Beschluss vom 29.09.2025 -
BVerwG 2 B 33.25ECLI:DE:BVerwG:2025:290925B2B33.25.0

Leitsätze:

1. Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird mit "Beschwerde" grundsätzlich hinreichend eindeutig bezeichnet.

2. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht schon darin, dass das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen von der erstinstanzlichen Entscheidung abweicht.

3. Zulässiges Verteidigungsverhalten wird nicht unter Verstoß gegen den "nemo-tenetur-Grundsatz" zulasten des Beamten gewürdigt, wenn es bei der Prüfung entlastender Umstände Berücksichtigung findet.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 103 Abs. 1
    LDG NRW § 65 Abs. 1 Satz 1
    VwGO § 108 Abs. 2, § 128 und § 133 Abs. 2 Satz 1

  • VG Düsseldorf - 28.10.2021 - AZ: 31 K 5575/19.O
    OVG Münster - 19.03.2025 - AZ: 31 A 3241/21.O

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.09.2025 - 2 B 33.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:290925B2B33.25.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 33.25

  • VG Düsseldorf - 28.10.2021 - AZ: 31 K 5575/19.O
  • OVG Münster - 19.03.2025 - AZ: 31 A 3241/21.O

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 29. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hissnauer beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. März 2025 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Rechtsstreit betrifft ein beamtenrechtliches Disziplinarklageverfahren.

2 1. Der 19.. geborene Beklagte stand bis zu seiner Abberufung im Januar 2014 als Technischer Beigeordneter (Besoldungsgruppe B 3) im Dienst der Klägerin. Seit April 20.. befindet er sich im Ruhestand.

3 Mit Urteil vom November 2013 verurteilte das Landgericht Düsseldorf den Beklagten wegen Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 120 €. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom Oktober 2014 als unbegründet. Der Verurteilung lag nach den strafgerichtlichen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass ein verschiedentlich auch für die Klägerin tätiges Unternehmen zwischen Mai und Anfang September 2008 verschiedene Heizungs- und Sanitärarbeiten am Haus des Beklagten erledigte und dem Beklagten hierfür einen nicht marktüblichen Nachlass in Höhe von 25 % gewährte. Dabei erkannte der Beklagte anhand der Umstände des Vertragsschlusses, der wenig aussagekräftigen Angebote und spätestens anhand der durch den Geschäftsführer des Unternehmens ausgestellten Rechnung, dass ihm aufgrund seiner Stellung als Baudezernent ein Nachlass gewährt wurde, der jedenfalls auch auf "allgemeine Klimapflege" gerichtet war, und nahm diesen an. Ihm war dabei klar, dass er auf einen Nachlass in dieser Höhe keinen Rechtsanspruch hatte.

4 Ein bereits zuvor eingeleitetes und aus Anlass des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgesetztes Disziplinarverfahren setzte die Klägerin nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens fort und erhob im Juli 2019 Disziplinarklage.

5 Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten mit Urteil vom Oktober 2021 das Ruhegehalt aberkannt. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht mit Urteil vom März 2025 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Beklagte habe sich aufgrund des durch das Landgericht Düsseldorf bindend festgestellten Verhaltens eines sehr schwerwiegenden innerdienstlichen Dienstvergehens schuldig gemacht, das nach Art und Schwere die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme erfordere. "Anerkannte" Milderungsgründe oder sonstige entlastende Gesichtspunkte von Gewicht, die die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme möglich erscheinen ließen, lägen nicht vor. Der Beklagte habe durch sein Fehlverhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit vollständig verloren.

6 2. Die auf alle Zulassungsgründe (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig (a)), aber unbegründet (b)).

7 a) Die Beschwerde ist zulässig, weil die Prozessbevollmächtigte des Beklagten innerhalb der Frist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt hat.

8 Hierbei ist unschädlich, dass sie das Rechtsmittel nicht - wie allgemein üblich - explizit als "Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision", sondern lediglich als "Beschwerde" bezeichnet hat. Denn das Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung der Revision in einer Entscheidung des Berufungsgerichts wird mit "Beschwerde" grundsätzlich hinreichend eindeutig bezeichnet. Weder gibt das Gesetz zwingend eine weitergehende Bezeichnung vor (vgl. § 133 VwGO) noch lässt sich eine solche aus der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsgerichts entnehmen.

9 b) Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

10 aa) Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 67 Satz 1 LDG NRW i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

11 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9, vom 24. April 2017 - 1 B 70.17 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 68 Rn. 3, vom 18. Dezember 2024 - 2 B 21.24 - juris Rn. 10 und vom 16. Juli 2025 - 2 B 20.25 - juris Rn. 31).

12 (1) Die von der Beschwerde als klärungsbedürftig angesehene Frage,
ob die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme - hier die Aberkennung des Ruhegehalts - auch dann verhältnismäßig und mit Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist, wenn dem Beamten lediglich ein einmaliger, wirtschaftlich begrenzter Pflichtverstoß zur Last gelegt wird, für den er bereits strafrechtlich mit einer Geldstrafe belegt wurde und Wiederholungsgefahr eindeutig nicht besteht,
führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden könnte. Die Beschwerde wendet sich in der Sache gegen die nach Maßgabe des § 13 LDG NRW vorzunehmende Bestimmung der Disziplinarmaßnahme durch das Gericht. Diese Bemessung ist aber stets eine Frage der Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls und entzieht sich damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. April 2020 - 2 B 3.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 73 Rn. 20, vom 23. Januar 2024 - 2 B 25.23 - juris Rn. 14, vom 7. August 2024 - 2 B 10.24 - juris Rn. 14 und vom 4. März 2025 - 2 B 42.24 - juris Rn. 12).

13 Ungeachtet dessen nimmt die Beschwerde nicht in den Blick, dass eine im konkreten Fall im Wege der Strafzumessung ausgesprochene Strafe allein strafrechtliche Relevanz hat und ihr eine weitergehende, die disziplinare Maßnahmebemessung begrenzende Indizwirkung nicht zukommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juni 2025 - 2 B 3.25 - juris Rn. 10 und vom 22. Juli 2025 - 2 B 8.25 - juris Rn. 12).

14 Überdies ist für die Frage der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums aufgrund der vom Gesetzgeber in § 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW angeordneten fiktiven Vergleichsbetrachtung ohne Belang, dass ein Ruhestandsbeamter von der Dienstverpflichtung befreit und eine Beeinträchtigung des Dienstbetriebs folglich ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2024 - 2 C 16.23 - BVerwGE 183, 332 Rn. 57; Beschlüsse vom 7. Mai 2025 - 2 B 38.24 - juris Rn. 7 und vom 16. Juli 2025 - 2 B 20.25 - juris Rn. 37). Daher kommt entgegen der Auffassung der Beschwerde dem Umstand, dass bei Ruhestandsbeamten eine Pflichtverletzung im Dienst ausscheidet, mithin eine "Wiederholungsgefahr" zu verneinen ist, keine rechtliche Bedeutung zu.

15 (2) Auch die weitere aufgeworfene Frage,
ob eine pauschale Bezugnahme auf "Vertrauensverlust" und die "besondere Vertrauensstellung" eines Wahlbeamten als Begründung für die Aberkennung des Ruhegehalts ausreicht, ohne dass eine individualisierte Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Schadenseintritt erfolgt,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig im Sinne des Berufungsgerichts beantwortet werden kann.

16 Die sich nach Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten anschließende prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter, daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und auf dessen konkret ausgeübte Funktion. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Umstände bekannt würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn besteht nicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260>, vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 56, vom 16. Juni 2020 - 2 C 12.19 - BVerwGE 168, 254 Rn. 38, vom 2. März 2023 - 2 A 19.21 - NVwZ-RR 2023, 916 Rn. 44 und vom 1. Februar 2024 - 2 A 7.23 - NVwZ 2024, 926 Rn. 32; Beschluss vom 12. Juni 2025 - 2 B 3.25 - juris Rn. 15).

17 Von diesem rechtlichen Maßstab hat sich auch das Berufungsgericht erkennbar leiten lassen und eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Würdigung vorgenommen. Demgegenüber verkennt die Beschwerde nicht nur, dass das Berufungsgericht gerade nicht auf die "besondere Vertrauensstellung eines Wahlbeamten" abgestellt, sondern dessen herausgehobene Amtsstellung als solche betont hat, und sich zudem - wenn auch nicht mit dem vom Beklagten erhofften Ergebnis - mit der Vergleichbarkeit in Bezug auf andere von ihm entschiedene Verfahren befasst hat (vgl. UA S. 34 f.).

18 Soweit die Beschwerde darüber hinaus rügt, das Berufungsgericht habe nicht die individuelle Belastung der Verwaltung, den Reputationsschaden und den tatsächlichen Schadenseintritt bewertet, wendet sie sich in der Art eines zulassungsfreien bzw. zugelassenen Rechtsmittels (erneut) gegen die konkrete Bemessungsentscheidung des Berufungsgerichts. Dies genügt den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

19 bb) Die Beschwerde legt keine Verfahrensmängel dar, auf denen die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 67 Satz 1 LDG NRW i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ein mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 108 Abs. 2 VwGO) nicht zu vereinbarendes Überraschungsurteil liegt nicht vor.

20 Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 3 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 108 Abs. 2 VwGO soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Jedoch verlangt der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung, dass das Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 2022 - 2 BvR 2222/21 - NJW 2022, 3413 Rn. 28; BVerwG, Beschlüsse vom 11. Juli 2022 - 2 B 31.21 - juris Rn. 29 f., vom 13. Mai 2024 - 2 B 4.24 - NVwZ-RR 2024, 815 Rn. 15 und vom 16. Juli 2025 - 2 B 20.25 - juris Rn. 24).

21 Ausgehend hiervon liegt ein Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht vor.

22 (1) Mit dem Einwand, das Berufungsgericht habe wesentliche entlastende Aspekte zugunsten des Beklagten nicht berücksichtigt, indem es die Bedeutung der Selbstanzeige unter Hinweis auf die vermeintlich zwingend bevorstehende Aufdeckung durch andere "entwertet" habe, wird ein Gehörsverstoß nicht dargetan. In der Sache wendet sich die Beschwerde lediglich gegen die abweichende Würdigung des Berufungsgerichts im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Selbstanzeige (vgl. UA S. 35 f.) und damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Hiermit lässt sich ein Gehörsverstoß indes nicht begründen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juni 2023 - 1 VR 2.23 - juris Rn. 4, vom 27. Februar 2024 - 10 B 12.23 - juris Rn. 28 und vom 26. Juni 2024 - 8 B 18.23 - juris Rn. 7).

23 (2) Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt auch nicht deshalb vor, weil das Berufungsgericht ohne vorherigen Hinweis das Verhalten des Beklagten anders gewertet hat als das Verwaltungsgericht.

24 Aufgabe des Berufungsgerichts ist es, den Streitfall (innerhalb des Berufungsantrags) im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht zu prüfen (vgl. § 128 VwGO); es ist zweite Tatsacheninstanz und als solche verpflichtet, den Sachverhalt eigenständig zu würdigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 2014 - 3 B 26.13 - juris Rn. 5). Dies beinhaltet nach § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW die Verpflichtung des Berufungsgerichts, sich eine eigenständige Überzeugung vom Nachweis des Dienstvergehens und der Gesamtheit der bemessungsrelevanten Umstände zu bilden und eine eigenständige Bemessungsentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 2 C 12.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 53 Rn. 33; Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 2 B 86.11 - juris Rn. 7 und vom 15. Juni 2020 - 2 B 30.19 - Buchholz 303 § 412 ZPO Nr. 14 Rn. 35).

25 Treten keine besonderen Umstände hinzu, darf ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter deshalb nicht darauf vertrauen, das Berufungsgericht werde von dem Urteil der Vorinstanz nicht abweichen. Das rechtliche Gehör ist daher nicht schon dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe nicht im Einklang mit denen der Vorinstanz stehen. Berechtigte Erwartungen der Prozessbeteiligten werden vielmehr erst dann enttäuscht, wenn das Berufungsurteil auf Gründe gestützt wird, mit denen nach dem Sach- und Streitstand des Berufungsverfahrens nicht zu rechnen war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 2014 - 3 B 26.13 - juris Rn. 5). Solche Umstände werden von der Beschwerde nicht dargetan.

26 (3) Zu Unrecht geht die Beschwerde davon aus, das Berufungsgericht habe das Verteidigungsverhalten des Beklagten zu dessen Nachteil gewertet und hierdurch sowohl den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt als auch gegen den "nemo tenetur" Grundsatz verstoßen.

27 Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Beamte sein Verhalten im Disziplinarverfahren an den Grenzen des zulässigen Verteidigungsverhaltens im Strafverfahren orientieren. Ohne dass dies für den Beamten nachteilig gewertet werden darf, kann der Beamte die Tat bestreiten und auch ihren Unrechtsgehalt negieren oder relativieren (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 52, vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 39 Rn. 21 und vom 14. Dezember 2017 - 2 C 12.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 53 Rn. 18; Beschlüsse vom 20. November 2012 - 2 B 56.12 - juris Rn. 8, vom 10. Dezember 2014 - 2 B 75.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 28 Rn. 10, vom 5. Mai 2015 - 2 B 32.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 30 Rn. 30 und vom 16. März 2017 - 2 B 42.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 40 Rn. 26).

28 Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht jedoch nicht zulässiges Verteidigungsverhalten zu Lasten des Beklagten gewertet. Vielmehr hat es im Rahmen der Prüfung entlastender Umstände ("strafbefreiende Selbstanzeige") geprüft, inwieweit den Bekundungen des Beklagten gegenüber dem Bürgermeister der Klägerin zu seiner Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen mildernde Wirkung beigemessen werden kann. Dabei hat es u. a. darauf abgestellt, dass der Beklagte den Nachlass in Höhe von 25 % für die Tätigkeit des Unternehmens an seinem Neubauvorhaben mit verschiedenen Gründen als nicht amtsbezogen habe rechtfertigen wollen und - trotz erfolgloser Anrufung des Bundesgerichtshofs - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Begehung einer Vorteilsannahme erneut bestritten hat (vgl. UA S. 35 f.). Damit hat es jedoch nur die entlastende Wirkung des geprüften Sachverhaltskomplexes relativiert, nicht aber zulässiges Verteidigungsverhalten zulasten des Beklagten gewürdigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2017 - 2 B 42.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 40 Rn. 27).

29 cc) Die Revision ist auch nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

30 Eine die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründende "Abweichung" liegt nur vor, wenn zwischen den Gerichten ein grundsätzlicher Meinungsunterschied hinsichtlich der die Rechtsanwendung im Einzelfall bestimmenden Maßstäbe besteht. Die Divergenzrüge setzt deshalb die Darlegung eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds über den Bedeutungsgehalt eines im konkreten Rechtsstreit erheblichen Rechtssatzes voraus. Die bloße Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Das Revisionszulassungsrecht kennt - anders als die Vorschriften über die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3, vom 14. Dezember 2023 - 2 B 45.22 - NVwZ-RR 2024, 519 Rn. 16, vom 18. Dezember 2024 - 2 B 21.24 - juris Rn. 7 und vom 16. Juli 2025 - 2 B 20.25 - juris Rn. 41).

31 Die von der Beschwerde behauptete Divergenz zwischen der angegriffenen berufungsgerichtlichen Entscheidung und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht nicht.

32 (1) In Konsequenz aus Vorstehendem (vgl. 2. b) bb) (3)) ergibt sich, dass das Berufungsgericht bezogen auf die Berücksichtigungsfähigkeit zulässigen Verteidigungsverhaltens eines Beamten zu dessen Lasten keinen, von der Rechtsprechung des Senats abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat.

33 (2) Die von der Beschwerde behauptete Divergenz des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Senats zur Abgrenzung von inner- und außerdienstlichem Dienstvergehen liegt ebenso wenig vor.

34 Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG (vgl. auch § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) begehen Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Außerhalb des Dienstes ist die Pflichtverletzung nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG (vgl. auch § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) nur dann ein Dienstvergehen, wenn die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlicher Pflichtverletzung beruht dabei nicht auf der formalen Zuordnung in räumlicher oder zeitlicher Beziehung zur Dienstausübung. Das wesentliche Unterscheidungselement ist vielmehr funktionaler Natur. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit. Besteht eine derartige funktionale Verknüpfung, kommt es nicht darauf an, ob das Dienstvergehen innerhalb oder außerhalb der Dienstzeit begangen wird. Ist eine solche Einordnung nicht möglich - insbesondere, wenn sich das Handeln als das Verhalten einer Privatperson darstellt –, ist es als außerdienstliches (Fehl-)Verhalten zu qualifizieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2024 - 2 A 7.23 - NVwZ 2024, 926 Rn. 27 m. w. N.; Beschluss vom 9. Dezember 2024 - 2 B 9.24 - ZBR 2025, 132 Rn. 10).

35 Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat das Berufungsgericht nicht aufgestellt. Mit dem Einwand, die mit der Tätigkeit des Unternehmens verbundene "Klimapflege" habe "nicht direkt" dem Beklagten gegolten, weshalb ein direkter Bezug zu dessen Amt nicht vorgelegen habe, wendet sich die Beschwerde lediglich gegen die - aus ihrer Sicht fehlerhafte - Rechtsanwendung im Einzelfall, mit der sich eine Divergenzrüge nicht begründen lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2025 - 2 B 20.25 - juris Rn. 47). Überdies nimmt die Beschwerde nicht zur Kenntnis, dass, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat (vgl. UA S. 32), dem Vorbringen des Beklagten die anderslautenden bindenden Feststellungen des Landgerichts entgegenstehen, wonach der Beklagte "erkannte (...), dass ihm aufgrund seiner Stellung als Baudezernent ein Nachlass gewährt wurde, der jedenfalls auch auf 'allgemeine Klimapflege' gerichtet war, und nahm diesen an" (vgl. UA S. 11).

36 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Werts des Streitgegenstands bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.