Verfahrensinformation

Identitätsklärung im Einbürgerungsverfahren nach dem vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Stufenmodell


Der im Jahr 1994 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Nach Einreise in das Bundesgebiet im Februar 2014 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und im Anschluss hieran eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und mehrfach verlängert. Seit Februar 2019 besitzt der Kläger eine Niederlassungserlaubnis. Seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband lehnte der Beklagte wegen mangelnder Mitwirkung an der Identitätsklärung ab, insbesondere sei der Kläger nicht bereit, einen syrischen Nationalpass zu beantragen.


Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung lägen vor, insbesondere habe der Kläger seine Identität durch die Vorlage der syrischen Identitätskarte nachgewiesen.


Das Verwaltungsgericht hat die vom Beklagten eingelegte Sprungrevision zugelassen, da es mit seinem Urteil von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweiche, indem es auf der ersten Stufe der Identitätsprüfung auch amtliche Identitätsdokumente des Herkunftslandes mit Lichtbild zulasse.


Pressemitteilung Nr. 98/2025 vom 18.12.2025

Fortentwicklung des Stufenmodells zur Identitätsklärung im Einbürgerungsverfahren

Im Einbürgerungsverfahren hat der Einbürgerungsbewerber seine Identität zuvörderst und in der Regel durch die Vorlage eines Passes nachzuweisen. Ist er nicht im Besitz eines solchen Passes und ist ihm dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann er seine Identität auf der zweiten Stufe durch die bislang auf der ersten Stufe hilfsweise genannten Dokumente, namentlich einen anerkannten Passersatz oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild (z. B. Personalausweis oder Identitätskarte), nachweisen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und damit seine Rechtsprechung zum Stufenmodell im Einbürgerungsverfahren präzisiert und fortentwickelt.


Der im Jahr 1994 geborene Kläger ist seinen Angaben zufolge syrischer Staatsangehöriger. Nach Einreise in das Bundesgebiet im Februar 2014 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und im Anschluss hieran zunächst eine Aufenthaltserlaubnis und seit Februar 2019 eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband lehnte der Beklagte ab, da der Kläger nicht bereit sei, zum Nachweis seiner Identität einen syrischen Nationalpass zu beantragen. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern, da dieser seine Identität durch die Vorlage der syrischen Identitätskarte nachgewiesen habe. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat der hiergegen eingelegten Sprungrevision des Beklagten stattgegeben.


Unter Verstoß gegen § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass für die Klärung der Identität des Klägers auf der ersten Stufe des Stufenmodells die Vorlage einer Identitätskarte ausreichend ist. Den Nachweis seiner Identität hat der Einbürgerungsbewerber auf der ersten Stufe zuvörderst und in der Regel durch die Vorlage eines Passes zu führen. Ein solcher Pass als öffentliche, internationale Anerkennung genießende staatliche Urkunde enthält die völkerrechtlich verbindliche Erklärung des ausstellenden Staates, dass der Inhaber dieses Passes sein Staatsangehöriger ist, wie auch die rechtsverbindliche Feststellung weiterer identitätsprägender Angaben. Ist der Einbürgerungsbewerber nicht im Besitz eines solchen Passes und ist ihm dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann er seine Identität auf der zweiten Stufe durch die bislang auf der ersten Stufe hilfsweise genannten Dokumente, namentlich einen anerkannten Passersatz oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild, nachweisen. Ist er auch nicht im Besitz eines solchen amtlichen Identitätsdokuments und ist ihm auch dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann er seine Identität wie bisher auch mittels der in den bisherigen Stufen 2 bis 4 vorzulegenden Beweismittel, die nunmehr in den Stufen 3 bis 5 eingruppiert sind, nachweisen. Ein Übergang von einer Stufe zu einer nachgelagerten Stufe ist nur zulässig, wenn es dem Einbürgerungsbewerber trotz hinreichender Mitwirkung nicht gelingt, den Nachweis seiner Identität zu führen. Die auf den Stufen 1 bis 5 zu berücksichtigenden Beweismittel müssen jeweils in sich stimmig sein und auch bei einer Gesamtbetrachtung jeweils im Einklang mit den Angaben des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person und seinem übrigen Vorbringen stehen. Dabei sind die vorgelegten Dokumente nach den Umständen des Einzelfalls auch auf ihren Beweiswert zu überprüfen.


Da das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht an der Feststellung, ob dem Kläger die Vorlage eines Passes zur Identitätsklärung auf der ersten Stufe objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar ist, sowie an der Klärung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen, namentlich des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a StAG, gehindert ist, hat es das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.


BVerwG 1 C 27.24 - Urteil vom 18. Dezember 2025

Vorinstanz:

VG Düsseldorf, VG 8 K 1997/23 - Urteil vom 18. November 2024 -