Beschluss vom 11.07.2023 -
BVerwG 5 PB 6.23ECLI:DE:BVerwG:2023:110723B5PB6.23.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 11.07.2023 - 5 PB 6.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:110723B5PB6.23.0]
Beschluss
BVerwG 5 PB 6.23
- VG Berlin - 21.06.2022 - AZ: 71 K 9/20 PVB
- OVG Berlin-Brandenburg - 01.02.2023 - AZ: 62 PV 6/22
In der Personalvertretungssache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juli 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - vom 1. Februar 2023 wird verworfen.
Gründe
1 1. Die auf den Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung gestützte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes (§ 108 Abs. 2 BPersVG i. V. m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) nicht genügt.
2 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der nach § 108 Abs. 2 BPersVG entsprechend anwendbaren Regelung des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Nach § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG ist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit darzulegen. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2014 - 5 PB 1.14 - juris Rn. 4 und vom 25. Mai 2016 - 5 PB 21.15 - juris Rn. 10 m. w. N.). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit sich die Vorinstanz mit der von der Beschwerde als grundsätzlich angesehenen Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtlich Bedeutung haben können. In der Begründung ist auch substantiiert aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. September 2018 - 5 PB 8.18 - juris Rn. 3 m. w. N.). Ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts selbstständig tragend auf mehrere Gründe gestützt, kann die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes Begründungsstranges ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 19. November 2019 - 5 PB 6.19 - juris Rn. 7 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde mit der von ihr aufgeworfenen Frage und der dazu vorgebrachten Begründung nicht.
3
Die Beschwerde zeigt die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage,
"Bewirkt die Korrektur einer durch Erlass angeordneten Verwaltungspraxis, aufgrund derer Ruhepausen auf die Arbeitszeit angerechnet werden, im Hinblick auf eine elektronische Arbeitszeiterfassung eine wesentliche Änderung einer vorhandenen technischen Einrichtung?",
nicht auf. Die Frage bezieht sich auf den in der Vorinstanz erfolglos verfolgten Hilfsantrag, der darauf gerichtet war festzustellen, dass die Beteiligte mit der Inkraftsetzung des Erlasses vom 8. Juli 2019 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, verletzt habe. Das Oberverwaltungsgericht hat das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestandes auf mehrere jeweils selbstständig tragende Gründe gestützt. Der von der Beschwerde allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung bezieht sich indessen schon nach dem Wortlaut der formulierten Frage ("eine wesentliche Änderung einer vorhandenen technischen Einrichtung") nur auf einen Begründungsstrang des Oberverwaltungsgerichts. Gleiches gilt für die zur Begründung der erhobenen Grundsatzrüge gemachten Ausführungen der Beschwerde. Auch diese gehen allein darauf ein, dass das Oberverwaltungsgericht das Eingreifen des Mitbestimmungstatbestandes verneint habe, weil der in Bezug genommene Erlass keine wesentliche Änderung einer vorhandenen und mitbestimmten technischen Überwachungseinrichtung darstelle. Damit zeigt die Beschwerde die Entscheidungserheblichkeit der formulierten Frage nicht auf. Denn das Oberverwaltungsgericht hat das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des in Anspruch genommenen Mitbestimmungstatbestandes abgesehen von der fehlenden wesentlichen Änderung einer vorhandenen und mitbestimmten technischen Einrichtung noch jeweils selbstständig tragend ("Unabhängig davon [...]") auf drei weitere Gründe gestützt, welche die Beschwerde nicht thematisiert und gegen die sie keine durchgreifenden Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorbringt. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung zunächst damit begründet, dass der fragliche Erlass den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a. F. nicht berühre, weil er schon keine Regelung zur Nutzung technischer Einrichtungen treffe, insbesondere keine Anordnung gegenüber dem Bundespolizeipräsidium beinhalte, wie die Beachtung des Gesetzes zu erfolgen habe. Werde den nachgeordneten Dienststellenleitungen überlassen, wie sie die Einhaltung des Gesetzes in der Auslegung der Beteiligten sicherstellten, dann unterläge deren Entscheidung zur Änderung einer technischen Überwachungseinrichtung möglicherweise der Mitbestimmung durch die dafür zuständige Personalvertretung. Des Weiteren hat das Oberverwaltungsgericht die mangelnde Mitbestimmungsrelevanz des Erlasses mit fehlender Überwachungseignung begründet, weil die dort thematisierte "Abwesenheit vom Dienst" angesichts der Mannigfaltigkeit von Abwesenheitsgründen keine Rückschlüsse auf Verhalten oder Leistung der Beschäftigten erlaube. Schließlich hat es darauf abgestellt, dass die richtige Anwendung einer gesetzlichen Arbeitszeitbestimmung in einem vorhandenen elektronischen Arbeitszeiterfassungssystem nach dem Vorbehalt in § 75 Abs. 3 BPersVG a. F. der Mitbestimmung entzogen sei. Mit den letzten drei - jeweils selbstständig tragenden - Begründungen des Oberverwaltungsgerichts befasst sich die Beschwerde nicht bzw. nicht hinreichend.
4 2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 108 Abs. 2 BPersVG i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.