Beschluss vom 14.12.2010 -
BVerwG 1 WB 26.10ECLI:DE:BVerwG:2010:141210B1WB26.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.12.2010 - 1 WB 26.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:141210B1WB26.10.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 26.10

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Major Küpper und
die ehrenamtlichen Richterin Oberleutnant Köhler
am 14. Dezember 2010 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).

2 Der 1978 geborene Antragsteller war vom 1. Juli 1999 bis zum 30. Juni 2003 Angehöriger der Bundeswehr und wurde seitdem als Reserveoffizier für Wehrübungen eingeplant. Zum Oberleutnant der Reserve wurde er am 9. Januar 2006 ernannt. Zuletzt absolvierte er vom 21. Februar bis 31. März 2006 eine Wehrübung beim Luftwaffenführungskommando in K.

3 Während dieser Wehrübung wurde der Antragsteller am 29. März 2006 in den Diensträumen des Luftwaffenführungskommandos durch Angehörige des Militärischen Abschirmdienstes wegen des Vorwurfs islamistischer bzw. extremistischer Bestrebungen befragt. Im Rahmen dieser Befragung wurde u.a. bekannt, dass der Antragsteller im Jahre 2005 Dienstvorschriften der Bundeswehr auf seinen privaten Laptop heruntergeladen hat. Mit Absehensentscheidung vom 7. Januar 2008 stellte der Amtschef des Personalamts der Bundeswehr fest, dass der Antragsteller durch das Herunterladen von 47 Dienstvorschriften auf seinen privaten Laptop ein Dienstvergehen begangen habe; von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens werde abgesehen. Gegen die Absehensentscheidung hat der Antragsteller keinen Rechtsbehelf eingelegt. Wegen einer vom Antragsteller gegen die Befragung am 29. März 2006 erhobenen Beschwerde hat der Senat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. November 2009 - BVerwG 1 WB 55.08 - an das Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen.

4 Für den Antragsteller war zuletzt am 1. März 2000 eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) ohne Einschränkungen abgeschlossen worden. Unter dem 1. März 2006 erstellte der Sicherheitsbeauftragte des Luftwaffenführungskommandos hierzu einen Nachbericht und beauftragte den Militärischen Abschirmdienst mit der Aktualisierung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2).

5 Mit Schreiben vom 7. März 2008 hörte der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt den Antragsteller zu den sicherheitserheblichen Erkenntnissen an. Er hielt dem Antragsteller insbesondere vor, dass dieser während einer Wehrübung im September 2005 insgesamt 47 Dienstvorschriften der Bundeswehr, von denen 26 als „Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft gewesen seien, aus dem Intranet der Bundeswehr heruntergeladen und auf seinem privaten Laptop gespeichert habe. Des Weiteren verwies er auf die Feststellung eines Dienstvergehens durch den Amtschef des Personalamts. Der Antragsteller äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 2. Mai 2008. Er trug insbesondere vor, er habe die Vorschriften zu dienstlichen Zwecken heruntergeladen, weil er seine militärischen Kenntnisse habe auffrischen und erweitern und sich auf seinen damals bevorstehenden Auslandseinsatz habe vorbereiten wollen; alle Vorschriften seien im Intranet der Bundeswehr ohne jede Einschränkung zugänglich gewesen.

6 Unter dem 21. Mai 2008 stellte der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt auf dem hierfür vorgesehenen Formular (Anlage C 10 zu ZDv 2/30), dem vier Seiten Entscheidungsgründe beigefügt sind, fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten; die Entscheidung umfasse auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 (Verschlusssachenschutz). Mit Schreiben vom selben Tage teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller mit, dass dessen Ausführungen die sicherheitserheblichen Umstände nicht hätten entkräften können und das Sicherheitsüberprüfungsverfahren mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen worden sei; das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung und die hierdurch eintretenden Folgen würden dem Antragsteller von der personalbearbeitenden Dienststelle eröffnet.

7 Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 teilte das Personalamt der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten; die Entscheidung umfasse auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1. Ein dem Schreiben beigefügtes Empfangsbekenntnis ist nach Angaben des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - nicht beim Personalamt eingegangen bzw. liegt diesem jedenfalls nicht vor.

8 Mit Schreiben vom 25. Juli 2008 wiederholte das Personalamt der Bundeswehr die Mitteilung im Wege der Zustellung mit Postzustellungsurkunde. Die Zustellung erfolgte am 26. Juli 2008 durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung des Antragstellers gehörenden Briefkasten. Ein beigefügtes Empfangsbekenntnis sandte der Antragsteller unterschrieben mit dem Datum 12. August 2008 an den Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt zurück.

9 Mit Schreiben vom 12. August 2008, beim Personalamt eingegangen am 18. August 2008, legte der Antragsteller „fristwahrend den zulässigen Rechtsbehelf“ ein. Eine weitere Begründung erfolgte nicht.

10 Mit Bescheid vom 26. Oktober 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - den als Beschwerde ausgelegten Rechtsbehelf als unzulässig zurück. Die Beschwerdefrist habe am 11. August 2008 geendet; die Beschwerde vom 12. August 2008 sei folglich verspätet erhoben. Im dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids stellte der Bundesminister der Verteidigung fest, dass die angegriffene Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten der Sach- und Rechtslage entspreche.

11 Mit Schreiben vom 21. November 2009 beantragte der Antragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2010 dem Senat vorgelegt.

12 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Anfang Juli 2008 sei ihm das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung durch das Personalamt der Bundeswehr eröffnet worden. Dem ihm ohne Zustellungsurkunde zugesandten Schreiben sei ein Eröffnungsformular beigefügt gewesen, das er am 4. Juli 2008 unterschrieben und an das Personalamt zurückgesandt habe. Exakt dasselbe Schreiben habe er am 26. Juli 2008, diesmal mit Postzustellungsurkunde, erhalten. Das darin enthaltene Eröffnungsformular habe er am 12. August 2008 unterschrieben und an das Personalamt zurückgesandt. Weder aus dem ersten noch aus dem zweiten Schreiben sei hervorgegangen, um welchen Verwaltungsvorgang es sich handele. Auch hätten in beiden Schreiben Rechtsbehelfsbelehrungen gefehlt. Von einem Reserveoffizier, der gelegentlich Wehrübungen ableiste, könne nicht erwartet werden, dass er wisse, wie er in einem solchen Falle vorzugehen habe; dazu bedürfe es einer Rechtsbehelfsbelehrung. Wegen seiner Unsicherheit habe er auf dem ersten Eröffnungsformular vermerkt: „Ich bitte um die Zusendung des Bescheids zur Wahrnehmung meiner Rechte.“
Die Dienstvorschriften habe er heruntergeladen, um sich als Soldat und Offizier weiterzubilden und seine militärischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten und zu erweitern. Die Vorschriften seien jedem zugänglich; es gebe weder eine Belehrung noch einen Hinweis auf der Webseite, dass der Download verboten sei. Die Vorschriften seien auch nicht etwa durch eine Anzeigefunktion oder durch die Abschaltung des USB-Ports technisch abgesichert gewesen. Was die Absehensentscheidung mit der Feststellung eines Dienstvergehens betreffe, vermute er, dass diese auf Betreiben des Geheimschutzbeauftragten erlassen worden sei. Sie habe Grundlage für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos sein sollen, nachdem der Vorwurf, er sei ein Ausländerextremist, nicht zu halten gewesen sei. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos sei unfair und genüge in keiner Weise dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er fühle sich wegen seiner muslimischen Religionszugehörigkeit diskriminiert.

13 Der Antragsteller beantragt
die Aufhebung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner Person und die Aufhebung des Bescheids des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 26. Oktober 2009.

14 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

15 Der Antrag sei unbegründet, weil die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den Geheimschutzbeauftragten wegen der verspäteten Beschwerdeeinlegung bestandskräftig geworden sei. Als truppendienstliche Erstmaßnahme habe die Entscheidung keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft. Die Übersendung eines Bescheids sei im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens nicht vorgesehen. Nach den geltenden Vorschriften sei der Betroffene lediglich durch die personalbearbeitende Stelle über die Ablehnung einer Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu unterrichten. Dies sei spätestens mit dem Schreiben vom 25. Juli 2008 erfolgt. Das vom Antragsteller angeblich am 4. Juli 2008 abgesandte Empfangsbekenntnis mit der Bitte um Zusendung eines Bescheids sei beim Personalamt nicht eingegangen; selbst wenn die Behauptung des Antragstellers zutreffe, führe dies nicht zu einer Fristverlängerung im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO. Auch die von ihm geltend gemachte mangelnde Rechtskenntnis falle nicht unter den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 WBO. Der Antragsteller habe im Übrigen nach seinen eigenen Angaben sogar schon am 4. Juli 2008 Kenntnis von der Feststellung eines Sicherheitsrisikos erlangt, so dass die am 18. August 2008 beim Personalamt eingegangene Beschwerde erst recht verfristet gewesen sei.

16 Eines ausdrücklichen Verbots des Herunterladens der Dienstvorschriften auf einen privaten Laptop habe es nicht bedurft, weil sich bereits aus dem Hinweis „Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“ ergebe, dass diese Vorschriften - auch zu Fortbildungszwecken - nicht ohne Genehmigung im privaten Bereich genutzt werden dürften. Zudem stehe ein Großteil der heruntergeladenen Vorschriften weder im Zusammenhang mit einem Auslandseinsatz noch mit einer Fallschirmspringerausbildung, die für den Antragsteller angeblich vorgesehen gewesen sei. Gerade wer, wie der Antragsteller, gegen die Sicherheitsbestimmungen bzw. Geheimhaltungsvorschriften der ZDv 2/30 verstoße, sei als Geheimnisträger nicht geeignet.

17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - und die Akte des Verfahrens BVerwG 1 WB 55.08 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

18 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg. Der Bundesminister der Verteidigung hat die Beschwerde des Antragstellers zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil diese nicht vor Ablauf der Beschwerdefrist eingelegt wurde.

19 1. Die Beschwerdefrist begann mit der Kenntnis von der hier strittigen Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt, die der Antragsteller durch das Schreiben des Personalamts der Bundeswehr vom 17. Juni 2008 spätestens am 4. Juli 2008 erlangt hat.

20 Nach § 6 Abs. 1 WBO in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung des Gesetzes darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss binnen zwei Wochen eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 30. November 2006 - BVerwG 1 WB 18.06 - Buchholz 450.1 § 6 WBO Nr. 4 = NZWehrr 2007, 127, vom 13. August 2008 - BVerwG 1 WB 45.07 - Buchholz 450.1 § 6 WBO Nr. 5 und vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 4.09 und 1 WB 5.09 - NZWehrr 2009, 253). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die „Bekanntgabe des ablehnenden Bescheides“ (in der bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung) bzw. an die „Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheides“ (in der ab 1. Februar 2009 geltenden Fassung) anknüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist demnach nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus. Etwas anderes gilt dann, wenn für eine truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine spezielle gesetzliche Regelung oder durch eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen (vgl. Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 93.95 - <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 103, 390 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 6 = NZWehrr 1997, 158>, vom 28. April 2009 a.a.O. sowie zuletzt vom 22. Dezember 2009 - BVerwG 1 WNB 6.09 -).

21 Eine derartige besondere Form der Bekanntgabe ergibt sich vorliegend aus Nr. 2710 und Nr. 2712 Abs. 1 ZDv 2/30 (stRspr, vgl. zuletzt Beschluss vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 35.09 - Rn. 21 m.w.N.). Gemäß Nr. 2710 Abs. 1 Satz 1 ZDv 2/30 hat der Geheimschutzbeauftragte, wenn er die Verwendung des Betroffenen in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit wegen Vorliegens eines Sicherheitsrisikos ablehnt, den Sicherheitsbeauftragten (mit Nebenabdruck für die personalbearbeitende Stelle) und den Militärischen Abschirmdienst zu unterrichten; der Sicherheitsbeauftragte der Beschäftigungsdienststelle des Betroffenen unterrichtet unverzüglich den Dienststellenleiter und leitet den Nebenabdruck an die zuständige personalbearbeitende Stelle weiter (Nr. 2710 Abs. 3 ZDv 2/30); die personalbearbeitende Stelle schließlich setzt die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten in eine dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahme um und unterrichtet den Betroffenen über die Ablehnung der Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (Nr. 2712 Abs. 1 ZDv 2/30). In dieser Weise ist auch im Falle des Antragstellers verfahren worden. Der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt hat mit dem Formular Anlage C 10 zur ZDv 2/30 den Sicherheitsbeauftragten des Luftwaffenführungskommandos - mit einer Ausfertigung für das Personalamt der Bundeswehr als die für den Antragsteller zuständige personalbearbeitende Stelle - sowie das Amt für den Militärischen Abschirmdienst über das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung unterrichtet. Das Personalamt teilte anschließend dem Antragsteller, der in keinem aktiven Wehrdienstverhältnis mehr steht, zunächst mit einfachem, an dessen (privaten) Wohnsitz adressiertem Schreiben vom 17. Juni 2008 und sodann nochmals mit Schreiben vom 25. Juli 2008 im Wege der Zustellung mit Postzustellungsurkunde mit, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung durch den Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten. Für das erste Schreiben liegt dem Personalamt (nach Angaben des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -) ein Empfangsbekenntnis nicht vor. Das zweite Schreiben wurde dem Antragsteller durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten am 26. Juli 2008 zugestellt (§ 3 VwZG i.V.m. § 177, § 178 Abs. 1 Nr. 1 und § 180 ZPO); zusätzlich sandte der Antragsteller ein beigefügtes Empfangsbekenntnis unterschrieben mit dem Datum 12. August 2008 an den Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt zurück.

22 Entgegen der vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - im Beschwerdebescheid vertretenen Auffassung kommt es danach für den Beginn der Beschwerdefrist nicht auf den Zeitpunkt an, in dem dem Antragsteller - nämlich mit der Zustellung des zweiten Schreibens des Personalamts (vom 25. Juli 2008) am 26. Juli 2008 - die Mitteilung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten nachweislich zugegangen ist. Maßgeblich bleibt vielmehr auch im Fall der Unterrichtung nach Nr. 2712 Abs. 1 ZDv 2/30 die tatsächliche, positive Kenntnis von dem Beschwerdeanlass, nicht der Zugang im Rechtssinne. Die in Nr. 2712 Abs. 1 ZDv 2/30 vorgesehene besondere Form der Bekanntgabe bedeutet lediglich, dass auch dann, wenn ein Beschwerdeführer von dem Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung bereits auf andere Weise - etwa durch den Sicherheitsbeauftragten seiner Einheit - Kenntnis erlangt haben sollte, die Beschwerdefrist gleichwohl erst mit der Unterrichtung durch die personalbearbeitende Stelle zu laufen beginnt.

23 Wann der Antragsteller vom Inhalt des zweiten Schreibens tatsächlich Kenntnis erlangt hat, bedarf vorliegend keiner Aufklärung, weil der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bereits das erste Unterrichtungsschreiben des Personalamts vom 17. Juni 2008 erhalten und von dessen Inhalt spätestens am 4. Juli 2008 Kenntnis genommen hat. In dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21. November 2009 erklärt der Antragsteller einleitend (Seite 1):
„Anfang Juli 2008 wurde ich schriftlich, mit einem Schreiben vom 17.06.2008 des Personalamts der Bundeswehr, darüber informiert, dass der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt ein Sicherheitsrisiko in meiner Person sieht. ...“

24 und führt dies später (Seite 3/4) im Zusammenhang wie folgt weiter aus:
„Anfang Juli 2008 wurde mir das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung durch das Personalamt der Bundeswehr eröffnet. Das Schreiben wurde mir ohne Zustellungsurkunde zugesandt. ...
Dem Schreiben wurde ein Eröffnungsformular zur Unterschrift beigefügt. Die Eröffnung habe ich erstmalig am 04.07.2008 unterschrieben und an das Personalamt der Bundeswehr zurückgesandt.
Exakt dasselbe Schreiben wurde mir am 26.07.2009 <richtig: 2008>, diesmal mit Postzustellungsurkunde, zugesandt. Auch dieses Schreiben enthielt das Eröffnungsformular. Das Eröffnungsformular habe ich am 12.08.2009 <richtig: 2008> unterschrieben und an das Personalamt der Bundeswehr zurückgesandt. Gleichzeitig habe ich beim Personalamt der Bundeswehr den zulässigen Rechtsbehelf eingelegt.
Sowohl aus dem ersten als auch dem zweiten Schreiben des Personalamts der Bundeswehr ging nicht hervor, um welchen Verwaltungsvorgang es sich handelt. Beide Schreiben waren keine Bescheide o.ä. Rechtsbehelfsbelehrungen fehlten.
Wegen der Unsicherheit, wie ich gegen die Feststellung vorgehen kann, habe ich auf dem ersten Eröffnungsformular folgenden Satz vermerkt: ‚Ich bitte um die Zusendung eines Bescheids zur Wahrnehmung meiner Rechte.’“

25 Auf die Rücksendung des Eröffnungsformulars des ersten Schreibens des Personalamts vom 17. Juni 2008 mit der Bitte um Zusendung eines Bescheids hat der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nochmals Bezug genommen (Schreiben vom 7. November 2010, Seite 1).

26 Aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Antragstellers - insbesondere in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung - ergibt sich zweifelsfrei, dass er beide Unterrichtungsschreiben des Personalamts erhalten und von dem Inhalt des ersten Schreibens spätestens am 4. Juli 2008, als er die Eröffnung auf dem beigefügten Empfangsbekenntnis bestätigte, Kenntnis genommen hat.

27 2. Begann die Zwei-Wochen-Frist für die Einlegung der Beschwerde nach § 6 Abs. 1 WBO demnach am 4. Juli 2008, so endete sie nach der im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Regelung des § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 18. Juli 2008.

28 Innerhalb dieser Frist hat der Antragsteller keine Beschwerde erhoben. Der vom Antragsteller nach seiner Darstellung bereits am 4. Juli 2008 auf dem Eröffnungsformular zum ersten Schreiben des Personalamts vermerkte Satz: „Ich bitte um die Zusendung eines Bescheids zur Wahrnehmung meiner Rechte“ stellt keine Einlegung eines Rechtsbehelfs dar. Im Übrigen lässt sich der Eingang des Formulars mit dem Zusatz bei einer für die Einlegung der Beschwerde zuständigen Stelle (§ 5 WBO) nicht feststellen. Der von dem Antragsteller mit Schreiben vom 12. August 2008 eingelegte Rechtsbehelf ist zwar als Beschwerde zu werten; diese ist jedoch deutlich nach Ablauf der Beschwerdefrist und damit verspätet eingelegt worden.

29 Die Verfristung der Beschwerde wird - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht dadurch ausgeschlossen, dass den Schreiben des Personalamts, mit denen es den Antragsteller über die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten unterrichtete, keine Belehrung über den gegen diese Entscheidung statthaften Rechtsbehelf beigefügt war. Zwar ist es gemäß § 7 Abs. 2 WBO als ein unabwendbarer, die Einhaltung einer Frist hindernder Zufall anzusehen, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist; in diesem Falle läuft die Frist erst drei Tage (ab 1. Februar 2009: zwei Wochen) nach Beseitigung des Hindernisses, d.h. der nachträglichen Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, ab (§ 7 Abs. 1 WBO). Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedoch nur dann, wenn eine Verpflichtung besteht, eine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen, oder wenn eine solche Belehrung im Hinblick auf eine nicht vorauszusetzende Kenntnis der Frist verfassungsrechtlich geboten ist.

30 Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt bedurfte danach keiner Rechtsbehelfsbelehrung. Die Wehrbeschwerdeordnung schreibt Rechtsbehelfsbelehrungen nur für ablehnende Beschwerdeentscheidungen vor (§ 12 Abs. 1 Satz 4, § 16 Abs. 4 WBO). Eine darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer derartigen Belehrung hat der Senat für die bis zum 31. Januar 2009 geltende Fassung der Wehrbeschwerdeordnung nur bei truppendienstlichen Erstmaßnahmen angenommen, die unmittelbar vom Bundesminister der Verteidigung erlassen sind und gegen die deshalb als Rechtsbehelf nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung - mit dem Zwang, den Antrag innerhalb der Antragsfrist nicht nur einzulegen, sondern auch zu begründen - zu Gebote steht (§ 21 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO). Ansonsten bedürfen truppendienstliche Erstmaßnahmen - wie hier die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt - keiner Belehrung, weil der Rechtsbehelf der Beschwerde und die dafür geltende Frist des § 6 Abs. 1 WBO - jedenfalls in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung des Gesetzes - bei allen Soldaten als bekannt vorausgesetzt werden können (stRspr, vgl. Beschluss vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 38.08 - Rn. 31 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 7 WBO Nr. 5> m.w.N.).

31 Andere Umstände, die im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO als den Fristablauf hemmender „unabwendbarer Zufall“ angesehen werden könnten, liegen nicht vor. Dies gilt insbesondere für die vom Antragsteller geltend gemachte rechtliche Unerfahrenheit. Soweit sich diese auf das Rechtsinstitut der Wehrbeschwerde und die dabei zu beachtende Frist bezieht, ist auf das eben Gesagte zu verweisen. Im Übrigen stellt eine unrichtige Rechtsauffassung oder mangelnde Rechtskenntnis in aller Regel keinen unabwendbaren Zufall im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO dar (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 7 Rn. 12 mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen; zur entsprechenden Vorschrift des § 60 Abs. 1 VwGO vgl. etwa Beschluss vom 7. Oktober 2010 - BVerwG 9 B 83.09 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 266 m.w.N.). Im Falle des Antragstellers ist ferner zu berücksichtigen, dass er bereits eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen hat und ihm deshalb der Ablauf und die Bedeutung eines Sicherheitsüberprüfungsverfahrens nicht gänzlich unvertraut waren. Mit Schreiben vom 21. Mai 2008 hat ihn darüber hinaus der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt über die beabsichtigte Entscheidung und das weitere Vorgehen, wie es in Nr. 2712 ZDv 2/30 vorgesehen ist, insbesondere auch über die Eröffnung des Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung durch die personalbearbeitende Dienststelle, korrekt informiert. Unzutreffend ist schließlich der Einwand des Antragstellers, dass weder aus dem ersten noch aus dem zweiten Schreiben des Personalamts hervorgegangen sei, um welchen Verwaltungsvorgang es sich handele. In beiden Schreiben lautet vielmehr der Betreff: „Mitteilung über das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung“ und der maßgebliche Textteil:
„Mit Schreiben vom 21.05.2008 wurde uns seitens des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt mitgeteilt, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung Ü 2 Umstände ergeben hat, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach ZDv 2/30 ein Sicherheitsrisiko darstellen. Diese Entscheidung umfasst auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1.“

32 Angesichts dieser eindeutigen Formulierungen bestand keine Gefahr der Verwechslung etwa mit dem (durch die Absehensentscheidung vom 7. Januar 2008 beendeten) Disziplinarverfahren oder mit dem vom Antragsteller betriebenen Wehrbeschwerdeverfahren wegen der Befragung durch MAD-Angehörige am 29. März 2006 (BVerwG 1 WB 55.08 ).

33 3. Nachdem der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits deshalb keinen Erfolg hat, weil der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde des Antragstellers zu Recht als verspätet und damit unzulässig zurückgewiesen hat, kommt es auf die inhaltlichen Einwände des Antragstellers gegen das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung nicht mehr an.