Beschluss vom 07.03.2023 -
BVerwG 4 BN 32.22ECLI:DE:BVerwG:2023:070323B4BN32.22.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 07.03.2023 - 4 BN 32.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:070323B4BN32.22.0]
Beschluss
BVerwG 4 BN 32.22
- OVG Münster - 17.08.2020 - AZ: 2 D 25/18.NE
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. März 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Decker
beschlossen:
- Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. August 2020 wird zurückgewiesen.
- Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
2 Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan Nr. V 19 "Holtkamp neu" und die 1. (ergänzte) Änderung dieses Bebauungsplans (im Folgenden: "Bebauungsplan") für unwirksam erklärt. Der Bebauungsplan weise in Bezug auf die Festsetzung der Lärmemissionskontingente erhebliche Mängel auf. Unabhängig hiervon leide auch die Abwägungsentscheidung an mehreren, jeweils für sich genommen durchgreifenden Abwägungsfehlern. Diese beträfen die innere Gliederung des Plangebiets durch Emissionskontingente, den Verstoß gegen das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung hinsichtlich der äußeren Erschließung des Plangebiets, die unzureichende Bewältigung des Spannungsverhältnisses zwischen Angebotsbebauungsplan und konkretem Projektbezug sowie die in diesem Zusammenhang unzureichende Zusammenstellung des Abwägungsmaterials.
3 Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2022 - 4 BN 7.22 - juris Rn. 4 m. w. N.). Jedenfalls in Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Bebauungsplan sei wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Konfliktbewältigung abwägungsfehlerhaft, ist die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt.
4 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2022 - 4 B 6.22 - juris Rn. 5 m. w. N.). Daran fehlt es hier.
5
Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,
wann im Hinblick auf die Verlagerung der Erschließung auf späteres Verwaltungshandeln das Gebot der Konfliktbewältigung eingehalten ist und ob dem Gebot der Konfliktbewältigung ausschließlich dann Genüge getan ist, wenn bereits in einem Planfeststellungsverfahren Planunterlagen im Anhörungsverfahren ausgelegt worden sind.
6 Die erste Teilfrage führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie zu unbestimmt formuliert ist. Denn sie verlangt für eine Vielzahl gedachter Fallkonstellationen Antworten und könnte deshalb unabhängig von den tatsächlichen Umständen des zu entscheidenden Rechtsstreits nur im Stil eines Kommentars beantwortet werden. Das ist jedoch nicht Ziel eines Revisionsverfahrens (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 28. April 2020 - 4 B 39.19 - ZfBR 2020, 680 Rn. 15 und vom 12. Juni 2018 - 4 BN 28.17 - juris Rn. 13). Die zweite Teilfrage, die wohl mit Blick auf den Beschluss des Senats vom 14. Juli 1994 - 4 NB 25.94 - (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75 S. 11 f.) formuliert wurde, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen; sie geht am angefochtenen Urteil vorbei. Das Oberverwaltungsgericht hat einen unzulässigen Konflikttransfer nicht deshalb angenommen, weil ein etwaiges vom Träger der Straßenbaulast für die L 778 (Landesbetrieb NRW) hinsichtlich des für die Erschließung des Baugebiets erforderlichen Ausbaus der Landesstraße und die Errichtung eines "Knotens" zur H. Straße, für erforderlich gehaltenes Planfeststellungsverfahren noch nicht einen bestimmten Verfahrensstand erreicht habe. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass sich angesichts der langjährigen und fundamentalen Differenzen zwischen der Antragsgegnerin und dem Landesbetrieb NRW über die Zufahrt zum Baugebiet nicht erschließe, wie die Antragsgegnerin darauf meinte vertrauen zu können, die Problematik der im Bebauungsplan nicht geregelten äußeren Erschließung werde sich im Anschluss an das Bebauungsplanverfahren lösen lassen (UA S. 92). Jedenfalls das wohl insoweit ins Auge gefasste Baugenehmigungsverfahren sei hierfür ein untaugliches Instrument, denn in diesem sei die Frage der äußeren Erschließung des gesamten Gewerbegebiets nicht klärungsfähig.
7 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.