Verfahrensinformation

Verbot eines islamistisch-extremistischen Vereins und seiner acht Teilorganisationen


Der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 ist ein im Jahre 2013 in das Vereinsregister eingetragener Verein. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) verbot ihn und acht weitere Vereine bzw. Organisationen als dessen Teilorganisationen mit Verfügung vom 22. März 2021 und löste diese auf. Es verbot zudem die Verwendung ihrer Kennzeichen sowie ihre Internetauftritte, beschlagnahmte deren Vermögen, zog dieses zugunsten des Bundes ein, ordnete die Beschlagnahme und Einziehung von Sachen und Forderungen Dritter sowie die sofortige Vollziehung mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen an. Zur Begründung führte das BMI an, dass der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 einschließlich seiner Teilorganisationen gemäß Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG den Strafgesetzen zuwiderlaufende Zwecke und Tätigkeiten verfolge und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte. Er habe mit seinen Teilorganisationen Gelder gesammelt und mit seinem Geflecht aus Vereinen und Einzelpersonen nicht nur humanitäre Projekte verwirklicht, sondern insbesondere terroristische Organisationen in Syrien, dem Gazastreifen und Somalia unterstützt sowie deren verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.


Gegen die Verbotsverfügung haben der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 sowie zwei als dessen Teilorganisationen eingeordnete Vereine (Az. BVerwG 6 A 2.21 und 6 A 4.21) bei dem hierfür erst- und letztinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 macht geltend, lediglich vier der in der Verfügung genannten Vereine seien seine Teilorganisationen, nicht aber die anderen Organisationen, zu denen auch die Kläger in den beiden anderen Verfahren zählten. Es lägen keine Verbotsgründe vor. Er verwirkliche in zahlreichen Ländern humanitäre Projekte, die allen Menschen zugutekämen. Er unterstütze keine terroristischen Vereinigungen im Ausland. Die beiden anderen Kläger machen mit ihren Klagen jeweils geltend, sie seien keine Teilorganisationen, sondern gegenüber dem Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 selbständige Vereine.


Pressemitteilung Nr. 58/2023 vom 07.07.2023

Vereinsrechtliches Verbot der Vereinigung WWR-Help. WorldWide Resistance-Help e.V. als Teilorganisation von Ansaar International e.V. rechtswidrig

Das mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 22. März 2021 ausgesprochene und am 5. Mai 2021 zugestellte Verbot des Vereins WWR-Help. WorldWide Resistance-Help e.V. als Teilorganisation der Vereinigung Ansaar International e.V. (Ansaar International) ist rechtswidrig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger hat sich die Unterstützung hilfsbedürftiger und notleidender Menschen vor allem im Gazastreifen zum Ziel gesetzt. Dort verwirklicht er in geringem Umfang Projekte unter anderem mit einer vor Ort ansässigen Organisation. Mit der genannten Verfügung verbot das BMI Ansaar International mitsamt seinen acht Teilorganisationen, weil Ansaar International mit seinen Zwecken und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufe und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung richte. Begründet wurde dies unter anderem mit der Unterstützung terroristischer Vereinigungen wie der HAMAS durch Ansaar International und dem Kläger als seiner Teilorganisation. Der Kläger sei in das Vereinsgeflecht von Ansaar International eingebunden. Er habe Ansaar International mehrere auf seinen Namen laufende Konten zur Sammlung von Spenden und zur Nutzung im Geschäftsverkehr zur Verfügung gestellt. Damit verbunden gewesen sei die Übernahme der Buchhaltung des Klägers und die Ausstellung von Spendenquittungen im Namen des Klägers durch Ansaar International. Die auf den überlassenen Konten eingehenden Gelder hätten ausschließlich Ansaar International zur Verfügung gestanden. Zur Kontrolle der Trennung der Finanzströme sei die Schwiegermutter des Vorsitzenden von Ansaar International in den Vorstand des Klägers gewählt worden.


Der Kläger hat gegen die Verbotsverfügung Klage erhoben und geltend gemacht, er sei keine Teilorganisation von Ansaar International. Aufgrund der eindeutigen Zuordnung der Konten seien die Finanzströme beider Vereinigungen getrennt gewesen. Die Erledigung der Buchhaltung durch Ansaar International habe nur diejenigen Geschäftsvorfälle betroffen, die diese Vereinigung über die ihr vom Kläger zur Verfügung gestellten Konten abgewickelt habe. Auf die Projekte des Klägers im Gazastreifen habe Ansaar International keinen Einfluss gehabt.


Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich entscheidet, hat Erfolg. Gegenstand der Prüfung in diesem Verfahren ist ausschließlich das Vorliegen der Voraussetzungen einer Teilorganisation und nicht die Verwirklichung von Verbotsgründen. Von einer Teilorganisation ist auszugehen, wenn eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung - der Teilorganisation - besteht. Hierfür ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Die Voraussetzungen einer Teilorganisation müssen noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vorliegen.


Nach diesem Maßstab hat es sich bei dem Kläger lediglich im Zeitraum von Anfang 2016 bis März 2019 um eine Teilorganisation von Ansaar International gehandelt. Demgegenüber rechtfertigen die nach diesem Zeitraum gegebenen Umstände nicht länger die Annahme einer Teilorganisation.


Der Kläger hat zwar in sehr geringem Umfang eigene Projekte im Gazastreifen unabhängig von Ansaar International verwirklicht. Seine Aktivitäten wurden jedoch seit 2016 dadurch geprägt, dass er Ansaar International seine Vereinsstrukturen zur Verfügung stellte, damit Ansaar International im Namen des Klägers weiter Spenden sammeln und im Rechtsverkehr auftreten konnte. Denn Ansaar International standen zu diesem Zeitpunkt keine eigenen Konten mehr zur Verfügung. Der Kläger hat Ansaar International nicht nur einige seiner Konten zur eigenständigen Nutzung überlassen, sondern diese Vereinigung auch in die Lage versetzt, im Namen des Klägers im Geschäftsverkehr aufzutreten und Verträge abzuschließen. Darüber hinaus hat der Kläger sämtliche Rechnungen und Unterlagen mit Bezug zu den überlassenen Konten an Ansaar International weitergeleitet und die Erledigung der Buchhaltung insoweit an diese Vereinigung abgegeben. Zur Kontrolle der auf den überlassenen Konten eingehenden Gelder hat Ansaar International die Schwiegermutter seines Vorsitzenden in den Vorstand des Klägers entsandt.


Die Nutzung der Vereinsstrukturen des Klägers durch Ansaar International hat spätestens im März 2019 geendet. Ansaar International hat die Verbindung zwischen den Vereinigungen nicht aufrechterhalten, nachdem Mitte August 2018 die vom Kläger überlassenen Konten seitens der Banken gekündigt worden waren. In der Folge ist die Kommunikation zwischen den Vereinigungen im März 2019 abgebrochen und die Vereinstätigkeit des Klägers weitestgehend zum Erliegen gekommen. Damit sind in tatsächlicher Hinsicht die wesentlichen Umstände entfallen, die die Annahme einer Teilorganisation gerechtfertigt haben. Insoweit erweist sich die Verbotsverfügung im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses als rechtswidrig.


Fußnote:

Hinweis:


Ansaar International hat ebenfalls Klage bei dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Verbotsverfügung vom 22. März 2021 erhoben. Das Verfahren, in dem vor allem die Verbotsgründe geprüft werden, ist unter dem Az. 6 A 3.21 anhängig und wird derzeit noch verhandelt.


BVerwG 6 A 4.21 - Urteil vom 07. Juli 2023


Urteil vom 07.07.2023 -
BVerwG 6 A 4.21ECLI:DE:BVerwG:2023:070723U6A4.21.0

Erfolgreiche Klage einer Teilorganisation gegen ihr vereinsrechtliches Verbot

Leitsätze:

1. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG für den Erlass eines Vereinsverbots liegen vor, wenn sich die Organisation oder Tätigkeit des Vereins einschließlich seiner Teilorganisationen, die von dem Verbot erfasst werden sollen, über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.

2. Die zuständige Behörde kann die Entscheidung über ein Absehen von der Anhörung wegen eines damit verbundenen Ankündigungseffekts vor dem Erlass des Verbots eines Vereins mitsamt seinen Teilorganisationen gegenüber den Adressaten nur einheitlich treffen.

3. Bei der Prüfung der grundsätzlich für das Vorliegen einer Teilorganisation sprechenden Indizien ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei sich die jeweilige Aussagekraft der Indizien nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles richtet. Nicht notwendig ist es, dass sämtliche dieser Indizien nach dem Gesamtbild die Annahme einer Teilorganisation tragen müssen.

4. Das Verbot einer Organisation als Teilorganisation nach § 3 Abs. 3 VereinsG erweist sich als rechtswidrig, wenn die feststellbaren Indizien die Einordnung als Teilorganisation für einen Zeitraum vor Erlass der Verbotsverfügung rechtfertigen, diese aber im maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses weitestgehend entfallen sind und die verbliebenen Umstände in der Gesamtwürdigung nicht mehr für eine solche Einordnung ausreichen.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 9 Abs. 2
    VereinsG § 3 Abs. 3

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 07.07.2023 - 6 A 4.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:070723U6A4.21.0]

Urteil

BVerwG 6 A 4.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. und 27. Juni 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
am 7. Juli 2023 für Recht erkannt:

  1. Die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 22. März 2021 wird aufgehoben, soweit sie den Kläger als Teilorganisation des Ansaar International e. V. betrifft.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen sein Verbot als Teilorganisation des Ansaar International e. V. durch die Verfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 22. März 2021, mit der dieser Verein und seine acht Teilorganisationen verboten werden.

2 Bei dem Kläger handelt es sich um einen im Jahr 2014 gegründeten und in das Vereinsregister eingetragenen Verein. Dem Vorstand gehörten zunächst Frau A., geb. An., als Vorsitzende, Herr E. als Schriftführer und fünf weitere Personen an. Auf der Mitgliederversammlung vom 25. Juli 2015 wurden die Vorstandsmitglieder mit Ausnahme der Vorsitzenden neu gewählt. Die Versammlung wählte Frau N. R. zur stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn D. zum Kassenwart und Herrn E. erneut zum Schriftführer. Die anderen Vorstandsmitglieder schieden aus dem Vorstand aus. Eine erneute Umstrukturierung des Vorstands gab es auf der Mitgliederversammlung vom 15. Dezember 2018. Herr D. schied aus und es kamen Frau An., Frau W. und Herr F. in den Vorstand.

3 Der Kläger verfolgt nach seiner Satzung vom 22. August 2014 in der Änderungsfassung vom 10. November 2014 ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige - mildtätige - hilfsbedürftige Zwecke i. S. d. Abgabenordnung (§ 1 Nr. 5 der Satzung). Hierzu zählen die Förderung der Hilfe für Kriegsopfer, Kriegshinterbliebene, Kriegsgefangene und die Unterstützung hilfsbedürftiger und Not leidender Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten. Die Satzungszwecke werden insbesondere durch Spenden für Nahrung, Medizin, Wiederaufbauhilfe sowie durch Hilfe zum täglichen Leben und gezielt an Betroffene verwirklicht (§ 2 Nr. 1 der Satzung). In tatsächlicher Hinsicht konzentrierte sich der Kläger auf die Hilfe im Gazastreifen. Sein ausgegebenes Ziel waren der Aufbau und die Unterstützung von Palästina. Im Mittelpunkt standen Projekte in Khan Younis und in Beit Hanoun.

4 Auf der Mitgliederversammlung vom 25. Juli 2015 gab die Vorsitzende des Klägers an, Kontakt zu der Vereinigung Ansaar International e. V. aufgebaut und darüber Frau N. R., die Schwiegermutter des Vorsitzenden jener Vereinigung, kennengelernt zu haben. Über Frau R. erhoffte sie sich eine gemeinsame Zusammenarbeit mit jener Vereinigung. Die Kooperation erstreckte sich in der Folgezeit indes nicht auf gemeinsame Projekte im Gazastreifen. Während Ansaar International e. V. seine Projekte im Gazastreifen vor allem mit der "Childhood Welfare Association" (CWA) verwirklichte, arbeitete der Kläger vor Ort insbesondere mit der "Islamic Society - Palestine - Jabalia-City" (ISJ) zusammen. Die Zusammenarbeit bestand im Kern darin, dass der Kläger im eigenen Namen mehrere Girokonten eröffnete und Ansaar International e. V. deren alleinige und ausschließliche Nutzung ermöglichte.

5 Das BMI leitete gegen Ansaar International e. V. ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Im Zuge dessen wurden am 10. April 2019 die Büroräume von Ansaar International e. V. und weitere Objekte wie die Wohnungen von Frau A. und Herrn E. durchsucht, aufgefundene Gegenstände und Unterlagen sowie Gelder sichergestellt und beschlagnahmt.

6 Mit am 5. Mai 2021 zugestellter Verfügung vom 22. März 2021 stellte das BMI fest, dass Ansaar International e. V. einschließlich seiner acht Teilorganisationen - darunter der Kläger - den Strafgesetzen zuwiderlaufende Zwecke und Tätigkeiten verfolgt und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet (Ziff. 1). Es verbot Ansaar International e. V. sowie seine acht Teilorganisationen und löste sie auf (Ziff. 2). Neben der Verwendung ihrer Kennzeichen (Ziff. 3) verbot es zudem unter Ziff. 4 ihre Internetauftritte einschließlich deren Bereitstellung, Hosting und weitere Verwendung. Mit Ziff. 5 beschlagnahmte es das Vermögen von Ansaar International e. V. und seinen Teilorganisationen und zog es zugunsten des Bundes ein. Darüber hinaus ordnete es die Beschlagnahme und Einziehung von Sachen und Forderungen Dritter nach Maßgabe der Ziff. 6 und 7 sowie unter Ziff. 8 die sofortige Vollziehung mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen an.

7 Zur Begründung führte das BMI im Wesentlichen aus, dass Ansaar International e. V. Spendengelder sammle und hierfür, insbesondere nachdem seine Konten gekündigt worden seien, ein Geflecht aus Vereinen und Einzelpersonen nutze. Zu diesem Vereinsgeflecht gehöre neben weiteren Organisationen auch der Kläger als Teilorganisation. Ein Jahr nach dessen Gründung hätten sich die Verflechtungen zwischen dem Kläger und Ansaar International e. V. gebildet. Der Kläger habe Ansaar International e. V. Konten zur alleinigen Nutzung überlassen und ihn zugleich in die Lage versetzt, über diese Konten im Namen des Klägers Rechnungen und Dienstleistungen abzuwickeln. Im Zuge dessen habe die Vorsitzende des Klägers sämtliche Unterlagen zu den Geschäftsvorfällen, die Ansaar International e. V. über diese Konten im Namen des Klägers abgewickelt habe, an diese Vereinigung weiterleiten müssen. Im Büro von Ansaar International e. V. seien Unterlagen des Klägers wie Umsatzlisten, Vereinsdokumente und Spendenquittungen gefunden worden. Im Zuge der Kontenüberlassung habe Ansaar International e. V. letztlich auch die Buchhaltung des Klägers übernommen. Ansaar International e. V. habe die ihm überlassenen Konten genutzt, um seine Vereinstätigkeiten und diejenigen seiner anderen Teilorganisationen zu finanzieren. Die Vorsitzenden des Klägers und von Ansaar International e. V. seien darüber hinaus im Ausland gewesen, um für die Vereine Konten zu eröffnen. Es habe sich im Laufe der Zeit ein Weisungsverhältnis entwickelt. So habe der Kläger Ansaar International e. V. um Vorgaben bzw. Handlungsempfehlungen gebeten, als im März 2018 die Schließung des Vereinskontos bei der Volksbank gedroht und die Bank von dem Kläger die Vorlage eines Vereinsberichts gefordert habe. Seine Vorsitzende habe eine Mitarbeiterin von Ansaar International e. V. autorisiert, sich als Verantwortliche des Klägers gegenüber der Bank auszugeben. Zudem habe Ansaar International e. V. seinen Vorsitzenden, Herrn K., ohne Kenntnis der Vorsitzenden des Klägers beim Arbeitsamt als dessen Mitarbeiter ab dem 1. Mai 2019 angemeldet. Die Vorsitzende des Klägers habe ihre Kernaufgaben nicht mehr selbst wahrgenommen. Beide Vereine sähen sich wirtschaftlich als ein Verein an, was darin zum Ausdruck komme, dass der Kläger nach eigenen Angaben im Jahr 2017 2,7 Millionen € an Spenden eingenommen habe; hierbei könne es sich jedoch nur um Einnahmen von Ansaar International e. V. auf den vom Kläger überlassenen Konten handeln. Der Kläger werde von Ansaar International e. V. federführend und organisatorisch geleitet.

8 Mit seinen humanitären Projekten unterstütze Ansaar International e. V. terroristische Organisationen im Ausland wie Jabhat al-Nusra in Syrien, HAMAS im Gazastreifen und Harakat al-Shabab al-Mujahidin in Somalia. Zugleich verbreite diese Vereinigung weltweit in den von ihr betriebenen Waisenhäusern und Moscheen sowie ihrer Akademie in Bursa extremistisch-salafistische Inhalte. Diese Aktivitäten erfüllten die Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG.

9 Gegen die Verbotsverfügung, soweit sie ihn betrifft, hat der Kläger am 4. Juni 2021 Klage erhoben. Er macht außer der formellen Rechtswidrigkeit der Verfügung wegen seiner unterbliebenen vorherigen Anhörung im Wesentlichen geltend, keine Teilorganisation von Ansaar International e. V. zu sein und keine Verbotstatbestände erfüllt zu haben, die Ansaar International e. V. zugerechnet werden könnten. Die für die Einordnung als Teilorganisation erforderliche personelle, organisatorische und finanzielle Verflechtung sei nicht gegeben.

10 Die Gründungsmitglieder hätten 2015 entschieden, Hilfsprojekte auch im Gazastreifen durchzuführen. Daher sei er - der Kläger - mit Ansaar International e. V. in Kontakt getreten, der ihm gezeigt habe, wie Projekte dort realisiert werden könnten. Frau R., die Schwiegermutter des Vorsitzenden von Ansaar International e. V., sei auf seinen - des Klägers - Wunsch in den Vorstand gekommen, weil sie arabische Sprachkenntnisse aufweise, in der Nähe wohne und hierdurch auf einfache Weise die Unterschriften zweier Vorstandsmitglieder hätten eingeholt werden können. Darüber hinaus habe sie die Kontrolle der ab 2016 eingerichteten Treuhandkonten übernommen, die der Kläger Ansaar International e. V. zur Verfügung gestellt habe. Auf seine inhaltlichen Aktivitäten, insbesondere seine Projekte, habe Frau R. ebenso wenig Einfluss genommen wie auf die allein von ihm - dem Kläger - benutzten Konten.

11 Zwischen ihm und Ansaar International e. V. habe es eine klare organisatorische und finanzielle Trennung gegeben. Aufgrund der zwischen den Vereinigungen geschlossenen Treuhandvereinbarung habe er - der Kläger - freiwillig auf Bitten von Herrn K. zwischen Februar 2016 und August 2018 vier Girokonten für Ansaar International e. V. eingerichtet. Die Verfügungsmacht habe aufgrund der Treuhandabrede allein Ansaar International e. V. ausgeübt. Neben den überlassenen Konten sei der Kläger im Besitz von zwei weiteren Konten gewesen, die er für seine originäre Vereinstätigkeit genutzt habe. Ansaar International e. V. habe mit Ausnahme von zwei kleineren Zahlungen keine weiteren Leistungen für ihn erbracht und insbesondere nicht die gesamte Buchhaltung von ihm - dem Kläger - übernommen. Er habe die auf seinen Namen lautenden Stempel, Spendenquittungen etc. Ansaar International e. V. zur Verfügung gestellt, damit dieser als wirtschaftlich Berechtigter die überlassenen Konten habe nutzen können. In diesem Rahmen habe er die entsprechenden Unterlagen, Rechnungen und Verträge, die über diese Konten abgewickelt worden seien, an Ansaar International e. V. weitergeleitet. Im Gegenzug habe diese Vereinigung insoweit seine Buchhaltung übernommen. Ihm sei weder bekannt gewesen, dass Ansaar International e. V. die Gemeinnützigkeit aberkannt worden sei, noch habe er Spenden für diese Vereinigung in den Gazastreifen transferiert.

12 Ebenso wenig habe er die Kontrolle über seine Vereinstätigkeit verloren. Soweit die auf den Treuhandkonten eingehenden Gelder für Verwaltungsaufgaben von Ansaar International e. V. verwendet worden seien, seien die entsprechenden Verträge für Lagerräume, Telekommunikationseinrichtungen usw. zwar im Namen des Klägers abgeschlossen, aber von Ansaar International e. V. abgewickelt worden. Ansaar International e. V. habe für ihn - den Kläger - und seine Projekte keine Bürotätigkeiten erledigt. Sie hätten keine gemeinsamen Projekte durchgeführt. Es habe lediglich auf seiner Seite die interne Überlegung gegeben, das Team von Ansaar International e. V. im Gazastreifen gleichzeitig auch für die Betreuung seiner Projekte zu nutzen. Dies sei aber nicht in die Tat umgesetzt worden. Entsprechende Äußerungen seiner Vorsitzenden zu der Zusammenarbeit seien als Ausdruck der Kooperation im Rahmen der Kontenüberlassung, nicht aber als Indiz für eine organisatorische Verflechtung zu sehen. Dies gelte vor allem für ihre Angabe, er habe im Jahr 2017 insgesamt 2,7 Millionen € Spendengelder vereinnahmt. Die Vorsitzende habe hierbei die auf den überlassenen Konten vereinnahmten Spenden von Ansaar International e. V. nur einbezogen, um ihrer Sache eine größere Bedeutung zu verleihen. Er - der Kläger - habe deutlich geringere Spendeneinnahmen zu verzeichnen gehabt. Schließlich habe sich kein Weisungsverhältnis entwickelt. Seine Vorsitzende habe eine Anfrage des Hessischen Rundfunks an Ansaar International e. V. weitergeleitet, weil deren Bearbeitung in den Aufgabenbereich dieses Vereins gefallen sei. Er sei weder gegenüber Ansaar International e. V. rechenschaftspflichtig noch habe er von diesem Verein Weisungen erhalten. Auch habe er selbst und nicht Ansaar International e. V. wegen des Entzugs seiner Gemeinnützigkeit einen Rechtsanwalt beauftragt. Seine Vorsitzende sei zunehmend durch die getrennten Buchhaltungen und die im Rahmen der verdeckten Stellvertretung gebotene Weiterleitung derjenigen Unterlagen, die wirtschaftlich Ansaar International e. V. betroffen hätten, überfordert gewesen. Auch habe sie sich über die entsprechenden Vorgänge nicht hinreichend informiert gefühlt und sich hierüber beschwert. Im Übrigen spreche gegen seine Einordnung als Teilorganisation, dass Ansaar International e. V. ihm von einer Zusammenarbeit mit der ISJ abgeraten und diese nur geduldet habe.

13 Selbst wenn er zu einem früheren Zeitpunkt eine Teilorganisation von Ansaar International e. V. gewesen sein sollte, lägen die Voraussetzungen hierfür jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung nicht mehr vor. Die Zurverfügungstellung der Treuhandkonten sei am 15. August 2018 beendet worden. Danach habe es Kontakte zu Ansaar International e. V. nur noch wegen vergangenheitsbezogener Abwicklungstätigkeiten gegeben. Seine Kooperation mit dieser Vereinigung habe schon vor Erlass der Verbotsverfügung geendet. Er habe seine Arbeit im Gazastreifen eingestellt und seine letzte Überweisung dorthin am 2. Dezember 2018 getätigt. Nach den Ermittlungsmaßnahmen am 10. April 2019 habe er keinerlei weitere Aktivitäten mehr entfaltet, welche seine Einordnung als Teilorganisation von Ansaar International e. V. noch rechtfertigen könnten. Soweit die Beklagte auf von ihm bzw. WWR/Help e. V. Ghana angeblich ausgestellte Rechnungen und Quittungen von WWR Ghana verweise und diese ihm zurechne, handele es sich um Fälschungen.

14 Er erfülle keine Verbotsgründe. Er habe keine Tätigkeiten ausgeübt, die den Strafgesetzen zuwiderliefen. Insbesondere habe er mit seinen Projekten nicht die HAMAS unterstützt. Ebenso wenig habe er sich mit seinen Aktivitäten im Gazastreifen gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet.

15 Das Verbot sei schließlich unverhältnismäßig. Gegen seine Vorsitzende und Herrn K. liefen zwar strafrechtliche Ermittlungsverfahren, diese hätten aber bisher weder zu einer Verhaftung noch zu einer Anklageerhebung geführt.

16 Der Kläger beantragt,
die Verbotsverfügung der Beklagten vom 22. März 2021, zugestellt am 5. Mai 2021, hinsichtlich des Klägers aufzuheben.

17 Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18 Sie verteidigt die angefochtene Verfügung und weist ergänzend vor allem darauf hin, dass es der Vorgehensweise von Ansaar International e. V. entspreche, enge Familienmitglieder des Vorsitzenden in seine Teilorganisationen zur Einflussnahme auf deren Aktivitäten zu entsenden. Dementsprechend sei Frau N. R. – die Schwiegermutter des Vorsitzenden von Ansaar International e. V. – in den Vorstand des Klägers gekommen. Ihr habe vorrangig die Kontrolle oblegen, dass die auf den vom Kläger überlassenen Konten eingegangenen Geldzahlungen ausschließlich von Ansaar International e. V. verwandt würden.

19 Im Zuge der Kontoüberlassung habe der Kläger Ansaar International e. V. seinen Stempel, seinen Briefkopf, auf seinen Namen lautende Spendenquittungen und die eingescannte Unterschrift seiner Vorsitzenden zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise habe der Kläger Ansaar International e. V. in die Lage versetzt, die Konten als Spendenkonten zu nutzen und steuerrechtlich wirksame Spendenquittungen im Namen des Klägers auszustellen. Ansaar International e. V. habe nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit keine Spendenquittungen mehr im eigenen Namen ausstellen können. Die finanzielle Verflechtung werde dadurch deutlich, dass Ansaar International e. V. Verbindlichkeiten des Klägers übernommen habe, die aus dessen originärer Vereinstätigkeit herrührten. Die enge Verbindung zwischen den Vereinen ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Vorsitzende des Klägers am 31. Dezember 2018 eine Messenger-Gruppe auf Facebook eingerichtet und darüber das Protokoll der Mitgliederversammlung unter anderem an den Vorsitzenden und die stellvertretende Vorsitzende von Ansaar International e. V. übersandt habe. Außerdem sei die Vorsitzende des Klägers bemüht gewesen, die Kooperation mit Ansaar International e. V. geheim zu halten, um die Aktivitäten nicht zu gefährden. Beide Vereinigungen hätten sich als wirtschaftliche Einheit bzw. als einheitliches Team gesehen. Es lägen Äußerungen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass Ansaar International e. V. die gesamte Buchhaltung des Klägers übernommen habe. Der Kläger habe zudem eine an ihn gerichtete Anfrage des Hessischen Rundfunks an Ansaar International e. V. weitergeleitet, ohne dass hierfür Anlass bestanden habe, da die darin enthaltenen Fragen den Kläger selbst betroffen hätten.

20 Der Kläger sei auch noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung eine Teilorganisation gewesen. So habe er noch im Jahr 2021 zwei auf seinen Namen laufende Rechnungen für Telefon und Strom für Februar 2021 bzw. für Mitte Mai 2020 bis Mitte April 2021 erhalten, die wirtschaftlich Ansaar International e. V. zuzurechnen seien. Hinzu kämen die von dem Kläger stammenden Rechnungen von WWR/Help e. V. Ghana vom 2. Februar und 27. Dezember 2019 an AYDA Projects sowie vom 15. und 20. Dezember 2020 an Ansaar International e. V. Des Weiteren habe der Kläger am 30. August 2019 und am 11. März 2020 Rechnungen an AYDA, den türkischen Ableger von Ansaar International e. V., ausgestellt, die sich auf dem USB-Stick einer Mitarbeiterin von Ansaar International e. V. im dortigen Büro befunden hätten.

21 Die Klage ist am 26. und 27. Juni 2023 gemeinsam mit der gegen die Verbotsverfügung erhobenen und unter dem Aktenzeichen BVerwG 6 A 3.21 geführten Klage von Ansaar International e. V. verhandelt worden. Ansaar International e. V. hat die Einschätzung des Klägers geteilt, dass dieser keine Teilorganisation sei. Der Kläger habe über seine Vorsitzende Kontakt zu ihm aufgenommen, weil dieser einen erfahrenen Partner zur Realisierung von Projekten im Gazastreifen gesucht habe. Hierbei habe er ihm geholfen. Der Kläger habe auf seine Anfrage hin Konten eröffnet, über welche ausschließlich er im Innenverhältnis habe verfügen dürfen. Die für ihn bestimmten Gelder seien aus Sicht des Klägers ein durchlaufender Posten gewesen. Gleichzeitig sei Frau R. in den Vorstand des Klägers gewählt worden, um die Verwendung der auf den überlassenen Konten eingehenden Gelder kontrollieren zu können. Die Zusammenarbeit habe sich allein auf diese Konten beschränkt. Auf die weiteren Konten des Klägers und die darauf vorhandenen Gelder habe er nicht zugreifen können. Die jeweiligen Finanzströme seien strikt voneinander getrennt gewesen. Er - Ansaar International e. V. – habe keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Klägers genommen. Sie hätten kein gemeinsames Hilfsprojekt ausgeführt. Der Kläger habe in eigener Regie Projekte in Gaza durchgeführt und gegen seinen Rat mit der ISJ kooperiert. In seinem Büro seien keine Unterlagen vorhanden gewesen, die die Aktivitäten des Klägers in Gaza beträfen. Er selbst bediene sich für seine Hilfeleistungen in Gaza ausschließlich der CWA, die nicht in Kontakt mit der HAMAS stehe. Er habe die Buchhaltung des Klägers nur für die ihn betreffenden Geschäftsvorfälle übernommen, die über die überlassenen Konten abgewickelt worden seien. Die von der Beklagten angeführten Indizien rechtfertigten nicht die Annahme, dass zwischen ihm und dem Kläger ein Weisungsverhältnis bestanden habe. Insbesondere habe er keine Rechnungen für den Kläger beglichen. Dessen Vorstand habe ihn ausdrücklich ermächtigt, kleinere Geschäfte im Namen des Klägers für sich abzuschließen. Dazu zählten etwa Verträge über Lagerräume, Internetverträge, Bestellungen im Internet, Handwerksleistungen und öffentliche Verkehrsmittel sowie die Anmeldung von Arbeitnehmern. Auch habe die Vorsitzende des Klägers ständig die Kontrolle behalten. Die auf den Namen des Klägers lautenden Spendenquittungen habe er besessen, weil dessen Buchhaltung das Ausstellen der Quittungen nicht aus eigener Kraft habe abwickeln können. Dies allein rechtfertige aber nicht die Annahme eines organisatorischen Zusammenwirkens und damit einer Teilorganisation. Er - Ansaar International e. V. – habe als größerer Verein lediglich dem Kläger mit Personal und Räumlichkeiten ausgeholfen. Dies sei bei gemeinnützigen Organisationen üblich.

22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Streitakte, die von dem Kläger und der Beklagten vorgelegten Unterlagen und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II

23 Die zulässige Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erst- und letztinstanzlich entscheidet, ist begründet. Die Verbotsverfügung der Beklagten vom 22. März 2021 ist, soweit sie den Kläger betrifft, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für seine Qualifikation als Teilorganisation von Ansaar International e. V. lagen zwar von 2016 bis längstens Ende März 2019, aber nicht mehr in dem hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vor.

24 Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses. Dabei können - wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht - zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 25 m. w. N.). In rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sind daher die Verhältnisse am 5. Mai 2021, dem Tag der Zustellung der Verbotsverfügung, zugrunde zu legen. Das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593) findet hiernach i. d. F. des Art. 5 des Gesetzes vom 30. November 2020 (BGBl. I S. 2600) Anwendung.

25 Die den Kläger betreffenden Regelungen in der Verbotsverfügung finden ihre Grundlage in den Bestimmungen des Vereinsgesetzes (1.). Gemessen an diesen Bestimmungen ist die angefochtene Verbotsverfügung formell rechtmäßig (2.), während sie in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beanstanden ist. Die zwischenzeitlich bestehende Teilorganisationseigenschaft des Klägers war spätestens Ende März 2019 und damit im maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung am 5. Mai 2021 entfallen (3.).

26 1. Rechtsgrundlage für das Verbot und die Auflösung des Klägers ist § 3 Abs. 3 VereinsG. Nach dessen Satz 1 erstreckt sich das Verbot eines Vereins, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Für nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit gilt dies gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Diese Bestimmungen sind hier anzuwenden. Als in das Vereinsregister eingetragener Verein hat der Kläger eine eigene Rechtspersönlichkeit. Er ist in der Verbotsverfügung als Teilorganisation ausdrücklich benannt und als nichtgebietliche Organisation im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG einzuordnen.

27 Das gleichzeitig ausgesprochene Verbot, den Betrieb der in dem Tenor der Verfügung genannten Internetseiten etc. des Klägers einzustellen, ergibt sich aus der Natur des Vereinsverbots und der Auflösungsanordnung, ohne dass es dafür einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 30 m. w. N.). Die in der Verbotsverfügung in Bezug auf den Kläger getroffenen weiteren vereinsrechtlichen Entscheidungen beruhen auf § 9 Abs. 1 VereinsG (Kennzeichenverbot), § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 10 und 11 VereinsG (Vermögensbeschlagnahme und -einziehung) sowie § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 i. V. m. § 12 Abs. 1 und 2 VereinsG (Einziehung bestimmter Forderungen und Sachen Dritter).

28 2. Die angefochtene Verfügung ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Dies gilt insbesondere für die Zuständigkeit des BMI (a)) und das Absehen von der Anhörung der Betroffenen vor dem Verfügungserlass (b)).

29 a) Die Zuständigkeit folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG. Danach ist das BMI Verbotsbehörde für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist bei dem Verbot eines Gesamtvereins auf die Organisation oder Tätigkeit des zu verbietenden Vereins einschließlich seiner Teilorganisationen abzustellen, auf die die Verbotsbehörde das Verbot nach § 3 Abs. 3 VereinsG erstreckt. Deshalb ist das BMI für den Erlass einer Verbotsverfügung jedenfalls dann zuständig, wenn sich die Organisation des Gesamtvereins auf mehrere Bundesländer verteilt (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 20 und vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 54). So verhält es sich hier. Die angefochtene Verbotsverfügung erfasst den Verein Ansaar International e. V. mit Sitz in Nordrhein-Westfalen und weitere Organisationen als dessen Teilorganisationen, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen (so der Kläger), Hessen (Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstand und Umgebung e. V.) bzw. Berlin (Änis Ben-Hatira Help e. V.) haben.

30 Art. 18 lit. d) der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88/6) – nachfolgend Richtlinie (EU) 2017/541 - steht der Zuständigkeit des BMI für den Erlass eines Vereinsverbots nach den Bestimmungen des Vereinsgesetzes nicht entgegen. Die Norm sieht vor, dass die Mitgliedstaaten in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 aufgrund einer Verurteilung wegen einer darin aufgeführten Straftat als Sanktion gegen juristische Personen deren richterlich angeordnete Auflösung vorsehen können. Nach Art. 1 der Richtlinie (EU) 2017/541 enthält diese Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und die Festlegung von Sanktionen auf dem Gebiet von terroristischen Straftaten, Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung und Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten sowie Maßnahmen zum Schutz, zur Unterstützung und zur Hilfe der Opfer von Terrorismus. Die in Art. 18 der Richtlinie (EU) 2017/541 vorgesehenen und von den Mitgliedstaaten bei deren Umsetzung in Betracht zu ziehenden Sanktionen knüpfen - wie der Normzusammenhang mit Art. 17 dieser Richtlinie und auch die Formulierung in Erwägungsgrund 18 zeigen - an eine strafrechtliche Verurteilung einer juristischen Person wegen einer terroristischen Straftat an, wie sie abschließend dort festgelegt werden. Die Vorschrift zählt insoweit lediglich beispielhaft die in diesen Fällen gegen juristische Personen in Betracht kommenden wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen auf. Die in Art. 18 lit. d) der Richtlinie (EU) 2017/541 genannte richterlich angeordnete Auflösung einer juristischen Person als Sanktion bzw. Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung berührt nicht die Kompetenzen der Mitgliedstaaten zur Regelung von behördlichen Befugnissen im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr. Dies gilt insbesondere für das behördlicherseits ausgesprochene Verbot eines Vereins nach Maßgabe des Vereinsgesetzes, das ein "Instrument präventiven Verfassungsschutzes" ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 101 m. w. N.). Da der auf repressive Maßnahmen bezogene Charakter der Richtlinie (EU) 2017/541 derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel hieran keinerlei Raum bleibt, sieht der erkennende Senat keinen Anlass, eine Frage zur Auslegung von Art. 18 lit. d) der Richtlinie (EU) 2017/541 dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzulegen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 9. März 2023 - 3 C 6.22 - NVwZ 2023, 1258 Rn. 26 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union).

31 b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts kann die zuständige Behörde vor Erlass eines Vereinsverbots nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von einer Anhörung der Betroffenen absehen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass sonst aufgrund des mit der Anhörung verbundenen "Ankündigungseffekts" Beweismittel und Vermögenswerte beiseite geschafft und dem behördlichen Zugriff entzogen werden (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 161; BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69, vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 36 und vom 14. Dezember 2022 - 6 A 6.21 - DVBl. 2023, 598 Rn. 20; Beschlüsse vom 25. August 2008 - 6 VR 2.08 - juris Rn. 8 und vom 21. September 2020 - 6 VR 1.20 - juris Rn. 11 f.). Die Ermessensentscheidung hierüber bedarf einer Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Gesichtspunkte sowie einer Begründung, die erkennen lässt, auf welchen Erwägungen das Absehen von der Anhörung beruht (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2022 - 6 A 6.21 - DVBl. 2023, 598 Rn. 20 m. w. N.).

32 Die zuständige Behörde kann die Entscheidung über ein Absehen von der Anhörung vor dem Erlass des Verbots eines Vereins mitsamt seinen Teilorganisationen gegenüber den Adressaten nur einheitlich treffen, da das in einem Verwaltungsverfahren erlassene Verbot nach § 3 VereinsG den Gesamtverein erfasst. Hat die Behörde von einer Anhörung abgesehen, kann eine Teilorganisation im anschließenden gerichtlichen Verfahren nur geltend machen, ein Ankündigungseffekt wäre bei dem Gesamtverein nicht eingetreten. Die Berufung darauf, dass ein solcher Effekt nur bei ihr nicht hätte eintreten können, ist in diesem Fall ausgeschlossen. Diesen Einwand kann sie nur geltend machen, wenn sie als Teilorganisation nachträglich in ein bereits erlassenes Vereinsverbot aufgrund einer gesonderten Verfügung einbezogen wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77).

33 Danach hat das BMI mit der in der Verbotsverfügung angeführten Begründung von der Anhörung absehen können. Es hat sich darauf gestützt, dass andernfalls der Erfolg einer Zerschlagung der Vereinsstrukturen von Ansaar International e. V. und seinen Teilorganisationen aufgrund der klandestinen Organisationsstruktur gefährdet sowie Infrastruktur und Vermögen beiseite geschafft worden wären. Diese Begründung genügt den rechtlichen Anforderungen. Die Beklagte hat aufgrund der Fortführung der Tätigkeit des Gesamtvereins nach der ersten Durchsuchung am 10. April 2019 davon ausgehen dürfen, dass Ansaar International e. V. und seine Teilorganisationen über neue Beweismittel, Barmittel bzw. weiteres Vermögen verfügen, die im Falle einer Anhörung einem Zugriff hätten entzogen werden können. Der Ankündigungseffekt ist nicht wegen der vorliegenden Umstände entfallen. Zwar war schon mit der ersten Durchsuchung aus Anlass der Einleitung des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens ein gewisser Ankündigungseffekt des Inhalts verbunden, dass die Verbotsbehörde gegen den Gesamtverein vereinsrechtlich ermittelt und die Voraussetzungen für den Erlass einer Verbotsverfügung prüft. Auch gab es im Anschluss hieran gerichtliche Verfahren gegen die Durchsuchungsanordnungen. Da aber eine Anhörung dem Gesamtverein darüber hinaus bedeutet hätte, dass die zuständige Behörde die Voraussetzungen einer Verbotsverfügung als gegeben ansieht und deren Erlass nunmehr beabsichtigt, unterscheidet sich der mit ihr verbundene Ankündigungseffekt von demjenigen, der durch die erste Durchsuchungsmaßnahme hervorgerufen worden ist. Mithin hätte eine Anhörung auch zwei Jahre nach der ersten Durchsuchung Anlass geben können, vorhandenes Vermögen und Beweismittel wegzuschaffen, auch wenn weder Ansaar International e. V. noch eine seiner Teilorganisationen hiermit nach dem 10. April 2019 begonnen haben sollten und dieses den Sicherheitsbehörden bekannt gewesen sein sollte.

34 3. Die Verbotsverfügung ist, soweit sie den Kläger betrifft und ihn als Teilorganisation von Ansaar International e. V. verbietet, materiell rechtswidrig. Bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Teilorganisation im Sinne von § 3 Abs. 3 VereinsG hat das Gericht im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO den gesamten Streitstoff des Verfahrens umfassend zu würdigen (a)). Anhand dieses Maßstabes ist der Kläger nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse lediglich in dem Zeitraum von 2016 bis längstens Ende März 2019, aber nicht mehr in dem nachfolgenden Zeitraum und dem maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung als in die Vereinsstruktur von Ansaar International e. V. eingegliedert und dessen nichtgebietliche Teilorganisation anzusehen (b)). Erweist sich hiernach das Verbot des Klägers als rechtswidrig, teilen die ihn betreffenden vereinsrechtlichen Nebenentscheidungen dieses Schicksal (c)).

35 a) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG verlangt für das Vorliegen einer Teilorganisation im Unterschied zu reinen Hilfs- oder Nebenorganisationen, dass eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung besteht. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein. Eine totale organisatorische Eingliederung etwa in dem Sinne, dass ausschließlich Mitglieder oder Sympathisanten der Gesamtorganisation der Teilorganisation angehören dürfen, ist allerdings nicht erforderlich. Die Gliederung muss im Wesentlichen von der Gesamtorganisation beherrscht werden. Indizien hierfür können sich aus der personellen Zusammensetzung der Vereinigungen, ihrer Geschichte, ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen, ihrer Tätigkeit und Finanzierung sowie aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten, respektive auch aus hierarchischen Strukturen, ergeben. Anhaltspunkte für derartige Strukturen können Berichtspflichten sowie eine ständige Begleitung und Betreuung durch Vertreter des Gesamtvereins sein. Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei sich die jeweilige Aussagekraft der Indizien nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles richtet. Nicht notwendig ist es daher zum einen, dass sämtliche genannten Indizien nach dem Gesamtbild die Annahme einer Teilorganisation tragen. Zum anderen können auch Indizien, die für sich genommen als nicht zwingend erscheinen mögen, in ihrer Summe eine Qualifikation als Teilorganisation rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 18, vom 4. November 2016 - 1 A 6.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 72 Rn. 14 und vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 67).

36 Aus § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG, der für die Annahme einer Teilorganisation auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse abstellt, folgt für die gerichtliche Überprüfung des hierauf beruhenden Verbots, dass das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat. Seine Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) beruht, der Eigenart der Materie entsprechend, regelmäßig in erheblichem Umfang auf der zusammenfassenden tatrichterlichen Wertung von Indizien. Das Gericht hat sich auf der Grundlage der festgestellten Indizien und nach umfassender Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten, der von der Beklagten vorgelegten und vom Gericht in das Verfahren einbezogenen Unterlagen sowie des ergänzenden Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Überzeugung darüber zu bilden, ob die klagende Vereinigung eine Teilorganisation im Sinne von § 3 Abs. 3 VereinsG ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 17 und vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 46).

37 Stellt eine Vereinigung eine Teilorganisation dar, wird sie aufgrund ihrer Identität mit dem Gesamtverein von dessen Verbot erfasst. Sie muss nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 5. August 2009 ‌- 6 A 2.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 49 Rn. 18 und vom 13. Januar 2016 ‌- 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 12). Soweit der Kläger geltend macht, mit seinen Aktivitäten im Gazastreifen keine Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG zu verwirklichen, kommt es hierauf für die gerichtliche Prüfung des Vorliegens einer Teilorganisation nicht entscheidungserheblich an.

38 b) Die im Einzelfall feststellbaren Indizien, die für eine Eingliederung einer Organisation in den verbotenen Verein sprechen, müssen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung die Annahme einer Teilorganisation tragen. Das auf § 3 Abs. 3 VereinsG beruhende Verbot einer Organisation erweist sich hiernach als rechtswidrig, wenn die feststellbaren Indizien lediglich für einen Zeitraum vor Erlass der Verbotsverfügung die Einordnung als Teilorganisation rechtfertigen, diese aber im Zeitpunkt des Erlasses weitestgehend entfallen sind und die verbliebenen Umstände in der Gesamtwürdigung nicht mehr für eine solche Einordnung ausreichen. So verhält es sich hier.

39 Als maßgeblich ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Kläger Ansaar International e. V. mehrere Girokonten zur Verfügung gestellt hat und seinem Vorstandsmitglied, Frau N. R., im Wesentlichen die Aufgabe zukam, die Verwendung der dort eingehenden und Ansaar International e. V. zustehenden Gelder im Auftrag dieser Vereinigung zu kontrollieren (aa)). Zugleich versetzte der Kläger Ansaar International e. V. in die Lage, im Namen des Klägers Spenden zu sammeln und im Rechts- und Geschäftsverkehr aufzutreten (bb)). Ebenso war für den Kläger mit der Kontenüberlassung die Verpflichtung zur Weiterleitung sämtlicher Unterlagen und Rechnungen sowie die Abgabe der Buchhaltung an Ansaar International e. V. verbunden, soweit diese die überlassenen Konten und die darüber abgewickelten Transaktionen betrafen (cc)). Dies führte letztlich auf Seiten des Klägers zur einer Überforderung seiner Ressourcen und einem Kontrollverlust, was die Annahme rechtfertigt, dass der Kläger von Ansaar International e. V. beherrscht wurde (dd)). Demgegenüber traten die nur in geringem Umfang verwirklichten eigenen Projekte des Klägers im Gazastreifen in den Hintergrund (ee)). Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse stellte der Kläger Ansaar International e. V. seine Vereinsstrukturen von 2016 bis längstens Ende März 2019 zur Verfügung und war in diesem Zeitraum als Teilorganisation dieser Vereinigung anzusehen, während hiervon nachfolgend und im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung nicht mehr ausgegangen werden kann (ff)).

40 aa) Die Zusammenarbeit mit Ansaar International e. V. entwickelte sich auf Initiative des Klägers, in dessen Vorstand Frau N. R. als Vertreterin von Ansaar International e. V. kam (1). Die Kooperation beider Vereinigungen bezog sich nicht auf gemeinsame Projekte, sondern war ab 2016 vor allem dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger vier auf seinen Namen lautende Girokonten eröffnete und diese Konten Ansaar International e. V. zur alleinigen Nutzung überließ (2).

41 (1) Nach den übereinstimmenden Angaben der beiden Vereinigungen und entsprechend den Ausführungen in der Verbotsverfügung ging die Initiative zur Zusammenarbeit mit Ansaar International e. V. von dem Kläger aus. Nach seiner Gründung beschloss der Kläger, sich auf die Hilfeleistung im Gazastreifen zu konzentrieren. Er suchte aus diesem Grunde eine Vereinigung, die bereits Projekte im Gazastreifen verwirklichte. Seine Vorsitzende nahm daher Kontakt zu Ansaar International e. V. auf und lernte dessen Vorsitzenden, Herrn K., sowie seine Schwiegermutter, Frau N. R., kennen. Frau R. unterstützte den Kläger zunächst mit ihren arabischen Sprachkenntnissen und bei Behördengängen; auch hielt sie den Kontakt zu Ansaar International e. V., der dem Kläger beratend zur Seite stand. Auf ihrer Versammlung vom 25. Juli 2015 wählten die Mitglieder des Klägers Frau R. in den Vorstand, da deren Tätigkeit für den Kläger noch ausgebaut werden sollte. Auch wenn die Vorsitzende des Klägers aufgrund der in der Versammlung beschlossenen Satzungsänderung nunmehr berechtigt war, den Kläger allein zu vertreten, war nach ihren Angaben die Wahl von Frau R. zum Vorstandsmitglied vor allem deshalb erforderlich, weil diese - anders als die anderen Vorstände - in ihrer Nähe wohnte und sie daher ohne großen Aufwand eine zweite Unterschrift eines Vorstandsmitglieds beibringen konnte, wenn dies - wie etwa bei den Banken - erforderlich war, um im Namen des Vereins handeln zu können. Darüber hinaus kam Frau R. nach den übereinstimmenden Einlassungen der beiden Vereine ab 2016 die vorrangige Aufgabe zu, für Ansaar International e. V. die von dem Kläger im eigenen Namen eröffneten und an diese Vereinigung überlassenen Konten sowie die interne Trennung der Finanzströme zu überwachen, da die darauf eingehenden Gelder nicht dem Kläger, sondern Ansaar International e. V. zustanden. Ihre Vorstandsposition war hierfür erforderlich, um bei der Eröffnung der Konten als Verfügungsberechtigte eingetragen zu werden und für Ansaar International e. V. Bargeldabhebungen vornehmen zu können.

42 (2) Die Zusammenarbeit des Klägers mit Ansaar International e. V. war nicht auf die Verwirklichung gemeinsamer Projekte im Gazastreifen gerichtet. Während Ansaar International e. V. seine dortigen Projekte mit der CWA verwirklichte, führte der Kläger seine Hilfsprojekte vor Ort insbesondere in Kooperation mit der ISJ durch, wobei die Vorsitzenden beider Vereine übereinstimmend angaben, dass Herr K. dem Kläger von einer Zusammenarbeit mit der ISJ abgeraten hatte. Eine von der Vorsitzenden des Klägers geäußerte Hoffnung, für eigene Projekte auf das Team von Ansaar International e. V. zurückgreifen zu können, realisierte sich nicht.

43 Ab 2016 stand für die beiden Vereine die Einrichtung und Überlassung von Girokonten an Ansaar International e. V. durch den Kläger im Vordergrund ihrer Zusammenarbeit. Ansaar International e. V. besaß im Inland keine eigenen Konten mehr, zudem war ihm die Gemeinnützigkeit aberkannt worden (2.1). Die Kooperation war dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger im eigenen Namen für Ansaar International e. V. vier Girokonten eröffnete und diese Ansaar International e. V. für dessen ausschließliche Nutzung bereitstellte (2.2). Zwei weitere Konten standen demgegenüber allein dem Kläger zum Sammeln von Spenden und zur Durchführung der eigenen Projekte zur Verfügung (2.3). Nach Schließung der Konten versuchten beide Vereinigungen, im In- und Ausland weitere Konten zu eröffnen (2.4). Dies spricht für eine enge Einbindung des Klägers in die finanziellen Angelegenheiten von Ansaar International e. V. (2.5).

44 (2.1) Ansaar International e. V. verfügte Anfang 2016 über keine eigenen Girokonten im Inland mehr. Nach seinen Angaben waren sämtliche seiner Girokonten im Jahr 2015 gekündigt worden. Zudem war dem Verein mit Körperschaftssteuerbescheid 2013 des Finanzamts Düsseldorf-Mitte vom 12. Oktober 2015 wegen des Bestehens tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht der Förderung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen und einer entsprechenden Einstufung des Vereins im aktuellen Verfassungsschutzbericht NRW die Gemeinnützigkeit entzogen und ihm untersagt worden, Zuwendungsbestätigungen nach amtlichem Muster auszustellen. Insoweit ist dieser Bescheid nach Rücknahme der hiergegen erhobenen Klage und Einstellung des Verfahrens bestandskräftig geworden. Das Finanzamt Düsseldorf-Mitte versagte darüber hinaus mit gesonderten Bescheiden vom 12. Dezember 2017 sowohl für 2014 als auch für 2015 die Gemeinnützigkeit und untersagte die Ausstellung von Zuwendungsbescheinigungen. Ansaar International e. V. war mithin ab Mitte Oktober 2015 nicht mehr in der Lage, im Inland mittels eigener Girokonten Spenden zu sammeln und finanzielle Transaktionen zu tätigen sowie steuerrechtlich anzuerkennende Spendenquittungen auszustellen. Er war dementsprechend bestrebt, auf andere Vereine zurückzugreifen, damit sie ihm Konten zur Verfügung stellen und er seine Vereinstätigkeit fortführen konnte. Hierzu zählte auch der Kläger, der zu dem damaligen Zeitpunkt noch als gemeinnützig anerkannt war und entsprechende steuerrechtlich anerkannte Zuwendungsbescheinigungen ausstellen konnte. Dem Kläger wurde die Gemeinnützigkeit erst mit Körperschaftssteuerbescheid des Finanzamts Neuss vom 17. Januar 2019 für 2017 rückwirkend ab 2014 aberkannt. In der Begründung des Bescheids wird darauf verwiesen, dass er im Verfassungsschutzbericht 2017 des Landes Nordrhein-Westfalen als extremistische Organisation aufgeführt werde, sodass die Voraussetzungen einer Steuervergünstigung nicht erfüllt seien.

45 Aus den vorstehend genannten Gründen trat Ansaar International e. V. Anfang 2016 an den Kläger heran und bat ihn, im eigenen Namen Konten zu eröffnen und diese ihm zur Verfügung zu stellen. Hierzu kam es auch deswegen, weil der Kläger - wie die Aussage der Zeugin S. ("Adila"), einer Mitarbeiterin von Ansaar International e. V., am 15. Dezember 2020 bei dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) belegt - Ansaar International e. V. zuvor seine Hilfe angeboten hatte. Dass Ansaar International e. V. den Kläger sogar angewiesen haben soll, Konten zu eröffnen und zu überlassen, lässt sich den vorgelegten Chatmitteilungen vom 13. Juni 2016 zwischen Herrn K. und Frau A. entgegen der Einschätzung der Beklagten nicht entnehmen. Danach schlug zwar Herr K. in kurz gehaltener Schreibweise vor, dass Frau A. zur Sparkasse Düsseldorf oder zur Volksbank gehen solle, um ein Konto zu eröffnen. Hierin ist jedoch keine Weisung zu sehen.

46 (2.2) Der Kläger eröffnete nach dem Analysebericht des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 2020 zum Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen 2 BJs 388/19-9 (nachfolgend: Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020) im eigenen Namen ein Konto bei der KT Bank AG, zwei Konten bei der Volksbank Düsseldorf Neuss eG sowie ein Konto bei der Sparkasse Neuss und stellte diese Konten Ansaar International e. V. zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung.

47 Die Zuordnung dieser Konten ergibt sich zunächst aus der zwischen den beiden Vereinen nach deren Angaben geschlossenen Abrede, wonach die Konten allein für die Nutzung durch Ansaar International e. V. bestimmt waren und die darauf eingehenden Geldzahlungen wirtschaftlich allein diesem Verein zustanden. Bestätigt wird diese Einlassung durch die Feststellung in dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020, wonach Ansaar International e. V. gegenüber Nachfragen von Spendern, weshalb die Spendenquittungen nicht von ihm, sondern dem Kläger ausgestellt worden seien, als Antwort regelmäßig darauf verwiesen habe, dass die auf den Konten des Klägers eingehenden Spenden zu 100 Prozent bei ihm - Ansaar International e. V. – ankämen. Zudem ergibt sich die Überlassung der Konten aus dem Umstand, dass der Kläger neben seiner Vorsitzenden auch seinem Vorstandsmitglied, Frau N. R., die Verfügungsberechtigung für diese Konten eingeräumt hatte, damit sie die Verwendung der eingehenden und Ansaar International e. V. wirtschaftlich zustehenden Gelder kontrollieren konnte. Die Nutzung der Konten durch Ansaar International e. V. wurde dadurch ermöglicht, dass Frau R. nach der Aussage der Zeugin S. vom 15. Dezember 2020 bei dem LKA NRW dieser Vereinigung ihre Kontozugangsdaten zur Verfügung gestellt hatte. Schließlich sprechen auch die im Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 festgestellten Geldflüsse auf diesen Konten für eine ausschließliche Verwendung durch Ansaar International e. V.

48 So stammten die Hauptgeldzuflüsse auf dem am 14. September 2016 eröffneten Konto des Klägers bei der KT Bank AG mit der Nr. 130... von dem Privatkonto der Ehefrau des Vorsitzenden von Ansaar International e. V., Frau W. R. Des Weiteren gingen dort drei PayPal-Zahlungen in Höhe von insgesamt 24 000 € ein, die an Ansaar International e. V. gerichtet waren. Auch wenn im Zuge der Auflösung dieses Kontos am 14. Februar 2017 das Restguthaben von 35 000,01 € auf das Privatkonto von Frau A. überwiesen wurde, rechtfertigt dieser Umstand keine andere Zuordnung des Kontos. Denn nach den glaubhaften Einlassungen der Vorsitzenden des Klägers in der mündlichen Verhandlung hätten sie und Frau R. das Restguthaben in bar abheben wollen, was von der Bank abgelehnt worden sei. Da ihnen die Verbindungen der anderen überlassenen Konten nicht präsent gewesen seien, habe die Vorsitzende kurzerhand ihr eigenes Konto angegeben und den Betrag anschließend an Ansaar International e. V. weitergeleitet. Anlass für Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen nicht, da die Vorsitzende des Klägers auch bei Barabhebungen von den überlassenen Konten die Gelder an Ansaar International e. V. weiterleitete. So forderte die Ehefrau von Herrn K. ausweislich des vorliegenden Chatverkehrs Frau A. am 8. August 2017 auf, von einem der überlassenen Konten 10 000 € abzuheben. Die Vorsitzende des Klägers hob daraufhin das Geld von dem Konto bei der Volksbank Düsseldorf Neuss eG mit der Nr. 302... ab und brachte es noch am gleichen Tag in der Geschäftsstelle von Ansaar International e. V. vorbei.

49 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt bereits, dass der Kläger das am 22. Juni 2016 eröffnete Konto bei der Volksbank Düsseldorf Neuss eG mit der Nr. 302... ebenfalls Ansaar International e. V. zur ausschließlichen Nutzung überließ. Auf diesem am 15. August 2018 geschlossenen Konto erfolgten 95 000 Transaktionen. Die Zahlungseingänge beliefen sich auf insgesamt 6 696 736 € und stammten vorwiegend aus Spenden von Privatpersonen in Höhe von bis zu 100 €. Die von dem Konto überwiesenen bzw. abgehobenen Gelder gingen überwiegend an Ansaar International e. V., dessen Teilorganisation Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e. V. (SKIB; vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 2.21 -) sowie an andere Organisationen, die nicht in Verbindung mit dem Kläger standen. Die von Frau A. bzw. Frau R. vorgenommenen Barabhebungen betrugen insgesamt 746 555,91 €.

50 Auf dem am 11. September 2017 eröffneten und am 13. August 2018 geschlossenen zweiten Konto bei der Volksbank Düsseldorf Neuss eG mit der Nr. 302... erfolgten 80 Transaktionen, wobei der Hauptgeldzufluss eine Überweisung von PayPal in Höhe von 122 359 € bildete. Empfänger waren neben SKIB auch hier Organisationen, die nicht in Verbindung mit dem Kläger standen.

51 Das vierte, vom Kläger am 5. Februar 2016 eröffnete Konto bei der Sparkasse Neuss mit der Nr. 935... wurde bereits am 9. August 2016 geschlossen und bestand damit lediglich sechs Monate. In dieser Zeit waren ca. 10 000 Transaktionen zu verzeichnen, die vorwiegend aus Spenden von Privatpersonen in Höhe von bis zu 100 € bestanden. Insgesamt gingen 786 887 € ein und flossen vollständig wieder ab, davon 285 000 € mittels Barabhebungen durch Frau A. und allein 97 044 € an die Teilorganisation SKIB.

52 Die Vielzahl von Transaktionen und der zu verzeichnenden Spendenzahlungen sprechen wie die Höhe der jeweiligen Zahlungseingänge sowie die Empfänger der Geldabflüsse dafür, dass Ansaar International e. V. die auf den Namen des Klägers lautenden Konten zum Sammeln von Spenden und für eigene Vereinszwecke nutzte. Um die ausschließliche Nutzung durch Ansaar International e. V. zu ermöglichen, hatte der Kläger die Konten eröffnet und Frau R. als Repräsentantin von Ansaar International e. V. die Verfügungsberechtigung eingeräumt; gleichzeitig unterstützte die Vorsitzende des Klägers diese Nutzung der Konten aktiv durch Barabhebungen.

53 (2.3) Entgegen der Einschätzung der Beklagten konnte Ansaar International e. V. nicht auch auf diejenigen beiden Konten zugreifen, die der Kläger für seine eigenen Projekte benutzte. Hierbei handelte es sich um die vom Kläger am 6. Oktober 2014 bei der GLS Bank eG sowie am 4. November 2014 bei der Postbank eröffneten Konten. Sie sind auf der Grundlage der Feststellungen im Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 allein dem Kläger zuzuordnen, weil er diese bereits vor der Zusammenarbeit mit Ansaar International e. V. eröffnet hatte und nur seine Vorsitzende sowie ein weiteres Mitglied des Klägers, nicht aber Frau R. verfügungsberechtigt waren. Zudem sprechen die im Vergleich zu den Ansaar International e. V. überlassenen Konten geringen Umsätze für die Zuordnung dieser Konten zum Kläger. Nach dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 gingen auf dem Konto bei der GLS Bank eG einzelne Spenden zwischen 5 € und 100 € ein. Es fanden bis zu dessen Schließung durch die Bank am 21. Juni 2017 ca. 120 Transaktion statt. Die Gelder wurden an Personen bzw. Organisationen weitergeleitet, die einen Bezug zu den Projekten des Klägers aufwiesen. Der Gesamtumsatz auf dem am 10. November 2017 geschlossenen Girokonto bei der Postbank war ebenfalls vergleichsweise gering und belief sich in den drei Jahren auf lediglich 14 000 €.

54 Die Nutzung dieser Konten allein durch den Kläger wird entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt, dass Ansaar International e. V. im Besitz der Auszüge des Kontos bei der GLS Bank eG war. Denn wie der Kläger nachvollziehbar angab, war Ansaar International e. V. im Besitz dieser Auszüge nur, weil dessen Anwalt die Berechtigung der Kündigung des Kontos durch die Bank wegen dauerhafter Überziehung überprüfen sollte. Auch die Überlassung der Daten zur elektronischen Einsichtnahme in das Konto bei der Postbank an einen Mitarbeiter von Ansaar International e. V. rechtfertigt die gegenteilige Einschätzung der Beklagten nicht. Denn allein hiermit war keine Einräumung der Verfügungsberechtigung im Rahmen des angewandten SMS-TAN-Verfahrens verbunden.

55 (2.4) Nach der Schließung der aufgeführten Inlandskonten versuchten beide Vereinigungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 gemeinsam, im In- und Ausland neue Konten zu eröffnen. So stand etwa Frau A. zusammen mit Frau S. Anfang Juli 2018 wegen der Eröffnung eines Kontos mit der "denizbank" in Duisburg in Kontakt. Die Vorsitzende des Klägers wandte sich zudem nach dem Auswertungsvermerk des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (IM NRW) vom 17. August 2020 betreffend die Kommunikation zwischen Frau A. und der Ehefrau von Herrn K. Mitte August 2018 zum Zwecke der Kontoeröffnung an die Bank of Ireland. Darüber hinaus erkundigte sich Frau A. bei Frau W. R. im September 2018 nach dem Stand der Anfragen bei der "triodosbank", der arabischen Bank und der DZ Bank sowie in Bulgarien. Zudem teilte sie ihr am 5. November 2018 mit, dass das Vorstandsmitglied F. versuchte, in Großbritannien ein Konto zu eröffnen. Zuvor hatte sie mit dem Vorsitzenden von Ansaar International e. V. vom 23. bis zum 27. Oktober 2018 in der Slowakei versucht, dort ein Konto zu eröffnen, was aber erfolglos blieb. Bestätigt wird dies durch die Angabe des Vorsitzenden von Ansaar International e. V. in der mündlichen Verhandlung, dass ihm ein Geschäftsmann aus Frankfurt a. M. mit angeblichen Beziehungen in die Slowakei die Eröffnung eines Kontos dort empfohlen habe, hieraus jedoch nichts geworden sei. Im November 2018 teilte Frau A. Frau Al-H. – Mitarbeiterin des ISJ und später auch des Klägers - mit, für den Kläger über Ansaar International e. V. im Gazastreifen bei der Quds-Bank ein Konto eröffnen zu wollen.

56 (2.5) Soweit der Kläger und Ansaar International e. V. die strikte Zuordnung der Konten und damit die wirtschaftliche Trennung der Geldflüsse als Indiz gegen die Einordnung des Klägers als Teilorganisation ansehen, kann dem nach den vorstehend festgestellten Umständen der Zusammenarbeit nicht gefolgt werden. Zu Recht weist die Beklagte in der Verbotsverfügung darauf hin, dass nach dem Willen der beiden Vereinigungen an Ansaar International e. V. gerichtete Spenden auf Konten des Klägers gehen sollten. Die wirtschaftliche Zuordnung ergab sich allein aus der Abrede zwischen den Vereinigungen. Ansaar International e. V. benutzte im Rahmen seiner Vereinsaktivitäten die Konten des Klägers für die Sammlung von Spenden und für Transaktionen innerhalb seines Vereinsgeflechts. Dabei half ihm die Vorsitzende des Klägers aktiv durch Barabhebungen, die Abgabe des Bargelds bei Ansaar International e. V. und die Versuche, weitere Konten im In- und Ausland nach Schließung der überlassenen Konten zu eröffnen. Angesichts dessen waren die beiden Vereinigungen ungeachtet der internen wirtschaftlichen Trennung der Gelder und Zuordnung der Konten auf finanzieller Ebene eng verbunden. Eine solche enge finanzielle Verbindung ist als Indiz einer Teilorganisation zu werten.

57 bb) Um die überlassenen Konten uneingeschränkt nutzen zu können, versetzte der Kläger Ansaar International e. V. in die Lage, in seinem Namen im Geschäftsverkehr aufzutreten, Spendenquittungen auszustellen und Verträge abzuschließen. Hierfür stellte der Kläger diesem Verein seinen Blanko-Briefkopf, seinen Stempel und die eingescannte Unterschrift seiner Vorsitzenden zur Verfügung. Dies ergibt sich zum einen aus der Aussage der Zeugin S. vom 15. Dezember 2020 bei dem LKA NRW, wonach Ansaar International e. V. einen Briefkopf des Klägers besessen habe, um dessen Korrespondenz vorzubereiten und sich diese zu einem späteren Zeitpunkt durch die jeweiligen Berechtigten unterzeichnen zu lassen. Zudem gab die Zeugin an, sie habe bei Spenden, die im Büro von Ansaar International e. V. abgegeben worden seien, eine auf den Namen des Klägers lautende Quittung ausgestellt und mit dessen Stempel versehen. Bestätigt wird dieser Sachverhalt durch die Zeugin D., bei der es sich ebenfalls um eine Mitarbeiterin von Ansaar International e. V. handelte. Sie gab in ihrer Aussage vom 19. Oktober 2020 bei dem LKA NRW an, dass im Büro von Ansaar International e. V. Spendengelder entgegengenommen und entsprechende Spendenquittungen auf den Namen des angegebenen Vereins wie demjenigen des Klägers ausgestellt worden seien; auch habe es entsprechende Vordrucke unter anderem des Klägers gegeben, die die Zeugin auf Anweisung von Herrn K. für Dokumente benutzt habe. Zum anderen beruhen diese Feststellungen darauf, dass nach den Ausführungen in dem Auswertungsvermerk des IM NRW vom 26. August 2020 Frau A. auf Bitten von Frau D. die Unterschrift auf ihrem Ausweis fotografierte und dieses Foto Ansaar International e. V. am 7. März 2018 und nochmals am 3. April 2018 zu freien Verwendung übersandte. Wenn ein Spender auf ein überlassenes Konto des Klägers spendete und eine Quittung haben wollte, entsprach es darüber hinaus nach dem genannten Auswertungsvermerk der üblichen Vorgehensweise, dass Frau A. Ansaar International e. V. den Spender sowie die Höhe der Spende mitteilte und eine entsprechende Quittung anforderte, die dann von einer Mitarbeiterin von Ansaar International e. V. ausgestellt wurde. Die Nutzung dieser Utensilien des Klägers für das Ausstellen von Spendenquittungen in dessen Namen durch Ansaar International e. V. wird schließlich durch die in dem Büro dieses Vereins aufgefundenen, auf den Namen des Klägers lautenden und zum Teil bereits mit der Unterschrift von Frau A. bzw. Frau R. versehenen Spendenquittungen bestätigt. Die letzte im Büro von Ansaar International e. V. aufgefundene Quittung datierte auf den 16. März 2019 und betraf eine am 27. Mai 2018 eingegangene Spende.

58 Entsprechend den Ausführungen der Beklagten in der Verbotsverfügung nutzte Ansaar International e. V. darüber hinaus die Vereinsutensilien, um Verträge im Namen des Klägers abzuschließen und am Rechtsverkehr teilnehmen zu können. So wurde Frau A. mit einem auf den Namen des Klägers lautenden Abonnement-Vertrag konfrontiert, von dem sie keine Kenntnis hatte, auf dem sich aber der Stempel des Klägers und eine Unterschrift befanden. In einem anderen Fall wollte Ansaar International e. V. im Namen des Klägers als Mieter mit der Firma SelfStorage Stapper als Vermieter am 13. bzw. 24. Dezember 2018 zwei Mietverträge schließen, in denen Herr K. als Ansprechpartner und die E-Mail-Adresse info@ansaar.de als Kontaktadresse angegeben waren. Für die Zahlungsmodalitäten wurden in diesem Fall nicht eines der vom Kläger überlassenen Konten, sondern ein Konto der ebenfalls als Teilorganisation mit der angefochtenen Verfügung verbotenen Helpstore Secondhand UG benannt. Beide Verträge waren bereits auf der Mieterseite unterzeichnet und mit dem Stempel des Klägers versehen; sie wurden am Vereinssitz von Ansaar International e. V. aufgefunden. Entsprechend agierte Ansaar International e. V. bei der ab 1. Mai 2019 geplanten Anmeldung seines Vorsitzenden als Mitarbeiter des Klägers bei der Bundesagentur für Arbeit. Dem lag ein in der Kommunikation zwischen Frau N. R. und Herrn K. aufgefundenes Schreiben des Klägers vom 27. Februar 2019 zugrunde, in dem mitgeteilt wird, dass Herr K. ab dem 1. Mai 2019 unbefristet eingestellt wird. Dieses Schreiben trägt den Namenszug der Vorsitzenden des Klägers, ist aber nicht von ihr unterzeichnet. Zur geplanten Anstellung kam es nicht. Es existiert ein an das Jobcenter gerichtetes Schreiben des Herrn K. vom 23. April 2019, in dem er mitteilte, dass er den Arbeitsvertrag nicht erhalten werde, weil der Kläger ihn aus betriebswirtschaftlichen Gründen momentan nicht einstellen könne; gleichzeitig bat er um die Aufhebung der Einstellung von Zahlungen an ihn.

59 Des Weiteren wickelte Ansaar International e. V. über die zur Verfügung gestellten Konten Bestellungen und sonstige Leistungen ab. Während die entsprechenden Rechnungen für die Bestellungen und sonstigen Leistungen an den Kläger adressiert waren und über die auf den Namen des Klägers lautenden Konten abgerechnet wurden, waren in der Regel das Büro von Ansaar International e. V. oder die Anschriften seiner anderen Organisationen als Lieferadressen angegeben. Dass Ansaar International e. V. hiervon in erheblichem Umfang Gebrauch machte, zeigt die Vielzahl an Rechnungen und Unterlagen, die in dessen Büro aufgefunden wurden (dazu sogleich im Einzelnen unter cc)).

60 Nicht auszuschließen ist, dass Ansaar International e. V. die Vereinsutensilien des Klägers auch nutzte, um ohne dessen Kenntnis auf den Namen des Klägers lautende und an den türkischen Ableger von Ansaar International e. V. gerichtete Rechnungen über Leistungen auszustellen. Die Beklagte führt insoweit zwar aus, zwei von Frau A. unterzeichnete und an AYDA adressierte Rechnungen des Klägers vom 30. August 2019 über 24 100 € für Brunnen und den Bau eines Waisenhauses sowie vom 11. März 2020 über 5 030 € für "Reparations orphans Village", die auf einem USB-Stick bei Ansaar International e. V. gefunden wurden, seien dem Kläger zuzuordnen. Dies erscheint jedoch schon deshalb als fraglich, weil - wie die Beklagte selbst eingeräumt hat - nicht ersichtlich ist, dass der Kläger die in Rechnung gestellten Leistungen tatsächlich erbracht hat. Darüber hinaus wird in beiden Rechnungen auf ein von dem Kläger an Ansaar International e. V. überlassenes Konto verwiesen, dass zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung bereits geschlossen war. Angesichts der hinzutretenden Tatsache, dass Ansaar International e. V. im Besitz des klägerischen Briefkopfes und der Unterschrift von Frau A. war, kann der Senat nicht feststellen, dass der Kläger diese Rechnungen gestellt hat.

61 Ebenso wenig geht der Senat davon aus, dass die von der Beklagten vorgelegten Rechnungen der Organisation "WWR/Help E.V Ghana" von dem Kläger stammen. Zwei dieser Rechnungen vom 15. Dezember 2020 über 8 820 € für "Waste Water construction orphanage" bzw. vom 20. Dezember 2020 über 5 000 € für "Waste Water/Container" sind an AYDA Projects adressiert und von Herrn S., einem Projektleiter von Ansaar International e. V. in Ghana, gezeichnet. Zwei weitere Rechnungen dieser Organisation vom 2. Februar 2019 über 12 400 € für "Water Wells" und vom 27. Dezember 2019 über 7 840 € für "Orphans Sponsorship" sind an Ansaar International e. V. adressiert und nicht unterzeichnet. Bis auf die Namensähnlichkeit der Organisation weisen sämtliche Rechnungen keinerlei Bezug zum Kläger oder seiner Vorsitzenden auf. Allein die Namensähnlichkeit genügt zur Überzeugung des Senats nicht, die Rechnungen dem Kläger zuzuordnen, zumal dieser eine Kenntnis von den Rechnungen bestritten und Ansaar International e. V. eingeräumt hat, die Organisation sei bereits zur Zeit der Kontenüberlassung von seinen Partnern in Ghana gegründet worden, um Überweisungen von Hilfsgeldern dorthin zu ermöglichen.

62 cc) Mit der Überlassung der Konten und deren ausschließlicher Nutzung durch Ansaar International e. V. war für den Kläger des Weiteren die Verpflichtung verbunden, sämtliche Unterlagen und Rechnungen an Ansaar International e. V. weiterzuleiten (1). Darüber hinaus gab der Kläger auch seine Buchhaltung an Ansaar International e. V. ab, soweit sie die überlassenen Konten und die darüber abgewickelten Transaktionen umfasste (2).

63 (1) Zutreffend stellt die Verbotsverfügung der Sache nach darauf ab, dass der Kläger diejenigen Unterlagen, die die überlassenen Konten und die darüber abgewickelten Geschäftsvorfälle von Ansaar International e. V. betrafen, an diese Vereinigung weiterleiten musste. Für die Vorsitzende des Klägers bedeutete dies, sämtliche auf den Namen des Klägers eingehende Rechnungen, Briefe, Mahnungen etc. zu sichten und diejenigen auszusortieren und weiterzureichen, die Ansaar International e. V. und dessen Vereinsgeflecht zuzuordnen waren. So war Ansaar International e. V. nicht nur im Besitz von Unterlagen der überlassenen Konten, sondern es fanden sich vor allem auch diejenigen Unterlagen, in denen der Verein den Kläger als Inhaber der zur Verfügung gestellten Konten bzw. als Vertragspartner angegeben hatte. So leitete der Kläger bzw. seine Vorsitzende beispielsweise folgende Schreiben über einzelne wie auch dauerhafte Dienstleistungen an Ansaar International e. V. weiter: Rechnungen bzw. Mahnungen für einen Tiefgaragenplatz sowie für Leistungen von Unitymedia, vodafone, switch, der Fa. Löhnert und der Fa. Intergasti am Sitz von Ansaar International e. V., Rechnung für die Bereitstellung eines Containers in der Carl-Benz-Straße in Frankenthal, SEPA-Lastschrift-Mandat von E.ON für die Verbrauchsstelle am Sitz der Helpstore Secondhand UG, Rechnung bzw. Mahnung der Stadtwerke Duisburg für Leistungen am Sitz der Helpstore Secondhand UG; Vorschussrechnung der Steuerberaterin D. und Rechnung der Firma My Fundbox. Die von dem Kläger bzw. seiner Vorsitzenden weitergeleiteten Rechnungen betrafen im Wesentlichen Leistungen aus den Jahren 2017 und 2018. Ausgenommen hiervon sind die auf den Kläger lautenden Rechnungen von switch und vodafone, die auf den 5. Februar bzw. 15. April 2021 datiert sind und wiederkehrende Leistungen (Strom, Internet und Mobilfunk) betreffen.

64 (2) Der Kläger überließ Ansaar International e. V. die Erledigung der Buchhaltung für die überlassenen Konten. Nach seinen Angaben übernahm Ansaar International e. V. als eigene Aufgabe die Buchhaltung in Bezug auf diejenigen Geschäftsvorfälle, die mit den zur Verfügung gestellten Konten zusammenhingen; für seine eigenen Aktivitäten und Konten hat der Kläger die Buchhaltung und den Jahresabschluss selbst erledigt. Ausschlaggebend für den Senat ist insoweit die Zeugenaussage der Mitarbeiterin von Ansaar International e. V., Frau S., beim LKA NRW am 15. Dezember 2020, wonach Frau A. die Unterlagen für den Kläger und sie selbst die Unterlagen mit Bezug zu den überlassenen Konten auf Seiten von Ansaar International e. V. für die Steuerberaterin aufbereitet habe. Der von Frau A. gefertigte Teil der Buchhaltung sei von ihr an Ansaar International e. V. gegeben, von der Zeugin S. dann mit dem dortigen Teil der Buchhaltung zusammengeführt und für die Erstellung der Steuererklärungen an die Steuerberaterin D. weitergeleitet worden. Letzteres ergibt sich aus einem Schreiben der Steuerberaterin vom 3. April 2018, mit dem diese den Eingang der Buchhaltungen für die Kalenderjahre 2016 und 2017 bestätigte und dazu aufforderte, einen Termin für die Unterschrift unter die Steuererklärungen zu vereinbaren. Da dieses Schreiben an den Kläger adressiert war, geht der Senat entgegen der Einschätzung der Beklagten davon aus, dass dessen Vorsitzende die Steuererklärung zeichnen sollte und Ansaar International e. V. nicht die gesamte Buchhaltung und Steuererklärung für den Kläger übernommen hatte. Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass Frau A. zwei in arabischer Sprache verfasste Quittungen über Ausgaben für Projekte des Klägers mit der ISJ an Frau S. weiterleitete. Angesichts der mit der Weiterleitung von Unterlagen an Ansaar International e. V. im Rahmen der Kontenüberlassung verbundenen Überforderung der Vorsitzenden (dazu sogleich unter dd)) schließt der Senat nicht aus, dass es sich hierbei um ein Versehen handelte und Ansaar International e. V. entsprechend der Einlassung beider Vereinigungen diese nicht in seinem Teil der Buchhaltung berücksichtigte.

65 dd) Die Kontenüberlassung und die damit zusammenhängenden Aufgaben führten auf Seiten des Klägers zu einer Überforderung seiner Ressourcen und einem Kontrollverlust. Der Kläger übertrug Ansaar International e. V. weitestgehend die Entscheidungsbefugnis in seinen Angelegenheiten (1) und verlor durch die Ermächtigung dieses Vereins, in seinem - des Klägers - Namen zu handeln, in weiten Bereichen die Kontrolle (2). Dies rechtfertigt den Schluss einer organisatorischen Beherrschung des Klägers durch Ansaar International e. V. (3).

66 (1) Der Kläger wandte sich im Laufe der Kooperation immer wieder an Ansaar International e. V., um dessen Entscheidungen und Handlungsempfehlungen in Vereinsangelegenheiten einzuholen. Beispielhaft hierfür ist das Verhalten der Vorsitzenden des Klägers nach dem Eingang eines Schreibens der Volksbank Düsseldorf Neuss eG vom 6. März 2018, in dem er aufgefordert wurde, zu Überweisungen an Änis Ben-Hatira Help e. V., Blck Stone GmbH und Ansaar International e. V., zu Zahlungen von Krankenkassenbeiträgen für den letztgenannten Verein und zu Gehaltszahlungen für Frau M. Stellung zu nehmen sowie die Jahresberichte der letzten beiden Jahre vorzulegen. Die Vorsitzende des Klägers wandte sich in Reaktion auf dieses Schreiben an Ansaar International e. V., weil sie nicht wusste, wie ein Jahresbericht aussehen musste, und sie sich nach der Einlassung des Klägers wegen der erneuten Probleme mit den überlassenen Konten überfordert und gestresst gefühlt hatte. Aus diesem Grunde übertrug sie die Entscheidungsbefugnis, wie mit der Anfrage der Volksbank umgegangen werden sollte, auf Ansaar International e. V.

67 Nach dem Auswertungsvermerk des IM NRW vom 24. September 2020 gab es des Weiteren eine an den Kläger gerichtete Anfrage des Hessischen Rundfunks, die zum einen die Frage enthielt, wieso Ansaar International e. V. dazu aufrufe, auf die auf den Namen des Klägers lautenden und nicht auf eigene Konten zu spenden. Zum anderen bezog sich die Anfrage auf die Verbindungen zwischen den beiden Vereinigungen sowie zwischen Frau W. R. und Frau N. R. Obwohl die Anfrage an den Kläger gerichtet war und von ihm hätte beantwortet werden können, leitete Frau A. sie am 29. Mai 2017 an einen Mitarbeiter von Ansaar International e. V. weiter, der sich hierüber mit Herrn K. austauschen und abklären wollte, wie mit der Anfrage umgegangen werden sollte.

68 Überdies hatte sich Frau A. gegenüber Herrn B., der nach dem Auswertungsvermerk des IM NRW vom 6. Oktober 2020 Beziehungen zur ISJ hat und vom Verfassungsschutz als Sympathisant der HAMAS angesehen wird, in einem Chat vom 19. September 2017 darüber beschwert, keine ausreichenden Nachweise über die Mittelverwendung durch ihr Team Gaza erhalten zu haben sowie nicht mehr "mit denen" zusammenarbeiten und Ansaar International e. V. fragen zu wollen, welche Möglichkeiten der Kläger mit denen habe, ansonsten werde sie mit Gaza aufhören. In einem anderen Chat mit Herrn E. teilte die Vorsitzende des Klägers am 27. Juni 2017 mit, dass sie nach Eingang einer Aufforderung des Landkreises, den Kläger als Ausländerverein anzumelden, Rücksprache mit Ansaar International e. V. gehalten und die Antwort erhalten habe, dass diese Aufforderung Routine sei.

69 Darüber hinaus informierte die Vorsitzende des Klägers nach dem Auswertungsvermerk des IM NRW vom 14. August 2020 Ansaar International e. V. über das Ergebnis der im Dezember 2018 durchgeführten Mitgliederversammlung, indem sie Herrn K. und dessen Ehefrau in die eigens hierfür am 31. Dezember 2018 eingerichtete Chat-Gruppe "Mitgliederversammlung" aufnahm und am 1. Januar 2019 hierüber das Protokoll der Versammlung verbreitete.

70 Die Handlungen und Äußerungen seiner Vorsitzenden lassen mithin darauf schließen, dass sich der Kläger nicht nur im Bereich der überlassenen Konten, sondern auch bei seinen eigenen Projekten und Vereinsangelegenheiten sowie seinem Verhalten gegenüber Dritten und Banken von Ansaar International e. V. beraten ließ, die hierfür erforderlichen vereinsinternen Informationen weitergab und die jeweiligen Vorgaben und Handlungsempfehlungen dieser Vereinigung als maßgebend erachtete. Seine eigene Entscheidungskompetenz nahm der Kläger hiernach weitestgehend nicht mehr wahr.

71 (2) Der Kläger wurde zudem von Ansaar International e. V. in die Nutzung der überlassenen Konten und die Verwendung des Namens des Klägers nicht hinreichend eingebunden. Schon Ende Februar 2018 beschwerte sich dessen Vorsitzende gegenüber Frau W. R. nach dem Auswertungsvermerk des IM NRW vom 17. August 2020 in einem Chat, dass Herr K. im Namen des Klägers Absprachen mit dem Finanzamt getroffen habe, ohne sie darüber informiert zu haben. In seiner Einlassung gibt der Kläger hierzu an, dass er durch die Einrichtung der Konten für Ansaar International e. V. und die damit verbundene vereinsinterne Trennung der Geschäftsbereiche mit der Zeit die Übersicht über die von Ansaar International e. V. im Namen des Klägers geschlossenen Verträge und die damit verbundenen Kontobewegungen verloren habe. Verfahrenstechnisch habe dies zu Abstimmungsproblemen geführt, die die Verwaltungen beider Vereine nicht im Griff gehabt hätten, und die bei seiner Vorsitzenden ein Gefühl der Überforderung ausgelöst hätten.

72 Am 11. November 2018 äußerte sich die Vorsitzende dann in dem genannten Chat mit Frau W. R., dass es vielleicht besser sei, alles zu beenden; sie fühle sich nicht verstanden. Der Kläger sei nur Mittel zum Zweck; ihre Zeit sei begrenzt und sie "crashed das alles". In einer Sprachnachricht am 18. Dezember 2018 beklagte sich Frau A. erneut bei Frau W. R. darüber, dass sie früher, als sie den Verein noch selber geführt habe, alles selber habe machen können. Jetzt hänge sie von jedem ab und sie laufe allem hinter; es sei das Beste, den Verein einfach zu schließen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch ein zeitgleicher Chat zwischen Frau A. und Herrn E. vom 17. und 18. Dezember 2018, in dem die beiden nach der Schließung der Konten und dem Entzug der Gemeinnützigkeit diskutierten, dass es besser sei, den Rechtsanwalt, den sie wegen des Entzugs der Gemeinnützigkeit des Klägers beauftragt hatten, nicht von Ansaar International e. V. bezahlen zu lassen, sondern selbst zu zahlen. Sie befürchteten, dass ansonsten die Vermutung des Verfassungsschutzes bestätigt werde, dass der Kläger ein "Ableger" dieser Vereinigung sei. Im Zuge dieses Chats vermutete Herr E., dass Ansaar International e. V. den Kläger absichtlich auflaufen lasse und der Verein ihn - den Kläger - nur benutzt habe, als er ihn gebraucht habe (vgl. Auswertungsvermerk des IM NRW vom 6. Oktober 2020).

73 (3) Die vorstehenden Gesichtspunkte lassen den Schluss zu, dass der Kläger nicht nur in wesentlichen Bereichen sein Handeln von den Vorgaben des Ansaar International e. V. abhängig machte, sich seiner eigenen Entscheidungskompetenz begab und die Kontrolle über die Verwendung seines Namens im Geschäfts- und Rechtsverkehr verloren hatte. Die mit der Kontenüberlassung verbundenen Aufgaben führten letztlich zu einer weitestgehenden organisatorischen Beherrschung des Klägers durch Ansaar International e. V., der die Ressourcen des Klägers hierfür nahezu vollständig in Anspruch nahm.

74 ee) Eigene Projekte des Klägers traten gegenüber seiner Inanspruchnahme aufgrund der Kontenüberlassung während der Zusammenarbeit mit Ansaar International e. V. ab 2016 in den Hintergrund. Seine Projekte verwirklichte er nach den vorliegenden Unterlagen und den eigenen Angaben vorrangig mit der ISJ. Die Zusammenarbeit mit der ISJ über Herrn Al-N. und Frau Sh. Al-H. betraf insbesondere die Unterstützung von Frau So. im Sommer 2016 sowie das Projekt "Outdoor-Oven" in Khan Younis. Frau Al-H. war zu dieser Zeit nicht nur für die ISJ, sondern als Team-Managerin auch für den Kläger tätig. Daneben bemühte sich die Vorsitzende des Klägers über den Verein bzw. Frau Al-H. um Kontakte zu HAMAS-Funktionären sowie um die Einreise eines Palästinensers in die Bundesrepublik Deutschland für eine medizinische Behandlung. Nach dem Auswertungsvermerk des IM NRW vom 14. August 2020 brach die Kommunikation zwischen der Vorsitzenden des Klägers und Frau Al-H. im März 2019 ab.

75 Dass die genannten wenigen Projekte des Klägers keinen großen Raum einnahmen, wird anhand der im Vergleich zu den überlassenen Konten eher als gering zu erachtenden Geldeinnahmen deutlich, die dem Kläger hierfür zur Verfügung standen. Wie dargelegt, besaß der Kläger für seine Vereinsarbeit über drei Jahre bis zu deren Schließung im Juni bzw. November 2017 zwei Konten. Auf dem Konto bei der GLS Bank eG gingen Spenden zwischen 5 € und 100 € ein und es fanden insgesamt 120 Transaktionen statt. Der Gesamtumsatz auf dem Konto bei der Postbank war ebenfalls vergleichsweise gering und belief sich auf insgesamt 14 000 €. Nach Schließung der Konten finanzierte der Kläger nach den Angaben seiner Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung seine Projekte durch Barspenden, die er an die entsprechenden Personen weiterleitete.

76 Die Trennung auf Projektebene und der Umstand, dass Frau R. nach den Angaben beider Vereinigungen als Vorstandsmitglied des Klägers keinen Einfluss auf dessen weitere Vereinsaktivitäten, insbesondere auf die Durchführung seiner Projekte genommen haben soll, sprechen nicht gegen die Einordnung des Klägers als Teilorganisation. Denn wie dargelegt, waren die Aktivitäten des Klägers vorrangig nicht durch die eigenen Projekte, sondern durch die Kontenüberlassung und die damit verbundenen organisatorischen Aufgaben gekennzeichnet. Auf diesen Bereich bezog sich die Hauptaufgabe von Frau R., die Verwendung der auf diesen Konten eingehenden und Ansaar International e. V. zustehenden Gelder zu kontrollieren.

77 ff) Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse war der Kläger nur von 2016 bis längstens März 2019 in das Vereinsgeflecht von Ansaar International e. V. eingegliedert und als dessen Teilorganisation anzusehen.

78 Entscheidend hierfür ist die Einbindung des Klägers in die finanziellen und organisatorischen Angelegenheiten von Ansaar International e. V. Der Kläger stellte Ansaar International e. V. seine Vereinsstrukturen zur Verfügung und verlor letztlich die vollständige Kontrolle über die Aktivitäten, die Ansaar International e. V. unter dem Namen des Klägers durchführte. Der Kläger überließ nicht nur vier auf seinen Namen eröffnete Konten an Ansaar International e. V., sondern zugleich seine Vereinsutensilien einschließlich der Unterschrift seiner Vorsitzenden. Damit versetzte er Ansaar International e. V. in die Lage, im Namen des Klägers Spendenquittungen auszustellen, Verträge abzuschließen und Absprachen zu treffen. Die auf den überlassenen Konten des Klägers eingehenden Gelder standen wirtschaftlich ausschließlich Ansaar International e. V. zu. Damit diese Gelder nicht zweckentfremdet und für Projekte des Klägers verwandt wurden, oblag es der in den Vorstand des Klägers gewählten Schwiegermutter des Vorsitzenden von Ansaar International e. V., die Verwendung der Gelder auf diesen Konten zu kontrollieren. Soweit es den Bereich der Kontenüberlassung betraf, musste der Kläger die entsprechenden Unterlagen an Ansaar International e. V. weiterleiten; zugleich übertrug er dieser Vereinigung die Aufgabe der Buchhaltung für diesen Bereich. Die Kontenüberlassung und die damit verbundenen organisatorischen Aufgaben führten zu einer Überforderung der Ressourcen des Klägers, während Ansaar International e. V. die vom Kläger zur Verfügung gestellten Vereinsstrukturen ausnutzte, um weiterhin in großem Umfang Spenden sammeln und seine eigenen Vereinsaktivitäten fortsetzen zu können. Schließlich folgte der Kläger nicht nur im Bereich der Kontenüberlassung, sondern auch bei seinen weiteren Vereinsaktivitäten den Vorgaben und Handlungsempfehlungen von Ansaar International e. V. und begab sich weitestgehend seiner eigenen Entscheidungskompetenz. Auch nach Schließung der überlassenen Konten setzte sich der Kläger zunächst noch dafür ein, im In- und Ausland für sich und Ansaar International e. V. Konten zu eröffnen. Da die eigenen Projekte des Klägers letztlich gegenüber seiner Inanspruchnahme durch die Kontenüberlassung an Ansaar International e. V. in den Hintergrund traten, ist davon auszugehen, dass die Zurverfügungstellung der Vereinsstrukturen an Ansaar International e. V. und deren Ausnutzung durch diese Vereinigung die Aktivitäten des Klägers prägten.

79 Die hieraus resultierende faktische Beherrschung des Klägers durch Ansaar International e. V. dauerte längstens bis Ende März 2019. Für den nachfolgenden Zeitraum und den entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung am 5. Mai 2021 lassen sich hinreichende Indizien, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse weiterhin die Einordnung des Klägers als Teilorganisation von Ansaar International e. V. rechtfertigen, nicht mehr feststellen. Zwar befand sich Frau R. noch bei Erlass der Verbotsverfügung im Vorstand des Klägers. Auch gingen bei dem Kläger noch im Jahr 2021 vereinzelte, auf seinen Namen lautende Rechnungen ein, die wirtschaftlich Ansaar International e. V. zuzuordnen waren. Jedoch wurde die Nutzung der Vereinsstrukturen des Klägers durch Ansaar International e. V. obsolet, nachdem auch das letzte überlassene Konto Mitte August 2018 gekündigt worden war, bis Ende 2018 unternommene Versuche des Klägers, mit Ansaar International e. V. im In- und Ausland neue Konten zu eröffnen, erfolglos blieben und der Kläger seine Gemeinnützigkeit mit Bescheid vom 17. Januar 2019 rückwirkend aberkannt bekommen hatte. Da der Kläger seitdem keine steuerlich wirksamen Spendenquittungen mehr ausstellen konnte und über keine Konten mehr verfügte, über die Ansaar International e. V. seine Geschäfte hätte abwickeln können, entfiel damit zugleich die Hauptaufgabe von Frau R. im Vorstand des Klägers, die Verwendung der auf den ehemals überlassenen Konten eingehenden Gelder zu kontrollieren. Die von der Beklagten vorgenommene "Analyse der Geldflüsse" im Zeitraum von 2016 bis 2019 zeigt anschaulich, dass Ansaar International e. V. Ende des Jahres 2018 auf mehrere weitere Konten bei anderen Vereinigungen zugreifen konnte und deswegen auch keinen Bedarf an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Kläger hatte. Dementsprechend ist nicht nur nach März 2019 die Kommunikation zwischen den beiden Vereinigungen abgebrochen. Der Kläger hat vielmehr nach der ersten Durchsuchung im Zuge der Einleitung des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens auch seine Vereinsaktivitäten weitestgehend eingestellt. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte legt der Senat insoweit die entsprechenden Einlassungen der Vorstandsmitglieder A. und E. in der mündlichen Verhandlung zugrunde, die nicht zuletzt durch die bereits kurz zuvor eingestellte Kommunikation mit Frau Al-H., der Projektmanagerin des Klägers im Gazastreifen, bestätigt wird. In der Gesamtschau sind damit in tatsächlicher Hinsicht die wesentlichen Umstände entfallen, die für die Einordnung des Klägers als Teilorganisation ab 2016 bis längstens März 2019 maßgeblich gewesen sind. Die angefochtene Verbotsverfügung erweist sich demzufolge insoweit als rechtswidrig.

80 c) Da die Voraussetzungen für das Verbot und die Auflösung des Klägers nach § 3 Abs. 3 VereinsG im Zeitpunkt des Verbotserlasses nicht mehr vorlagen, sind auch die in der angefochtenen Verfügung getroffenen Nebenentscheidungen, soweit sie den Kläger betreffen, rechtswidrig.

81 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.