Verfahrensinformation

Dreigleisiger Ausbau der Eisenbahnstrecke Oberhausen - Emmerich - Grenze NL (Planfeststellungsabschnitt 1.4)


Die Kläger - der Eigentümer eines Wohngrundstücks, das in Teilen für das Vorhaben in Anspruch genommen werden soll, und die Stadt Voerde (Landkreis Wesel) - wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 25. November 2019 zum Ausbau der Eisenbahnstrecke 2270 Oberhausen Hbf - Emmerich - Grenze NL von Bahn-km 16,394 bis 21,100. Die im betreffenden Abschnitt durch das Stadtgebiet von Voerde führende zweigleisige Strecke soll insbesondere um ein drittes Streckengleis ergänzt und mit Lärmschutzwänden versehen werden. Die Ausbaustrecke ist Teil des europäischen Güterverkehrskorridors Rotterdam - Genua.


Der klagende Grundstückseigentümer hält den Eingriff in sein Eigentumsrecht wegen Abwägungsmängeln für nicht gerechtfertigt. Zudem seien die signifikant erhöhten Unfallrisiken sowie die Anforderungen an den Brand- und Katastrophenschutz nicht hinreichend ermittelt und bewertet worden.


Die Stadt Voerde lehnt insbesondere den ersatzlosen Wegfall eines Bahnübergangs ab und rügt Defizite des Planfeststellungsbeschlusses beim Lärm- und Erschütterungsschutz, hinsichtlich der Gestaltung der Lärmschutzwände sowie bei der Umsetzung des vereinbarten Sicherheitskonzepts.


Pressemitteilung Nr. 42/2021 vom 23.06.2021

Klagen gegen den Ausbau der Eisenbahnstrecke Oberhausen - Emmerich im Bereich Voerde erfolglos

Der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 25. November 2019 zum Ausbau der Eisenbahnstrecke 2270 Oberhausen Hbf - Emmerich - Grenze NL (Planfeststellungsabschnitt 1.4) ist rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die im betreffenden Abschnitt durch das Stadtgebiet von Voerde (Landkreis Wesel) verlaufende zweigleisige Eisenbahnstrecke soll insbesondere um ein drittes Streckengleis ergänzt und mit Lärmschutzwänden versehen werden. Die Ausbaustrecke ist Teil des europäischen Güterverkehrskorridors Rotterdam - Genua.


Die beim erst- und letztinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht erhobenen Klagen eines enteignungsbetroffenen Anliegers sowie der Stadt Voerde blieben erfolglos. Die Inanspruchnahme von Randflächen eines Wohngrundstücks für das Vorhaben ist verhältnismäßig. Weitergehender Risikoanalysen zu Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß konkreter Unfallszenarien - namentlich mit Blick auf Gefahrguttransporte - bedarf es im Rahmen der trassenbezogenen Planfeststellung nicht. Rechtsverstöße des Planfeststellungsbeschlusses zulasten der Stadt Voerde sind ebenfalls nicht gegeben. Dies betrifft insbesondere den Entfall eines Bahnübergangs und die Ausführung der Lärmschutzwände. Die Beseitigung des Bahnübergangs verletzt das Selbstverwaltungsrecht weder im Hinblick auf die Planungshoheit noch in Bezug auf Belange des Brandschutzes. Die Gestaltung der Lärmschutzwände verletzt nicht das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin und darf der Ausführungsplanung überlassen bleiben.


BVerwG 7 A 9.20 - Urteil vom 23. Juni 2021

BVerwG 7 A 10.20 - Urteil vom 23. Juni 2021


Urteil vom 23.06.2021 -
BVerwG 7 A 10.20ECLI:DE:BVerwG:2021:230621U7A10.20.0

Klage einer Anliegerkommune gegen den Planfeststellungsbeschluss zum dreigleisigen Ausbau der Eisenbahnstrecke 2270 (ABS 46/2) Oberhausen Hauptbahnhof - Emmerich - Grenze Niederlande (Planfeststellungsabschnitt 1.4)

Leitsatz:

Nordrhein-westfälischen Gemeinden kommt hinsichtlich ihrer Aufgaben beim Brandschutz und der Hilfeleistung, die sie als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrnehmen (§ 2 Abs. 2 BHKG NW), eine wehrfähige Rechtsposition zu, wenn und soweit ein Bereich weisungsfreier Aufgabenwahrnehmung betroffen ist.

  • Rechtsquellen
    AEG § 4 Abs. 1 und 3, § 18 Abs. 1 Satz 1
    EBO § 2 Satz 1
    VwVfG § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3
    GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1
    BHKG NW § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 3 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 23.06.2021 - 7 A 10.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:230621U7A10.20.0]

Urteil

BVerwG 7 A 10.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2021
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 25. November 2019 für den dreigleisigen Ausbau der Strecke 2270 (ABS 46/2) zwischen Oberhausen Hauptbahnhof und der Grenze Niederlande im Planfeststellungsabschnitt 1.4. Sie ist eine kreisangehörige Gemeinde im Kreis Wesel, durch deren Gemeindegebiet die Eisenbahnstrecke verläuft.

2 Neben dem Neubau des dritten Streckengleises sollen Lärmschutzwände errichtet und der beschrankte Bahnübergang S.straße (Bahn-km 17,770) im Gemeindegebiet der Klägerin zurückgebaut werden. Das Ausbauvorhaben dient der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Strecke, der Sicherstellung einer flexibleren Betriebsführung sowie der qualitativen Verbesserung des Streckenkorridors. Die Eisenbahnstrecke 2270 ist Teil des europäischen Güterverkehrskorridors Rotterdam - Genua. Auf ihr werden Schienenpersonenverkehr und Güterverkehr abgewickelt. Nach der prognostizierten Verkehrsentwicklung wird der Zugverkehr im Abschnitt Oberhausen - Wesel von derzeit 215 Zügen bis zum Jahr 2025 auf 346 Züge in 24 Stunden wachsen.

3 Die Klägerin wendet sich gegen die Ausgestaltung des Ausbauvorhabens. Insbesondere die ersatzlose Beseitigung des Bahnübergangs S.straße sei abwägungsfehlerhaft. Die Auswirkungen für Feuerwehr und Rettungsdienst seien unzureichend betrachtet worden. Vorhandene und künftig zu entwickelnde Wohngebiete, eine Schule und ein Flüchtlingswohnheim seien auf die Möglichkeit angewiesen, dass Menschen zu Fuß und mit dem Fahrrad auch die jenseits der Bahnstrecke gelegenen Bereiche des Stadtgebiets erreichen könnten. Hinsichtlich des Erschütterungsschutzes bedürfe es zusätzlicher Schutzauflagen zugunsten kommunaler Einrichtungen der Klägerin. Mit einer Schule und einem Jugendzentrum lägen besonders empfindliche Nutzungen vor. Die Entscheidung, bei der Errichtung von Schallschutzwänden Lücken zu belassen, sei abwägungsfehlerhaft. Defizitär sei auch die Gestaltung des Lärmschutzes; zur Wahrung des Ortsbilds bedürfe es an Querungen des Einsatzes transparenter Elemente.

4 Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 25. November 2019 in der Gestalt des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 15. April 2021 wie folgt zu ändern bzw. zu ergänzen:
a. um die Verpflichtung der Beigeladenen, die Querungsmöglichkeit im Zuge der S.straße ohne Kostenbeteiligung der Klägerin mindestens für Fußgänger, Radfahrer, Pkw und Rettungsfahrzeuge, hilfsweise jedenfalls für Fußgänger und Radfahrer, zu erhalten,
b. um die Verpflichtung der Beigeladenen, die technisch mögliche Maximalbelastung der Strecke in Bezug auf Anzahl und Länge der Züge zu ermitteln, die schalltechnische Untersuchung sowie die Untersuchung im Hinblick auf Erschütterungen auf dieser Grundlage zu wiederholen und gegenüber der bisherigen Planung danach zusätzlich erforderliche Maßnahmen zum Schutz gegen Lärm und Erschütterungen insbesondere im Bereich der bahnrechts liegenden O. Schule vorzusehen,
c. um die Verpflichtung der Beigeladenen, die Splittersiedlungen im Außenbereich insbesondere südlich der "R.straße" (bahnrechts) und im Bereich "I. H." und nördlich der Straße "H.weg" (bahnrechts) mittels durchgehender Lärmschutzwände zu schützen,
d. um die Verpflichtung der Beigeladenen, die Klägerin regelmäßig über die Messungen im Rahmen des "Besonders überwachten Gleises" zu informieren, ihr die Messprotokolle zur Verfügung zu stellen und sie über die Gleispflegemaßnahmen im Zusammenhang mit dem "Besonders überwachten Gleis" zu informieren,
e. um die Verpflichtung der Beigeladenen, ein nachvollziehbares und nachrechenbares Gutachten zum Erschütterungsschutz einschließlich der Darstellung möglicher Gebäudeschäden insbesondere hinsichtlich der Gebäude der O. Schule zu erstellen,
f. um die Verpflichtung der Beigeladenen zu geeigneten Schutzmaßnahmen zur Einhaltung insbesondere des Maximalpegels KBFmax für Sondergebiete für das Grundstück der O. Schule,
g. um die Verpflichtung der Beigeladenen, die vorgesehenen Lärmschutzwände durchgehend einzugrünen und umfassend Alternativen hinsichtlich der Gestaltung des Lärmschutzes unter Berücksichtigung des städtebaulichen Leitbildes (Anlage 2 zum Einwendungsschreiben der Klägerin vom 4. Dezember 2012) zu prüfen und umzusetzen, insbesondere an den Querungsstellen R.straße, S.straße, A.straße, B.straße, R.straße, A. H.weg, H.weg und G.straße die Sichtverbindungen durch transparente Lärmschutzelemente zu erhalten,
h. um die Verpflichtung der Beigeladenen, den Bereich des Haltepunktes V. mit ausreichenden Sichtbeziehungen zur Gewährleistung der sozialen Kontrolle zwischen den Bahnsteigen untereinander und zum umgebenden öffentlichen Raum sowie der Verwendung transparenter Elemente, Gabionen oder strukturierter Betonwände oder anderer Lärmschutzelemente mit vergleichbarer gestalterischer Qualität für die äußeren Lärmschutzwände in diesem Bereich zu gestalten, insbesondere eine Glasbogenwand an den beiden Außenseiten des Haltepunktes zu errichten,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, über die vorgenannten Änderungen bzw. Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

5 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

6 Sie treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

II

7 Die Klage ist zulässig.

8 Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) ergibt sich jedenfalls daraus, dass kommunale Einrichtungen bzw. Grundstücke in kommunalem Eigentum von dem planfestgestellten Vorhaben durch Einwirkung von Erschütterungen betroffen sind. Zwar ist die Klägerin als kommunale Gebietskörperschaft nicht Trägerin von Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, kann aber ebenso wie ein privater Grundstückseigentümer Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen verlangen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 3 A 17.15 - BVerwGE 164, 127 Rn. 14).

9 Die Klage ist aber nicht begründet.

10 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ergänzung des auf § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützten Planfeststellungsbeschlusses um weitere Schutzauflagen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG oder eine erneute Entscheidung hierüber. Der angefochtene Beschluss leidet auch an keinem zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler, den die Klägerin rügen könnte.

11 1. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt keine Rechte der Klägerin hinsichtlich der Anforderungen an den Brand- und Katastrophenschutz.

12 a) Eine Verletzung der Anforderungen an den Brand- und Katastrophenschutz kann eine Kommune nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit rügen, als sie geltend macht, dass ihr hierdurch die Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben in diesem Bereich wesentlich erschwert wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 11.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 171 Rn. 13 und 17 und vom 28. Februar 2019 - 3 A 4.16 - BVerwGE 165, 33 Rn. 20 ff., Beschluss vom 15. Dezember 2016 - 3 VR 4.16 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 23 Rn. 14). Diese Rügebefugnis bezieht sich sowohl auf die gesetzlichen Anforderungen als auch auf die Wahrung der Belange des Brand- und Katastrophenschutzes im Rahmen der fachplanerischen Abwägung.

13 Der Klägerin als kreisangehöriger Gemeinde sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG NW) vom 17. Dezember 2015 (GVBl. NW S. 886), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 17. Mai 2018 (GVBl. NW S. 244), Aufgaben des Brandschutzes und der Hilfeleistung übertragen. Zu den Aufgaben der Gemeinden im Bereich des Brandschutzes und der Hilfeleistung gehören neben der Unterhaltung von Feuerwehren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BHKG NW) insbesondere die Verhütung von Bränden, die Sicherstellung einer den örtlichen Verhältnissen angemessenen Löschwasserversorgung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BHKG NW) sowie die Aufstellung, Umsetzung und Fortschreibung von Brandschutzbedarfsplänen und Plänen für den Einsatz der öffentlichen Feuerwehren (§ 3 Abs. 3 BHKG NW).

14 Nach § 2 Abs. 2 BHKG NW nehmen die Gemeinden die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BHKG NW übertragenen Aufgaben als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr. Die Rechtsnatur von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nach nordrhein-westfälischem Landesrecht als Selbstverwaltungsaufgaben, als staatliche Auftragsangelegenheiten oder als eine Zwischenform von beidem ist seit jeher umstritten (vgl. dazu OVG Münster, Beschluss vom 16. März 1995 - 15 B 2839/93 - NVwZ-RR 1995, 502; LSG Essen, Urteil vom 16. Dezember 2009 - L 10 SB 39/09 - juris Rn. 22 ff.; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 23 Rn. 21; Schönenbroicher, in: Heusch/Schönenbroicher, LVerf NW, 2. Aufl. 2020, Art. 78 Rn. 71 ff.). Unabhängig von der näheren dogmatischen Einordnung der Rechtsfigur kann zur Bestimmung des wehrfähigen Bereichs kommunaler Eigenverantwortung bei zur Erfüllung nach Weisung übertragenen Pflichtaufgaben danach differenziert werden, ob die Aufgabe im Rahmen eines (umfassenden) staatlichen Weisungsrechts oder (teilweise) weisungsfrei zu erfüllen ist. Den Umfang des Weisungsrechts, das in der Regel zu begrenzen ist, bestimmt nach Art. 78 Abs. 4 Satz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 (GVBl. NW S. 127), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2020 (GVBl. NW S. 644), und § 3 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GVBl. NW S. 666), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 29. September 2020 (GVBl. NW S. 916), das Gesetz. Im weisungsfreien Bereich erfolgt die gemeindliche Aufgabenwahrnehmung eigenverantwortlich und unterliegt lediglich einer staatlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Jedenfalls für diesen Bereich ist eine rügefähige Rechtsposition der Gemeinde anzuerkennen (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 42 Rn. 139; Schönenbroicher, a.a.O., Rn. 74).

15 b) Nach § 4 Abs. 1 AEG müssen Eisenbahninfrastrukturen und Fahrzeuge den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit an den Bau und an den Betrieb genügen. Die Eisenbahnen und Halter von Eisenbahnfahrzeugen sind verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und an Maßnahmen des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung mitzuwirken (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AEG). Eisenbahnen sind zudem verpflichtet, die Eisenbahninfrastruktur sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AEG). Nach § 2 Satz 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967 (BGBl. II S. 1563), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 5. April 2019 (BGBl. I S. 479), müssen Bahnanlagen und Fahrzeuge so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Bahnanlagen und Fahrzeuge den Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung und, soweit diese keine ausdrücklichen Vorschriften enthält, anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

16 Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung enthält keine ausdrücklichen Vorschriften zu den Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes. Die diesbezüglichen technischen Sicherheitsanforderungen werden aber durch die als Verwaltungsvorschrift eingeführte Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes "Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an Planung, Bau und Betrieb von Schienenwegen nach AEG" (EBA-Richtlinie) vom 7. Dezember 2012 konkretisiert. Die EBA-Richtlinie enthält ausweislich ihres Vorworts eine Zusammenstellung zum Teil bereits anerkannter Regeln der Technik und gibt den Fachbehörden und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen einen einheitlichen Maßstab für die Erfüllung der Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an die Hand. Die Richtlinie konkretisiert die sich aus § 4 Abs. 3 AEG ergebenden Verpflichtungen. Die in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben sind Verfahren nach § 18 AEG zugrunde zu legen (Ziffer 1.1 EBA-Richtlinie; vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - juris Rn. 50).

17 Die Belange des Brand- und Katastrophenschutzes sind auch bei der fachplanerischen Abwägung zu wahren. In diesem Rahmen bedarf es der gegenseitigen Abstimmung zwischen eisenbahnrechtlicher Planfeststellung einerseits und gefahrenabwehrrechtlicher Aufgabenwahrnehmung andererseits (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 - 3 A 4.16 - BVerwGE 165, 33 Rn. 27 ff.).

18 c) Auf dieser Grundlage ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin die Erfüllung ihr zur eigenverantwortlichen, weisungsfreien Wahrnehmung zugewiesener Aufgaben im Brand- und Katastrophenschutz durch das planfestgestellte Vorhaben wesentlich erschwert wird.

19 Hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Beseitigung des Bahnübergangs S.straße geltend gemachten Bedenken zur Wahrung von Hilfsfristen der Feuerwehr mangelt es der Klägerin an einer rügefähigen Rechtsposition. Die Bestimmung von Hilfsfristen, die in Nordrhein-Westfalen nicht schon im Gesetz selbst geregelt ist, dient der zweckmäßigen und gleichmäßigen Erfüllung der Aufgaben des Brandschutzes und kann somit Gegenstand einer allgemeinen Weisung durch die oberste Aufsichtsbehörde nach § 54 Abs. 3 Satz 1 BHKG NW sein. Der Bereich eigenverantwortlicher, weisungsfreier gemeindlicher Aufgabenwahrnehmung, der lediglich einer staatlichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt, ist mit Bezug auf die Einhaltung von Hilfsfristen mithin nicht berührt.

20 Für die von der Klägerin ebenfalls angesprochenen Eintreffzeiten des Rettungsdienstes am Notfallort gilt Entsprechendes. § 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (RettG NW) vom 24. November 1992 (GVBl. NW S. 458), i.d.F. des Gesetzes vom 25. März 2015 (GVBl. NW S. 305), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2015 (GVBl. NW S. 886), sieht für die Eintreffzeiten am Notfallort ausdrücklich ein Weisungsrecht vor. Insoweit kann offenbleiben, ob die kreisangehörige Klägerin als Trägerin von Rettungswachen selbst Aufgaben des Rettungsdienstes wahrnimmt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 RettG NW).

21 Unbeschadet dessen haben sich - auch in der mündlichen Verhandlung - keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Klägerin die Erfüllung ihrer Aufgaben im Brandschutz sowie der Hilfeleistung durch den Wegfall des Bahnübergangs S.straße wesentlich erschwert wird. Zum einen befinden sich zu beiden Seiten der Bahntrasse Stützpunkte der Feuerwehr, zum anderen kann auf eine Mehrzahl alternativer Querungsmöglichkeiten verwiesen werden. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten wie der Beigeladenen bestehen zwischen Bahn-km 17 und Bahn-km 21 drei Kreuzungsmöglichkeiten für den Kraftfahrzeugverkehr (vgl. auch Planfeststellungsbeschluss, S. 265). Im Hinblick hierauf wird auch die Erfüllung von Aufgaben des Rettungsdienstes nicht wesentlich erschwert. Hinzu kommt, dass der beschrankte Bahnübergang S.straße schon bei der Intensität des heutigen Bahnbetriebs nicht unerhebliche Schließzeiten aufweist und es deshalb als naheliegend erscheint, den Übergang bei Einsatzfahrten ohnedies möglichst zu meiden.

22 Soweit die Klägerin darüber hinaus Defizite bei der Löschwasserversorgung geltend gemacht hat, konnten bestehende Unklarheiten hinsichtlich der Entnahmestelle für das Hytrans Fire System im Bereich T.see durch Protokollerklärungen der Beklagten und der Beigeladenen ausgeräumt werden. Entsprechendes gilt für die Lage einer Rettungszufahrt, eines Löschwasserbrunnens sowie einer Rettungstür. Darauf, ob und inwieweit die Klägerin zu diesen Sachfragen jeweils rügefähige Rechtspositionen innehat, kommt es hiernach nicht an. Jedenfalls mit Bezug auf die Sicherstellung der Löschwasserversorgung (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BHKG NW) bedürfte dies im Hinblick auf das nach § 54 Abs. 3 Satz 1 und 2 BHKG NW für diesen Bereich bestehende Recht zur Erteilung allgemeiner Weisungen näherer Klärung.

23 2. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt auch im Hinblick auf geltend gemachte weitere Mängel der fachplanerischen Abwägung keine Rechte der Klägerin.

24 a) Eine Gemeinde kann, vergleichbar einem von dem Vorhaben mittelbar Betroffenen, eine gerichtliche Kontrolle der planerischen Abwägungsentscheidung nur hinsichtlich ihrer eigenen Belange verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 18). Als solche kommen - neben dem einfachgesetzlichen Eigentum - nur Belange in Betracht, die sich dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen lassen (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 9 A 19.08 - juris Rn. 28). Demgegenüber kann sich eine Kommune weder zum Kontrolleur anderer staatlicher Behörden in Bezug auf die Wahrung des objektiven öffentlichen Rechts aufschwingen noch als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger vertreten (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 3.17 - NVwZ 2018, Beilage Nr. 1, 19 Rn. 53 m.w.N.).

25 Einen dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuzuordnenden Belang stellt die gemeindliche Planungshoheit dar. Diese vermittelt nach ständiger Rechtsprechung eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 19). Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden (BVerwG, Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 28 m.w.N.).

26 b) Auf dieser Grundlage greifen die Rügen der Klägerin zum Verzicht auf den Bahnübergang S.straße auch unter dem Gesichtspunkt der gemeindlichen Planungshoheit nicht durch. Die Klägerin verweist insoweit in lediglich allgemeiner Art und Weise auf vorhandene und künftig zu entwickelnde Wohngebiete, eine Schule und ein Flüchtlingswohnheim, die auf die Möglichkeit angewiesen seien, zu Fuß und mit dem Fahrrad auch die jenseits der Bahnstrecke gelegenen Bereiche des Stadtgebietes zu erreichen. Damit ist nicht dargetan, dass das planfestgestellte Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Lediglich ergänzend hinzuweisen bleibt in diesem Zusammenhang darauf, dass nach den unwidersprochenen Darlegungen der Beklagten wie der Beigeladenen zwischen Bahn-km 17 und Bahn-km 21 weiterhin sieben Kreuzungsmöglichkeiten für Fußgänger und Radfahrer bestehen (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 265). Hiernach bleibt der Antrag 1.a der Klägerin - auch soweit sie hilfsweise eine erneute Entscheidung beantragt - ohne Erfolg.

27 c) Hinsichtlich des Lärm- und Erschütterungsschutzes sind Abwägungsfehler des Planfeststellungsbeschlusses zulasten kommunaler Einrichtungen der Klägerin nicht ersichtlich.

28 aa) Die Klägerin vermag die der planerischen Bewältigung von Lärm und Erschütterungen zugrunde gelegte Verkehrsprognose nicht mit Erfolg infrage zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Prognose ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2019 - 4 B 53.17 - juris Rn. 36 m.w.N.). Diesen Maßgaben wird die der Planfeststellung zugrunde gelegte, aus der Bundesverkehrswegeplanung abgeleitete Verkehrsprognose gerecht.

29 Soweit sich die Klägerin auf Prognosen für den niederländischen Teil des Streckenkorridors ("Betuwe-Route") beruft, handelt es sich bei den von ihr dazu mitgeteilten Daten um Angaben zur Maximalkapazität. In der Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass der fachplanerischen Abwägung nicht die im Zuge der planfestgestellten Maßnahme geschaffenen Maximalkapazitäten bzw. die maximale Auslastung der Strecke, sondern die prognostisch ermittelte, realistischerweise zu erwartende Verkehrsbelastung zugrunde zu legen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 46 und vom 13. Dezember 2018 - 3 A 17.15 - BVerwGE 164, 127 Rn. 22).

30 Mit Bezug auf Planfeststellungsabschnitt 1.1 der Ausbaustrecke hat das Bundesverwaltungsgericht zudem darauf hingewiesen, dass in den Niederlanden erreichte Zugzahlen nicht ohne Weiteres Rückschlüsse auf die Belegung deutscher Streckenabschnitte zulassen (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 3 A 17.15 - BVerwGE 164, 127 Rn. 22). Nichts Anderes gilt auch für den Planfeststellungsabschnitt 1.4. Schon insoweit bleibt der Antrag 1.b der Klägerin - auch soweit hilfsweise eine erneute Entscheidung beantragt wird - ohne Erfolg.

31 Die weitere Kritik der Klägerin, es sei nicht ersichtlich, dass die auf 2008 basierenden Zahlen der Verkehrsprognose die Zunahme der (schweren) Güterverkehre durch die (später beschlossene) Senkung von Trassennutzungsentgelten berücksichtigten, bleibt unsubstantiiert. Insbesondere wird nicht deutlich, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Verkehrsprognose insoweit auf Ermittlungsdefiziten oder methodischen Fehlern beruht. Entsprechendes gilt mit Blick auf den erst im Klageverfahren vorgelegten, der Beklagten nach eigenen Angaben der Klägerin im Jahr 2021 zur Verfügung gestellten Erläuterungsbericht zu einer Kreuzungsvereinbarung für den Eisenbahnübergang P.straße im Planfeststellungsabschnitt 2.1 und die nach dieser Unterlage dort erwarteten Güterverkehrsmengen.

32 Soweit die Klägerin schließlich eine Berücksichtigung möglicher Erhöhungen des Verkehrsaufkommens infolge von Baumaßnahmen, Unfallereignissen oder sonstigen Schädigungen der Infrastruktur an anderen Stellen im Schienennetz anmahnt, entziehen sich solche typischerweise nicht vorhersehbaren Anlässe einer prognostischen Abschätzung und haben überdies lediglich temporären Charakter.

33 bb) Die Bewältigung der im Zuge des prognostizierten Verkehrsaufkommens erwarteten betriebsbedingten Erschütterungsbelastungen weist die von der Klägerin geltend gemachten Defizite nicht auf.

34 aaa) Die Beklagte geht von zutreffenden rechtlichen Annahmen aus. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Erschütterungen darf - wie geschehen - auf die Beurteilungs- bzw. Anhaltswerte der DIN 4150 (Erschütterungen im Bauwesen, Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden, und Teil 3: Einwirkungen auf bauliche Anlagen) zurückgegriffen werden. Die Tauglichkeit dieses Regelwerks zur Beurteilung von Erschütterungen ist in Fachkreisen und in der Rechtsprechung allgemein anerkannt. Bei Einhaltung der empfohlenen Werte kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass erhebliche Belästigungen von Menschen und Schäden an Gebäuden durch Erschütterungen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen vermieden werden (BVerwG, Urteile vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 80 m.w.N. und vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 104).

35 Sind - wie hier - bei einer Bestandsstrecke Erschütterungsbelastungen bereits vorhanden, ist die Zumutbarkeitsschwelle für neu hinzutretende Erschütterungen zudem erst dann überschritten, wenn sich die Vorbelastung vorhabenbedingt um 25 % oder mehr erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 3 A 17.15 - BVerwGE 164, 127 Rn. 55 m.w.N.; vgl. auch Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 106). Bei diesem Wert handelt es sich um eine Wahrnehmungsschwelle, die sich auf empirisch hinreichend abgesicherte Erkenntnisse stützen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 31 ff.).

36 Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Planfeststellungsbehörde keine besondere Empfindlichkeit der Nutzung von Gebäuden als Schule und Jugendzentrum und eine mit Rücksicht hierauf abgesenkte Zumutbarkeitsschwelle angenommen hat. Nach DIN 4150, Teil 2, Tabelle 1 wird ein höheres Schutzniveau als für Wohngebiete (wobei zwischen allgemeinen und reinen Wohngebieten nicht differenziert wird) nur hinsichtlich besonders schutzbedürftiger Einwirkungsorte - beispielhaft genannt werden Krankenhäuser oder Kurkliniken in dafür ausgewiesenen Sondergebieten - anerkannt. Eine Schule und ein Jugendzentrum bedürfen demgegenüber keines höheren Schutzniveaus als Wohngebiete insgesamt.

37 Der in Ziffer A. 4.5.5.1 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 48 f.) hinsichtlich betriebsbedingter Erschütterungsimmissionen verfügte Vorbehalt zum Erlass eines Ergänzungsbescheids gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG, mit dem über notwendige Schutzmaßnahmen vor Erschütterungen und/oder Ansprüche auf Entschädigungen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG abschließend entschieden wird, verstößt nicht gegen das Gebot der Konfliktbewältigung. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass bei Erschütterungen im Hinblick auf die Ausbreitungsbedingungen und die Eigenarten des Immissionsortes Unsicherheiten bestehen, die es regelmäßig unmöglich machen, die Erschütterungsimmissionen verlässlich zu prognostizieren und eine abschließende Entscheidung über den erforderlichen Schutz bzw. über Entschädigungsansprüche bereits im Zeitpunkt der Planfeststellung zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 3 A 17.15 - BVerwGE 164, 127 Rn. 58 m.w.N.). Die diesbezüglichen Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses sind auch hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG).

38 bbb) Hinsichtlich der zukünftigen Belastungssituation im Bereich der O.Schule hat die Beigeladene zudem nachvollziehbar darauf verwiesen, dass mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sei, dass die Anforderungen der DIN 4150 an den Erschütterungsschutz, bezogen auf das Schutzniveau in Wohngebieten, sowohl hinsichtlich der Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden als auch auf bauliche Anlagen eingehalten würden. In diesem Bereich sei als erschütterungsmindernde Maßnahme eine Schwellenbesohlung auf den einzelnen Richtungsgleisen planfestgestellt. Die Baukörper der Schule mit schutzbedürftigen Aufenthaltsräumen, beispielsweise Unterrichtsräumen, befänden sich in einem Abstand von mehr als 40 m zu den Richtungsgleisen, weshalb aufgrund der Gebäude- bzw. Deckenkonstruktion (Massivbauweise mit Betondecken) die Anforderungen an den Schutz vor Erschütterungen und Sekundärluftschall mit der planfestgestellten Schwellenbesohlung auf allen Richtungsgleisen eingehalten würden (vgl. Erschütterungsgutachten, Erläuterungsbericht, S. 41, Anlage 14.1 zum Planfeststellungsbeschluss). Im Bereich des Jugendzentrums würden die Anforderungen der DIN 4150 ebenfalls eingehalten. Schon mit Rücksicht auf die dort vorhandene Wohnbebauung seien an der Trasse umfangreiche erschütterungsmindernde Maßnahmen vorgesehen (Schottertrog mit "Unterschotte" auf dem östlichen Richtungsgleis; Schwellenbesohlung auf dem westlichen Richtungsgleis).

39 Soweit die Klägerin rügt, die erschütterungstechnische Begutachtung erläutere die Auswahl der Messpunkte nicht, ist auf das Erschütterungsgutachten (Erläuterungsbericht, S. 32, Anlage 14.1 zum Planfeststellungsbeschluss) zu verweisen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene in nachvollziehbarer Weise ergänzend dargelegt, dass sich das Augenmerk bei der Erstattung des Gutachtens insbesondere auf Gebäude gerichtet habe, angesichts deren Wohnnutzung nächtliche Erschütterungseinwirkungen von besonderer Relevanz sind. Die messtechnisch untersuchten Gebäude werden entgegen der Kritik der Klägerin umfassend - einschließlich ihrer Gebäude- bzw. Deckenkonstruktion - dokumentiert (Erschütterungsgutachten, Messberichte, Anlage 14.2 zum Planfeststellungsbeschluss). Die zum Erschütterungsschutz gestellten Anträge 1.e und 1.f der Klägerin - auch soweit sie hilfsweise eine erneute Entscheidung beantragt - bleiben ohne Erfolg.

40 d) Mit Bezug auf die Lärmbelastung ihres Gemeindegebietes rügt die Klägerin fehlende Lückenschlüsse bei der geplanten Errichtung von Lärmschutzwänden (Splittersiedlungen insbesondere südlich der "R.straße", im Bereich "I. H." und nördlich der Straße "H.weg"), ohne hierbei ansatzweise darzulegen, dass sich für gegenwärtige oder zukünftige Baugebiete zusätzliche Lärm- sowie Erschütterungsbelastungen ergäben, die so weitreichend wären, dass sie die Gewährleistung gesunder Wohnverhältnisse und damit die Möglichkeiten zur Bauleitplanung bzw. weiteren städtebaulichen Entwicklung im jeweiligen Bereich in Frage stellen würden (vgl. zu diesem Maßstab etwa BVerwG, Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 29). Abwägungsrelevante Beeinträchtigungen der kommunalen Planungshoheit sind auf dieser Grundlage nicht ersichtlich. Auf individuelle Lärmschutzbelange ihrer Bürger kann sich die Klägerin - wie dargelegt - nicht berufen. Der Antrag 1.c der Klägerin bleibt - auch soweit hilfsweise eine erneute Entscheidung beantragt wird - ohne Erfolg.

41 e) Die von der Klägerin im Zuge der Planfeststellung begehrte Verpflichtung der Beigeladenen, sie regelmäßig über Messungen im Rahmen des "Besonders überwachten Gleises" zu informieren, ihr die Messprotokolle zur Verfügung zu stellen und sie über Gleispflegemaßnahmen zu informieren, kommt mangels einer diesbezüglichen eigenen Rechtsposition der Klägerin, die sich dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen ließe, nicht in Betracht. Der Antrag 1.d bleibt schon deshalb - auch soweit die Klägerin hilfsweise eine erneute Entscheidung beantragt - ohne Erfolg.

42 f) Hinsichtlich der optischen Gestaltung der Lärmschutzwände fehlt es der Klägerin ebenfalls an einer Rügebefugnis. Aus dem gemeindlichen Selbstgestaltungsrecht, das ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fällt, erwachsen Abwehransprüche allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2017 - 9 A 31.15 - juris Rn. 26 m.w.N. und vom 12. April 2018 - 3 A 10.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 83 Rn. 23). Von einer derart massiven Einwirkung kann mit Blick auf die von der Klägerin vermisste Transparenz der geplanten Lärmschutzwände an Querungen und im Bereich des Haltepunkts V. nicht die Rede sein. Die von der Klägerin zur Gestaltung der Lärmschutzwände gestellten Anträge 1.g und 1.h bleiben - auch soweit sie hilfsweise eine erneute Entscheidung beantragt - ohne Erfolg.

43 Unbeschadet dessen bedarf es im Planfeststellungsbeschluss keiner Regelungen über die nähere optische Gestaltung planfestgestellter Lärmschutzwände, soweit nicht deren lärmmindernde Wirkung betroffen ist. Das Gebot der Problembewältigung fordert zwar, dass alle durch das festzustellende Vorhaben verursachten Konflikte grundsätzlich schon im Planfeststellungsbeschluss gelöst werden. Hiervon ausgenommen ist jedoch die Gestaltung der Bauausführung, soweit sie lediglich technische, nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft und gewährleistet ist, dass die dem Stand der Technik entsprechenden Vorgaben beachtet werden. Detailfragen der Gestaltung dürfen hiernach der Bauausführung vorbehalten bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2018 - 3 A 10.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 83 Rn. 49 f. m.w.N.). Im Übrigen hält der Planfeststellungsbeschluss in Ziffer A.5.8 (S. 57) zugunsten der Klägerin die Zusicherung der Beigeladenen als verbindlich fest, sich in der weiteren Planungsphase (Ausführungsplanung) bezüglich der Gestaltung der Lärmschutzwände mit ihr abzustimmen.

44 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Urteil vom 23.06.2021 -
BVerwG 7 A 9.20ECLI:DE:BVerwG:2021:230621U7A9.20.0

Klage eines enteignungsbetroffenen Grundstückseigentümers gegen den Planfeststellungsbeschluss zum dreigleisigen Ausbau der Eisenbahnstrecke 2270 (ABS 46/2) Oberhausen Hauptbahnhof - Emmerich - Grenze Niederlande (Planfeststellungsabschnitt 1.4)

Leitsatz:

Im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung bedarf es regelmäßig keiner auf mögliche Unfallszenarien bezogenen Risikoanalyse.

  • Rechtsquellen
    AEG § 4 Abs. 1 und 3, § 18 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 und 2
    EBO § 2 Satz 1
    VwVfG § 74 Abs. 1 Satz 1
    GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und 3, Art. 19 Abs. 4 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 23.06.2021 - 7 A 9.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:230621U7A9.20.0]

Urteil

BVerwG 7 A 9.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2021
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther,
Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 25. November 2019 für den dreigleisigen Ausbau der Strecke 2270 (ABS 46/2) zwischen Oberhausen Hauptbahnhof und der Grenze Niederlande im Planfeststellungsabschnitt 1.4.

2 Er ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in der Stadt V. Das Grundstück hat eine Gesamtfläche von 5 725 m² und liegt bei Bahn-km 17,770 bahnrechts an der Eisenbahnstrecke 2270.

3 Für das Vorhaben sollen 567 m² des Grundstücks des Klägers erworben, 139 m² mit einer Grunddienstbarkeit belastet und 163 m² während der Bauzeit vorübergehend in Anspruch genommen werden. Über einen zur Bahntrasse hin gelegenen Grundstücksstreifen soll ein wegen des im Planfeststellungsabschnitt bahnrechts vorgesehenen dritten Gleises zu verlegender bahnrechter Seitenweg geführt werden. Ein zur S.straße hin gelegener Streifen des Grundstücks wird für Anpassungen des Straßenkörpers im Zuge der Beseitigung des Bahnübergangs S.straße in Anspruch genommen (Errichtung einer Wendeanlage).

4 Das Ausbauvorhaben dient der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Strecke, der Sicherstellung einer flexibleren Betriebsführung sowie der qualitativen Verbesserung des Streckenkorridors. Die Eisenbahnstrecke 2270 ist Teil des europäischen Güterverkehrskorridors Rotterdam - Genua. Auf ihr werden Schienenpersonenverkehr und Güterverkehr abgewickelt. Nach der prognostizierten Verkehrsentwicklung wird der Zugverkehr im Abschnitt Oberhausen - Wesel von derzeit 215 Zügen bis zum Jahr 2025 auf 346 Züge in 24 Stunden wachsen.

5 Der Kläger rügt, die Inanspruchnahme seines Grundstücks sei bei einer Errichtung des dritten Gleises bahnlinks nicht erforderlich. Eine konkrete Abwägung seines Bestandsinteresses mit gegenläufigen, im Falle einer anderen Variante entstehenden Beeinträchtigungen fehle. Der Eingriff in sein Eigentum sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Eine Errichtung des dritten Gleises bahnlinks führe zu geringerer Umweltbetroffenheit, da auf die Beseitigung einer Baumallee verzichtet werden könne. Betroffene Flächen Dritter seien rein landwirtschaftlich genutzt. Die signifikant erhöhten Risiken und Gefahren, die für ihn als Trassenanlieger durch das planfestgestellte Vorhaben entstünden, seien nicht hinreichend ermittelt und bewertet worden. Gefahrguttransporte würden keiner Risikoanalyse unterzogen. Es sei erforderlich, in bewohnten Gebieten auf unfallträchtige Weichen zu verzichten. Für den Transport von Gefahrstoffen sei eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h festzulegen. Auch die Belange des Brandschutzes und der Löschwasserversorgung seien unzureichend ermittelt und bewertet worden. Im Zusammenhang mit der Bohrung von Löschwasserbrunnen stelle sich die Frage, welche geologischen Auswirkungen hierdurch zu erwarten seien.

6 Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 25. November 2019 für das Vorhaben "Dreigleisiger Ausbau der Strecke ABS 46/2 Oberhausen Hbf. - Emmerich - Grenze NL, Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1.4" aufzuheben,
hilfsweise
den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

7 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

8 Sie treten dem Vorbringen des Klägers entgegen.

II

9 Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der auf § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützte Planfeststellungsbeschluss der Beklagten leidet an keinem zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler.

10 1. Dem Planfeststellungsbeschluss kommt, da er Grundlage einer nachfolgenden Enteignung ist (§ 22 Abs. 1 AEG), enteignungsrechtliche Vorwirkung zu (§ 22 Abs. 2 AEG). Daher kann der Kläger, dessen durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Grundeigentum in Teilen in Anspruch genommen werden soll, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 25 m.w.N.). Allerdings unterliegen auch die Ansprüche der von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses Betroffenen auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses Einschränkungen. Danach kann eine Anfechtungsklage keinen Erfolg haben, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn behauptete Mängel des Beschlusses durch schlichte Planergänzung - etwa durch (weitere) Schutzmaßnahmen - behoben werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 27 m.w.N.).

11 2. Der Planfeststellungsbeschluss steht mit den gesetzlichen Anforderungen an die Bewältigung von Unfallrisiken sowie den Brand- und Katastrophenschutz in Einklang.

12 a) Gegenstand der Planfeststellung sind der Bau und die Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AEG). Im Planfeststellungsbeschluss sind deshalb die bautechnischen Probleme des Vorhabens zu bewältigen, die eine Durchführung auch von Gefahrgutverkehr aufwirft (vgl. - zum Fernstraßenrecht - BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 73 m.w.N.). Demgegenüber unterliegt die Gefahrgutbeförderung als solche den dafür geltenden Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz) i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Juli 2009 (BGBl. I S. 1774), zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2510), und der Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern (Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt) i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. März 2021 (BGBl. I S. 481), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 5 des Gesetzes vom 2. Juni 2021 (BGBl. I S. 1295). Bei der Durchführung der Gefahrguttransporte sind unter anderem die darin vorgesehenen Vorsorgemaßnahmen - etwa zur Verpackung der Güter sowie zur Ausrüstung der Tanks und Transportfahrzeuge - einzuhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2018 - 3 A 10.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 83 Rn. 73 f.).

13 Nach § 4 Abs. 1 AEG müssen Eisenbahninfrastrukturen und Fahrzeuge den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit an den Bau und an den Betrieb genügen. Die Eisenbahnen und Halter von Eisenbahnfahrzeugen sind verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und an Maßnahmen des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung mitzuwirken (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AEG). Eisenbahnen sind zudem verpflichtet, die Eisenbahninfrastruktur sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AEG). Nach § 2 Satz 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967 (BGBl. II S. 1563), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 5. April 2019 (BGBl. I S. 479), müssen Bahnanlagen und Fahrzeuge so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Bahnanlagen und Fahrzeuge den Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung und, soweit diese keine ausdrücklichen Vorschriften enthält, anerkannten Regeln der Technik entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - juris Rn. 49).

14 Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung enthält keine ausdrücklichen Vorschriften zu den Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes. Die diesbezüglichen technischen Sicherheitsanforderungen werden aber durch die als Verwaltungsvorschrift eingeführte Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes "Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an Planung, Bau und Betrieb von Schienenwegen nach AEG" (EBA-Richtlinie) vom 7. Dezember 2012 konkretisiert. Die EBA-Richtlinie enthält ausweislich ihres Vorworts eine Zusammenstellung zum Teil bereits anerkannter Regeln der Technik und gibt den Fachbehörden und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen einen einheitlichen Maßstab für die Erfüllung der Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an die Hand. Die Richtlinie konkretisiert die sich aus § 4 Abs. 3 AEG ergebenden Verpflichtungen. Die in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben sind Verfahren nach § 18 AEG zugrunde zu legen (Ziffer 1.1 EBA-Richtlinie; vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - juris Rn. 50).

15 b) Den dargestellten rechtlichen Maßgaben trägt der Planfeststellungsbeschluss Rechnung. Das nach Ziffer A.4.8.1 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 51) der Vorhabenträgerin gegenüber für verbindlich erklärte und mit dem Land Nordrhein-Westfalen, den Anliegergemeinden und den örtlichen Feuerwehren ausgearbeitete Sicherheitskonzept (Anlage 20 zum Planfeststellungsbeschluss) entspricht den Vorgaben der EBA-Richtlinie und geht zum Teil, insbesondere hinsichtlich der Löschwasserversorgung, darüber hinaus (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 176 f.). Für die Löschwasserversorgung im Bereich der freien Strecke enthält die EBA-Richtlinie keine Vorgabe. Die Wahrung der bestehenden Maßgaben der Richtlinie - etwa hinsichtlich der maximalen Abstände von Zuwegungen (vgl. Ziffer 2.2 EBA-Richtlinie) - stellt der Kläger nicht in Abrede. Weitergehende Maßnahmen (wie etwa der Einbau weiterer Rettungstüren in die Lärmschutzwände in einem Abstand von maximal 200 m) sind rechtlich nicht geboten.

16 Die vom Kläger darüber hinaus geforderte, auf mögliche Unfallszenarien insbesondere bei Gefahrguttransporten bezogene Risikoanalyse sieht die EBA-Richtlinie nicht vor. Soweit der Kläger hervorhebt, dass es sich vorliegend um eine durch besiedelte Gebiete führende Hochgeschwindigkeitsstrecke mit kombiniertem Personen- und Güterverkehr handele, zeigt er keine atypische Sondersituation auf, hinsichtlich derer sich die EBA-Richtlinie keine Geltung beimessen würde. Die Lage von Eisenbahnstrecken auch in innerstädtischen Bereichen ist kein atypischer, sondern im Gegenteil sogar ein typischer Fall (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 31). Nichts Anderes gilt für die gemeinsame Abwicklung von Personen- und Güterverkehr auf einer Strecke. Auch mögliche Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 148) sind bei einer - wie hier - gestreckten Linienführung keine außergewöhnlichen Umstände, die über die EBA-Richtlinie hinausgehende Sicherheitsvorkehrungen gebieten würden.

17 Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu atomrechtlichen Beförderungsgenehmigungen ergeben sich ebenfalls keine Pflichten zu einer auf mögliche Unfallszenarien bei Gefahrguttransporten bezogenen Risikoanalyse im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung. Die in der vom Kläger zitierten Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 14. März 2013 - 7 C 34.11 - Buchholz 451.171 § 4 AtG Nr. 2 Rn. 37) maßgebliche Frage des Drittschutzes gesetzlicher Regelungen über die Beförderung von Kernbrennstoffen ist für die vorliegend zu beantwortende Frage der rechtlichen Anforderungen an einen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss ohne Aussagekraft.

18 Auch soweit sich der Kläger auf die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft (ABl. L 164 S. 44) beruft, ist weder von ihm dargelegt noch sonst erkennbar, dass sich aus der Richtlinie, die den Mitgliedstaaten die Aufrechterhaltung und, soweit dies nach vernünftigem Ermessen durchführbar ist, kontinuierliche Verbesserung der Eisenbahnsicherheit aufgibt (Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie) und hierzu unter anderem die Entwicklung gemeinsamer Sicherheitsziele, die Festlegung nationaler Sicherheitsvorschriften, die Einführung von Sicherheitsmanagementsystemen sowie Organisationsregelungen vorsieht, weitergehende Anforderungen ergäben.

19 Soweit der Kläger ein richtlinienkonformes Entwässerungskonzept, insbesondere zur Aufnahme von auslaufenden Flüssigkeiten und von Löschwasser, einfordert, betrifft die von ihm insoweit in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen Straßentunnel und die dafür maßgebliche Richtlinie 2004/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz (ABl. L 167 S. 39), die für Straßentunnel diesbezügliche Vorgaben normiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 73), auf Eisenbahnanlagen aber nicht anwendbar ist. Auch vermag, anders als der Kläger meint, eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung im Hinblick auf deren verfahrensrechtlichen Gehalt die Notwendigkeit der von ihm geforderten Risikoanalyse nicht zu begründen.

20 Fehl geht ferner der Verweis des Klägers auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, die ein anderweitig bestehendes subjektives Recht voraussetzt und deshalb auch keine über die fachrechtlichen Vorgaben hinausgehenden Anforderungen an die Sicherheit von Bahnanlagen zu begründen vermag. Auch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die dem Staat insoweit obliegende Schutzpflicht gebieten nicht die vom Kläger geforderte detaillierte Risikoanalyse möglicher Unfallrisiken durch Gefahrguttransporte. Der Gesetzgeber kommt seiner Schutzpflicht insoweit nicht nur mit zwingenden Anforderungen an die Sicherheit von Bahnanlagen sowie dem fachplanerischen Abwägungsgebot nach, sondern auch mit den für die Durchführung von Gefahrguttransporten maßgeblichen - bereits genannten - Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsgesetzes und der hierauf beruhenden Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt. Hierdurch ist ein angemessener und wirksamer Schutz gegenüber den Risiken der Beförderung gefährlicher Güter sichergestellt.

21 Für ein vom Kläger angesprochenes "Absacken von Haus und Grund" im Zuge der Bohrung von Löschwasserbrunnen fehlt es bereits an jedem tatsächlichen Anhaltspunkt. Wegen etwaiger Wasserverunreinigungen im Zuge der Herstellung von Löschwasserbrunnen trifft der Planfeststellungsbeschluss (S. 37 f.) in den Nebenbestimmungen nach Ziffer A.4.2.11 und A.4.2.12 hinreichende Vorsorge. Hiernach sind die Löschwasserbrunnen von einem zertifizierten Fachunternehmen herzustellen und die Brunnenabdeckungen tagwasserdicht auszuführen. Zudem sind dem Eisenbahn-Bundesamt und dem Kreis Wesel für jeden Löschwasserbrunnen ein Schichtverzeichnis sowie die Ausführung und die Darstellung aller Einrichtungen vorzulegen.

22 3. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch an keinen Mängeln der fachplanerischen Abwägung bei der Bewältigung von Unfallrisiken sowie hinsichtlich des Brand- und Katastrophenschutzes.

23 a) Das fachplanerische Abwägungsgebot ist - neben den zwingenden Anforderungen nach § 4 Abs. 1 und 3 AEG - auch in Bezug auf Sicherheitsbelange zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 81) und gebietet, dass das Sicherheitskonzept auf einer sachgerechten Abwägung der davon berührten öffentlichen und privaten Belange beruht.

24 b) Die Planfeststellungsbehörde hat sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abwägend mit den vorhabenbedingten Unfallrisiken auseinandergesetzt. Nachvollziehbar verweist die Beklagte hierbei darauf, dass bereits die Bestandsstrecke zum Transport gefährlicher Güter zur Verfügung steht und sich die Unfallszenarien, mit denen auf einer zweigleisig betriebenen Güterverkehrsstrecke gerechnet werden muss, nicht von Unfallszenarien auf einer dreigleisigen Strecke unterscheiden. Der erwarteten Zunahme von Gefahrgutverkehren und die Einschränkung der Zugänglichkeit der Strecke durch den Bau von Schallschutzwänden wird in ebenfalls nachvollziehbarer Weise die Beseitigung von höhengleichen Bahnübergängen, die Umsetzung eines Zuwegungskonzepts sowie die Verbesserung der Betriebsqualität als sicherheitssteigernde Maßnahmen gegenübergestellt (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 175 und S. 179).

25 Betriebsregelnde Anordnungen im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss, wie die vom Kläger zur Risikominimierung geforderte Geschwindigkeitsbeschränkung, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber jedenfalls im Regelfall nicht veranlasst (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. November 2013 - 7 A 28.12 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71 Rn. 55 und vom 17. November 2016 - 3 C 5.15 - BVerwGE 156, 306 Rn. 16 ff.). Dies gilt auch hier. Ein atypischer Sachverhalt ist - wie bereits dargelegt - im planfestgestellten Streckenabschnitt nicht gegeben. Ein Verzicht auf Weichen in bebauten Gebieten, wie ihn der Kläger fordert, ist schon im Hinblick auf die Erfordernisse des Bahnbetriebs gerade auch im Umfeld von Bahnhöfen und Haltepunkten sachlich fernliegend.

26 Auch hinsichtlich der zur Wahrung des Brand- und Katastrophenschutzes gebotenen technischen Infrastruktur sind Abwägungsmängel nicht ersichtlich. Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich - insbesondere mit Blick auf die Löschwasserbereitstellung sowie Flucht- und Rettungswege - in nachvollziehbarer Weise mit den betroffenen Belangen abwägend auseinander (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 176 ff.).

27 4. Nach allem kann offenbleiben, hinsichtlich welcher der von ihm geforderten (weiteren) Maßnahmen der Unfallvorsorge sowie des Brand- und Katastrophenschutzes der Kläger im Einzelnen rügebefugt ist. Nicht der Fall ist dies hinsichtlich solcher Maßnahmen, die - ohne sich auf die Sicherheit im Bereich des Grundstücks des Klägers konkret auszuwirken - lediglich die allgemeine Streckensicherheit betreffen. Insoweit fehlt es schon - da eine diesbezügliche Planergänzung möglich wäre - an der Kausalität für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers.

28 Offenbleiben kann auch, ob der mit der planfestgestellten Beseitigung des Bahnübergangs S.straße für das Grundstück des Klägers verbundene Sicherheitszuwachs nicht etwaige vorhabenbedingte Zunahmen von Risiken jedenfalls übersteigt.

29 5. Auch die Inanspruchnahme von Teilen des Grundstücks des Klägers für das planfestgestellte Vorhaben leidet an keinen rechtlichen Fehlern. Die diesbezügliche fachplanerische Abwägungsentscheidung der Beklagten ist frei von Rechtsmängeln und steht mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums in Einklang.

30 a) Wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses ist im Rahmen der fachplanerischen Abwägung bei der Inanspruchnahme privaten Grundstückseigentums zu beachten, dass eine Enteignung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben nur zulässig ist, wenn sie zur Erreichung der mit einem planfestgestellten Vorhaben angestrebten Gemeinwohlziele (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG) - die vom Kläger vorliegend nicht infrage gestellt werden - geeignet und erforderlich ist. Eine einzelne Enteignungsmaßnahme ist hierbei nur dann erforderlich, wenn und soweit sie für die Verwirklichung eines Vorhabens unverzichtbar ist, es hierfür also kein milderes Mittel gibt, das gleich geeignet wäre. Kann das Vorhaben hingegen in gleicher Weise auch ohne den Entzug privaten Eigentums verwirklicht werden, ist die Enteignung unzulässig (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 182 f. m.w.N.).

31 Wie jeder staatliche Eingriff in ein Grundrecht ist die Enteignung darüber hinaus nur dann mit Art. 14 Abs. 3 GG vereinbar, wenn sie sich auch als verhältnismäßig im engeren Sinne erweist. Eine einzelne Enteignungsmaßnahme ist dann mit dem Übermaßverbot vereinbar, wenn der Beitrag, den das entzogene Eigentumsrecht zur Verwirklichung des Vorhabens leistet, nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des Eingriffs steht, den der konkrete Eigentumsentzug für den betroffenen Rechtsinhaber bedeutet (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 186 f. m.w.N.).

32 b) Gemessen hieran greift die Rüge des Klägers, die Inanspruchnahme von Flächen seines Grundstücks sei bei einer Errichtung des dritten Gleises bahnlinks nicht erforderlich und es fehle insoweit an einer hinreichenden Abwägung der gegenläufigen Interessen, nicht durch. Die Inanspruchnahme ist vielmehr sowohl erforderlich als auch verhältnismäßig (im engeren Sinne). Durchgreifende Abwägungsdefizite bestehen nicht.

33 Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich mit der Notwendigkeit der planfestgestellten Grundinanspruchnahme zulasten des Klägers hinreichend auseinander. Er greift die Erläuterungen der Vorhabenträgerin auf, wonach die geeignete Ausbauseite nach betrieblichen, technischen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Gesichtspunkten ausführlich geprüft worden sei und sich die Wahl der durchgehend rechten Ausbauseite im planfestgestellten Abschnitt vor allem aus der Bebauung im Bereich des Haltepunktes V. sowie den Anforderungen der benachbarten Planfeststellungsabschnitte ergebe. Kleinräumige Wechsel der Ausbauseite innerhalb des planfestgestellten Abschnitts führten infolge der technisch erforderlichen Längenausdehnung einer hieraus resultierenden Verschwenkung zu weiteren Auswirkungen und Eingriffen in den Bestand von Natur und Landschaft. Diesen nachvollziehbaren Darlegungen der Beigeladenen hat sich die Beklagte angeschlossen (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 491 ff.).

34 Im Klageverfahren haben Beklagte und Beigeladene näher ausgeführt, dass sich das Grundstück des Klägers zwischen zwei Zwangspunkten befinde, an denen das planfestgestellte zusätzliche Gleis nur bahnrechts realisiert werden könne. Diese Punkte seien zum einen die neu errichtete Straßenüberführung R.straße bei Bahn-km 17,194 und zum anderen der Haltepunkt V. bei Bahn-km 18,792. Zur Frage einer kleinräumigen Verschwenkung der Trasse im Bereich des Grundstücks des Klägers haben sie nachvollziehbar dargelegt, dass eine solche Lösung allgemeinen Trassierungsgrundsätzen widerspräche und neben hohen Kosten und einer erheblichen Bauzeitverlängerung auch Einbußen für Fahrdynamik und Fahrkomfort im Betrieb zur Folge hätte. Für eine kleinräumige Umgehung des Grundstücks des Klägers wären zwei Verschwenkungen aller drei Streckengleise mit einer Entwicklungslänge von jeweils etwa 530 m nötig. Hieraus resultierte nach den unwidersprochenen weiteren Darlegungen der Beigeladenen ein erhöhter Flächenbedarf und eine Betroffenheit von 35 anstelle von elf Eigentümern von Grundstücken. Zugleich wäre hiernach auch eine höhere Zahl von Wohngrundstücken betroffen. Hinsichtlich der Umweltauswirkungen erläutern Beklagte und Beigeladene den bei bahnlinker Führung des dritten Gleises erhöhten naturschutzfachlichen Ausgleichsbedarf namentlich für den Verlust von Gehölzstrukturen mit Leitfunktion für Fledermäuse. Diese Darlegungen bestätigen die im Planfeststellungsbeschluss getroffene fachplanerische Abwägungsentscheidung der Beklagten.

35 Die Flächeninanspruchnahme zulasten des Klägers ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Beitrag, den das entzogene Eigentumsrecht zur Verwirklichung des Vorhabens leistet, steht nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des Eingriffs, den der konkrete Eigentumsentzug für den Kläger bedeutet. Die überplanten Teilflächen seines Grundstücks sind zur sachgerechten Verwirklichung des Ausbauvorhabens unverzichtbar. Zugleich erscheint das Gewicht des Eingriffs in das Eigentum des Klägers auch dadurch als gering, als ausschließlich Randbereiche des Grundstücks in Anspruch genommen werden und diese zusammen weniger als 10% der Gesamtfläche des Grundstücks ausmachen (567 m² von 5 725 m²).

36 c) Die vom Kläger im Zuge der Anpassung seiner Grundstückszufahrt an die geplante Errichtung einer Wendeanlage in der S.straße ursprünglich befürchteten (weiteren) Beeinträchtigungen seines Eigentums werden jedenfalls dadurch vermieden, dass die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung auf seine Anregung hin erklärt hat, im Zuge der Umsetzung der planfestgestellten Maßnahmen neue, technisch und funktional gleichwertige und gleichartige Zufahrten und Zugänge zur Garage und zum Garten auf dem Grundstück des Klägers herzustellen. Etwaige Schäden durch die durchzuführenden Baumaßnahmen werden auf Kosten der Beigeladenen unverzüglich beseitigt.

37 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss vom 13.01.2022 -
BVerwG 7 KSt 1.21ECLI:DE:BVerwG:2022:130122B7KSt1.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.01.2022 - 7 KSt 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:130122B7KSt1.21.0]

Beschluss

BVerwG 7 KSt 1.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Januar 2022
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
beschlossen:

  1. Die Erinnerung der Beigeladenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 28. September 2021, ergänzt durch Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. November 2021, wird zurückgewiesen.
  2. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Beigeladene.

Gründe

1 Die nach §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung gegen den mit Beschluss vom 29. November 2021 ergänzten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. September 2021 ist unbegründet. Die Reisekosten eines zweiten Anwalts zur mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2021 sind nicht erstattungsfähig.

2 Zu den nach § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähigen Kosten gehören die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG, Beschluss vom 30. September 2014 - 9 KSt 6.14 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 53 Rn. 3 m.w.N.), soweit sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 2 KSt 1.19 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 59 Rn. 5 m.w.N.). Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind unter anderem die Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig.

3 Auf dieser Grundlage sind grundsätzlich die Reisekosten nur eines Anwalts zu einer mündlichen Verhandlung zu erstatten. Anderes kann sich unter besonderen Umständen ergeben. Besondere Umstände liegen etwa dann vor, wenn im Hinblick auf die hohe Komplexität und den Schwierigkeitsgrad der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen, die Zahl der von einer Anwaltskanzlei vertretenen Verfahrensbeteiligten sowie die mit einer über mehrere Wochen angesetzten mündlichen Verhandlung verbundenen Besonderheiten die Anwesenheit von zwei Rechtsanwälten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dient (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 4 KSt 1009.07 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 47 Rn. 12).

4 Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Allein der Sachverhalt, dass es sich um ein Klageverfahren gegen einen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss von einigem Umfang handelt, begründet eine solche besondere Situation nicht. Das Verfahren betreffend den dreigleisigen Ausbau einer bislang zweigleisig geführten Eisenbahnstrecke zeichnet sich weder innerhalb des Spektrums von Planfeststellungssachen noch der vor dem Bundesverwaltungsgericht insgesamt anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten durch eine herausgehobene Komplexität oder einen besonderen Schwierigkeitsgrad aus. Für die mündliche Verhandlung wurde demgemäß - kombiniert mit einem Parallelverfahren mit identischen Beteiligten auf Beklagten- und Beigeladenenseite - ein einzelner Verhandlungstag angesetzt. Die von der Beigeladenen beauftragte Anwaltskanzlei wurde zudem in beiden Verfahren ausschließlich für die Beigeladene und nicht für eine Mehrzahl Beteiligter tätig.

5 Eine hier nicht zu entscheidende Frage ist, ob im Hinblick auf den Umfang der in einer mündlichen Verhandlung möglicherweise relevanten Sachfragen und der diesbezüglich erforderlichen Akten- und Detailkenntnisse die Anwesenheit eines (weiteren) verantwortlichen bzw. sachbearbeitenden Mitarbeiters der Genehmigungsbehörde oder des Vorhabenträgers für zweckentsprechend erachtet werden darf (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 4. September 2008 - 4 KSt 1010.07 - juris Rn. 7 und vom 20. August 2014 - 9 KSt 3.14 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 52 Rn. 3).

6 Über Gerichtskosten war nicht zu entscheiden, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.

Beschluss vom 13.01.2022 -
BVerwG 7 KSt 2.21ECLI:DE:BVerwG:2022:130122B7KSt2.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.01.2022 - 7 KSt 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:130122B7KSt2.21.0]

Beschluss

BVerwG 7 KSt 2.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Januar 2022
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
beschlossen:

  1. Die Erinnerung der Beigeladenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. September 2021, ergänzt durch Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. November 2021, wird zurückgewiesen.
  2. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Beigeladene.

Gründe

1 Die nach §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung gegen den mit Beschluss vom 29. November 2021 ergänzten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. September 2021 ist unbegründet. Die Reisekosten eines zweiten Anwalts zur mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2021 sind nicht erstattungsfähig.

2 Zu den nach § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähigen Kosten gehören die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG, Beschluss vom 30. September 2014 - 9 KSt 6.14 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 53 Rn. 3 m.w.N.), soweit sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 2 KSt 1.19 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 59 Rn. 5 m.w.N.). Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind unter anderem die Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig.

3 Auf dieser Grundlage sind grundsätzlich die Reisekosten nur eines Anwalts zu einer mündlichen Verhandlung zu erstatten. Anderes kann sich unter besonderen Umständen ergeben. Besondere Umstände liegen etwa dann vor, wenn im Hinblick auf die hohe Komplexität und den Schwierigkeitsgrad der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen, die Zahl der von einer Anwaltskanzlei vertretenen Verfahrensbeteiligten sowie die mit einer über mehrere Wochen angesetzten mündlichen Verhandlung verbundenen Besonderheiten die Anwesenheit von zwei Rechtsanwälten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dient (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 4 KSt 1009.07 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 47 Rn. 12).

4 Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Allein der Sachverhalt, dass es sich um ein Klageverfahren gegen einen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss von einigem Umfang handelt, begründet eine solche besondere Situation nicht. Das Verfahren betreffend den dreigleisigen Ausbau einer bislang zweigleisig geführten Eisenbahnstrecke zeichnet sich weder innerhalb des Spektrums von Planfeststellungssachen noch der vor dem Bundesverwaltungsgericht insgesamt anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten durch eine herausgehobene Komplexität oder einen besonderen Schwierigkeitsgrad aus. Für die mündliche Verhandlung wurde demgemäß - kombiniert mit einem Parallelverfahren mit identischen Beteiligten auf Beklagten- und Beigeladenenseite - ein einzelner Verhandlungstag angesetzt. Die von der Beigeladenen beauftragte Anwaltskanzlei wurde zudem in beiden Verfahren ausschließlich für die Beigeladene und nicht für eine Mehrzahl Beteiligter tätig.

5 Eine hier nicht zu entscheidende Frage ist, ob im Hinblick auf den Umfang der in einer mündlichen Verhandlung möglicherweise relevanten Sachfragen und der diesbezüglich erforderlichen Akten- und Detailkenntnisse die Anwesenheit eines (weiteren) verantwortlichen bzw. sachbearbeitenden Mitarbeiters der Genehmigungsbehörde oder des Vorhabenträgers für zweckentsprechend erachtet werden darf (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 4. September 2008 - 4 KSt 1010.07 - juris Rn. 7 und vom 20. August 2014 - 9 KSt 3.14 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 52 Rn. 3).

6 Über Gerichtskosten war nicht zu entscheiden, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.