Beschluss vom 26.06.2025 -
BVerwG 1 WB 51.23ECLI:DE:BVerwG:2025:260625B1WB51.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.06.2025 - 1 WB 51.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:260625B1WB51.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 51.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scheffczyk, den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Nahler und den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Friede am 26. Juni 2025 beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 6. Dezember 2021 rechtswidrig war.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3).

2 Der 1974 geborene Antragsteller ist seit ... Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich Ende September ... Seit Juli 2021 wird er auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt im Zentrum für ... in ... verwendet.

3 Für den Antragsteller war unter dem 17. August 2016 eine Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3) ohne Einschränkungen abgeschlossen worden. Am 23. März 2018 wurde für ihn durch das Kommando ... die Durchführung einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung Verschlusssachenschutz (Ü2-VS) und am 20. August 2018 durch das Bundeswehrkommando ... die Durchführung einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3), jeweils als Wiederholungsprüfung, beauftragt. In seiner Sicherheitserklärung vom 20. März 2018 gab er drei Reisen seiner Ehegattin in Staaten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG in den Jahren 2005, 2007 und 2011 an, die er in der Sicherheitserklärung vom 13. Juni 2013 nicht angegeben hatte. In der Sicherheitserklärung vom 20. März 2018 fehlen hingegen seine einsatzbedingten Aufenthalte in ... in den Jahren 2005, 2011, 2012/13 sowie 2013/14, die er erst in der Erklärung vom 17. August 2018 angab.

4 Mit Verfügung vom 8. Oktober 2019 sah der Leiter ... von der Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme ab, stellte jedoch fest, dass der Antragsteller ein Dienstvergehen begangen habe. Er habe auf seinem privaten Facebook-Account

  • am 5. September 2019 die Bundesrepublik Deutschland als "Republik Buntschlaaand", am 4. September 2019 als "failed state Buntschlaaand" und am 20. August 2019 als "Bananenstaat" bezeichnet;
  • am 19. Juli 2019 die Bundeskanzlerin als "gottgleiche, machtbesessene Beinaheautokratin" tituliert;
  • am 31. März 2019 Flüchtlinge und Migranten als "Goldstücke" bezeichnet;
  • am 15. August 2019 den Kommandeur des Zentrums ..., Generalmajor A, als "widerlichen Opportunisten" bezeichnet und
  • am 17. Mai 2019 die Staatssekretärin B als "Deutschland-feindliche, undankbare Tussi" bezeichnet und geschrieben, man müsse sie "mitsamt ihrer Familie ausweisen und ihnen vorher die Staatsangehörigkeit entziehen, komplettiert, mit lebenslangem Einreiseverbot"

und damit gegen seine Pflichten zur Zurückhaltung und zur Kameradschaft verstoßen. Aufgrund der disziplinaren Ermittlungen, der Kenntnis der Person des Antragstellers, seiner bisherigen dienstlichen Leistungen und seiner Einsicht, dass er mit der ein oder anderen Aussage über das Ziel hinausgeschossen sei, sei eine Disziplinarmaßnahme entbehrlich, so dass es bei einer Erzieherischen Maßnahme in Form einer schriftlichen Verwarnung belassen werden könne.

5 Am 20. Februar 2020 wurde der Antragsteller durch den Bereich Extremismusabwehr des Bundesamts für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) befragt. Mit Schreiben vom 9. April 2020 informierte das BAMAD die personalbearbeitende Stelle und die Einheit des Antragstellers - unter Hinweis auf dessen Äußerungen im Rahmen der Befragung - über die Einordnung des Antragstellers als erkannten Rechtsextremisten, der dem neurechten Spektrum rund um die Identitäre Bewegung zuzuordnen sei. In der Befragung habe sich der Antragsteller dahingehend geäußert, dass die Bundesrepublik Deutschland lediglich eine "Verwaltungseinheit" ohne gültige Verfassung sei. Deutsch sei, wer die deutsche Nationalität habe. Bis 2000 habe man diese nur durch Geburt erlangen können, damit meine er durch Blut. Nach 2000 sei dies geändert worden, so dass sich Personen, welche eine gewisse Zeit in Deutschland lebten, ebenfalls darum bewerben könnten. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, unter Alkoholeinfluss Hitlergrüße zu machen, habe er geäußert: "Das ist eine gute Frage ... Es heißt, sag niemals nie." Seine Informationen beziehe der Antragsteller unter anderem aus der von ihm abonnierten "Jungen Freiheit". Die Sezession habe er einmal gelesen. Er habe Musik von E gehört und halte diese nicht für extremistisch. Den Begriff "Ethnopluralismus" habe er bei der Identitären Bewegung gelesen; er besage, dass alle Ethnien in Ordnung seien, aber jede in ihrem angestammten Raum. Es komme darauf an, wie das Land seine Kultur und Tradition pflege, um sie vor Verwässerung zu schützen; im Ethnopluralismus sehe er keinen Rassismus. Er bezweifle, dass das, was die Identitäre Bewegung sage, gegen die Verfassung verstoße. Da Martin Sellner "um die Freiheit kämpfe", habe er diesen mit einer Spende unterstützt. Auch eine Spende an "M." und damit die Identitäre Bewegung Sachsen könne er nicht ausschließen.

6 Daraufhin wurde unter dem 21. April 2020 die Ermächtigung des Antragstellers zum Umgang mit Verschlusssachen aufgehoben.

7 Am 19. Mai 2020 leitete der Amtschef des Streitkräfteamts ein gerichtliches Disziplinarverfahren ein. Vorgeworfen wurden dem Antragsteller die Unterstützung des Sprechers der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner, durch eine Geldspende, sowie der Aufruf zu Spenden für den Rechtsextremisten C "M." auf Facebook, ein Aufruf auf Facebook zur Unterstützung einer Petition der Organisation "patriotpetition.org", die in der Nähe des Vereins "Ein Prozent e.V." verortet werde, der aktuell Prüffall des Bundesamts für Verfassungsschutz sei, das Teilen eines Artikels der "Jungen Freiheit" auf Facebook zur Person des Martin Sellner sowie das Teilen mehrerer Artikel des Online-Blogs "younggerman.com" auf Facebook, der von einem als rechtsextrem eingestuften ehemaligen Soldaten betrieben werde. Zugleich wurde der Antragsteller gemäß § 126 Abs. 1 und 2 WDO in der bis zum 31. März 2025 geltenden Fassung (WDO a. F.) vorläufig des Dienstes enthoben, ein Uniformtrageverbot ausgesprochen und der Einbehalt von 30 % seiner Dienstbezüge angeordnet. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller nach Erkenntnissen des BAMAD dem neurechten Spektrum der Identitären Bewegung zuzuordnen sei, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bewegung eingestuft werde. Durch die aktive Unterstützung der Identitären Bewegung habe der Antragsteller seine Treuepflicht verletzt. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen einer Disziplinarmaßnahme deswegen sei die Entfernung aus dem Dienst. Eine Verurteilung sei hinreichend wahrscheinlich.

8 Mit Schreiben vom 12. August 2020 teilte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller mit, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos beabsichtigt sei. Dieses begründe sich aus Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) sowie Zweifeln an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG).

9 Zur Anhörung trug der Antragsteller zunächst schriftlich vor, dass die Vorwürfe des BAMAD und seine Einstufung als Rechtsextremist nicht haltbar seien. Mangels juristischer Vorkenntnisse der Befrager wie seiner selbst sei es in Bezug auf staatsrechtliche Fragen offenbar zu Missverständnissen gekommen. Er habe nie gesagt, dass Deutschland lediglich eine Verwaltungseinheit ohne gültige Verfassung sei, sondern sich im Gegenteil klar vom Reichsbürgertum und dessen Idee der Verwaltungseinheit distanziert. Er habe weder eine ideologische Nähe zur Identitären Bewegung noch zur Reichsbürgerbewegung. Seine Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Er habe auch keine Überweisung an Martin Sellner getätigt. Zu Spenden an Herrn C habe er aufgerufen, nachdem dessen PKW durch extremistische Täter angezündet worden sei, selbst aber nicht an diesen gespendet. Bis zur Information durch das BAMAD sei ihm nicht bekannt gewesen, dass Herr C ein Mitglied der Identitären Bewegung sei.

10 Mit Verfügung vom 17. März 2021 wurden die mit der Einleitungsverfügung vom 19. Mai 2020 nach § 126 Abs. 1 und 2 WDO a. F. getroffenen Nebenentscheidungen wieder aufgehoben.

11 Mit Anschuldigungsschrift vom 27. August 2021 wurde der Antragsteller beim Truppendienstgericht Süd angeschuldigt. Die Vorwürfe der Einleitungsverfügung werden darin nicht aufrechterhalten. Dem Soldaten werden nunmehr zehn Beiträge auf Facebook unter seinem privaten Account "..." zwischen Februar und September 2019 als Verstöße gegen die Pflicht zur Zurückhaltung bei Äußerungen, die Kameradschaftspflicht sowie die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht vorgeworfen. Dabei entsprechen fünf Beiträge denjenigen, welche in der Absehensverfügung des Leiters ... vom 8. Oktober 2019 disziplinar gewürdigt wurden. Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

12 Am 5. Oktober 2021 erfolgte nach pandemiebedingten Verzögerungen die persönliche Anhörung zur beabsichtigten Feststellung eines Sicherheitsrisikos in Gegenwart des Rechtsbeistands des Antragstellers. Ausweislich der Niederschrift gab der Antragsteller an, dass die Begriffe "Bananenstaat", "Failed State" und "Buntschlaand" aus Artikeln stammten, die er gelesen habe und die entweder in der Zeitschrift "Junge Freiheit" gestanden oder ihm zugeschickt worden seien. Auch Facebook schlage ihm Artikel vor, die er lese. Zur Bezeichnung der Bundeskanzlerin als "gottgleiche, machtbesessene Beinaheautokratin" erklärte er, er könne nicht gutheißen, dass sie sich 2015 über "Art. 16 Abs. 2a GG" hinweggesetzt habe und dass bei der Wahl in Thüringen das demokratisch herbeigeführte Ergebnis revidiert worden sei, weil es nicht gepasst habe. Seine Äußerung über Frau B müsse im Kontext mit einem Interview von ihr gesehen werden. Der Begriff "Goldstücke" gehe auf den ehemaligen Kanzlerkandidaten D zurück. Er habe ihn sarkastisch benutzt. Migration müsse verträglich sein, dass man sie (auch finanziell) stemmen könne. Es sei absehbar gewesen, dass dem nicht so sei. Die Formulierung "widerlicher Opportunist" bezüglich Generalmajor a.D. A würde er heute nicht mehr so wählen. Er habe Videos von "Laut gedacht" auf Youtube angesehen, welche genau, könne er sich nicht mehr erinnern. Dies enthielten für ihn keine rechtsextremen Inhalte, sondern Satire. Nachdem er erfahren habe, dass es sich bei M. um einen Identitären handele, habe er aufgehört, diese Videos zu schauen, um möglichen Schikanen aus dem Weg zu gehen. Die Ziele der Identitären Bewegung, wie sie von den Mitarbeitern des BAMAD dargestellt worden seien, lehne er ab. Woher er die Musik von E bekommen habe, wisse er nicht. Zwei oder drei Lieder habe er angehört. Er halte sie für ungefährlich, patriotisch, aber nicht extrem. Die Musikrichtung Rap gefalle ihm nicht. Die "Junge Freiheit" habe er noch immer abonniert. Diese sei konservativ-libertär, wie er sich selbst auch einschätze. Er sei politisch interessiert, aber nicht aktiv. Seinen Eid habe er geschworen und stehe dazu. Zu dem ihm vorgehaltenen jahrelangen Konsum von Musik, Videos und Artikeln mit Bezug zur Identitären Bewegung gab er an, dass man nicht jeden Beitrag auf Verbindungen zur Identitären Bewegung prüfen könne. Die Angaben zu den Reisen seiner späteren Ehefrau habe er in der Sicherheitserklärung von 2013 nicht machen können, weil er sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht so lange gekannt und von den Reisen nichts gewusst habe.

13 Das Protokoll zur Anhörung unterzeichnete der Antragsteller "vorbehaltlich der Berücksichtigung der anwaltlichen Stellungnahme vom 01.11.2021". In dieser merkte der Antragsteller unter anderem an, dass nicht erkennbar sei, aufgrund welcher Bezüge ein Algorithmus Beiträge vorschlage. Er habe in der Anhörung zudem ausgeführt, dass er Migration per se für nichts Schlechtes halte und habe dies mit Beispielen belegt. Zudem habe er klar gesagt, es komme ihm auf die inneren Werte und den Charakter des Menschen und nicht auf dessen Abstammung an.

14 Mit Bescheid vom 6. Dezember 2021, dem Antragsteller eröffnet am 23. Dezember 2021, schloss der Geheimschutzbeauftragte die Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos ab.

15 Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers ergäben sich zum einen aus den wegen mangelnder Sorgfalt fehlenden Angaben in den Sicherheitserklärungen, zum anderen aus der Feststellung eines Dienstvergehens durch den Leiter ... und dem noch andauernden gerichtlichen Disziplinarverfahren aufgrund der Art der angeschuldigten Dienstpflichtverletzungen. Dies gelte umso mehr, als die Anschuldigungspunkte im Zusammenhang mit Zweifeln am Bekenntnis des Antragstellers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und seinem jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung stünden. Diese stützten sich sowohl auf die Begründung der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens als auch auf die Einstufung des Antragstellers als erkannter Rechtsextremist durch das BAMAD. Zwar habe die Wehrdisziplinaranwaltschaft den Vorwurf eines Dienstvergehens gemäß § 8 SG in ihrer Anschuldigungsschrift nicht aufrechterhalten, gleichwohl stehe noch immer die Einstufung des BAMAD im Raum. Im Rahmen der eingehenden Besprechung der Posts, Likes und Kommentare des Antragstellers bei der persönlichen Anhörung habe dieser die Zweifel nicht ausräumen können. Soweit der Antragsteller Beiträge angeschaut habe, die ihm von Youtube oder Facebook vorgeschlagen worden seien, sei zu berücksichtigen, dass derartige Vorschläge dadurch zustande kämen, dass er inhaltlich ähnliche Beiträge bereits in der Vergangenheit angesehen und/​oder gelikt habe. Es liege damit ein nicht nur kurzfristiges Verhaltensmuster zugrunde, welches die Nähe zu und das Interesse an derartigen Beiträgen zeige. Es sei die Vielzahl der in der Einleitungsverfügung und der Anschuldigungsschrift enthaltenen einzelnen Vorhalte, die schlussendlich ein Gesamtbild ergebe, das Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung rechtfertige.

16 In der Gesamtschau begründeten diese Bedenken in Verbindung mit dem festgestellten Zuverlässigkeitsdefizit nicht zurückstellbare Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit und Integrität des Antragstellers und damit an seiner dienstlichen Zuverlässigkeit für die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Der Antragsteller lasse die erforderliche Distanzierung zu Gruppen und Bestrebungen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen, angreifen oder diffamieren, vermissen. Es könne nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass er jederzeit für die Erhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung eintrete. Die vom Antragsteller in der Vergangenheit gezeigten Verhaltensmuster ließen es nicht als wahrscheinlich erscheinen, dass sich dies in Zukunft ändere. Eine Wirkungsdauer von drei Jahren sei jedoch ausreichend.

17 Am 7. Januar 2022 hat der Antragsteller gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aufgrund der angeblichen Falschangaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren, des Disziplinarverfahrens des Leiters ..., der disziplinaren Vorermittlungen der Wehrdisziplinaranwaltschaft und der Einstufung als erkannter Rechtsextremist durch das BAMAD sei selbst unter Beachtung eines erheblichen Beurteilungsspielraums des Geheimschutzbeauftragten rechtswidrig.

18 Mit Schreiben vom 7. Dezember 2023 hat sich der Antragsteller wegen der bis dahin nicht erfolgten Vorlage des Antrags durch das Bundesministerium der Verteidigung unmittelbar an das Bundesverwaltungsgericht gewandt. Die über fast zwei Jahre nicht erfolgte Weiterleitung sei rechtsmissbräuchlich und verletze ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. In der Sache wiederholte er seine Ausführungen aus dem Schreiben vom 7. Januar 2022. Er trägt weiter vor, bei dem Disziplinarverfahren in ... handele es sich um Vorwürfe aufgrund von Facebookaktivitäten, die lediglich zulässige Kritik an politischen Vorgängen in Deutschland übten, jedoch nicht extremistisch seien. Dass seinerzeit nur ein Dienstvergehen festgestellt und keine Disziplinarmaßnahme verfügt worden sei, zeige die geringe Wertigkeit der vermeintlichen Verfehlungen. In der nun eingereichten Anschuldigungsschrift finde sich keiner der Vorwürfe, die durch das Schreiben des BAMAD erhoben worden seien und der Einleitungsverfügung vom 19. Mai 2020 zugrunde gelegen hätten. Diese beträfen nur noch Verstöße gegen das Mäßigungsgebot aus § 10 Abs. 6 SG, die, selbst wenn sie vorlägen, keine sicherheitsrelevante Bedeutung hätten.

19 Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung durch die Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung vom 6. Dezember 2021 rechtswidrig ist.

20 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

21 Die widersprüchlichen und teils unwahren Aussagen des Antragstellers ließen Zweifel an seiner Zuverlässigkeit entstehen und rechtfertigten die Annahme eines Sicherheitsrisikos. Zweifel nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG ergäben sich aufgrund einer Gesamtwürdigung der Äußerungen und Handlungen des Antragstellers, die einen fremdenfeindlichen Bezug aufwiesen, grundlegende Werte und Säulen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Misskredit brächten und/​oder die Grenze dessen überschritten, was durch freie Meinungsäußerung oder als kritisches Hinterfragen politischer Sachverhalte gedeckt sei. In dem Gespräch mit dem Geheimschutzbeauftragten seien seine Einlassungen von dem Bemühen der Verharmlosung und scheinbarer Rationalität geprägt gewesen. Der Antragsteller scheine selbst nach Hinweisen auf Verbindungen zur Identitären Bewegung und Rechtsextremismus kritischer Reflektion nicht zugänglich und bewerte diese nach eigenen Maßstäben als unproblematisch. Eine positive Prognose sei, insbesondere vor dem Hintergrund der diversen unwahren Angaben, nicht möglich.

22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

23 Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

24 1. Der Antrag ist zulässig.

25 a) Der Antragsteller hat einen statthaften Untätigkeitsantrag gestellt, weil die nach § 21 Abs. 3 Satz 1 WBO gebotene Vorlage durch das Bundesministerium der Verteidigung nicht binnen eines Monats erfolgt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 24 m. w. N.).

26 b) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheides angefochten werden. Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betreffen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauftragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche Verwendung entschieden wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 23 m. w. N.).

27 c) Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist im Lichte seines Sachvortrags dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO), dass er ursprünglich die Aufhebung des Bescheids des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 6. Dezember 2021 begehrt hat. Für einen derartigen Aufhebungsantrag besteht indes kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, weil sich der Bescheid vom 6. Dezember 2021 erledigt hat. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos stand der Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (nur) solange entgegen, als nicht aufgrund einer Wiederholungsprüfung, deren Durchführung der Bescheid nach drei Jahren zulässt, eine erneute Entscheidung mit einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis ergehen konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2007 - 1 WB 52.06 - juris Rn. 27). Mit Ablauf dieser Frist im Januar 2024 sind die unmittelbar belastenden Wirkungen der Maßnahme entfallen.

28 d) Der Antragsteller kann sein Rechtsschutzbegehren mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag weiterführen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO).

29 Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die - wie hier die Feststellung eines Sicherheitsrisikos - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 2021 - 1 WB 28.20 - juris Rn. 17 m. w. N.).

30 Im vorliegenden Fall ist ein Rehabilitierungsinteresse anzunehmen, weil der Antragsteller seit August 2020 als Folge der vom BAMAD erfolgten Einstufung als erkannter Rechtsextremist sowie des laufenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens, worauf die Feststellung des Sicherheitsrisikos maßgeblich gestützt wurde, nicht mehr in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verwendet wird und hierfür von seiner Verwendung in ... abgelöst wurde. Im Hinblick auf eine nunmehr wieder mögliche Wiederholungsüberprüfung hat er ein schutzwürdiges Interesse, gerichtlich feststellen zu lassen, ob ihm in der Vergangenheit mit Recht ein Sicherheitsrisiko zur Last gelegt wurde.

31 2. Der Antrag ist auch begründet.

32 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Bescheid des Geheimschutzbeauftragten vom 6. Dezember 2021 war rechtswidrig und verletzte den Antragsteller in seinen Rechten.

33 a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35 m. w. N.). Bis zu diesem Zeitpunkt können grundsätzlich in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 - 1 WDS-VR 7.07 - juris Rn. 23, vom 30. Januar 2014 - 1 WB 47.13 - juris Rn. 29 und vom 17. April 2019 - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22 m. w. N.). Hat ein Antragsteller - wie hier - seinen Antrag als Untätigkeitsantrag eingelegt, besteht die Möglichkeit des Nachschiebens von tatsächlichen Anhaltspunkten nur bis zum Eingang dieses Antrags (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 26). Die mit dem zeitlich nachfolgenden Vorlageschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. Januar 2024 vorgetragenen Ergänzungen können deshalb nicht berücksichtigt werden.

34 Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).

35 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).

36 Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 - 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).

37 b) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SÜG, Nr. 2418 ZDv A-1130/3) nicht rechtmäßig erfolgt.

38 aa) Bei der Sicherheitsüberprüfung wurde zwar nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Insbesondere hatte der Antragsteller Gelegenheit, sich vor Feststellung des Sicherheitsrisikos zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen persönlich zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 SÜG i. V. m. § 6 Abs. 1 SÜG; vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 1 WB 57.12 - ‌BVerwGE 148, 267 Rn. 54 ff.). Davon machte er sowohl schriftlich als auch in der persönlichen Anhörung Gebrauch.

39 bb) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos genügt jedoch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht den Anforderungen.

40 (1) Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten stützt sich - zum einen - auf falsche bzw. unvollständige Angaben des Antragstellers im Sicherheitsüberprüfungsverfahren sowie auf die Feststellung eines Dienstvergehens mit Verfügung vom 8. Oktober 2019. Hieraus leitet der Geheimschutzbeauftragte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ab (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG). Zweifel am Bekenntnis des Antragstellers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG) stützt der Geheimschutzbeauftragte - zum anderen - auf das mit Verfügung vom 19. Mai 2020 gegen den Antragsteller eingeleitete und noch laufende gerichtliche Disziplinarverfahren sowie auf die am 9. April 2020 erfolgte Einstufung des Antragstellers durch das BAMAD als erkannter Rechtsextremist. Beide Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 SÜG - die Zweifel an der Zuverlässigkeit (Nr. 1) und die an der Verfassungstreue (Nr. 3) – werden zur Begründung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos kumulativ in einer Gesamtschau verbunden.

41 (2) Diese Grundlagen der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten sind nur zum Teil und nur eingeschränkt tragfähig.

42 (a) Im Hinblick auf den Vorwurf unwahrer bzw. unvollständiger Angaben trifft es zwar zu, dass der Antragsteller in der Sicherheitserklärung vom 13. Juni 2013 die Reisen seiner damaligen Lebensgefährtin, seit Herbst 2015 Ehegattin, in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken nicht angegeben hat, obwohl er sie als mitbetroffene Person angegeben hatte. Allerdings ist auch der Vortrag des Antragstellers, er habe seine Lebensgefährtin damals noch nicht lange gekannt und von den Reisen nichts gewusst, plausibel und unwiderlegt. Zudem hat der Antragsteller die Reisen in der folgenden Sicherheitserklärung vom 20. März 2018 aus eigener Initiative angegeben und damit sein ursprüngliches Unterlassen selbst korrigiert.

43 Zutreffend ist weiter, dass der Antragsteller seine einsatzbedingten Aufenthalte in ... zunächst in der Sicherheitserklärung vom 20. März 2018 nicht angegeben hatte, während er sie in der kurz darauf folgenden Sicherheitserklärung vom 17. August 2018 angab. Darin liegt zweifellos ein Verstoß gegen die Pflicht zu vollständigen und wahren Angaben, der allerdings geringer wiegt, weil der Dienstherr über die Entsendung in den Einsatz nicht in Unkenntnis sein kann und der Antragsteller sein Unterlassen wiederum selbst korrigiert hat.

44 (b) Nicht zu beanstanden ist im Ausgangspunkt, dass der Geheimschutzbeauftragte bei seiner Entscheidung verwertet hat, dass gegen den Antragsteller im Jahr 2019 ermittelt und ein Dienstvergehen festgestellt wurde und im Entscheidungszeitpunkt ein gerichtliches Disziplinarverfahren beim Truppendienstgericht Süd anhängig war. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG begründen, unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene eine Straftat oder ein Dienstvergehen begangen hat, die - ggf. auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften oder zur dienstlichen Tätigkeit - ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 2017 - 1 WB 29.16 - juris Rn. 36 m. w. N.). Es bestehen deshalb keine Bedenken dagegen, dass der Geheimschutzbeauftragte das wehrdisziplinarrechtlich sanktionierte bzw. vorgeworfene Fehlverhalten des Antragstellers als Anhaltspunkt für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers aufgegriffen hat.

45 Anders verhält es sich indes, soweit der Geheimschutzbeauftragte diesen Sachverhalt zugleich unter dem Blickwinkel von Zweifeln am Bekenntnis des Antragstellers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bzw. an dessen Bereitschaft, für deren Erhaltung jederzeit einzutreten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG), würdigt. Soweit der Geheimschutzbeauftragte hinsichtlich der Feststellung eines Dienstvergehens sowie des laufenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens "die Anschuldigungspunkte im Zusammenhang mit Zweifeln am Bekenntnis für die freiheitliche demokratische Grundordnung" sieht, trifft diese Einordnung nicht zu. Denn tatsächlich werden dem Antragsteller weder in der Verfügung über die Feststellung eines Dienstvergehens vom 8. Oktober 2019 noch in der Anschuldigungsschrift vom 27. August 2021 Verstöße gegen die politische Treuepflicht nach § 8 SG, sondern lediglich Verstöße gegen die Pflichten zur Zurückhaltung (§ 10 Abs. 6 SG) und zur Kameradschaft (§ 12 SG) vorgeworfen. Insoweit führt im Übrigen auch der Bescheid vom 6. Dezember 2021 (Seite 9) in der Darstellung der sicherheitserheblichen Erkenntnisse selbst aus, dass der Vorwurf eines Verstoßes gegen § 8 SG sich aus Sicht der Wehrdisziplinaranwaltschaft im Rahmen der Ermittlungen nicht dergestalt habe erhärten lassen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Verurteilung im gerichtlichen Disziplinarverfahren wegen einer Verletzung der politischen Treuepflicht zu rechnen gewesen wäre.

46 (c) Grundsätzlich verwertbar war schließlich auch die Einstufung des Antragstellers als "erkannter Rechtsextremist" durch das BAMAD, über die das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Schreiben vom 9. April 2020 informiert wurde. Diese Einstufung durch den BAMAD hat zwar als Behördenzeugnis einer Fachbehörde nur einen eingeschränkten Beweiswert, weil die Verfassungsschutzbehörden regelmäßig die für ihre Bewertung maßgeblichen unmittelbaren Quellen nicht oder nicht vollständig offenlegen; das Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde kann jedoch als sekundäres Beweismittel - auch bei der richterlichen Überzeugungsbildung - herangezogen werden, auch wenn es der vorsichtigen Würdigung und der Heranziehung weiterer Erkenntnisquellen zur Bestätigung der darin enthaltenen Einschätzung bedarf (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 23. Mai 2024 - 2 WD 13.23 -‌ BVerwGE 182, 333 Rn. 35 m. w. N.).

47 Eine derartige Würdigung der Aussagekraft und des Beweiswerts der Einstufung durch das BAMAD lässt der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten, der die Einschätzung durch den Militärischen Abschirmdienst als gegeben übernimmt, vermissen. Eine Auseinandersetzung wäre allerdings vorliegend umso mehr veranlasst gewesen, als die Anschuldigungsschrift im gerichtlichen Disziplinarverfahren - in Kenntnis der Einstufung durch das BAMAD - den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 8 SG gerade nicht mehr erhoben hat. Gleiches gilt für die Verfügung vom 17. März 2021, mit der die mit der Einleitungsverfügung vom 19. Mai 2020 nach § 126 Abs. 1 und 2 WDO a. F. getroffenen Nebenentscheidungen (vorläufige Dienstenthebung, Uniformtrageverbot, Einbehalt von Teilen der Dienstbezüge) wieder aufgehoben wurden; auch die dort ausführlich dargestellten Ermittlungsergebnisse der Wehrdisziplinaranwaltschaft wurden nicht, jedenfalls nicht in einer aus dem Bescheid des Geheimschutzbeauftragten erkennbaren Weise, berücksichtigt und in Beziehung zu der Einschätzung des Militärischen Abschirmdienstes gesetzt. Da die Wehrdisziplinaranwaltschaft umfangreiche Ermittlungen durchgeführt hat, bei denen sich insbesondere die dem Antragsteller vorgeworfenen Spenden nicht belegen ließen, war die Stellungnahme des BAMAD überholt und konnte nicht kommentarlos als "weiter im Raum stehend" verwertet werden.

48 (3) Insgesamt erweisen sich damit wesentliche Begründungselemente, auf denen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aufbaut, als nicht hinreichend belegt. Dies betrifft namentlich den zentralen Vorwurf einer Verletzung der politischen Treuepflicht (§ 8 SG), der in der Verfügung vom 8. Oktober 2019 und der Anschuldigungsschrift vom 27. August 2021, auf die sich der Geheimschutzbeauftragte stützt, nicht erhoben wird bzw. der von dem Geheimschutzbeauftragten aus der Einstufung durch das BAMAD ohne Auseinandersetzung mit den gegenläufigen Ermittlungsergebnissen der Wehrdisziplinaranwaltschaft übernommen wird.

49 Da die Feststellung eines Sicherheitsrisikos erklärtermaßen aus einer Gesamtschau von Anhaltspunkten hergeleitet wird, zieht der Wegfall einzelner, nicht bloß unwesentlicher Begründungselemente den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten insgesamt in Mitleidenschaft und führt zu dessen Rechtswidrigkeit.

50 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.