Beschluss vom 28.12.2022 -
BVerwG 5 BN 1.22ECLI:DE:BVerwG:2022:281222B5BN1.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.12.2022 - 5 BN 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:281222B5BN1.22.0]

Beschluss

BVerwG 5 BN 1.22

  • OVG Berlin-Brandenburg - 09.11.2021 - AZ: 6 A 3/20

In der Normenkontrollsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Dezember 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. November 2021 wird verworfen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde, mit welcher die Antragsgegnerin begehrt, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision aufzuheben und die Revision zuzulassen, soweit Ziffer 15 der Richtlinie zur Förderung der Kindertagespflege in der Stadt Cottbus/Chóśebuz vom 2. April 2019 im Hinblick auf die Förderungsleistung für unwirksam erklärt wird, hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, weil sie die Grundsatzbedeutung nicht hinreichend im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegt.

2 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 8. Mai 2018 - 5 B 18.18 - juris Rn. 3). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. April 2012 - 5 B 58.11 - juris Rn. 2 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m. w. N.). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

3 Die Beschwerde hält folgende Fragen für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig:
"Überschreitet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Grenzen des ihm bei der Festlegung eines leistungsgerechten Betrages zur Anerkennung der Förderleistungen von Tagespflegepersonen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2a Satz 2 und 3 SGB VIII eingeräumten Beurteilungsspielraums, wenn er sich im Hinblick auf Tagespflegepersonen mit pädagogischer Ausbildung am durchschnittlichen tariflichen Nettoeinkommen für im öffentlichen Dienst beschäftigte Erzieherinnen und Erzieher in Kindertageseinrichtungen mit pädagogischer Ausbildung und im Hinblick auf Tagespflegepersonen ohne pädagogische Ausbildung an dem durchschnittlichen tariflichen Nettoeinkommen für im öffentlichen Dienst beschäftigte Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger in Kindertageseinrichtungen orientiert?"
"Muss die vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2a Satz 2 und 3 SGB VIII festgelegte Höhe der Anerkennungsbeträge der Qualifikation von Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 Abs. 3 SGB VIII dergestalt Rechnung tragen, dass sich bei einer nach der Qualifikation differenzierenden Festlegung die Anerkennungsbeträge für Tagespflegepersonen mit pädagogischer Ausbildung bzw. ohne pädagogische Ausbildung am durchschnittlichen tariflichen Bruttoeinkommen für im öffentlichen Dienst beschäftigte Erzieherinnen und Erzieher in Kindertageseinrichtungen mit pädagogischer Ausbildung bzw. dem durchschnittlichen tariflichen Bruttoeinkommen für im öffentlichen Dienst beschäftigte Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger in Kindertageseinrichtungen orientiert?"
"Überschreitet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Grenzen des ihm nach § 23 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2a Satz 2 SGB VIII zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Ausgestaltung eines leistungsgerechten Betrages zur Anerkennung der Förderungsleistungen allein deshalb, weil zwischen dem von ihm festgelegten Anerkennungsbetrag für Tagespflegepersonen mit pädagogischer Ausbildung und dem tariflichen Bruttoeinkommen für im öffentlichen Dienst angestellte Erzieherinnen und Erzieher in Kindertageseinrichtungen mit pädagogischer Ausbildung bzw. zwischen dem von ihm festgelegten Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistungen für Tagespflegepersonen ohne pädagogische Ausbildung und dem tariflichen Bruttoeinkommen für im öffentlichen Dienst angestellte Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger in Kindertageseinrichtungen der Höhe nach ein erheblicher Unterschied besteht?"

4 Mit dem Aufwerfen dieser Fragen und ihrem Vorbringen, warum sie diese für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält, legt die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht hinreichend dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dabei kann offenbleiben, ob sich die aufgeworfenen Fragen dem Oberverwaltungsgericht in dieser abstrakten bzw. pauschalen Form gestellt haben und dementsprechend auch dem Revisionsgericht stellen würden, sodass eine Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung bereits unter diesem Gesichtspunkt mangels Entscheidungserheblichkeit der für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Fragen nicht in Betracht käme (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2022 - 5 BN 3.21 - juris Rn. 5 m. w. N.). Offenbleiben kann ebenfalls, ob sich die genannte "Richtlinie" der Antragsgegnerin - wie das Oberverwaltungsgericht annimmt und worauf die Beschwerde nicht eingeht - als im Wege der Normenkontrolle angreifbare Rechtsvorschrift im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO darstellt, obgleich es sich dabei weder um eine Rechtsverordnung noch um eine landesrechtliche Satzung handelt, und die aufgeworfenen Fragen deshalb nicht in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnten, weil bereits die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags zu verneinen wäre. Denn die Zulassung der Revision scheitert jedenfalls aus anderen Gründen. Die Beschwerde genügt nämlich deshalb nicht den Begründungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil sie nicht darlegt, aus welchen Gründen nicht der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, sondern stattdessen der den aufgeworfenen Fragen zugrundeliegenden Rechtsauffassungen zu folgen ist.

5 Das Oberverwaltungsgericht führt dazu unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung aus, nach der Rechtsprechung des Senats liege es nahe, die Vergütung der Kindertagespflegepersonen, die über eine pädagogische Ausbildung verfügen, mit der tariflichen Vergütung der ebenfalls pädagogisch ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher zu vergleichen, da die Tätigkeit von Tagespflegepersonen, die fremde Kinder in ihrem Haushalt oder in anderen geeigneten Räumen betreuen und fördern, und die Tätigkeit der genannten Personengruppen, die diese Leistungen in Kindertageseinrichtungen erbringen, vergleichbar seien. Dies trage zudem der allgemeinen Zielsetzung des § 23 SGB VIII Rechnung, die Kindertagespflege als gleichrangiges alternatives Förderungsangebot neben den Tageseinrichtungen zu profilieren. Eine Förderungsleistung für Tagespflegepersonen mit pädagogischer Ausbildung, die knapp 40 % hinter dem Tarifentgelt für eine Erzieherin bzw. einen Erzieher zurückbleibe, könne jedoch in dem hier maßgeblichen Betrachtungszeitraum nicht mehr als leistungsgerecht angesehen werden, zumal der Bundesgesetzgeber bereits im Jahr 2008 eine "mittelfristige" Anpassung des Einkommens der Tagespflegepersonen an ein auskömmliches Einkommen angestrebt habe. Auch die von der Antragsgegnerin für Tagespflegepersonen ohne pädagogische Ausbildung festgelegten Förderungsleistungen hielten einem Vergleich mit der tariflichen Vergütung von im öffentlichen Dienst beschäftigten sogenannten Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern, die auch als Sozialassistenten oder Sozialhelfer bezeichnet werden, nicht Stand. Das Bruttojahresgehalt einer Tagespflegeperson ohne pädagogische Ausbildung liege ungefähr 29 % unter der tariflichen Vergütung einer Kinderhelferin bzw. eines Kinderhelfers.

6 Die Beschwerde nimmt zwar auf die in diesen Ausführungen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden und deshalb für das Revisionsgericht bindend wären, Bezug und nennt auch vom Oberverwaltungsgericht angeführte rechtliche Gründe. Sie setzt sich aber mit dessen rechtlicher Begründung nicht substantiiert auseinander und bringt keine Gründe vor, warum die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts fehlerhaft und nicht ihr, sondern stattdessen der den aufgeworfenen Fragen zugrundeliegenden Rechtsauffassungen zu folgen sei. Damit wird sie - ohne dass es darauf ankäme, ob die Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis einer revisionsgerichtlichen Überprüfung standhalten könnte - den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.

7 2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

8 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.