Beschluss vom 13.09.2022 -
BVerwG 5 B 1.22ECLI:DE:BVerwG:2022:130922B5B1.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.09.2022 - 5 B 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:130922B5B1.22.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 1.22

  • VG Stuttgart - 28.02.2019 - AZ: VG 9 K 99/18
  • VGH Mannheim - 19.10.2021 - AZ: 2 S 483/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. September 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2021 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die Beschwerde den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) nicht gerecht wird und deshalb unzulässig ist.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. April 2012 - 5 B 58.11 - juris Rn. 2 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m. w. N.). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Revision rechtlich Bedeutung haben könnten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 5 B 40.18 - juris Rn. 3 m. w. N.). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 a) Die Beschwerde hält zunächst die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob sich die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht auch auf die betrieblichen Sozialeinrichtungen des (ursprünglichen) Dienstherrn, insbes. auch auf die Aufgabenbereiche der freiwilligen (Zusatz-)Leistungen - hier: freiwillige Krankenversicherungen -, [erstreckt]."

5 Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde genügt schon deshalb nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt wird, aus welchem Grund der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die beklagte Postbeamtenkrankenkasse treffe gegenüber den ehemaligen Postbeamten keine Fürsorgepflicht im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, nicht zu folgen ist.

6 Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 11) verweist insoweit auf seine ständige Rechtsprechung. Danach obliegt die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gegenüber früheren Postbeamten in Krankheitsfällen weiterhin der Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrn. Zur Begründung wird in den vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidungen ausgeführt, die Kassenleistungen der Beklagten, die als Sozialeinrichtung der früheren Deutschen Bundespost eine freiwillige Krankenversicherung anbiete, stellten zusätzliche Leistungen dar (VGH Mannheim, Urteil vom 19. März 1996 - 4 S 2188/95 - juris Rn. 23 und Beschluss vom 12. Oktober 2006 - 4 S 2548/05 - juris Rn. 3). Die freiwillige Krankenversicherung bei der Beklagten betreffe allgemein nichts anderes als eine zur ergänzenden Selbstvorsorge abgeschlossene Krankenversicherung. Für die Annahme einer eigenen, der Beklagten gegenüber ihren Mitgliedern aus dem Mitgliederverhältnis erwachsenden Fürsorgepflicht fehle es an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage (VGH Mannheim, Urteil vom 19. März 1996 - 4 S 2188/95 - juris Rn. 23 und Beschluss vom 12. Oktober 2006 - 4 S 2548/05 - juris Rn. 3) bzw. bestehe vor diesem Hintergrund grundsätzlich kein Anlass (VGH Mannheim, Urteil vom 11. März 2010 - 10 S 3090/08 - juris Rn. 33). Die Beschwerde setzt sich - was erforderlich gewesen wäre - mit dieser Rechtsprechung nicht hinreichend auseinander. Sie tritt der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs nicht ausreichend entgegen. Hierzu genügt ihr pauschaler Verweis auf § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost - Bundesanstalt-Post-Gesetz vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 3372) nicht. Die Beschwerde erläutert nicht, dass sich aus diesen Vorschriften sowie den von ihnen in Bezug genommenen Normen eine Fürsorgepflicht der Beklagten (insbesondere hinsichtlich ihrer zusätzlichen Satzungsleistungen) herleiten lasse, die (auch) die Einbehaltung der Beiträge zur beihilfeergänzenden Kranken- und Pflegeversicherung von den Bezügen des Klägers beinhalte.

7 b) Die Beschwerde hält außerdem die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob die betrieblichen Sozialeinrichtungen bei einer ihnen bekannten Sachlage einen eventuellen Verstoß des Dienstherrn gegen beamtenrechtliche Treuepflichten bei ihrer Sachentscheidung zu berücksichtigen haben (mittelbare Drittwirkung von beamtenrechtlichen Treue- und Fürsorgepflichten)."

8 Mit dieser Frage und dem weiteren diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerde wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache deshalb nicht ordnungsgemäß dargetan, weil nicht aufgezeigt wird, dass und inwieweit sich diese Frage für den Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend gestellt hat und sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte.

9 Der Verwaltungsgerichtshof geht - anders als von der Beschwerde in der Frage im Sinne einer Prämisse vorausgesetzt - weder ausdrücklich noch der Sache nach davon aus, dass der Dienstherr, das heißt die Bundesrepublik Deutschland, die ihm obliegende Fürsorgepflicht (eventuell) verletzt habe. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage hat der Verwaltungsgerichtshof nicht behandelt. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann aber regelmäßig und so auch hier mangels Klärungsfähigkeit nicht die Zulassung der Revision zur Folge haben (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2022 - 5 BN 3.21 - juris Rn. 5 m. w. N.).

10 Eine Ausnahme hiervon greift nicht ein, weil die Beschwerde jedenfalls nicht schlüssig darlegt, dass sich die Frage trotz der fehlenden Befassung durch die Vorinstanz in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich stellen wird und als Grundsatzfrage vom Revisionsgericht zu klären wäre. Allein mit ihrem Vorbringen, die Beiträge für die beklagte Postbeamtenkrankenkasse seien in der Regel unmittelbar von den Bezügen einbehalten worden, um den Krankenversicherungsschutz für den Beamten beispielsweise bei Vorliegen von Gehaltspfändungen zu erhalten, wird dies nicht aufgezeigt. Vielmehr fehlt es an einer auch nur annähernd hinreichenden Grundlage für die pauschale Behauptung der Beschwerde, es gebe in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation im Zusammenhang mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wären und deren höchstrichterliche Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint.

11 2. Ein Grund, der die Zulassung der Revision gegen die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen kann, ist schließlich auch nicht aufgezeigt, soweit die Beschwerde geltend macht, es sei "bisher auch nicht berücksichtigt worden, ob sich aus den verschiedenen Änderungen der Satzung der Beklagten ggfs. eine unmittelbare Fürsorgepflicht herleiten lässt." Die Beschwerde benennt insoweit keinen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO und legt dementsprechend - auch bei wohlwollender Auslegung ihres Vorbringens - nicht die Voraussetzungen eines solchen Grundes in hinreichender Weise dar.

12 3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

13 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

14 5. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.