließlich entschied die Bundesministerin der Verteidigung am 17. Dezember 2019 - wieder nach Mitzeichnung des Generalinspekteurs und des Staatssekretärs –, dass der Antragsteller bis zum 31. Mai 2020 zum Zwecke des Expertiseerhalts für die Bundeswehr aus zwingenden dienstlichen Gründen im Dienst belassen werde und dann erst im Dienstgrad Generalleutnant in den Ruhestand treten solle. Seine als Befehlshaber ... gewonnene Expertise solle bis zu seiner Zurruhesetzung in die Erarbeitung des Themenkomplexes "Landes- und Bündnisverteidigung" einfließen und dem Generalinspekteur zur Verfügung stehen.

6 Nach Verlängerung seiner Dienstzeit bis Ende Mai 2020 wurde der Antragsteller mit Verfügung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. März 2020 auf einen mit der Besoldungsgruppe B 9 dotierten Dienstposten eines Stabsoffiziers zur besonderen Verwendung zum Kommando ... nach ... versetzt.

7 Mit Bescheid vom 16. März 2020 wurde ein Antrag des Antragstellers vom 3. Januar 2020 auf Beförderung in ein mit der Besoldungsgruppe B 10 dotiertes Statusamt abgelehnt. Ein verwaltungsgerichtliches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in dieser Sache ist erfolglos geblieben. Über die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Beförderungsantrages und einen Antrag, die Dienstgradbezeichnung General a.D. im Wege der Schadlosstellung führen zu dürfen, wurde noch nicht entschieden.

8 Gegen seine Versetzung vom 11. März 2020 und die Bestimmung der Verwendungsdauer auf dem Dienstposten in ... in der Verfügung vom 11. April 2019 hat der Antragsteller unter dem 25. März 2020 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs hat der Senat mit Beschluss vom 24. April 2020 (1 WDS-VR 3.20 ) abgelehnt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einer Stellungnahme vom 10. Juni 2021 dem Senat vorgelegt.

9 Der Antragsteller setzt das Verfahren nach seinem Dienstzeitende mit einem Feststellungsantrag fort. Zur Begründung vertieft und ergänzt er sein Vorbringen aus dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

10 Sein Rechtsschutzinteresse folge aus der Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses. Wegen der treuwidrigen Vereitelung seines Bewerbungsverfahrensanspruches habe er Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre er nach der Versetzung nach ... und der Zurruhesetzung seines Amtsvorgängers zum General befördert und daher berechtigt, die Dienstgradbezeichnung General a.D. zu führen. Die Festlegung des voraussichtlichen Enddatums seiner Versetzung nach ... in der Verfügung vom 11. April 2019 werde vorsorglich ebenfalls angegriffen.

11 Seine Versetzung zum Kommando ... entziehe ihm einen höherwertigen Dienstposten als Voraussetzung seiner Beförderung. Damit vereitele sie treuwidrig seinen Beförderungsanspruch, den er durch die Auswahl für einen förderlichen Dienstposten in einem an den Maßstäben von Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 SG ausgerichteten Auswahlverfahren erlangt habe. Er habe sich in einer Personalkonferenz des Bundesministeriums der Verteidigung nach Eignung, Leistung und Befähigung gegen drei mitbetrachtete Generalleutnante durchgesetzt. Dies könne der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, General a.D. A., bezeugen, der an der entsprechenden Personalkonferenz teilgenommen und ihm deren Ergebnis Mitte März 2018 mitgeteilt habe. Der Generalinspekteur habe ihn nach seiner Bereitschaft zur Verlängerung seiner Dienstzeit befragt, da nur dann die Auswahl auf ihn fallen könne. Selbst wenn keine formelle Personalkonferenz stattgefunden habe, seien die Entscheidungen mit deren Mitgliedern nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG abgestimmt gewesen. Bezeugen könne seine Auswahl nach Leistungskriterien auch Staatssekretär a.D. B. Die Treuwidrigkeit seiner Wegversetzung von dem höherwertigen Dienstposten ergebe sich erst recht daraus, dass sein Nachfolger in ... entgegen § 49 BHO noch im März 2020 vor Besetzung des höherwertigen Dienstpostens in die entsprechende Planstelle eingewiesen und befördert worden sei. Auch hiergegen habe er sich beschwert. Wegen seiner Bewerbung um die Beförderung zum General habe er zudem in dem Verfahren, in dem sein Nachfolger für den Dienstposten ausgewählt worden sei, einen Bewerbungsverfahrensanspruch gehabt. Auch in dem Verfahren hätte er wegen seiner durch ein überragendes Dienstzeugnis des NATO-Oberbefehlshabers über seine Tätigkeit auf dem Dienstposten ausgewiesenen Eignung und Leistung ausgewählt werden müssen. Auch insoweit bestehe ein Schadensersatzanspruch.

12 Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Versetzungsentscheidung vom 11. März 2020, mit welcher er vom ... zum Kommando ... nach ... versetzt wurde, sowie das in der Versetzungsverfügung vom 19. April 2019 enthaltene Ende seiner Verwendungsdauer rechtswidrig waren und dass er dadurch in seinen Rechten verletzt worden sei.

13 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

14 Der gegen die Angabe der Verwendungsdauer in der Versetzungsverfügung vom 11. April 2019 gerichtete Antrag sei unzulässig, da es sich um eine noch nicht anfechtbare Planungsabsicht handele.

15 Ein Auswahlverfahren nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG habe nicht stattgefunden. Der Antragsteller sei nach den Ministerialvorlagen zu der Besetzungsentscheidung als einziger Kandidat betrachtet worden. Der für die Vorlage vom 7. Februar 2018 zuständige Referatsleiter P II 2 könne bekunden, dass es sich um eine singuläre Entscheidung der damaligen Bundesministerin der Verteidigung gehandelt habe. Obwohl der damalige Generalleutnant C. aufgrund seiner Führungs- und Einsatzerfahrung bereits langfristig für den Dienstposten in ... vorgesehen gewesen sei, sei der Personalabteilung nach einer internen Leitungsabstimmung der Antragsteller als "Wunschkandidat" benannt und deshalb als einziger Kandidat vorgeschlagen worden.

16 Zu Nr. 602 Satz 1 Zentralerlass B-1300/46 (nunmehr Allgemeine Regelung AR A-1420/37) und Nr. 201, Nr. 203 ZDv A-1350/66 werde folgende amtliche Auskunft erteilt: Diese Bestimmungen seien dem Grunde nach nicht auf einen bestimmten Personenkreis oder eine bestimmte Besoldungsgruppe begrenzt und fänden aktuell wie auch zum damaligen Zeitpunkt auch auf Versetzungen ab Ebene der Besoldungsgruppe B 6 Anwendung. Für die Einzelpersonalführung der Offiziere auf B 3 und höher werde in der Praxis ab der Besoldungsebene B 6 und insbesondere auf Dienstposten der höchsten militärischen Führungsebene B 9 und B 10 häufig nicht die Regel-, sondern die Ausnahmevorschrift zur Anwendung gebracht. Versetzungen auf Dienstposten der höchsten militärischen Führungsebene unterlägen besonderen Verfahrensabläufen der Leitungsebene des Ministeriums. Sie erforderten über das Normalmaß hinausgehende Einsatzbereitschaft, Mobilität und Flexibilität sowie ein Vertrauensverhältnis zur politischen Leitung. Dies sei den Betroffenen auch bekannt. Hier sei der Antragsteller frühzeitig über das beabsichtigte Ende der Verwendung informiert gewesen. Er sei anschließend auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt der Ebene B 9 an seinem damaligen Wohnsitz verwendet worden.

17 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

18 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

19 1. Der Feststellungsantrag ist nur zulässig, soweit er die Versetzung vom 11. März 2020 betrifft.

20 a) Unzulässig ist der Feststellungsantrag, soweit er sich gegen die in der Versetzung vom 11. April 2019 enthaltene Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer wendet. Insoweit handelt es sich nicht um eine anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO, sondern um eine noch nicht in individuelle Rechte eingreifende Mitteilung einer Planungsabsicht (siehe Nr. 401 Zentralerlass B-1300/46). Dass eine Regelung noch nicht beabsichtigt war, ergibt sich bereits aus der Formulierung "voraussichtliche Verwendungsdauer". War aber bereits vor dem Dienstzeitende des Antragstellers die Information über das voraussichtliche Ende der Verwendung nicht anfechtbar, kann der Eintritt eines erledigenden Ereignisses einen unstatthaften Antrag nicht zulässig machen. Es fehlt jedenfalls an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis (§ 43 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO). Außerdem hat der Antragsteller nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dem "Kompromiss" einer Verkürzung seiner Dienstzeit in ... zugestimmt.

21 b) Im Übrigen ist der Feststellungsantrag zulässig.

22 Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, hier die Versetzung vom 11. März 2020, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO verlangt zwar nicht mehr die Stellung eines förmlichen Feststellungsantrags; der Antragsteller muss aber das Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 WB 42.09 - Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 3 m. w. N.).

23 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse an der Feststellung aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 24). Wird das Feststellungsinteresse - wie hier - auf die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für das nachfolgende Schadensersatzverfahren zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2011 - 1 WB 13.11 - Rn. 21 und vom 27. Mai 2014 - 1 WB 54.13 - juris Rn. 19, jeweils m. w. N.). Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage im Streitfall unmittelbar beim zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das - neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme überprüft.

24 Hier ist die Erledigung durch das Dienstzeitende des Antragstellers mit dem 31. Mai 2020 eingetreten, mithin nach der Stellung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung vom 25. März 2020. Anträge auf Schadlosstellung sind gestellt, noch nicht beschieden und jedenfalls nicht offensichtlich aussichtslos.

25 2. Der zulässige Antrag ist begründet.

26 a) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2002 - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m. w. N. und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus dem bis zum 15. Juni 2020 geltenden Zentralerlass (ZE) B-1300/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" ergeben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32).

27 b) Hiernach ist zunächst festzuhalten, dass nach der amtlichen Auskunft des Bundesministeriums der Verteidigung vom 23. März 2022 die Vorschriften des Zentralerlasses (ZE) B-1300/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" und der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1350/66 "Letzte Verwendung vor Zurruhesetzung" nicht auf einen bestimmten Personenkreis oder eine bestimmte Besoldungsgruppe begrenzt sind und daher auch auf Versetzungen ab der Besoldungsgruppe B 6 - wie hier - in ständiger Verwaltungspraxis Anwendung finden. Für die höchste militärische Führungsebene finden in ständiger Praxis allerdings häufig nicht die Regel-, sondern die Ausnahmeverfahren der Vorschriften Anwendung.

28 aa) Nach Nr. 201 ZE B-1300/46 können Soldaten versetzt werden, wenn ein dienstliches Bedürfnis (Nr. 202) besteht. Ein dienstliches Bedürfnis für eine Versetzung liegt regelmäßig vor, wenn ein Dienstposten zu besetzen ist (Nr. 202 Buchst. a ZE B-1300/46), der von dem Soldaten besetzte Dienstposten zur ausbildungs- und dienstgradgerechten Verwendung, zum Verwendungsaufbau und/oder zur Förderung eines anderen Soldaten benötigt wird (Nr. 202 Buchst. d ZE B-1300/46), der Soldat an einem anderen Standort unter vorübergehender Nutzung einer Planstelle zur besonderen Verwendung auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt (DPäK) verwendet werden soll (Nr. 202 Buchst. e ZE B-1300/46) oder wenn eine befristete Auslandsverwendung endet (Nr. 202 Buchst. f ZE B-1300/46).

29 Vorliegend ergibt sich das dienstliche Bedürfnis für die angegriffene Versetzung aus einer Kombination dieser Gründe: Das vorgesehene Ende der befristeten Auslandsverwendung des Antragstellers war erreicht. Auf dem Dienstposten sollte der bereits zum General beförderte Nachfolger ausbildungs- und dienstgradgerecht verwendet werden. Aus den in der Ministerialvorlage vom 18. November 2019 erläuterten Gründen sollte der Antragsteller als Stabsoffizier zur besonderen Verwendung zum Expertiseerhalt zur Verfügung des Generalinspekteurs der Bundeswehr eingesetzt werden. Dass damit ein dienstliches Bedürfnis für die Verwendung besteht, bei dessen Annahme es ohnehin auf die Einschätzung des Dienstherrn ankommt (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 1 WDS-VR 8.16 - Rn. 28 und vom 7. Juni 2018 - 1 WB 32.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 100 Rn. 28), hat der Antragsteller nicht in Abrede gestellt.

30 bb) Die Versetzung war jedoch ermessensfehlerhaft. Dem Antragsteller ist zwar weder ein Verbleib auf dem Dienstposten in ... über den 31. März 2020 hinaus noch eine Beförderung zugesichert worden. Auch folgt aus seiner Bewerbung um den Dienstposten für einen nachfolgenden Zeitraum kein Anspruch auf Verlängerung der Verwendung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2020 - 1 WDS-VR 3.20 - juris Rn. 21 f., 29). Die Versetzungsverfügung ist aber deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Antragsteller durch seine Auswahl für den mit der Besoldungsgruppe B 10 bewerteten Generalsdienstposten in einem an Eignung, Leistung und Befähigung ausgerichteten und auf die Beförderung des ausgewählten Offiziers zielenden Verfahren nicht mehr ohne dies rechtfertigende sachliche Gründe auf einem nach der Besoldungsgruppe B 9 dotierten Dienstposten eingesetzt werden durfte. In die Ermessensentscheidung ist weder die Rechtsposition eingeflossen, die der Antragsteller durch seine Auswahl erlangt hat, noch sind sachliche Gründe festgestellt und erwogen worden, die in einer Abwägung mit der Rechtsposition des Antragstellers höheres Gewicht hätten.

31 aaa) Der Dienstherr darf einen Aufstiegsbewerber, den er nach einen am Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten Auswahlverfahren für einen höherwertigen Dienstposten ausgewählt hat, nicht treuwidrig allein zur Verhinderung der Beförderung auf einen niedriger bewerteten Dienstposten wegversetzen. Mit einem Auswahlverfahren gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 SG für einen förderlichen Dienstposten ist eine Selbstbindung des Dienstherrn verbunden (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27). Der Dienstherr muss den ausgewählten Bewerber regelmäßig auf dem förderlichen Dienstposten verwenden und bereit sein, die mit der Auswahl in Aussicht gestellte Beförderung unter den im Einzelfall festgelegten oder allgemein üblichen Bedingungen durchzuführen. In der Folgezeit kann sich der Anspruch des ausgewählten Bewerbers auf fehlerfreie Ausübung des dem Dienstherrn bei Beförderungen zustehenden Ernennungsermessen im Einzelfall zu einem Anspruch auf Ernennung verdichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 2007 - 2 C 21.06 u. a. - BVerwGE 129, 272 Rn. 45). Der Dienstherr muss jedenfalls im Falle einer weiteren Versetzung das durch die Auswahl begründete Anwartschaftsrecht berücksichtigen und kann den Soldaten nicht ohne gewichtige sachliche Gründe (z.B. mangelnde Bewährung) auf einen niedriger bewerteten Dienstposten wegversetzen. Denn er darf sich seinen Pflichten aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht unter Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben entziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <374 f.>).

32 bbb) Im vorliegenden Fall liegen keine hinreichenden sachlichen Gründe für eine Versetzung auf einen geringer bewerteten Dienstposten vor.

33 (1) Der Antragsteller ist in einem an Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten Verfahren mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Ein Anhaltspunkt für eine entsprechende Organisationsgrundentscheidung liegt zwar nicht schon in dem Umstand, dass der Antragsteller auf einen mit der Besoldungsstufe B 10 bewerteten Dienstposten versetzt worden ist. Denn der Dienstherr kann - wie § 45 Abs. 1 BBesG zeigt - einen Soldaten auch durch Querversetzung zeitweise mit der Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes betrauen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2020 - 1 WDS-VR 3.20 - juris Rn. 27 f.)

34 Auch aus den aktenkundigen Ministerialvorlagen ergeben sich nicht bereits Nachweise dafür, dass der Antragsteller aufgrund eines an Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG orientierten und auf eine Beförderung des ausgewählten Kandidaten gerichteten Auswahlverfahrens auf den Dienstposten des Befehlshabers ... versetzt worden wäre. Die Vorlagen vom 30. April 2019 und vom 18. November 2019 schließen eine Beförderung des Antragstellers auf dem Dienstposten ausdrücklich aus und dokumentieren die Absicht, ihm den Dienstgrad General nur temporär führen zu lassen, ihn aber im Anschluss im Dienstgrad Generalleutnant in den Ruhestand zu versetzen. Auch die von der damaligen Bundesministerin der Verteidigung am 20. Februar 2018 gezeichnete Vorlage vom 7. Februar 2018 beweist ein an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG ausgerichtetes Auswahlverfahren noch nicht. Sie enthält zwar die Anordnung, den Antragsteller ab Februar 2019 für drei Jahre auf dem nach der Besoldungsgruppe B 10 bewerteten Dienstposten zu verwenden, äußert sich aber nicht zum vorausgegangenen Verfahren und weist nicht auf einen Leistungsvergleich mit anderen Kandidaten hin. Sie steht allerdings auch der Annahme eines entsprechenden Auswahlverfahrens nicht entgegen, da sie von einer Besetzung eines B 10 Dienstpostens für die im Rahmen der Rotation regelmäßigen dreijährigen Besetzungsdauer spricht, die üblicherweise mit einer Beförderung des Dienstposteninhabers bei Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen einhergeht.

35 (2) Dass der Entscheidung der Bundesministerin der Verteidigung vom 20. Februar 2018 eine Organisationsgrundentscheidung für einen Aufstiegswettbewerb zugrunde lag (vgl. Beschluss vom 24. April 2020 - 1 WDS-VR 3.20 - Rn. 25), in der sich der Antragsteller nach einem Vergleich von Eignung und Leistung mit anderen Offizieren durchgesetzt hatte, steht zur Überzeugung des Senats jedoch als Ergebnis der Beweisaufnahme vom 14. Juli 2022 und vom 6. September 2022 fest.

36 Diese Überzeugung gründet maßgeblich auf den Aussagen der Zeugen General a.D. A. und General D., an deren Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen. Beide Zeugen haben ausgeführt, dass im Rahmen der Vorbereitung einer Personalkonferenz 2018 für die Besetzung des Dienstpostens in ... ein aus mehreren Offizieren bestehendes Kandidatenfeld nach Eignung, Leistung und Befähigung vergleichend betrachtet worden ist. Hiernach hat sich bereits bei der Vorbereitung der Entscheidung in Einzelgesprächen des damaligen Abteilungsleiters Personal - des Zeugen General D. – mit den Mitgliedern der Personalkonferenz (Nr. 624 ZDv A-1340/23) – darunter die Zeugen General a.D. A. und Staatssekretär a.D. B. – eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers abgezeichnet, die dann der Ministerin vorgeschlagen und von dieser am 20. Februar 2018 gebilligt worden ist.

37 Der Zeuge General a.D. A. hat bekundet, dass für den Dienstposten in ... drei oder vier Kandidaten vergleichend betrachtet worden seien. Der Antragsteller sei bereits zuvor durch die Bundesrepublik Deutschland für den Posten eines Viersternegenerals als Chairman im EU-Militärausschuss vorgeschlagen worden, dort aber nicht zum Zuge gekommen. In dem europäischen Gremium habe sich letztlich Italien durchsetzen können. Ausschlaggebend für ihn seien sein Eignungs- und Leistungsprofil, seine besonderen Verdienste als Befehlshaber der KFOR-Truppen (bei der diplomatischen Krisenbewältigung im Kosovo 2010/2011), seine internationalen Erfahrungen und die vorangegangene erfolglose Bewerbung für den EU-Dienstposten gewesen. Der Zeuge General D. hat damit übereinstimmend erläutert, dass in Vorbereitung der Auswahlentscheidung insbesondere alle damaligen Inspekteure betrachtet worden seien. Für NATO-Spitzenpositionen komme es entscheidend auf Führungserfahrungen auf internationaler Ebene an. Der Antragsteller sei als der hiernach bestgeeignete Kandidat ins Auge gefasst worden. Zwei Gründe hätten ausschlaggebend für ihn gesprochen. Zum einen habe er sich im Ausbildungszentrum der NATO in ... bewährt und zum anderen sei seine Eignung für die B-10-Ebene bereits zuvor bei seiner Betrachtung für einen entsprechenden EU-Dienstposten festgestellt worden. Gegen die Auswahl des Antragstellers habe zwar zunächst dessen bevorstehendes Dienstzeitende gesprochen. Dieses Problem sei aber durch die Zustimmung des Antragstellers zu einer Dienstzeitverlängerung gelöst worden. Im Vergleich mit General C. habe der Antragsteller über eine breitere und längere ministerielle Erfahrung verfügt. Dies sei bedeutsam, weil der in Rede stehende Dienstposten besondere Anforderungen im strategisch-politischen Bereich stelle. Nachdem hierüber Einvernehmen unter den an den Gesprächen beteiligten Mitgliedern der Personalkonferenz erzielt worden sei, sei die Einzelvorlage vom 7. Februar 2018 auf Anweisung wohl des Staatssekretärs B. erstellt worden. Der Ministerin sei das abgestimmte Ergebnis vorgelegt worden. Es habe sich 2018 um eine förderliche Auswahlentscheidung gehandelt und keine Überlegungen gegeben, den Antragsteller nicht zu befördern.

38 Die Aussagen der Zeugen Brigadegeneral E. und Staatssekretär a.D. B. widersprechen diesem Ergebnis nicht. Sie bestätigen es jedenfalls partiell. Der Zeuge Brigadegeneral E. war an den Einzelgesprächen, deren Ergebnis die Erstellung der Einzelvorlage vom 7. Februar 2018 war, nicht beteiligt. Er hat aber bestätigt, dass die Anweisung zur Erstellung dieser Vorlage als Ergebnis entsprechender Gespräche über den damaligen Abteilungsleiter Personal, den Zeugen General D., übermittelt wurde. Der Zeuge hat auch bestätigt, dass zumindest ein Vergleich mit General C. der Entscheidung für den Antragsteller vorausgegangen war. Denn nach seinen Angaben war auf der vom Zeugen vertretenen Arbeitsebene zunächst General C. für den Dienstposten präferiert, dies aber im Ergebnis der Einzelgespräche geändert worden. Trotz erheblicher Erinnerungslücken konnte der Zeuge Staatssekretär a.D. B. jedenfalls bestätigen, dass in Vorbereitung der Entscheidung vom Februar 2018 neben dem Antragsteller mehrere Kandidaten, darunter auch General C., betrachtet worden waren. Dass er sich im Einzelnen nicht mehr genau an die für den Vergleich maßgeblichen Aspekte und die mit der Auswahl verbundenen Beförderungsabsichten erinnern konnte, widerlegt die präzisen Angaben der Zeugen General a.D. A. und General D. zum Ablauf des Verfahrens nicht.

39 Die Angaben der Zeugen A. und D. finden eine Bestätigung auch in einem, vom Bundesministerium der Verteidigung mit Schriftsatz vom 25. August 2022 vorgelegten für die Personalkonferenz I-2018 erstellten Dokument zum "Ring 7 NATO-COM ...****". Denn dort wird für die Nachfolge des italienischen Generals F. der Antragsteller dem damaligen Inspekteur des Heeres, damals Generalleutnant C., gegenübergestellt. Der Antragsteller ist in dieser Darstellung durch einen Umkreis hervorgehoben und nur für ihn ist mit dem damaligen Generalmajor G. ein Nachfolger in seiner damaligen Funktion vorgeschlagen. Auch dieses Schaubild weist aus, dass jedenfalls ein Vergleich zwischen dem Antragsteller und General C. stattgefunden hat, in dem sich der Antragsteller durchsetzen konnte.

40 Entgegen der Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Vergleich nach Eignung und Leistung mit anderen Kandidaten nicht in der Einzelvorlage vom 7. Februar 2018 aufgeführt ist, nicht, dass die Entscheidung der Ministerin ohne einen solchen Vergleich erfolgt wäre. Die Einzelvorlage ist das Ergebnis eines Auswahlprozesses, dessen Gründe mit der Ministerin erörtert worden sind und den sich die Ministerin durch ihre Zustimmung zu dem so erarbeiteten Vorschlag zu eigen gemacht hat.

41 (3) Zwar sind weder die Organisationsgrundentscheidung noch die Aspekte hinreichend dokumentiert, die in der vergleichenden Betrachtung rechtfertigten, dem Antragsteller den Vorzug vor anderen Kandidaten zu geben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2022 - 1 WB 40.21 - NVwZ 2022, 889 Rn. 27 ff.). Die sich hieraus ergebende formelle Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung mag zwar in einem Konkurrentenstreitverfahren um die Verwendung auf dem höherwertigen Dienstposten zu einem Erfolg des unterlegenen Kandidaten führen. Sie kann aber nicht vom Dienstherrn den sich aus der Auswahlentscheidung ergebenden Ansprüchen des ausgewählten Bewerbers entgegengehalten werden. Denn das Dokumentationserfordernis dient dem Schutz der Rechte unterlegener Mitbewerber, die auf der Grundlage einer vollständigen Dokumentation der Gründe der für sie nachteiligen Entscheidung, deren Rechtmäßigkeit überprüfen und zur Überprüfung eines Wehrdienstgerichts stellen können müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 35 f. und vom 24. Februar 2022 - 1 WB 40.21 - NVwZ 2022, 889 Rn. 34). Verletzt der Dienstherr die ihm obliegende Dokumentationspflicht, kann er diesen von ihm selbst verschuldeten Mangel nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht gegenüber dem ausgewählten Bewerber geltend machen, um sich seinen Pflichten aus dem Auswahlverfahren zu entziehen. Folglich darf er sich hierauf im Rechtsstreit um die Versetzung des ausgewählten Kandidaten auf einen niedriger bewerteten Dienstposten nicht berufen.

42 (4) Die Beweisaufnahme hat des Weiteren ergeben, dass sich der Antragsteller weder ausdrücklich noch konkludent vor seinem Dienstantritt in ... mit einer Abänderung der Auswahlentscheidung und einer Querversetzung mit vorübergehend höherwertiger Verwendung einverstanden erklärt hatte. Insbesondere hat er nicht auf seine Rechtsposition aus der Auswahlentscheidung verzichtet. Zwar wurde durch die Ministerialvorlage vom 30. April 2019 von der damaligen Verteidigungsministerin entschieden, den Antragsteller nur noch bis zu seiner allgemeinen Altersgrenze für weniger als ein Jahr auf dem NATO-Befehlshaber-Dienstposten zu verwenden und nicht zu befördern. Daran wurde auch in der Ministerialvorlage vom 18. November 2019 festgehalten.

43 Diese Entscheidung erfolgte jedoch nicht einvernehmlich. Sie wurde vor dem Hintergrund getroffen, dass der Antragsteller als Leiter der ... in die sogenannte Berater-Affäre verwickelt war. In seiner Abteilung war es zu einer umfangreichen Inanspruchnahme von externen Beratungsdienstleistungen ohne korrekte Prüfung der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Vergabeverfahren gekommen (vgl. BT-Drs. 19/22400 S. 580-584). Nach den vom Bundesministerium der Verteidigung durchgeführten internen Ermittlungen war der Antragsteller an der Vergabeentscheidung jedoch nicht maßgeblich beteiligt, sodass ihm kein disziplinarrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden konnte. Seiner bereits 2018 beschlossenen förderlichen Verwendung auf dem Generalsdienstposten stand folglich keine disziplinarrechtliche Vorbelastung entgegen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2021 - 1 WB 20.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 112). Da der Antragsteller aber mit dem Inhaber des Beratungsunternehmens persönlich befreundet und Taufpate von dessen Kindern war (BT-Drs. 19/22400 S. 281 f., 577), bestanden erhebliche politische Bedenken gegen seine Verwendung und Beförderung auf dem Generalsdienstposten. Zudem war ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zusammengetreten, von dem der Antragsteller vernommen wurde und dessen Bewertung der Vorgänge offen war.

44 Vor diesem Hintergrund wurde nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen der Dienstantritt des Antragstellers in ... um mehrere Monate hinausgezögert. Die Bundesministerin der Verteidigung stand vor der Alternative, den Antragsteller aus politischen Gründen in den Ruhestand zu verabschieden (vgl. dazu § 50 Abs. 1 SG) oder ihn wie geplant zu verwenden. Nach Angaben des Antragstellers fanden dazu drei Krisengespräche zwischen ihm, der Ministerin und dem damaligen Personalabteilungsleiter General D. statt. Der Zeuge General D., an dessen Glaubwürdigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen, konnte sich nur an das aus seiner Sicht entscheidende Krisengespräch vom 4. April 2019 erinnern, das kooperativ geführt worden sei und in dem man sich auf den Kompromiss geeinigt habe, den Antragsteller jetzt nicht in den Ruhestand zu verabschieden, aber auch nur bis zu seinem regulären Dienstzeitende auf dem Generalsdienstposten in ... zu verwenden.

45 Dabei sei allen Beteiligten klar gewesen, dass der Antragsteller schon aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht sofort befördert werden konnte. Denn es gab nur eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 10 für Generalsverwendungen auf internationaler Ebene, die bis zum September 2019 noch durch Admiral H. besetzt war. Ebenso bestand nach Angaben von General D. Einvernehmen darüber, dass der Antragsteller - wie international üblich - ab seinem Dienstantritt vorübergehend die Befugnis erhalten sollte, den Dienstgrad eines Generals zu führen (Temporary Rank). Dass die Beförderung nicht nur bis zum Freiwerden der Planstelle verzögert, sondern ganz unterbleiben sollte, war hingegen nicht Gegenstand des am 4. April 2019 erzielten Kompromisses. Insofern stimmen die Angaben des Antragstellers und die Aussagen des neutralen und glaubwürdigen Zeugen General D. überein. Der Zeuge konnte sich auch daran erinnern, nach dem Gespräch mit der Ministerin den Antragsteller darauf hingewiesen zu haben, dass die Beförderung zum General aufgrund der Verkürzung der Dienstzeit nicht mehr pensionswirksam werden würde.

46 Die einvernehmliche Einigung bestand somit nach der Überzeugung des Gerichts in einer Verkürzung der "Stehzeit" des Antragstellers in ..., deren Folge die fehlende Pensionswirksamkeit einer nach Freiwerden der Haushaltsstelle möglichen Beförderung des Antragstellers gewesen wäre. Hierauf hatte sich der Antragsteller zumindest konkludent eingelassen. Dass er vor dem Antritt seines Dienstes in ... auch ausdrücklich oder konkludent seiner Rückführung in die Ebene B 9 vor der Versetzung in den Ruhestand zugestimmt hätte, ist hingegen nicht feststellbar.

47 (5) Dementsprechend bestand die aufgrund des Auswahlverfahrens erworbene Anwartschaft des Antragstellers auf eine Beförderung fort. Ob sich diese Rechtsposition auf ermessensfehlerfreie Ausübung des Ernennungsermessens zu einem Anspruch auf Beförderung verdichten konnte, ist nicht Gegenstand des wehrdienstgerichtlichen Verfahrens. Die Frage ist voraussichtlich in dem bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Schadlosstellung zu klären. Die fortbestehende Anwartschaft auf eine Beförderung stand jedenfalls der hier streitgegenständlichen Versetzungsverfügung vom 11. März 2020 auf einen Dienstposten zur besonderen Verwendung der Besoldungsgruppe B 9 entgegen. Diese Versetzung auf einen niedriger bewerteten Dienstposten war ermessensfehlerhaft, weil sie die vom Antragsteller erworbene Rechtsposition nicht berücksichtigt. Sachliche Gründe, die dies rechtfertigen könnten, sind nicht angeführt worden und nicht ersichtlich.

48 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.