Urteil vom 27.03.2017 -
BVerwG 2 WD 11.16ECLI:DE:BVerwG:2017:270317U2WD11.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.03.2017 - 2 WD 11.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:270317U2WD11.16.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 11.16

  • TDG Nord 1. Kammer - 09.03.2016 - AZ: TDG N 1 VL 3/15

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung vom 9. März 2017 und 27. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtliche Richterin Oberfeldarzt Dr. Rose und
ehrenamtlicher Richter Hauptmann Streit,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
am 27. März 2017 für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 9. März 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Der Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I

1 ...

2 ...

3 ...

4 ...

5 ...

6 ...

7 ...

8 ...

9 ...

10 ...

II

11 1. Nach Meldungen der damaligen Stabsgefreiten A. und der damaligen Hauptgefreiten M. über sexuelle Belästigungen durch den Soldaten, der Abgabe der Ermittlungen durch den Kommandanten des Stabsquartiers in ... an den Kommandierenden General des ... Korps und der Aufnahme von Vorermittlungen gegen den Soldaten durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Deutschen Anteils des ... Korps wurde mit dem Soldaten am 8. September 2014 zugestellter Verfügung des Kommandierenden Generals des ... Korps vom 5. August 2014 gegen ihn das disziplinargerichtliche Verfahren wegen zwölf Vorwürfen eingeleitet.

12 Zuvor hatte der Soldat unter dem 21. Juli 2014 mitgeteilt, der Anhörung der Vertrauensperson nicht zu widersprechen. Deren Anhörung (Hauptmann S.) erfolgte am 5. August 2014. Sie erklärte, sie könne sich zwar ein Verhalten, wie es dem Soldaten vorgeworfen werde, bei diesem nicht vorstellen; allerdings stimmten sie die nahezu gleichlautenden Aussagen zweier Personen skeptisch. Insoweit halte sie eine Untersuchung für geboten.

13 Ebenfalls am 5. August 2014 war die Anhörung des Soldaten vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erfolgt. Er erklärte, zur Sache nicht auszusagen.

14 In Gegenwart seines Verteidigers wurde der Soldat am 15. Juni 2015 unter Bezugnahme auf die Einleitungsverfügung vom 5. August 2014 erneut angehört. Er erklärte, die Vorwürfe entsprächen nicht der Wahrheit und der Strafbefehl sei ausschließlich aus prozesstaktischen Erwägungen akzeptiert worden.

15 2. Mit der dem Truppendienstgericht ... am 29. Juni 2015 zugegangenen und dem Soldaten am 8. Juli 2015 zugestellten Anschuldigungsschrift vom 27. Juni 2015 wurden diesem folgende Pflichtverletzungen als vorsätzlich, zumindest aber fahrlässig begangenes Dienstvergehen zur Last gelegt:
"1. Am 13. oder 14. Mai 2013 stand der Soldat der Zeugin Hauptgefreiter M. im Dienstgebäude des Hauptquartiers des ... Corps in ... gegenüber. Er öffnete seine Arme und nahm die Zeugin in den Arm. Dabei rieb der Soldat seinen Brustkorb gegen die Brüste der Zeugin, die ihn daraufhin wegstieß und in ihr Dienstzimmer ging.
2. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt Ende Juli 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der damaligen ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... (...) des ISAF Joint Command (IJC) in ... (...) demonstrierte der Soldat während einer Raucherpause der Zeugin Stabsgefreiter A. wie man eine Einsatzmedaille an die Brust anheftet. Er umschloss dabei die Brust der Zeugin. Er äußerte hierbei: 'Du hast aber große Hupen', wobei mit 'Hupen' die Brüste der Zeugin gemeint waren. Der Soldat wollte dann ein weiteres Mal die Brust der Zeugin berühren, was diese mit den Worten '..., lass es!' ablehnte.
3. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt Ende Juli 2013/ Anfang August 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) umarmte der Soldat die Zeugin Stabsgefreiter A. ohne deren Einverständnis von hinten.
4. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im September 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) bemerkte der Soldat sinngemäß gegenüber der Zeugin Stabsgefreiter A., dass 'man zusammen schlafen' beziehungsweise 'zusammen duschen gehen könne'.
5. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum von Juli 2013 bis Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) machte der Soldat mehrfach gegenüber der Zeugin Hauptgefreiter M. sexuell anzügliche Bemerkungen dergestalt, dass 'sie (gemeint war die Soldatin) nachher bei ihm auf der Stube kommen könne', womit der umgangssprachliche Begriff für einen Orgasmus gemeint war.
6. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum von Juli 2013 bis Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) bemerkte der Soldat sinngemäß gegenüber der Zeugin Hauptgefreiter M., dass 'man zusammen duschen gehen könne'.
7. Am 14. Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) beugte sich der Soldat von hinten über die sitzende Zeugin Hauptgefreiter M., so dass seine Brust den Rücken der Zeugin berührte und versuchte, der Zeugin eine Süßigkeit in den Mund zu stecken.
8. Zu vier selbstständigen Zeitpunkten im September 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) griff der Soldat jeweils mit seiner Hand in die Richtung der Brust der Zeugin Stabsgefreiter A., um deren Brust zu umfassen. Dabei äußerte er jeweils sinngemäß: 'Ich weiß gar nicht mehr, wie sich das anfühlt, wofür sind die Dinger denn da?' Zu einer Berührung der Brust kam es jeweils nur deswegen nicht, weil die· Zeugin auf seine Hand schlug bzw. sich abwand.
9. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt am 23. oder am 24. September 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des ISAF Joint IJC in ... (...) riss der Soldat der Zeugin Hauptgefreiter M. die Feldbluse auf, so dass lediglich der unterste Druckknopf der Feldbluse geschlossen blieb. Weiteren Handlungen dieser Art seitens des Soldaten konnte sich die Soldatin durch Weggehen entziehen.
10. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt um den 1. Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) umfasste der Soldat die Zeugin Stabsgefreiter A. von hinten und riss ihr die Feldbluse komplett auf. Von weiterem Tun ließ der Soldat nur ab, weil die Zeugin nach hinten austrat und sich entfernte.
11. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Anfang Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) riss der Soldat der Zeugin Hauptgefreiter M. die Feldbluse komplett auf.
12. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Juli und Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) gab der Soldat der Zeugin Hauptgefreiter M. dergestalt zur Begrüßung die Hand, dass er dabei mit dem Zeigefinger die Handinnenfläche der Soldatin streichelte.
13. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Juli und Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) gab der Soldat der Zeugin Stabsgefreiter A. dergestalt zur Begrüßung die Hand, dass er dabei mit dem Zeigefinger die Handinnenfläche der Soldatin streichelte.
14. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Juli und Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) äußerte der Soldat gegenüber der Zeugin Stabsgefreiter A. sinngemäß 'dass er sich zu ihr legen werde, wenn sie aus der Nachtschicht komme'."

16 3. Die 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... hat den anwaltlich vertretenen Soldaten unter Ausklammerung des Anschuldigungspunktes 8 mit Urteil vom 9. März 2016 in den Dienstgrad eines Leutnants herabgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

17 Mit Ausnahme des unter Anschuldigungspunkt 2 erhobenen Vorwurfs, der Zeugin A. wiederholt an die Brust habe fassen zu wollen, stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Soldat die ihm in den Anschuldigungspunkten 1 bis 7 und 9 bis 14 vorgeworfenen Taten begangen habe. Sein Bestreiten sei durch die glaubhaften Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen widerlegt.

18 Mit dem unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebenen Verhalten habe der Soldat seine Pflicht verletzt, die Rechte des Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG), für seine Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG) und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2 SG). Ein sexuell motiviertes Verhalten des Soldaten sei hinsichtlich dieses Anschuldigungspunktes hingegen nicht erwiesen, weil nicht auszuschließen sei, dass er die Zeugin M. nur habe trösten wollen. Jedoch habe er durch seine verbalen und körperlichen Übergriffe auf die Zeuginnen in den Anschuldigungspunkten 2 bis 7 sowie 9 bis 14 zudem seine Pflicht verletzt, sexuelle Belästigungen zu unterlassen (§ 7 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 4 SoldGG). Er habe dadurch ferner gegen seine Pflicht verstoßen, die Würde, Ehre und Rechte des Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG), für seine Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG), der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. SG), sowie der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG). Mit diesen Verhaltensweisen habe er zudem in strafrechtlich relevanter Weise (§ 31 Abs. 1 WStG), d.h. unter Verletzung der aus § 7 SG folgenden Pflicht zur Loyalität zur Rechtsordnung, den Anspruch der Zeuginnen auf Achtung ihrer Ehre und Würde verletzt (§ 12 Satz 2 SG). Durch die Äußerungen gemäß Anschuldigungspunkte 2, 4 bis 6 und 14 habe er fernerhin seine Pflicht verletzt, bei Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich sei, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten (§ 10 Abs. 6 SG).

19 Das Dienstvergehen wiege außerordentlich schwer, weil der Soldat zwei ihm unterstellte Soldatinnen wiederholt durch demütigende Behandlungen in ihrer Würde verletzt und die Prinzipien der Inneren Führung gravierend missachtet habe. Die Pflichten zur Fürsorge und Kameradschaft gehörten zu den soldatischen Kernpflichten. Deren besondere Bedeutung werde durch die Regelung im Soldatinnen- und Soldatengleichbehandlungsgesetz unterstrichen. Bei Bekanntwerden der Pflichtverletzungen in der Öffentlichkeit könne dies das Ansehen der Bundeswehr nachhaltig schädigen und alle Versuche des Dienstherrn, Nachwuchs zu gewinnen, hinfällig machen. Ausgangspunkt der Disziplinarmaßnahme bilde deshalb eine Dienstgradherabsetzung. Der Soldat habe die Soldatinnen durch die Handgreiflichkeiten in den Anschuldigungspunkten 2 sowie 9 bis 11 jeweils so erheblich in ihrem Anspruch auf Achtung ihrer sexuellen Würde beeinträchtigt, dass bereits jeder Einzelfall die Herabsetzung im Dienstgrad verlange.

20 Es lägen keine Umstände vor, die ein Abweichen von der Regelmaßnahmeart verlangten. Der Soldat habe vielmehr in einer Vielzahl von Fällen und über einen längeren Zeitraum hinweg zwei Kameradinnen sexuell massiv bedrängt. Hinzu kämen verbale Belästigungen, die für die Zeuginnen den Umgang mit dem Soldaten zu einem Dauerthema gemacht und deren Wohlbefinden im Einsatz erheblich beeinträchtigten hätten. Indiz für die Schwere seines Versagens sei, dass der Soldat im Strafverfahren zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei. Auch seien die erheblichen Auswirkungen seines Verhaltens auf die sich seit 2014 in psychiatrischer Behandlung befindliche und nicht mehr dienstfähige Zeugin A. zu berücksichtigen. Zu Lasten des Soldaten wirke ferner, dass die Pflichtverletzungen während eines Auslandseinsatzes begangen seien und er als zu beispielhaftem Handeln verpflichteter Offizier gegenüber Soldatinnen gehandelt habe, die dienstgradmäßig weit unter ihm gestanden hätten. Für ihn würden seine hervorragenden dienstlichen Leistungen sprechen, die er trotz der verfahrensbedingten Belastungen weiter auf höchstem Niveau erbracht habe.

21 Dies zeige, dass er aus seinen Fehlern gelernt habe und durch das laufende Verfahren ermahnt worden sei. Auch verhalte er sich nach der glaubhaften Bekundung seines Disziplinarvorgesetzten weiblichen Angehörigen gegenüber korrekt. Zugunsten des Soldaten einzubeziehen sei ferner, dass er sich während des Auslandseinsatzes in einer schwierigen Lebensphase befunden habe und er nur aufgrund eines fachärztlichen Gutachtens in den Auslandseinsatz entsandt worden sei, was für eine Beeinträchtigung seiner psychischen Stabilität spreche. Daher sei die Herabsetzung in den Dienstgrad eines Leutnants ausreichend und angemessen.

22 4. Der Soldat hat gegen das ihm am 13. April 2016 zugestellte Urteil am 10. Mai 2016 uneingeschränkt Berufung einlegen lassen und sie im Wesentlichen damit begründet, dass die Sache an das Truppendienstgericht zurückzuverweisen sei, weil zu den Anschuldigungspunkten 12 bis 14 keine ordnungsgemäße Anhörung erfolgt sei. Darüber hinaus liege ein Aufklärungsmangel vor, weil das Truppendienstgericht die Umstände der sogenannten "Gerüchteküche" nicht ermittelt habe. Es habe seine Überzeugung auf die Aussagen der Zeuginnen A. und M. gegründet, obwohl sie ausweislich der Aussagen der Zeuginnen C., T. (geborene ...), K. (geborene ...) und H. unglaubhaft seien. Bei der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. sei darüber hinaus zu würdigen, dass sie aus einem für den Soldaten nachteiligen Ausgang des vorliegenden Verfahrens erhebliche finanzielle Vorteile zu erzielen versuche, weil sie gegen ihn einen Schmerzensgeldanspruch über 35 000 € geltend mache. Ungeachtet dessen sei die Maßnahmebemessung rechtswidrig und allenfalls ein Beförderungsverbot auszusprechen. Das Truppendienstgericht habe insbesondere die hervorragenden dienstlichen Leistungen des Soldaten, dessen Nachbewährung und sein durchgehend korrektes Verhalten weiblichen Bundeswehrangehörigen gegenüber nicht angemessen gewürdigt.

III

23 1. Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO zulässige Berufung des Soldaten ist unbegründet.

24 Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung auf der Grundlage eines verfahrensfehlerfreien Verfahrens eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, sie rechtlich zu würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

25 Gegenstand der Berufungsentscheidung bildet nur noch das unter 1 bis 3, 7 sowie 9 bis 11 der Anschuldigungsschrift angeschuldigte Verhalten, nachdem das Truppendienstgericht den Anschuldigungspunkt 8 und der Senat durch Beschluss vom 9. März 2017 die Anschuldigungspunkte 4 bis 6 sowie 12 bis 14 gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO ausgeklammert haben.

26 2. Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

27 a) Soweit der Soldat beanstandet, ihm sei zu den Anschuldigungspunkten 12 bis 14 entgegen § 99 Abs. 1 Satz 3 WDO kein ordnungsgemäßes Schlussgehör gewährt worden, ist ein etwaiger Verfahrensmangel für die Sachentscheidung nicht mehr kausal, weil der Senat seine Entscheidung wegen der Ausklammerung dieser Anschuldigungen nicht entscheidungserheblich auf Feststellungen dazu stützt.

28 b) Keinen durchgreifenden Verfahrensmangel begründet ebenso der Umstand, dass die allein maßgebliche erste Stellungnahme der am Tage der Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens am 5. August 2014 angehörten Vertrauensperson dem Soldaten nicht bekannt gegeben worden sein mag. Zum einen ist die Bekanntgabe lediglich aktenkundig nicht dokumentiert, was ihre tatsächliche Bekanntgabe nicht ausschließt; zum anderen enthält die Stellungnahme keine für den Soldaten nachteiligen Äußerungen, denen der Soldat im Rahmen seiner Stellungnahme der Einleitungsbehörde gegenüber hätte entgegentreten müssen, um ihren negativen Einfluss abwehren zu können. Selbst wenn somit ein Verfahrensmangel vorläge, sieht der Senat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung im Sinne des § 121 Abs. 2 WDO von einer Zurückverweisung ab und gibt dem Beschleunigungsgebot Vorrang (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2016 - 2 WD 18.15 - juris Rn. 33). Da nach § 4 Satz 1 WDO, § 27 Abs. 2 SBG die Vertrauensperson zur beabsichtigten Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens anzuhören ist, kommt es auf nach der Einleitung abgegebene weitere Stellungnahmen einer Vertrauensperson nicht an.

29 3. Zur Überzeugung des Senats steht nach der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung folgender Sachverhalt fest:

30 a) bezogen auf die Zeugin M. (...).

31 aa) Zu Anschuldigungspunkt 1: Der Soldat hat am 13. oder 14. Mai 2013 auf dem Flur des Dienstgebäudes im Hauptquartier des ... Korps in ... die Zeugin Hauptgefreiter M. in den Arm genommen und seinen Brustkorb wissentlich und willentlich gegen ihren Willen an ihren Brüsten gerieben. Die Zeugin stieß den Soldaten darauf hin weg und ging in ihr Dienstzimmer. Vor dem Umarmen hatte die Zeugin dem Soldaten traurig mitgeteilt, dass ihr Antrag auf Weiterverpflichtung abgelehnt worden war.

32 Der Soldat hat bestritten, die Zeugin wie angeschuldigt in den Arm genommen zu haben. Er habe sie vielmehr in sein Büro gebeten, den Bescheid gelesen und ihr angeboten in der Sache bei der zuständigen Stelle nachzuhaken, was er dann auch im Laufe des Nachmittags getan habe.

33 Die Zeugin hat hingegen angegeben, der Soldat habe sich an ihren Brüsten gerieben, dies sei ungewöhnlich und nicht komisch gewesen. Sie habe sich unwohl gefühlt, sich "rausgedreht" und sei weggegangen. Sie sei seinerzeit mit dem ablehnenden Bescheid über den Verlängerungsantrag von ... auf ... über den Flur gelaufen, der Soldat habe das gesehen und sie getröstet, und gemeint, sie solle den Antrag nach dem Einsatz noch einmal stellen, er kenne Leute. Dann habe er seinen Oberkörper an sie gedrückt.

34 Aus noch darzulegenden Gründen hält der Senat die Aussagen des Soldaten für unglaubhaft und die der Zeugin für glaubhaft.

35 bb) Zu Anschuldigungspunkt 7: Am 14. Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) beugte sich der Soldat wissentlich und willentlich von hinten dergestalt über die vor ihm sitzende Zeugin Hauptgefreiter M., dass seine Brust ihren Rücken berührte, wobei er versuchte, ihr ohne ihre Zustimmung eine Süßigkeit aus der auf ihrem Schreibtisch stehenden Schüssel in den Mund zu stecken. Die Zeugin verhinderte dies.

36 Der Soldat hat den Vorwurf bestritten. Das ihm vorgeworfene Verhalten sei bereits faktisch nicht möglich. Die Lehne des von der Zeugin beanspruchten größten Stuhls im Großraumbüro sei so hoch gewesen, dass er sich nicht darüber habe lehnen können. Zudem habe ein anderer Soldat (Stabsunteroffizier W.) immer neben der Zeugin gesessen.

37 Die Zeugin hat demgegenüber ausgeführt, der Soldat habe sich wie angeschuldigt verhalten und sie habe zu ihm nach dem Versuch, ihr Gummibärchen in den Mund zu stecken, geäußert, wenn sie Gummibärchen wolle, könne sie sich selber nehmen. Daraufhin habe der Soldat die Süßigkeit selbst gegessen. An den Stuhl könne sie sich zwar nicht mehr erinnern, der Soldat habe sich jedoch zwischen sie und die Lehne gebeugt.

38 Auch in diesem Punkt ist das Bestreiten des Soldaten durch die glaubhafte Aussage der Zeugin widerlegt.

39 cc) Zu Anschuldigungspunkt 9: Am 23. September 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des ISAF Joint IJC in ... (...) riss der Soldat der Zeugin Hauptgefreiter M. wissentlich und willentlich gegen deren Willen ihre Feldbluse bis auf deren untersten Druckknopf auf. Weiteren Handlungen dieser Art konnte sich die Zeugin durch Weggehen entziehen.

40 Der Soldat hat diesen Vorwurf bestritten. Am 23. September und 7. Oktober 2013 habe er jeweils Unterlagen vorbereiten wollen und die Zeugin gebeten mitzukommen, weil sie danach den Folgeauftrag gehabt habe, Bettwäsche abzuholen. Nachdem sie zunächst an der Tür stehen geblieben sei, habe er sie gebeten hereinzukommen. Er habe die Tür anlehnen wollen, zuvor aber scherzhaft gesagt "Aber nicht, dass Sie sich die Bluse aufreißen und rausrennen. Dann habe ich ein Riesenproblem". Anschließend hätten sie die Unterlagen zusammengestellt und er habe ihr einen Folgeauftrag erteilt. Sie hätten die Stube dann gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen verlassen. Die Unterlagen hätten unter dem Schreibtisch gestanden und man habe die Stubentür entweder ganz aufmachen oder schließen müssen, weil man aus Platzgründen ansonsten nicht an sie herangekommen wäre.

41 Die Zeugin hat demgegenüber ausgesagt, als neue "Splitter" erwartet worden seien, sei sie mit dem Soldaten zusammen auf dessen Stube gegangen. Er habe aufgeschlossen. Sie habe hereinkommen und sich die Unterlagen zusammensuchen sollen. Dabei habe er ihre mit Druckknöpfen verschlossene Feldbluse aufgerissen und sie sei wie vor den Kopf gestoßen gewesen. Die Tür sei geschlossen, aber nicht abgeschlossen gewesen. Sie könne nicht mehr genau sagen, ob sie die Box mit den Unterlagen hochgehoben habe. Man hätte die Box auch ohne Schließen der Tür erreichen können.

42 Aus noch darzulegenden Gründen glaubt der Senat auch in diesem Punkt der Zeugin und nicht dem Soldaten.

43 dd) Zu Anschuldigungspunkt 11: Um die Mittagszeit des 7. Oktober 2013 riss der Soldat während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) der Zeugin Hauptgefreiter M. gegen deren Willen wissentlich und willentlich die Feldbluse vollständig auf.

44 Der Soldat hat diesen Vorwurf bestritten. Er habe auch am 7. Oktober 2013, nunmehr zur Mittagszeit, Unterlagen vorbereiten wollen und die Zeugin gebeten, mitzukommen, weil sie danach den Folgeauftrag gehabt habe, Bettwäsche abzuholen. Nachdem die Zeugin zunächst an der Tür stehengeblieben sei, habe er sie auch an diesem Tag gebeten hereinzukommen. Genauso wenig wie bei dem ersten angeblichen Vorfall habe er bei dieser Gelegenheit die Bluse der Zeugin aufgerissen.

45 Die Zeugin hat hingegen auch hier glaubhaft angegeben, ca. eine Woche nach dem Vorfall im September 2013 habe sich die Situation wiederholt. Sie sei wieder vom Soldaten auf seine Stube gebeten worden, sie habe wieder die Unterlagen zusammengesucht und er habe ihr erneut die Bluse aufgerissen. Sie habe Tränen in den Augen gehabt und gesagt, dass sie das nicht lustig finde. Der Soldat habe geantwortet: "Ach ..., ich kann sie auch wieder zuknöpfen". Sie habe geantwortet, dass könne sie schon selber und habe gehofft, er habe sie nun verstanden. Sie habe unter der Bluse ein T-Shirt getragen und eigentlich keine Bedenken gehabt, erneut in die Stube des Soldaten hineinzugehen, weil sie nicht befürchtet habe, dass es erneut passiere.

46 ee) Der Senat folgt den Aussagen der Zeugin M., weil sie glaubhaft sind und die Zeugin glaubwürdig ist.

47 Dabei misst der Senat den durch Verlesung in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Aussagen des Oberstabsgefreiten Z. keine die Aussagen der Zeugin stützende Bedeutung bei, weil jener wegen der mit dem Soldaten nach eigener Aussage bestehenden Differenzen (über dessen regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen des Berufsförderungsdienstes) ein Belastungsmotiv hatte. Zudem bezogen sich seine Aussagen auf Mitteilungen der Zeugin, die sie ihm gegenüber nach der Meldung abgegeben hatte. Ebenso wenig legt der Senat den ebenfalls durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussagen des Oberstleutnant L. Bedeutung bei, weil jene sich nicht auf unmittelbare Wahrnehmungen stützen und ausschließlich dessen subjektiven Eindruck wiedergeben und der Zeuge nicht einmal mehr wusste, wer die Erstmeldende gewesen war.

48 Wegen fehlender unmittelbarer Wahrnehmungen hat der Senat ebenfalls nicht den durch Verlesung in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussagen des Oberst a.D. O. sowie des Stabsfeldwebels Ü. entscheidungserhebliche Bedeutung beigelegt. Stabsfeldwebel Ü., der nach eigenem Bekunden bei keinem der angeschuldigten Vorfälle anwesend war, hat erstinstanzlich lediglich beschrieben, dass die Zeuginnen sich ihm erst unmittelbar vor ihrer Meldung anvertraut hätten. Da dessen Instrumentalisierung durch die Zeuginnen nicht auszuschließen ist, ist seine Aussage nur von untergeordneter Bedeutung. Oberst a.D. O. konnte ebenfalls nicht aus eigener Wahrnehmung zu den angeschuldigten Verhaltensweisen aussagen. Er hat im Wesentlichen nur von dem Inhalt des Gesprächs berichtet, das Stabsfeldwebel Ü. mit ihm und ferner von Gesprächen, die er im Anschluss daran mit der Zeugin M. und dem Soldaten geführt hat. Nur soweit er dort ausführt, die Zeugin A. habe den Soldaten anlässlich seines Geburtstags in den Arm genommen und der Soldat sei nach Aufnahme der Ermittlungen in ein tiefes Loch gefallen, das psychologische Betreuung erfordert habe, erlangt seine Aussage wie nachfolgend auszuführen ist Bedeutung.

49 Die Aussagen der Zeugin M. in der Berufungshauptverhandlung stimmen mit ihren Aussagen vor dem Truppendienstgericht sowie ihren vorgerichtlichen Aussagen im Kern durchgehend überein. Widersprüche oder Steigerungen in den Aussagen liegen nicht vor. Die Zeugin hat vielmehr bei Sachverhaltsumständen, bei denen sie sich angesichts des bereits annähernd vier Jahre zurückliegenden Tatzeitpunktes nachvollziehbar nicht mehr sicher war, ihre Unsicherheiten dem Senat gegenüber signalisiert. Sie hat damit und durch die emotionale Schilderung der angeschuldigten Verhaltensweisen den Eindruck des Senats unterstrichen, dass sie aus einem wahren Erleben heraus berichtete. Dabei waren die von ihr beschriebenen Umstände zudem in Lebenssachverhalte eingebettet, die der Soldat im Grundsatz nicht bestritten hat.

50 Der Eindruck, den der Senat von den Fähigkeiten der Zeugin durch ihr Auftreten in der Berufungshauptverhandlung gewann, spricht zudem gegen die Annahme, sie sei in der Lage, zusammen mit der Zeugin A. zu Lasten des Soldaten ein Lügengeflecht zu spinnen. Die Zeugin hat zwar nicht in Abrede gestellt, mit der Zeugin A. (wieder) befreundet zu sein. Sie war jedoch in der Lage, die erheblichen Schwankungen der zwischen ihnen bestehenden Freundschaft darzustellen, die zu einer Entfremdung und insbesondere dazu geführt hatten, dass sie zu Beginn des Auslandsaufenthalts keine gemeinsame Stube belegen wollten. Der Soldat wusste von diesem zunächst distanzierten Verhältnis der Zeuginnen zueinander, wodurch die Grundlage für den Eindruck entstehen konnte, beide würden sich nicht gegen ihn stellen.

51 Wenn den Zeuginnen daran gelegen gewesen wäre, kollusiv ein Lügengeflecht zu spinnen, hätte es zudem nahe gelegen, in größerer Zahl Sachverhalte zu beschreiben, an denen beide - etwa die eine als Opfer, die andere als Zeugin - beteiligt gewesen wären. Dies ist nur beim Anschuldigungspunkt 2 geschehen. Nur zu ihm hat die Zeugin M. in der Berufungshauptverhandlung erklärt, den Übergriff auf die Zeugin A. aus eigener Wahrnehmung bestätigen zu können und diese Aussage von ihr erfolgte auch eher beiläufig.

52 Die Zeugin hat insbesondere nachvollziehbar dargelegt, dass sie die Übergriffe über einen längeren Zeitraum deshalb nicht gemeldet hat, weil sie auf eine Einsicht des Soldaten hoffte und sie vor allem nachteilige Auswirkungen auf ihren Weiterverpflichtungsantrag fürchtete, auf den der Soldat nach ihrer Einschätzung zumindest deshalb informell Einfluss nehmen konnte, weil er aus seiner früheren Verwendung noch über Kontakte zur Stammdienststelle des Heeres verfügte. Dass dieser Eindruck von dessen Einflussmöglichkeiten nicht abwegig war, folgt auch aus den Aussagen des Soldaten selbst. Er hat im Zusammenhang mit Anschuldigungspunkt 1 erklärt, er habe an jenem Nachmittag noch in ... angerufen; auch sei es kein Geheimnis gewesen, dass er vorher bei der Stammdienststelle gearbeitet habe. Nachvollziehbar ist darüber hinaus auch, dass die Zeugin ihre Einbeziehung in das vom Soldaten wegen Indiskretionen (unter anderem) im Zusammenhang mit der Beförderung der Zeugin A. gegen die Leitung der NSE betriebene Beschwerdeverfahren als weiteren Anlass dafür gesehen hat, sich nunmehr über den Soldaten zu beschweren. In der Berufungsverhandlung hat sie dazu glaubhaft ausgesagt, sie habe nicht verstanden, warum der Soldat sie in diese Beschwerde hineinziehe. Ihr Gefühl, vom Soldaten nun auch noch in anderer Weise und in dessen Interesse wegen einer aus ihrer Sicht zudem unbegründeten Anschuldigung instrumentalisiert zu werden, ist im Gesamtkontext nachvollziehbar.

53 Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen spricht zudem, dass die Zeugin erneut vereidigt wurde und ihre Aussagen auch nach einer eindringlichen Belehrung über die Folgen eines Meineids ohne zu zögern beeidet hat.

54 Der Senat konnte auch dem Vortrag des Soldaten kein Belastungsmotiv der Zeugin M. entnehmen, das belastbar gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als der Soldat selbst erklärt hat, er habe zur Zeugin M. ein normal kameradschaftliches Verhältnis gehabt. Auch der Zeuge I., dessen erstinstanzliche Aussage durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführt worden ist, hat ausgesagt, er habe nie den Eindruck gehabt, dass es zwischen der Zeugin M. und dem Soldaten Probleme gegeben habe. Soweit der Soldat vorträgt, er habe die Zeugin während ihres Auslandsaufenthalts wegen ihrer Unzuverlässigkeit mehrfach rügen müssen, ergibt sich hieraus kein Belastungsmotiv. Zum einen hat Oberst a.D. O., demgegenüber angeblich eine Meldung erfolgt sein soll, in seiner erstinstanzlichen Vernehmung davon nichts berichtet; zum anderen hat die Zeugin ausgesagt, sich überhaupt nicht an entsprechende Rügen erinnern zu können. Jedenfalls gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Zeugin aus der Unzufriedenheit des Soldaten mit ihren Leistungen Nachteile erwachsen wären, für die sie sich hätte rächen wollen. Ebenfalls kein tragfähiges Belastungsmotiv leitet sich daraus ab, dass der Soldat die Zeugin im Zusammenhang mit Gerüchten über ein angebliches Verhältnis von ihm mit der Zeugin H. aufgesucht hat. Zwar hat es ein Zusammentreffen dieser Art gegeben; es erfolgte jedoch 2012 und lag somit weit vor dem angeschuldigten Verhalten. Zudem kann ihm bei verständiger Betrachtung auch nicht eine solche Bedeutung beigemessen werden, die nahelegte, darin die Grundlage für eine Revanche der Zeugin zu sehen. Dies gilt umso mehr, als sie schon früher ausgesagt hat, vor dem Auslandseinsatz mit dem Soldaten keine Probleme gehabt zu haben. Er sei locker gewesen, nicht zu streng und eigentlich hätten ihn alle nett gefunden.

55 Die Aussagen der Zeugin M. sind auch nicht etwa deshalb unglaubhaft, weil nach der Behauptung des Soldaten über sie ein Video intimen Inhalts - sie und einen ... Soldaten betreffend - vorhanden sein soll. Ungeachtet dessen, ob ein solches, die Zeugin dann mit ihrem jetzigen Ehemann zeigendes Video überhaupt existiert, wäre es für die Würdigung ihrer Glaubwürdigkeit ohne jeden Erkenntnisgewinn.

56 Nichts anderes gilt auch für die Behauptung des Soldaten, die Zeugin habe sich an der "Gerüchteküche" gegen ihn beteiligt. Die Aussagen der auf Anregung der Verteidigung vom Senat vernommenen Zeugen K. und H. sowie der erstinstanzlichen Aussage und der mit Einverständnis der Beteiligten durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführten schriftlichen Stellungnahme der Zeugin C. vom 24. Januar 2017 belegen, dass auch die Zeugin sich an der Verbreitung von Gerüchten über den Soldaten und seine vermeintlichen Verhältnisse mit jungen Kameradinnen beteiligt hat. Allerdings lag das von den Zeuginnen H., C. und K. bekundete Geschehen weit vor dem in Rede stehenden Auslandseinsatz. Nach den Bekundungen der genannten Zeuginnen haben auch diese selbst durch ihr Verhalten zur Weiterverbreitung der Gerüchte beigetragen. Dass sich aus engen dienstlichen Kontakten zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln können und dass Vermutungen hierüber ein häufiges Gesprächsthema unter Kollegen bzw. Kameraden ist, ist allgemein bekannt. Der Senat leitet aus der zwar nicht zu billigenden, über gleichwohl verbreiteten Neigung auch junger Frauen wie der Zeugin M., sich und andere mit mehr oder weniger begründeten Mutmaßungen über tatsächliche oder vermeintliche Beziehungen Bekannter zu unterhalten, keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin ab. Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Spekulationen über einvernehmliche Liebesbeziehungen erwachsener Menschen und Angaben über sexuelle Belästigungen von Untergebenen. Die Beteiligung an Klatsch und Tratsch begründet keine Vermutung, dass Angaben über selbst erlittene Übergriffe erlogen sind.

57 Der Senat schließt ein von der Zeugin M. in kollusivem Zusammenwirken mit der Zeugin A. erfundenes Tatgeschehen zudem deshalb aus, weil sie sich bereits vor der Meldung an den Zeugen Hauptfeldwebel D. gewandt hat, dessen erstinstanzliche Aussage durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführt worden ist. Aus ihr folgt zum einen, dass die Zeugin bereits vor der Meldung einem Dritten von Übergriffen des Soldaten berichtet hat, was indiziert, dass sie tatsächlich schon vor der Meldung einer belastenden Situation ausgesetzt war und diese nicht erst zum Zeitpunkt der Meldung erfand. Dafür, dass sie unter dem Eindruck tatsächlich erlittener Übergriffe stand, spricht auch, dass die Zeugin M. dem Zeugen D. nicht mit Belastungseifer von den Übergriffen des Soldaten erzählt hat, sondern sie erst nach und nach auf Nachfrage des Zeugen D. dessen Namen überhaupt preisgegeben hat, womit die - bereits als nachvollziehbar gewürdigten - Skrupel deutlich werden, den Soldaten überhaupt zu belasten. Im Einzelnen:

58 Der Zeuge D. hat ausgesagt, seinerzeit für die Eingangskontrollen zuständig gewesen zu sein. In dieser Funktion habe er auch den Soldaten und die Zeugin M. kontrolliert. Bei einem Aufenthalt in der Raucherecke habe er festgestellt, dass mit der Zeugin etwas nicht stimme und sie gefragt. Sie sei zunächst nicht mit der Sprache herausgekommen. Einen Tag später habe er sie nochmals angesprochen und sie habe ihm erst dann mitgeteilt, da wäre jemand, der sie anfassen würde; mehr habe sie nicht sagen wollen. Wieder einen Tag später habe sie ihm gesagt, dass der Soldat ihr die Feldbluse geöffnet und sie von hinten an die Schulter gefasst habe. Dabei wisse er nicht mehr genau, ob die Zeugin ihm gesagt habe, dass ihre Feldbluse auf der Stube oder davor bei einer Bettwäscheübergabe geöffnet worden sei. Nach Vorhalt seiner Vernehmung vom 16. Oktober 2013 hat er ergänzt, er habe ihr die Information "aus der Nase ziehen" müssen; bei späteren Nachfragen habe sie ihm Kleinigkeiten erzählt. Er habe ihr seine Hilfe angeboten, aber sie habe es nicht gewollt. Er habe nicht gewusst, wie er damit umgehen solle und er sei froh gewesen, als die Zeugin die Sache später öffentlich gemacht habe.

59 Bei alledem sprach für die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin M., dass auch die Zeugin A., deren Aussagen aus noch darzulegenden Gründen ebenfalls glaubhaft sind, Opfer sexuell motivierter Übergriffe des Soldaten war.

60 ff) Auch wenn die Ausführungen des Soldaten eine widerspruchsfreie und detaillierte Darstellung des Geschehens enthalten und daher nicht von vornherein unglaubhaft sind, sind sie doch durch die Angaben der Zeuginnen widerlegt. Dabei kann offen bleiben, inwieweit schon seine Einlassung nicht überzeugt, er habe den gegen ihn wegen identischer Sachverhalte ergangenen Strafbefehl lediglich aus prozesstaktischen Gründen nicht angefochten. Der Soldat war jedenfalls kein Vorgesetzter, der seine Untergebenen durch Distanz geführt hat, sodass Übergriffe der angeschuldigten Art seiner Persönlichkeitsstruktur von vornherein widersprechen würden. Hinzu kommt vor allem:

61 Seine Persönlichkeit war bereits zum Zeitpunkt des Tatgeschehens durch eine besondere psychische Labilität gekennzeichnet, die die von den Zeuginnen M. und A. behaupteten Kontrollverluste plausibel machen. Der Soldat selbst hat in der Berufungshauptverhandlung die Umstände geschildert, die dazu führten, dass er zunächst nicht und sodann nur aufgrund einer positiven fachärztlichen Stellungnahme, die auf einer nur zehnminütigen Exploration beruhte, doch für auslandsverwendungsfähig erklärt wurde, nachdem seine Auslandsverwendungsfähigkeit in der Zeit zuvor bereits viermal verneint worden war. Seine psychischen Schwierigkeiten seien darauf zurückzuführen, dass er von April 2005 bis Dezember 2010 in ... stationiert gewesen und dort wegen der immensen Arbeitsbelastung an Burnout und Depressionen erkrankt sei. Da sich sein Gesundheitszustand auch nach einer heimatnahen Versetzung nicht gebessert habe, sei er von Mitte Februar bis Ende Mai 2011 stationär in die Psychiatrie eingewiesen und anschließend bis zum Auslandseinsatz ambulant therapiert worden. Er habe mit seiner Psychologin den Auslandseinsatz seit Anfang des Jahres vorbereitet; im Mai 2013 habe dann eine letzte psychotherapeutische Sitzung stattgefunden. Dabei habe es ein Problem mit der Medikation gegeben, weil er es versäumt habe, die Dosis zu minimieren. Deshalb habe er noch in geringer Dosis Antidepressiva mit in den Auslandseinsatz nehmen müssen.

62 Eine zum Zeitpunkt der Tathandlung besondere psychische Labilität wird zudem durch das Verhalten unterstrichen, welches der Soldat anlässlich des Auslandsaufenthalts zeigte, nachdem die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin auseinander zu brechen drohte. Oberstleutnant B., der seinerzeit Stubenkamerad des Soldaten war, hat dazu nach der durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussage erklärt, bei dem Soldaten habe es ein "auf und ab" gegeben, welches privater Natur gewesen sei. Er habe anlässlich einer Krise des Soldaten mit dessen Lebensgefährtin während des Auslandseinsatzes diesem die Pistole weggenommen, als dieser geschlafen habe und sie ihm morgens wieder zurückgelegt. Der Soldat selbst hat dazu ausgesagt, die seinerzeitigen Kommunikationsprobleme mit seiner Lebensgefährtin hätten nach vier bis fünf Tagen geklärt werden können; er habe deshalb zwei Tage im Bett gelegen und ihm sei die Waffe weggenommen worden, obwohl er sich nichts habe antun wollen. Für eine ausgeprägte psychische Labilität spricht auch die Reaktion des Soldaten, nachdem er im Auslandseinsatz mit den Vorwürfen konfrontiert worden und er aus ihm zurückgekehrt war. Bereits im Einsatz hat er Kontakt zur Truppenpsychologin gesucht und am Tag nach seiner Verlegung ins Inland wieder psychotherapeutischer Unterstützung bedurft, die bis zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung gedauert hat. Danach habe er wieder einen Zusammenbruch erlitten und sei vier Monate in einer geschlossenen Psychiatrie behandelt worden. Von November 2016 bis einschließlich Januar 2017 sei er in einer Tagesklinik betreut worden. Auch derzeit werde er von einer Psychologin aus der Tagesklinik behandelt.

63 Hinzu tritt der Eindruck, den der Senat aus den Reaktionen des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung von ihm gewonnen hat. Er hat auf die Ausführungen der Zeuginnen nicht mit Empörung reagiert, sondern ist dem Blickkontakt mit ihnen ausgewichen und hat vielmehr den Eindruck vermittelt, sich zu schämen.

64 Dass sich der Soldat als langjähriger Trainer einer Frauenfußballmannschaft keiner sexuellen Übergriffe schuldig gemacht hat, kann als wahr unterstellt werden, sodass es der Ladung des vom Soldaten benannten Zeugen nicht bedurfte. Denn selbst wenn dem so ist, folgt daraus nicht zwingend, dass sich der Soldat innerhalb des durch Subordinationsverhältnisse gekennzeichneten Dienstes gleichermaßen verhält. Dem entspricht, dass es nach Aussage der Zeugin A. im Arbeitsbereich des Soldaten seinerzeit neben ihr und der Zeugin M. keine Mannschaftsdienstgrade, sondern nur zwei weitere Soldatinnen im Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers und eines Hauptmanns gegeben hat.

65 b) bezogen auf die Zeugin A.:

66 aa) Zu Anschuldigungspunkt 2: Der Soldat hat zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt Ende Juli 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der damaligen ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... (...) des ISAF Joint Command (IJC) in ... (...) der Zeugin Stabsgefreiter A. während einer Raucherpause demonstriert, wie man eine Einsatzmedaille an die Brust anheftet, und dabei wissentlich und willentlich gegen deren Willen einmal deren Brust umschlossen. Dass der Soldat daraufhin erneut versucht haben soll, der Zeugin an die Brust zu fassen, was sie mit den Worten "..., lass es!" abgewiesen haben soll, ist hingegen auf der Grundlage der - wie noch darzulegen - glaubhaften Aussagen der Zeugin A. nicht erwiesen. Die Zeugin hat in der Berufungshauptverhandlung auch nicht angegeben, der Soldat habe ihre Brüste als "Hupen" bezeichnet.

67 Der Soldat hat die Anschuldigung bestritten und ausgeführt, er habe der Zeugin an einem Freitagabend in der Raucherecke lediglich erklärt, wie die Verleihung der Medaille funktioniere. Er habe es ihr nicht gezeigt und ihr definitiv nicht an die Brust gefasst. Er habe ihr gesagt, sie solle den Stabsfeldwebel Ü. nach der Vorgehensweise bei der Verleihung von Medaillen befragen. In der Raucherecke habe es vier Bänke gegeben, von denen zwei überdacht gewesen seien. Sie hätten meist auf der Bank mit Blickrichtung zur ...-Abteilung gesessen. Er habe definitiv auch nicht gesagt, dass die Zeugin "große Hupen" habe.

68 Die Zeugin hat demgegenüber ausgeführt, sie und der Soldat hätten sich beim Rauchen darüber unterhalten, wie es sein könne, eine Medaille zu empfangen. Dabei habe er ihr unter der Feldbluse an die Brust gefasst und ihr sinngemäß gesagt, sie habe große Brüste und man merke, dass sie hart wären. Er habe das öfter versucht, aber an diesem Tag nur einmal; dann sei sie aufgestanden und weggegangen.

69 Aus noch darzulegenden Gründen ist das Bestreiten des Soldaten durch die glaubhafte Aussage der Zeugin widerlegt.

70 bb) Zu Anschuldigungspunkt 3: Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt Ende Juli 2013/Anfang August 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) umarmte der Soldat die Zeugin Stabsgefreiter A. ohne deren Einverständnis wissentlich und willentlich von hinten.

71 Der Soldat hat den Vorwurf bestritten und ausgeführt, er habe aus dem Büro der Zeugin M. Unterlagen holen müssen. Die Stabsgefreiter A. habe sich dort an einen Tresen angelehnt und ihm den Weg versperrt. Er habe sie daraufhin zweimal gebeten, ihn durchzulassen. Dann habe er sie an der Hüfte gepackt und beiseite geschoben, worüber sie gelacht habe.

72 Die Zeugin hat demgegenüber behauptet, sie habe an der unteren Hälfte einer halbierten Tür gelehnt. Der Soldat habe sich von hinten an sie gedrückt ohne vorher etwas gesagt zu haben. Sie habe sich unter ihm hinweg gewunden; daraufhin habe er den Arm weggenommen. Sie habe seinen Unterleib an ihrem Rücken gespürt.

73 Auch in diesem Punkt glaubt der Senat der Zeugin.

74 cc) Zu Anschuldigungspunkt 10: Der Soldat umfasste am späten Abend des 4. Oktober 2013 während der besonderen Auslandsverwendung im Rahmen der ISAF-Mission der NATO in ... im Feldlager ... des IJC in ... (...) die Zeugin Stabsgefreiter A. wissentlich und willentlich von hinten und riss ihr ebenfalls wissentlich und willentlich die Feldbluse vollständig auf. Von weiterem Tun ließ er ab, weil die Zeugin nach hinten austrat und sich entfernte.

75 Der Soldat hat diesen Vorwurf bestritten und behauptet, nachdem ihm am 4. Oktober 2013 gegen 21:45 Uhr der Spieß gemeldet habe, dass die Zeugin M. am nächsten Morgen schon früher erscheinen solle, sei er zur Stube der beiden Zeuginnen gegangen und habe dort nur die Zeugin A. angetroffen. Er habe sie gebeten, für die Zeugin M. eine Nachricht zu hinterlegen, wobei die Zeugin ihn auf die von der Zeugin M. verursachte Unordnung hingewiesen und darauf bestanden habe, dass er sich die Stube anschaue. Er habe vor der Tür gestanden und in die Stube hineingeschaut, obwohl er das zunächst nicht gewollt habe. Die Frage der Zeugin A., ob sie noch etwas trinken gehen sollten, habe er verneint. Sie seien aus der Stube heraus und in verschiedene Richtungen weggegangen.

76 Die Zeugin hatte ausgesagt, Anfang Oktober (2013) habe der Soldat ihrer Kameradin M. etwas mitteilen wollen. Es habe geklopft und sie habe ihm die Tür geöffnet. Sie sei aus dem Dienst gekommen und habe eine Feldbluse getragen. Das Gespräch habe an der Tür stattgefunden. Der Soldat sei nicht in die Stube hereingekommen. Sie habe der Kameradin einen Zettel auf den Schreibtisch gelegt und die Stube verlassen. Während sie die Stube abgeschlossen habe, habe ihr der Soldat von hinten die Bluse aufgerissen. Das Aufreißen der Bluse sei auf dem Gang passiert, es sei kein anderer dabei gewesen. Sie habe nach hinten ausgetreten und sei weggelaufen.

77 dd) Die Aussagen der Zeugin A. sind glaubhaft und die Zeugin ist glaubwürdig. Aus den bereits zuvor unter 3. a) ee) dargelegten Gründen misst der Senat dabei den Aussagen der Zeugen Oberst a.D. O. und Stabsfeldwebel Ü. nur geringes Gewicht bei.

78 Auch die Aussagen der Zeugin A. in der Berufungshauptverhandlung stimmen mit ihren Aussagen vor dem Truppendienstgericht sowie ihren vorgerichtlichen Aussagen nahezu durchgehend überein. Widersprüche oder Steigerungen in den Aussagen liegen auch bei ihr nicht vor. Die Zeugin hat vielmehr bei Sachverhaltsumständen, bei denen sie sich angesichts des annähernd vier Jahre zurückliegenden Tatzeitpunktes nachvollziehbar nicht mehr sicher war, ihre Unsicherheiten dem Senat gegenüber offengelegt. Insbesondere hat sie hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 2 betont, der Soldat habe sie an diesem Tag nur einmal an die Brust gefasst, sodass der Soldat insoweit - erneut - freizustellen war. Soweit es die Aussagen der Zeugin zum Anschuldigungspunkt 10 betrifft, ist zwar festzustellen, dass der Zeuge Oberstabsfeldwebel E., dessen erstinstanzliche Aussage durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführt worden ist, ausgesagt hat, nach seiner Erinnerung habe die Zeugin A. ihm mitgeteilt, die Bluse sei aufgesprungen, als sie festgehalten worden sei; zugleich hat er jedoch auch erklärt, er könne es nicht genau sagen, vielleicht vermische er etwas. Vor dem Hintergrund dieser vom Zeugen E. eingestandenen Unsicherheiten vermag der Senat darin keinen Widerspruch zur Aussage der Zeugin A. zu erkennen.

79 Die Zeugin hat ferner bei ihrer Schilderung der angeschuldigten Verhaltensweisen und der Folgen für sie mehrfach um Fassung gerungen und so den Eindruck erweckt, aus einem wahren Erleben heraus zu berichten. Ferner waren auch bei ihr die beschriebenen Umstände in Lebenssachverhalte eingebettet, die der Soldat nicht grundsätzlich in Abrede gestellt hat.

80 Der Eindruck, den der Senat darüber hinaus von den Fähigkeiten der Zeugin und aus ihrem Auftreten in der Berufungshauptverhandlung gewann, spricht zudem auch bei ihr gegen die Annahme, sie sei in der Lage, zusammen mit der Zeugin M. zu Lasten des Soldaten ein Lügengeflecht zu spinnen. Die Zeugin hat zwar nicht in Abrede gestellt, mit der Zeugin M. (wieder) befreundet zu sein. Sie war jedoch ebenfalls in der Lage, die erheblichen Schwankungen der zwischen ihnen bestehenden Freundschaft darzustellen, die zu einer Entfremdung und dazu geführt habe, dass die Beziehung "abkühlte" und sie zu Beginn des Auslandsaufenthalts keine gemeinsame Stube belegen wollten. Erst nach einem heftigen Streit in den ersten zwei Wochen des Auslandsaufenthalts habe man sich ausgesöhnt und wieder an das frühere freundschaftliche Verhältnis angeknüpft. Wie bereits gewürdigt, wusste der Soldat von diesem zunächst distanzierten Verhältnis der Zeuginnen zueinander, wodurch bei ihm die Grundlage für den Eindruck entstehen konnte, beide würden über sein Verhalten nicht miteinander sprechen.

81 Gegen ein zu Lasten des Soldaten konstruiertes Lügengeflecht spricht auch bei dieser Zeugin, dass überwiegend Situationen beschrieben werden, bei denen die eine Geschädigte nicht Taten zu Lasten der Anderen beobachten konnte.

82 Die Zeugin hat ebenfalls nachvollziehbar ihre Skrupel für eine Meldung unter anderem damit begründet, sie sei belehrt worden, dass man mit einer Meldung eine "Riesenwelle lostrete" und ein Leben kaputt mache. Der Soldat sei ihr zunächst durchaus wichtig gewesen. Darüber hinaus habe sie die Übergriffe über einen längeren Zeitraum wegen der Hoffnung auf Einsicht des Soldaten und vor allem auch deshalb nicht gemeldet, weil sie nachteilige Auswirkungen auf ihren Weiterverpflichtungsantrag und die Eignungsbescheinigung nach BA 90/5 befürchtet habe. Auf sie habe der Soldat nach ihrer Einschätzung zumindest deshalb informell Einfluss nehmen können, weil er aus seiner früheren Verwendung bei der Stammdienststelle des Heeres noch über Kontakte dorthin verfügte. Die Zeugin hat insoweit ausgesagt, der Soldat habe ihr gesagt, er sei bei der Stammdienststelle tätig gewesen und kenne den dortigen Bearbeiter. Er würde ihn anrufen und sie müsse sich keine Sorgen machen. Dass dieser Eindruck der Zeugin von den Einflussmöglichkeiten des Soldaten nicht abwegig war, folgt auch aus dessen eigener Aussage. Er hat im Zusammenhang mit dem auf die Zeugin M. bezogenen Anschuldigungspunkt 1 erklärt, er habe an jenem Nachmittag noch in ... angerufen; auch sei es kein Geheimnis gewesen, dass er vorher bei der Stammdienststelle gearbeitet habe.

83 Nachvollziehbar ist darüber hinaus auch, dass die Zeugin ihre Einbeziehung in das vom Soldaten (auch wegen Indiskretionen im Zusammenhang mit ihrer Beförderung) gegen die Leitung der NSE betriebene Beschwerdeverfahren als weiteren Anlass dafür gesehen hat, sich nunmehr über ihn zu beschweren. In der Berufungsverhandlung hat sie dazu in sich stimmig ausgesagt, sie sei vom Soldaten deshalb enttäuscht gewesen, weil sie drei Monate "die Schnauze gehalten" habe und alles mit sich habe machen lassen und von ihm dann in seine Beschwerde hineingezogen werde. Daraufhin sei sie zusammengebrochen.

84 Für die Glaubhaftigkeit der Aussagen auch dieser Zeugin spricht zudem, dass sie erneut vereidigt wurde und ihre Aussagen auch nach einer eindringlichen Belehrung über die Folgen eines Meineids ohne zu zögern beeidet hat.

85 Der Senat konnte auch dem Vortrag des Soldaten kein plausibles Belastungsmotiv der Zeugin A. entnehmen. Dies gilt umso mehr, als der Soldat selbst erklärt hat, er habe zu ihr ein engeres Verhältnis gehabt als zur Zeugin M., weil Erstere ihm viel Privates erzählt habe. Auch der Zeuge B. hat ausgesagt, die Zeugin A. und der Soldat hätten (zunächst) ein gutes Verhältnis zueinander gehabt.

86 Soweit der Soldat vorträgt, ein Belastungsmotiv ergebe sich daraus, dass die Zeugin gegen ihn wegen des angeschuldigten Dienstvergehens Schadensersatzansprüche geltend mache, trägt dies nicht. Dies würde voraussetzen, dass die Zeugin bereits im Jahre 2013 während ihres Auslandseinsatzes zusammen mit der Zeugin M. in Kenntnis möglicher Anspruchsgrundlagen ein darauf gerichtetes Komplott geschmiedet hätte. Diese Annahme ist jedoch angesichts des vom Senat von der Zeugin gewonnenen Eindrucks von den intellektuellen Fähigkeiten der Zeugin und nach ihrer Vorbildung fern liegend. Ihre Erklärung, sich erst nach der Rückkehr aus dem Auslandseinsatz aufgrund anwaltlicher Beratung entschlossen zu haben, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist demgegenüber plausibel. Dass sie, wie vom Soldaten behauptet, anlässlich seines Geburtstags am 27. ... (2013) in sein Büro gekommen sei, ihn umarmt und einen Kuss gegeben habe, hat sie in Abrede gestellt. Die Aussage des Zeugen Oberst a.D. O. enthält zudem keinen Hinweis auf einen Kuss.

87 Die Aussagen der Zeugin sind auch nicht etwa deshalb unglaubhaft, weil sie nach Aussage des Oberstleutnant B. eine von ihr im Jahre 2011 bezüglich eines anderen Soldaten erhobene Beschwerde wieder zurückgezogen hat. Wie sich aus der Aussage des Zeugen B. ergibt, war Grund für die Zurücknahme der Beschwerde zuvorderst der Umstand, dass der Zeuge sie angesichts der familiären Rahmenbedingungen auf Seiten des beschuldigten Soldaten eindringlich auf die für diesen gravierenden Folgen hingewiesen hat. Er habe ihr zwar von der Beschwerde nicht abgeraten, aber gesagt, wenn sie sich am nächsten Tag beschwere, werde dies für den Kameraden Konsequenzen haben. Es gibt daher keinen Grund anzunehmen, die Zeugin habe den damaligen Beschwerdeanlass nur erfunden.

88 Zu keiner anderen Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugin führt auch die Behauptung des Soldaten, die Zeugin habe sich an der Gerüchteküche gegen ihn beteiligt. Wie schon zur Zeugin M. dargelegt folgt hieraus jedoch nicht, dass die Zeugin A. die Unwahrheit in Bezug auf selbst erlittene Übergriffe sagt.

89 Der Senat schließt ein von der Zeugin in kollusivem Zusammenwirken mit der Zeugin M. erfundenes Tatgeschehen vor allem auch deshalb aus, weil sie sich bereits vor der Meldung an den Zeugen E. gewandt hat. Aus dessen Aussage folgt zum einen, dass die Zeugin bereits vor der Meldung einem Dritten von Übergriffen des Soldaten berichtet hat, was indiziert, dass die Zeugin vor der Meldung tatsächlich einer belastenden Situation ausgesetzt war und diese nicht erst zum Zeitpunkt der Meldung erfand. Für das Erleben tatsächlicher Übergriffe spricht auch, dass der Zeuge auf Vorhalt seiner (außergerichtlichen) Aussage (vom 16. Oktober 2013) bestätigt hat, die Zeugin habe ihn wegen der Meldung um Bedenkzeit gebeten und sich deshalb schwer getan, den Sachverhalt zu melden, weil sie einerseits Konsequenzen hinsichtlich ihrer Laufbahnerwartungen befürchtet und andererseits angenommen habe, wegen der späten Meldung würde man ihr ohnehin nicht mehr glauben. Auch bei dieser Zeugin wird damit deutlich, dass sie dem Zeugen E. - wie die Zeugin M. gegenüber dem Zeugen D. - nicht mit Belastungseifer von den Übergriffen des Soldaten erzählt hat, sondern erst nach Überwindung erheblicher Skrupel.

90 Bei alledem konnte der Senat nicht unbeachtet lassen, dass die Zeugin M., deren Aussagen aus den zuvor dargelegten Gründen glaubhaft sind, ebenfalls Opfer sexuell motivierter Übergriffe des Soldaten war.

91 Die Zeugin M. hat insbesondere aus eigener Wahrnehmung den unter Anschuldigungspunkt 3 beschriebenen Übergriff des Soldaten gegen die Zeugin A. bestätigt. Sie hat ausgesagt, sie könne sich erinnern, dass die Zeugin A. an der Theke angelehnt gestanden, der Soldat diese von hinten umarmt und die Zeugin A. sich erschrocken habe. Dabei handelt es sich zwar um eine erstmalige Aussage der Zeugin M. zu diesem Anschuldigungspunkt. Dies begründet jedoch deshalb keine Zweifel an ihrer Glaubhaftigkeit, weil die Zeugin A. bereits in ihrer außergerichtlichen Vernehmung (vom 16. Oktober 2013) angegeben hat, (allein) die Zeugin M. habe den Übergriff gesehen.

92 Verstärkt wird die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugin A. durch die durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführte Aussage der Zeugin G., wobei der Senat bei der Würdigung jener Aussage dem Umstand Rechnung trägt, dass es sich dabei um die Mutter der Zeugin handelt. Die Zeugin G. hat ausgesagt, bereits während des Auslandsaufenthaltes von ihrer Tochter, also zeitnah, (via Skype) von den Übergriffen des Soldaten auf sie erfahren zu haben. Sie habe ihr berichtet, dass der Soldat ihr von hinten die Bluse aufgerissen und ihr an die Brust gefasst habe. Ein Belastungsmotiv der Mutter der Zeugin ist nicht erkennbar.

93 Auch wenn die Angaben des Soldaten nicht schon in sich widersprüchlich und unglaubhaft sind, sind sie doch durch die glaubhaften Angaben der Zeugin widerlegt.

94 4. Der Soldat hat durch die festgestellten Verhaltensweisen vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

95 a) Indem der Soldat jeweils wissentlich und willentlich seine Brust gegen die Brüste der Zeugin M. rieb (Anschuldigungspunkt 1), die Brust der Zeugin A. umfasste (Anschuldigungspunkt 2), die Zeugin A. von hinten unter Körperkontakt umarmte (Anschuldigungspunkt 3), sich von hinten über die Zeugin M. beugte und versuchte, ihr eine Süßigkeit in den Mund zu stecken (Anschuldigungspunkt 7), er der Zeugin M. deren Feldbluse bis zum untersten Druckknopf aufriss (Anschuldigungspunkt 9), er der Zeugin A. von hinten die Feldbluse vollständig aufriss (Anschuldigungspunkt 10) und er erneut der Zeugin M. die Feldbluse vollständig aufriss (Anschuldigungspunkt 11), beging er vorsätzliche sexuelle Belästigungen nach § 3 Abs. 4 SoldGG und verstieß damit gemäß § 7 Abs. 2 SoldGG gegen seine Dienstpflichten. Anders als vom Truppendienstgericht angenommen, liegt auch im Anschuldigungspunkt 1 eine sexuelle Belästigung. Selbst wenn der Soldat die Zeugin M. in den Arm genommen haben sollte, um sie zu trösten, rechtfertigt dies nicht, seinen Oberkörper gegen ihre Brüste zu reiben. Auch hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 3 und 7 ist der Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt, weil jene Handlungen im Kontext mit im Übrigen eindeutig sexuell motivierten Übergriffen stehen, sodass sie nicht mehr sozialadäquat sind.

96 b) Durch das genannte wissentliche und willentliche Verhalten hat der Soldat zugleich vorsätzlich die Pflicht zum treuen Dienen verletzt.

97 Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum treuen Dienen gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung. Zur Rechtsordnung gehört auch die Pflicht aus § 7 Abs. 2 SoldGG (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2016 - 2 WD 18.15 - juris Rn. 54 m.w.N.). Allerdings muss es sich um einen Rechtsverstoß von Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Der dienstliche Zusammenhang folgt daraus, dass die Pflichtverletzungen innerhalb dienstlicher Anlagen und Untergebenen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV gegenüber erfolgte. Das für eine disziplinarische Relevanz hinreichende Gewicht folgt daraus, dass der Gesetzgeber dem Verstoß gegen das Unterlassungsgebot durch § 7 Abs. 2 SoldGG ausdrücklich die Qualität einer Pflichtverletzung und damit disziplinarische Relevanz zuweist (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 2 WD 4.13 - juris Rn. 35).

98 Zudem hat der Soldat gegen die Rechtsordnung verstoßen, indem er jedenfalls durch die unter Anschuldigungspunkte 9 bis 11 beschriebenen Handlungen die Zeuginnen wiederholt und beharrlich sexuell entwürdigend behandelt und damit den Wehrstraftatbestand des § 31 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 WStG verwirklicht hat.

99 c) Aus den genannten Gründen vorsätzlich verletzt ist auch § 10 Abs. 3 SG.

100 Die Fürsorgepflicht beinhaltet die Pflicht eines jeden militärischen Vorgesetzten, Untergebene nach Recht und Gesetz zu behandeln. Der Untergebene muss unter anderem das berechtigte Gefühl haben, dass er vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet wird, sondern dass dieser sich bei allen Handlungen und Maßnahmen vom Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Soldaten leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren (BVerwG, Urteile vom 22. April 2009 - 2 WD 12.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 28 Rn. 31 m.w.N. und vom 16. März 2011 - 2 WD 40.09 - juris Rn. 42). Eine beleidigende oder entwürdigende Behandlung von Untergebenen - hier in der Form einer sexuellen Belästigung - verstößt gegen die Pflicht aus § 10 Abs. 3 SG, für Untergebene zu sorgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 2 WD 4.13 - juris Rn. 36, Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 9. Aufl. 2013, § 10 Rn. 23 m.w.N.). Die Geschädigten waren zum Zeitpunkt der Tat Mannschaftsdienstgrade, der Soldat als Hauptmann gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV bereits kraft Dienstgrades nach § 3 VorgV deren Vorgesetzter. Für die Zeugin M. war er darüber hinaus auch in der konkreten Funktion ihr Vorgesetzter.

101 d) Zudem liegt auch eine vorsätzliche Verletzung des § 12 Satz 2 SG vor.

102 Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen der Soldaten der Bundeswehr, das Bewusstsein, sich jederzeit, vor allem in Krisen- und Notzeiten, aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt, stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe. Dies ist bei einer sexuellen Belästigung durch einen Vorgesetzten der Fall (BVerwG, Urteile vom 13. Februar 2014 - 2 WD 4.13 - juris Rn. 41 und vom 6. Juli 2016 - 2 WD 18.15 - juris Rn. 58)

103 e) Vorsätzlich verletzt ist auch die Pflicht zu innerdienstlichem Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).

104 Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem vorangestellt ist, enthält (zugleich) einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1997 - 2 WD 24.96 - BVerwGE 113, 48 <54>, vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Diese Voraussetzungen sind hier durch die sexuelle Belästigung von Untergebenen in dienstlichen Anlagen erfüllt (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 2 WD 4.13 - juris Rn. 43).

105 5. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

106 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen besonders schwer, weil es in einer Verletzung zentraler Pflichten gerade eines Vorgesetzten besteht. Zudem ergibt sich das hohe Gewicht einer sexuellen Belästigung auch daraus, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 SoldGG ein solches Verhalten nicht nur ausdrücklich untersagt, sondern es zudem als selbstständige Dienstpflichtverletzung qualifiziert hat.

107 Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung.

108 Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) belastet den Soldaten schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall, zumal es auch tatsächlich zu einer nachhaltigen Schädigung des Ansehens des Soldaten bei den Zeuginnen M. sowie A. gekommen ist.

109 Die Kameradschaftspflicht in den Streitkräften ist nicht minder bedeutsam. Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfordert im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfalle gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte seines Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und kann damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 1. März 2007 - 2 WD 4.06 - Rn. 46 m.w.N.).

110 Der Soldat stand aufgrund seines Dienstgrades als Hauptmann zudem in einem Vorgesetztenverhältnis (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG; vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - m.w.N., vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30).

111 Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu den vornehmlichsten Pflichten eines Vorgesetzten (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 1. März 2007 - 2 WD 4.06 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 56 m.w.N.). Insbesondere muss er die Rechte und die Würde des Untergebenen strikt achten. Diese Verpflichtung hat im militärischen Bereich besondere Bedeutung, weil im militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis Untergebene besonders schutzbedürftig sind. Gerade das Über-Unterordnungsverhältnis hat der Soldat gegenüber den ihm vom Dienstgrad weit unterlegenen Zeuginnen M. und A. ausgenutzt.

112 Hinzu tritt besonders erschwerend, dass der Soldat mit den sexuellen Belästigungen nicht nur den Wehrstraftatbestand des § 31 Abs. 1 WStG verwirklicht hat, sondern zudem deshalb auch strafrechtlich belangt wurde. Erschwerend einzubeziehen ist schließlich, dass die Pflichtverletzungen des Soldaten - mit Ausnahme der unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebenen - im Auslandseinsatz begangen wurden, obwohl gerade in ihm an die militärische Disziplin erhöhte Anforderungen zu stellen sind und dass zahlreiche Übergriffe zu Lasten mehrerer Geschädigter in Rede stehen.

113 b) Das Dienstvergehen zeitigte auch erhebliche Auswirkungen. Es hatte nachteilige Auswirkungen auf die Zeuginnen M. und A.. Die beiden Zeuginnen waren während des Auslandseinsatzes nicht nur erheblichen Belastungen durch die Übergriffe des Soldaten ausgesetzt, sondern auch dadurch, dass ihre Kräfte während des Auslandseinsatzes über einen längeren Zeitraum deshalb gebunden waren, weil sie sich mit der Frage auseinandersetzen mussten, die Übergriffe zu melden. Hinzu tritt, dass sich die Übergriffe bei der Zeugin A. zumindest mit ursächlich über den Zeitraum des Auslandseinsatzes hinaus massiv auswirkte. Als dienstrechtliche Folgemaßnahmen, muss sich der Soldat zurechnen lassen, dass er noch während des Auslandseinsatzes repatriiert und er nach Ergehen des - im Zusammenhang mit den Pflichtverletzungen zu sehenden - Strafbefehls von seiner bisherigen Einheit wegkommandiert werden musste.

114 c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Er hat sich rücksichtslos über die Rechte lebens- und dienstjüngerer Kameradinnen hinweggesetzt, um seine sexuellen Neigungen auszuleben.

115 d) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er durchgehend vorsätzlich gehandelt hat.

116 aa) Zur Überzeugung des Senats steht allerdings fest, dass der Soldat sich zum Zeitpunkt der Pflichtverletzungen - mit Ausnahme der im Inland begangenen Pflichtverletzung gemäß Anschuldigungspunkt 1 - in einer seelischen Ausnahmesituation befunden hat, die auch ursächlich für die Übergriffe war und deshalb einen Milderungsgrund in den Umständen der Tat begründet. Eine seelische Ausnahmesituation ist dann gegeben, wenn die Situation von so außergewöhnlichen Besonderheiten geprägt war, dass von dem Soldaten ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht mehr vorausgesetzt werden kann (BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2017 - 2 WD 12.16 - juris Rn. 28 m.w.N.).

117 Wie bereits unter 3. a) ff) im Zusammenhang mit der Würdigung der Aussagen des Soldaten dargestellt, befand dieser sich bereits seit Februar 2011 in psychotherapeutischer Behandlung. Sie ging zum Teil mit einem stationären Aufenthalt in der Psychiatrie von Mitte Februar bis Ende Mai 2011 einher und wurde erst kurz vor dem Auslandseinsatz im Mai 2013 unterbrochen. Die psychischen Beeinträchtigungen des Soldaten waren auch der Grund dafür, dass seine Auslandsverwendungsfähigkeit zuvor viermal abgelehnt worden war. Dem entspricht, dass sie auch für den Auslandseinsatz im Jahre 2013 erst aufgrund eines fachärztlichen Gutachtens festgestellt worden war, welches nach der glaubhaften Darstellung des Soldaten zudem auf einer lediglich zehnminütigen Exploration beruhte. Die anschließende Attestierung seiner Auslandsdienstverwendungsfähigkeit stützte sich wiederum auf die Einschätzung eines Truppenarztes, den der Soldat vorher nur einmal gesehen hat. Sowohl das Verhalten des Soldaten während des Auslandseinsatzes anlässlich der drohenden Trennung von seiner Lebensgefährtin als auch die nach der Beendigung des Auslandseinsatzes unverzüglich wieder aufgenommene psychotherapeutische Unterstützung und der Zusammenbruch des Soldaten nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung belegen eindrücklich, dass auf ihn zum Zeitpunkt der angeschuldigten Handlungen massive Belastungsfaktoren einwirkten, die zu für ihn persönlichkeitsfremden Taten führten. In einer jedem Zweifel entzogenen Weise wird dies auch daran deutlich, dass der Soldat noch während des Auslandseinsatzes - wenn auch ausschleichend - Psychopharmaka konsumieren musste.

118 Da vorliegend die eine seelische Ausnahmesituation begründenden Umstände identisch mit jenen sind, die eine erhebliche Einschränkung der Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit begründen würden, erlangt der Schuldmilderungsgrund nach § 21 StGB analog keine zusätzliche Bedeutung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 2 WD 13.15 - juris Rn. 50). Mangels Entscheidungserheblichkeit war es deshalb auch nicht erforderlich, zu dessen Voraussetzungen ein Sachverständigengutachten einzuholen.

119 Einen vollständigen Ausschluss der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit anzunehmen verbot sich hingegen angesichts der dem Soldaten gerade auch während des Auslandseinsatzes bescheinigten hervorragenden Leistungen.

120 bb) Der Schuldmilderungsgrund einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten liegt angesichts der zahlreichen, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Wiederholungstaten nicht vor. Jene Umstände verbieten die Annahme eines solchen durch ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit charakterisierten Verhaltens (BVerwG, Urteile vom 19. September 2001 - 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48 und vom 30. März 2011 - 2 WD 5.10 - juris Rn. 52).

121 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sind dem Soldaten seine durch die Beurteilungen und durch die Bekundungen der Leumundszeugen ausgewiesenen überdurchschnittlichen Leistungen in der Vergangenheit zugute zu halten.

122 Für den Soldaten spricht auch seine bislang fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da er hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt.

123 f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die von der Vorinstanz verhängte Maßnahme nicht unangemessen.

124 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

125 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen". Diese bildet bei sexuellen Belästigungen von Untergebenen durch Vorgesetzte im Dienst regelmäßig eine Herabsetzung im Dienstgrad (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Juni 2011 - 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56 Rn. 49 m.w.N., vom 18. Juli 2013 - 2 WD 3.12 - Rn. 61, vom 13. Februar 2014 - 2 WD 4.13 - juris Rn. 72 und vom 6. Juli 2016 - 2 WD 18.15 - juris Rn. 80).

126 bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Bemessungsspielraum eröffnet.

127 Nachdem lediglich der Soldat Berufung eingelegt hat und somit zu seinen Gunsten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 331 Abs. 1 StPO das Verschlechterungsverbot greift, kann offen bleiben, ob die in großer Vielzahl über einen längeren Zeitraum begangenen Pflichtverletzungen die Entfernung aus dem Dienstverhältnis als angemessene Disziplinarmaßnahmeart verlangt hätten. Wegen § 62 Abs. 1 Satz 1 WDO kann auch offen bleiben, ob die erschwerenden Umstände nicht eine weitergehende Dienstgradherabsetzung verlangen würden. Jedenfalls wäre die Herabsetzung um nur einen Dienstgrad der Schwere des Dienstvergehens nicht angemessen, weil das Gewicht mildernder Umstände umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen wiegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2016 - 2 WD 19.15 - BVerwGE 154, 168 Rn. 65).

128 Zwar ist insoweit zu Gunsten des Soldaten erheblich mildernd einzustellen, dass er sich zum Tatzeitpunkt in einer seelischen Ausnahmesituation befunden hat und er nicht nur im Auslandseinsatz fachlich überdurchschnittliche Leistungen erbracht hat. Demgegenüber steht jedoch, dass die sexuellen Übergriffe körperlicher Art waren, sie sich gegen Untergebene richteten, welche sich im Auslandseinsatz sowie in einer besonderen Abhängigkeitssituation befanden, und die Übergriffe auch als Wehrstraftat geahndet wurden. Jene massiv erschwerenden Umstände hätten - bei Außerachtlassung des § 62 Abs. 1 Satz 1 WDO - eine Degradierung weit unter den Dienstgrad eines Leutnants verlangt, sodass der klassische Milderungsgrund der seelischen Ausnahmesituation nicht noch darüber hinaus eine Beschränkung der Degradierung auf nur einen Dienstgrad bewirken kann. Dass das Gesetz durch § 62 Abs. 1 Satz 1 WDO eine weitergehende Dienstgradherabsetzung ausschließt, führt auch nicht dazu, dies mildernd einzubeziehen. Er bildet keinen die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO beeinflussenden Umstand (BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2017 - 2 WD 12.16 - juris Rn. 42).

129 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 WDO.