Beschluss vom 22.12.2021 -
BVerwG 1 B 70.21ECLI:DE:BVerwG:2021:221221B1B70.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.12.2021 - 1 B 70.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:221221B1B70.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 70.21

  • VG Münster - 02.02.2021 - AZ: 2 K 73/19.A
  • OVG Münster - 02.08.2021 - AZ: OVG 14 A 522/21.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Dezember 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. August 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der mit der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 1.1 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds erstrecken.

4 1.2 Nach diesen Grundsätzen ist die Revision nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Frage zuzulassen,
"A) Ist syrischen Männern, die den Wehrdienst verweigert haben, unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 19.11.2020 (C-238/19), die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weil ihnen vom syrischen Regime, das ihnen eine oppositionellen Haltung zugeschrieben wird, eine Verfolgung droht?",
weil es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Frage fehlt.

5 a) Die Klägerin, für deren Ehemann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Beklagten (Bundesamt) mit Bescheid vom 26. Juli 2016 die Flüchtlingseigenschaft festgestellt und der das Bundesamt mit Bescheid vom 30. November 2018 subsidiären Schutz zuerkannt hat, begehrt die Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft. Für die Frage, ob sie wegen ihr in eigener Person drohender Gefahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine für den Flüchtlingsschutz erhebliche Verfolgung zu befürchten hat, ist die aufgeworfene Frage schon nicht entscheidungserheblich. Der Klägerin, die selbst nicht den Wehrdienst verweigert oder sich diesem entzogen hat, drohen nach den nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen und Bewertungen, bei (hypothetischer) Rückkehr nach Syrien solche Gefahren weder deswegen, weil sie Syrien illegal verlassen habe, noch als "sippenhaftähnliche" Verfolgung, weil ihrem Ehemann und ihren Kindern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist; in Bezug auf die Wehrdienstentziehung ihres Ehemannes geht das Berufungsgericht davon aus, dass für Wehrdienstentzieher, die sich dem Wehrdienst in Syrien durch Flucht in das Ausland entzogen haben, schon keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung besteht und es auch für eine Anknüpfung an eine dem Wehrdienstentzieher unterstellte regimefeindliche Gesinnung keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gebe. Auch soweit nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG beachtliche Verfolgungshandlungen drohten und diese Regelung auf Fälle bloßer Wehrdienstentziehung durch Flucht anwendbar sein sollte, lasse sich insoweit weder die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung oder Bestrafung noch die notwendige Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund feststellen.

6 b) Die von der Beschwerde nicht näher bezeichneten Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -) zur Zuschreibung einer oppositionellen Haltung durch das syrische Regime (Frage A.) sind hiernach deswegen nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht für den für seine Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt offenkundig Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt hat, die von jenen abweichen, die der Gerichtshof der Europäischen Union herangezogen hat. Der Gerichtshof hat zudem nicht mit Bindungswirkung - und unabhängig von einer Veränderung der tatsächlichen Verfolgungslage - für die nationalen Gerichte festgestellt, dass Wehrdienstentzieher bei Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nach Art und Schwere eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung zu besorgen haben. Er hat vielmehr die rechtlichen Maßstäbe entfaltet, nach denen die Gefahr von Verfolgungshandlungen sowie die Verknüpfung mit flüchtlingsrechtlich erheblichen Verfolgungsgründen zu beurteilen ist, hat insoweit auch eine starke Vermutung dafür gesehen, dass die Verweigerung des Militärdienstes unter den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95/EU genannten Voraussetzungen mit einem der fünf in Art. 10 dieser Richtlinie aufgezählten Gründe in Zusammenhang stehe, dann aber betont, dass es Sache der zuständigen nationalen Behörden ist, in Anbetracht sämtlicher in Rede stehender Umstände die Plausibilität dieser Verknüpfung zu prüfen. Eine tatsächliche Bindung der nationalen Behörden und Gerichte an eine bestimmte tatrichterliche Bewertung der Verfolgungssituation enthält dies nicht (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2021 - 1 B 2.21 - NVwZ-RR 2021, 687).

7 c) Eine grundsätzliche Bedeutung durch den Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -) ist auch nicht mit Blick darauf dargelegt, dass der Senat u.a. durch Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 B 26.21 (1 C 21.21 ) - die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen hat,
"welche Anforderungen an die Annahme einer 'starken Vermutung' (EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 - RN. 57) für eine Verknüpfung zwischen der Verweigerung des Militärdienstes unter den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG) genannten Voraussetzungen mit einem der in Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU (§ 3a Abs. 3 i.V.m. § 3b AsylG) genannten Verfolgungsgründe - sowie deren Widerlegung - zu stellen sind und welche Bedeutung einer solchen 'starken Vermutung' im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) zukommt."

8 Denn diese Frage setzt die - hier vom Berufungsgericht gerade verneinte - beachtliche Wahrscheinlichkeit einer an die Wehrdienstentziehung anknüpfenden Verfolgungshandlung (hier: in Bezug zunächst auf den Ehemann der Klägerin) voraus und bezieht sich allein auf die Verknüpfung zu einem Verfolgungsgrund.

9 1.3. Die Frage vermeintlich grundsätzlicher Bedeutung,
"B) Sind die Verwaltungsgerichte für die Beantwortung der Frage, ob der/dem Angehörigen eines Mannes, der sich dem Wehrdienst in seinem Herkunftsland entzieht, eine sippenähnliche Verfolgung droht, an die bestandskräftige Feststellung der asylbegründenden Verfolgung durch das Bundesamt zu Gunsten dieses Mannes gebunden?",
führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie schon keine abstrakt-generell klärungsfähige Rechtsfrage bezeichnet und im Übrigen in der gestellten Form nicht klärungsbedürftig ist.

10 Diese Frage verknüpft die Frage, ob es bei Personen, denen wegen Wehrdienstentziehung eine bestimmt zu qualifizierende Verfolgung droht, mit der - durch die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorentschiedenen, nach den tatsächlichen Verhältnissen im Verfolgungsstaat zu beurteilenden - Frage, ob daraus auch folgt, dass engen Familienangehörigen aus diesem Grund eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht; allein die Tatsache einer bestandskräftigen Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für die wehrdienstentziehende Person besagt hierzu für sich allein nichts. Keiner Klärung bedürftig ist, dass die Tatsache einer bestandskräftigen Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (Tatbestandswirkung) auch insoweit, als es die diese tragenden rechtlichen und tatsächlichen Bewertung betrifft, allzumal dann weder nach § 43 VwVfG noch nach § 6 AsylG Bindungswirkung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht für ein Schutzbegehren eines Dritten wegen diesem selbst drohender Verfolgung entfaltet (und sei es das Schutzbegehren eines Ehegatten), wenn sich die für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkte deutlich unterscheiden. Unmittelbar aus § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG folgte, dass die (Tatsache der) Bestandskraft der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft wegen an eine Wehrdienstentziehung anknüpfender Verfolgungshandlungen für den Ehemann der Klägerin bei der Anwendung des § 26 Abs. 1 AsylG die Verwaltungsgerichte bindet.

11 1.4 Die Frage schließlich
"C) Ist es mit dem aus Art. 6 GG gebotenen Schutz der Ehe und Familie und mit Art. 23 der Richtlinie 2011/95/EU vereinbar, § 26 Abs. 3 AsylG so anzuwenden, dass den Eltern eines minderjährigen Asylberechtigten dann kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht, wenn das asylberechtigte Kind sein Asylrecht bereits seinerseits von einem anderen Familienmitglied abgeleitet hat?"
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der entstandenen Rechtsprechung ohne Weiteres verneinend beantworten lässt (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - juris Rn. 2 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).

12 Der Senat hat in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2021 (1 B 35.21 ) zu einer vergleichbaren Frage ausgeführt:
"a) Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG ist auf Familienangehörige im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG von international Schutzberechtigten § 26 Abs. 1 bis 4 AsylG entsprechend anzuwenden. Nach § 26 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 AsylG tritt an die Stelle der Asylberechtigung die Flüchtlingseigenschaft. Dementsprechend wird gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 AsylG dem Ehegatten eines Flüchtlings und nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Flüchtlings unter den in dieser Bestimmung im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG gilt § 26 Abs. 2 und 3 AsylG nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG als Flüchtling anerkannt worden ist. Danach können Angehörige der Kernfamilie Flüchtlingsschutz nur von einer Person ableiten, welcher die Flüchtlingseigenschaft wegen ihnen selbst drohender Verfolgung ('aus eigenem Recht') und nicht ihrerseits kraft Ableitung zuerkannt worden ist. Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 26 AsylG bestätigen dieses Ergebnis.
Der Begriff des Asylberechtigten im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG stellt in § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG darauf ab, dass für die Vermittlung des Familienasyls an einen 'Asylberechtigten' anzuknüpfen ist, der 'politisch verfolgt wird'. Dieser Begriff des Asylberechtigten liegt auch § 26 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 und Satz 2 AsylG zugrunde, soweit darin auf die Person Bezug genommen wird, von der der Schutz abgeleitet wird (so auch bereits zur früheren Rechtslage BVerwG, Urteil vom 16. August 1993 - 9 C 7.93 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 163 S. 390 f.). Dass § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG als Stammberechtigten allein eine Person erfasst, welcher die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus nicht ihrerseits kraft Ableitung zuerkannt worden ist, wird nach dem Sinn und Zweck der Regelung bestätigt, nach dem die Erstreckung der Schutzberechtigung auf die Begründung eines einheitlichen Rechtsstatus innerhalb der Familie und auf die Schaffung eines gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status für die engsten Familienangehörigen des Schutzberechtigten zielt. Sie trägt damit der Tatsache Rechnung, dass bei Familienangehörigen häufig eine vergleichbare Bedrohungslage wie bei dem Schutzberechtigten selbst vorliegen wird (in diesem Sinne auch Erwägungsgrund 36 RL 2011/95/EU; vgl. auch BT-Drs. 17/13063 S. 21, BT-Drs. 15/420 S. 109 und BR-Drs. 22/03 S. 260 f.; ferner bereits BVerwG, Urteile vom 25. Juni 1991 - 9 C 48.91 - BVerwGE 88, 326 <330> und vom 16. August 1993 - 9 C 7.93 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 163 S. 391; im Ergebnis ebenso Blechinger, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand 1. Mai 2021, § 26 AsylG Rn. 56; Epple, in: Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, Stand Oktober 2021, § 26 AsylG Rn. 77; Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2021, § 26 AsylG Rn. 39 f.; Schröder, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 26 AsylVfG Rn. 30; Vogt/Nestler, in: Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, § 26 AsylG Rn. 3; Günther, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1. Oktober 2021, § 26 AsylG Rn. 22 f. und 26; weitergehend Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 26 AsylG Rn. 7).
Dass internationaler Familienschutz nur von einem 'aus eigenem Recht' Schutzberechtigten abzuleiten ist, bestätigt (lediglich klarstellend) § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG, der an einen 'Ausländer' anknüpft, 'der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist'. Die Regelung zielt eindeutig darauf, Ableitungsketten auszuschließen, ohne Familienangehörigen des Schutzberechtigten die Möglichkeit zu nehmen, einen Asylantrag auf eigene Verfolgungsgründe zu stützen (BT-Drs. 17/13063 S. 21; in diesem Sinne auch OVG Schleswig, Beschluss vom 17. Februar 2021 - 5 LA 28/21 - juris Rn. 5; im Ergebnis ebenso VGH München, Urteil vom 26. April 2018 - 20 B 18.30332 - juris Rn. 28 f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 4. Mai 2021 - 6 Bf 313/20.AZ - InfAuslR 2021, 316 <318 f.>; OVG Münster, Urteil vom 24. Juni 2020 - 14 A 4681/19.A - juris Rn. 42 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. März 2019 - 2 A 7/18 - juris Rn. 23).
b) Der Ausschluss von 'Ableitungsketten' steht auch im Einklang mit Verfassungs- und Unionsrecht.
Weder aus Art. 16a Abs. 1 GG noch aus Art. 6 Abs. 1 GG kann abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Angehörigen von Familienschutzberechtigten, die in ihrer Person keine politische Verfolgung erlitten haben und denen auch keine politische Verfolgung droht, den gleichen Status zuzubilligen wie dem Familienschutzberechtigten selbst (BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 389.94 - Buchholz 402.25 § 26 AsylVfG Nr. 2 S. 4 m.w.N.).
Unionsrecht gebietet ebenfalls nicht, für das sog. Familienasyl als Stammberechtigte Personen zuzulassen, die nicht aus eigenem Recht schutzberechtigt sind. Die Zuerkennung eines Schutzstatus, wie sie das sog. 'Familienasyl' nach nationalem Recht in § 26 AsylG unabhängig von einer Verfolgung in eigener Person vorsieht, ist unionsrechtlich lediglich grundsätzlich nach Art. 3 RL 2011/95/EU möglich, aber nicht unionsrechtlich geboten (BVerwG, Urteil vom 25. November 2021 - 1 C 4.21 -).
Allerdings dient § 26 AsylG nach dem Willen des Gesetzgebers auch der unionsrechtlich überschießenden asylrechtlichen Umsetzung der Vorgaben des Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU (BVerwG, Urteil vom 17. November 2020 - 1 C 8.19 - BVerwGE 170, 326 Rn. 26). Diese Regelung gibt den Mitgliedstaaten allein auf, ihr nationales Recht so anzupassen, dass die in Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU aufgeführten Familienangehörigen des Schutzberechtigten bestimmte Vorteile genießen, die der in Art. 23 Abs. 1 RL 2011/95/EU vorgegebenen Aufrechterhaltung des Familienverbands dienen (EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​801], Ahmedbekova und Ahmedbekov - Rn. 67 f. und vom 9. November 2021 - C-91/20 [ECLI:​EU:​C:​2021:​898], LW - Rn. 36; BVerwG, Urteil vom 25. November 2021 - 1 C 4.21 - Rn. 14). § 26 AsylG trifft im Einklang mit Art. 3 RL 2011/95/EU hierfür eine günstigere nationale Regelung zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder als Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat (BVerwG, Urteil vom 25. November 2021 - 1 C 4.21 - Rn. 15 ff.). Der nationale Gesetzgeber kann indes in dem durch Art. 3 RL 2011/95/EU gezogenen Rahmen darüber befinden, unter welchen Voraussetzungen er internationalen Familienschutz - unabhängig von einer Verfolgung 'aus eigenem Recht' - zuerkennt, um die Einheit der Kernfamilie des Flüchtlings durch die Herbeiführung der Einheit des schutzrechtlichen Status zu realisieren; er ist namentlich unionsrechtlich (und auch nach Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verpflichtet, internationalen Familienschutz unabhängig von einer Verfolgung der stammberechtigten Personen aus eigenem Recht zuzuerkennen. Erfüllt der Familienangehörige diese Voraussetzungen nicht, so ist durch den nationalen Gesetzgeber lediglich im Ergebnis sicherzustellen, dass dieser die in den Art. 24 bis 35 RL 2011/95/EU genannten und in Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU gewährleisteten Leistungen erhält; dies kann auch ohne die Zuerkennung eines (abgeleiteten) Schutzstatus erfolgen. Anderes folgt auch nicht aus der von der Beschwerde herangezogenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Schutz der Kernfamilie international Schutzberechtigter, die zu anderen Normen bzw. Fallkonstellationen ergangen ist und auch sonst keinen greifbaren Anhalt für ein unionsrechtliches Gebot eines voraussetzungslosen Familienasyls enthält.
c) Auch die Einwendungen der Beschwerde gegen die obergerichtliche Rechtsprechung, welche einhellig die Gewährung von abgeleitetem Schutz nach § 26 AsylG von einem Familienangehörigen, der selbst nur über § 26 AsylG Schutz erhalten hat, über den ausdrücklich geregelten Fall der Ableitung zugunsten eines Kindes hinaus auch für andere Familienangehörige ausschließt, weisen auch in Ansehung vereinzelter abweichender erstinstanzgerichtlicher Judikate nicht auf - gar neuerlichen oder weitergehenden - revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf. Denn sie vernachlässigen die vorstehenden Erkenntnisse; die Berufung auf eine Literaturmeinung (Berlit, Aktuelle Rechtsprechung zum Flüchtlingsrecht 2018/19, NVwZ-Extra 8/2020, 21) gründet auf einer klaren Fehlinterpretation des Rechtsprechungsberichts."

13 Hieran hält der Senat auch für das vorliegende Verfahren fest.

14 2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen, weil ein solcher schon nicht hinreichend dargelegt ist.

15 a) Das Beschwerdevorbringen macht geltend (und legt dies im Einzelnen dar), dass das Berufungsgericht die von dem Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 - aufgestellten Grundsätze zum Bestehen einer Verknüpfung zwischen den in Art. 2 Buchst. d und Art. 10 dieser Richtlinie genannten Gründen und der Strafverfolgung oder Bestrafung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95/EU und der dort aufgestellten starken Vermutung dafür, dass die Verweigerung des Militärdienstes unter den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen mit einem der fünf in Art. 10 dieser Richtlinie aufgezählten Gründe in Zusammenhang steht, nicht beachtet habe.

16 b) Dieses Vorbringen legt die Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers nicht dar. Denn es vernachlässigt, dass das Berufungsgericht, ohne insoweit an eine tatsächliche Bewertung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebunden zu sein (s.o.), aufgrund der ihm obliegenden Feststellung und Würdigung des Sachverhalts bereits eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür verneint hat, dass es zu einer im Sinne des Art. 9 Abs. 1 und 2 RL 2011/95/EU bzw. § 3a Abs. 1 und 2 AsylG beachtlichen Verfolgungshandlung kommt, sodass sich die Frage der Verknüpfung (Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU; § 3a Abs. 3 AsylG) einer - nicht beachtlich drohenden - Verfolgung mit einem der in Art. 10 RL 2011/95/EU bzw. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe und der hierbei anzuwendenden Beweisgrundsätze bereits im Ansatz nicht stellte.

17 Dass das Berufungsgericht insoweit - wie die Berufung u.a. auf sein Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A - erhellt - mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für an eine dem Wehrdienstentzieher unterstellte regimefeindliche Gesinnung anknüpfende Verfolgung auch den erforderlichen Konnex verneint (und insoweit die "starke Vermutung" als widerlegt erachtet) hat, ist eine weitere, selbständig tragende Begründung. Ist die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so hat sich das Zulassungsbegehren mit jeder dieser Begründungen substantiiert auseinanderzusetzen und für jede der Begründungen einen Revisionszulassungsgrund darzulegen (BVerwG, Beschlüsse vom 17. September 2013 - 5 B 60.13 - juris Rn. 2 m.w.N., vom 26. Juni 2014 - 1 B 5.14 - Buchholz 402.242 § 81 AufenthG Nr. 3 und vom 17. September 2018 - 1 B 45.18 -).

18 c) Aus diesen Gründen wäre die Revision auch dann nicht zuzulassen, wenn das Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen wäre, dass insoweit eine Abweichung von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der indes nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten "divergenzfähigen" Gerichten gehört, oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hätte geltend gemacht werden sollen.

19 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

20 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.