Beschluss vom 29.06.2021 -
BVerwG 4 B 7.21ECLI:DE:BVerwG:2021:290621B4B7.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.06.2021 - 4 B 7.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:290621B4B7.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 7.21

  • VG Karlsruhe - 25.04.2017 - AZ: VG 1 K 5645/15
  • VGH Mannheim - 03.11.2020 - AZ: VGH 1 S 581/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juni 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2020 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die ausdrücklich nur den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Anspruch nimmt, ist unzulässig. Sie verfehlt die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2 1. Die Beschwerde legt die von ihr behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar.

3 Grundsätzlich bedeutsam i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, siehe z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

4 a) Mit den vom Kläger im Zusammenhang mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG BW formulierten Fragen wird ein auf das Bundesrecht bezogener Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

5 Das Gesetz zum Schutz der Kulturdenkmale des Landes Baden-Württemberg (DSchG BW) ist irrevisibles Landesrecht, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (§ 137 Abs. 1 VwGO). Einen beachtlichen Bezug zum revisiblen Bundesrecht vermag die Beschwerde nicht dadurch herzustellen, dass sie sich zur Begründung ihrer Auffassung, wonach das baden-württembergische Denkmalschutzgesetz im Allgemeinen und § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG BW im Speziellen verfassungswidrig seien, auf eine Verletzung der Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG beruft. Die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Landesrechts rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision nur dann, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundes(verfassungs)rechts darlegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. Dezember 2016 - 9 BN 3.16 - NVwZ-RR 2017, 1037 Rn. 18 und vom 14. August 2017 - 9 B 3.17 - BeckRS 2017, 123672 Rn. 4). Eine Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf. Sie kritisiert vielmehr im Stile eines zulassungsfreien Rechtsmittels die ausführlich begründete Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, durch die bereits durchgeführten Baumaßnahmen werde das ein Kulturdenkmal (§ 2 Abs. 1 DSchG BW) darstellende Gebäude des Klägers in seinem Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt. Das genügt nicht.

6 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Grundsatz geklärt, dass das Denkmalschutzrecht der Länder eine zulässige Regelung über Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. April 1984 - 4 B 59.84 - DVBl 1984, 638, vom 10. Juli 1987 - 4 B 146.87 - Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 4, vom 26. April 1996 - 4 B 19.96 - juris Rn. 6 und vom 15. November 2017 - 4 B 14.17 - BeckRS 2017, 134548 Rn. 5). Der Gesetzgeber muss allerdings bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - BVerfGE 110, 1 <28>). Dass das baden-württembergische Denkmalschutzgesetz dem nicht gerecht würde, legt die Beschwerde nicht dar. Soweit sie rügt, § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG BW verstoße gegen den "Vorbehalt der Art. 2 und 14 GG" bzw. sei zu unbestimmt, weshalb der "Parlamentsvorbehalt" nicht gewahrt sei, weil die Norm für die Genehmigungsbedürftigkeit von Maßnahmen an einem Kulturdenkmal darauf abstelle, dass dieses hierdurch "in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt" werde, fehlt es an jeglicher Substantiierung. Bei der "Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes" eines Kulturdenkmals handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar. Es ist Aufgabe der Rechtspraxis, solche Tatbestandsmerkmale zu konkretisieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2020 - 1 BvR 1550/19 - BVerfGE 155, 378 Rn. 74).

7 b) Der Kläger hält ferner für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob bei dem Recht des Klägers auf Gleichbehandlung aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG lediglich Vergleichsfälle in einem festen Radius von 500 m um das streitgegenständliche denkmalgeschützte Gebäude herum in Betracht zu ziehen sind
und
ob bei dem Recht des Klägers auf Gleichbehandlung aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG lediglich Vergleichsfälle heranzuziehen sind, die ein annähernd identisches Bauvorhaben beinhalten, oder ob auch Fälle heranzuziehen sind, die zu einer Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes geführt haben.

8 Die Beschwerde genügt auch insofern nicht den Darlegungsanforderungen. Die Fragen beziehen sich auf das nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG BW der Genehmigungsbehörde eröffnete Ermessen und die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dieses sei hier fehlerfrei betätigt worden, insbesondere liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung vor (UA S. 28 f.). Es ist indessen Sache des irrevisiblen Landesrechts, wie das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben ist und wo die Grenzen des Ermessens liegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. März 2021 - 4 B 6.21 - BeckRS 2021, 8682 Rn. 3). Einen beachtlichen Bezug zum revisiblen Bundesrecht stellt die Beschwerde nicht dadurch her, dass sie sich auf das bundesrechtliche Rechtsinstitut der Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis beruft. Denn sie zeigt nicht auf, inwiefern Inhalt und Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und der hieraus abgeleiteten Selbstbindung der Verwaltung über die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts hinaus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvR 1160/03 - BVerfGE 116, 135 <153> m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 55 m.w.N.; siehe auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 103 ff.) weiterer Klärung oder Präzisierung bedürfen. In der Sache kritisiert sie auch hier die Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof im konkreten Einzelfall. Damit kann die grundsätzliche Bedeutung nicht begründet werden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. August 2018 - 4 BN 8.18 - Buchholz 406.403 § 26 BNatSchG 2010 Nr. 1 Rn. 8).

9 c) Die weitere Frage, ob die Beklagte die Baugenehmigung allein deshalb ablehnen durfte, weil das vom Kläger angebrachte Geländer gegen Denkmalschutzrecht verstößt, oder ob sie dem Kläger Auflagen hätte machen müssen, um die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens herbeizuführen, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision, weil sie sich für die Vorinstanz nicht gestellt hat und eine für die Entscheidung der Tatsacheninstanz nicht maßgebliche Rechtsfrage die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen vermag (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 5). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, nach Art eines Gutachtens Rechtsfragen zu klären, die sich dem Berufungsgericht nicht gestellt haben und die es deshalb auch nicht beantwortet hat (stRspr, z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2016 - 4 B 10.16 - juris Rn. 5, vom 11. Januar 2018 - 4 B 64.17 - BRS 86 Nr. 210 <1384 f.> und vom 28. April 2020 - 4 B 39.19 - ZfBR 2020, 680 Rn. 8). Nach der Rechtsprechung des Senats ist es im Übrigen Sache des Bauherrn, das Vorhaben so zu konzipieren, dass es als solches genehmigungsfähig ist (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1994 - 4 C 20.93 - BVerwGE 96, 95 <96>). Es ist nicht Aufgabe der Baugenehmigungsbehörde, durch Veränderungen des zur Prüfung gestellten Vorhabens dessen Genehmigungsfähigkeit herbeizuführen.

10 d) Die Beschwerde ist der Auffassung, dass von der Vorinstanz nicht festgestellte Tatsachen bei der Prüfung der Frage, ob die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen ist, ausnahmsweise dann berücksichtigt werden könnten, wenn ein Wiederaufnahmegrund (§ 153 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO) vorliege. Hier sei der Wiederaufnahmegrund nach § 580 Nr. 4 ZPO gegeben, weil Vertreter der Beklagten im Verfahren wissentlich falsche Behauptungen aufgestellt hätten, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhe. Das verfehlt den rechtlichen Maßstab des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. oben). Die Restitutionsgründe des § 580 ZPO betreffen die Entscheidungsgrundlage des Ausgangsverfahrens. Mit ihnen wird geltend gemacht, dass die dort ergangene Entscheidung unrichtig ist, im Falle des § 580 Nr. 4 ZPO deshalb, weil das Urteil von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt wurde (BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 7 B 73.02 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 34 S. 6). Ob damit der Sache nach ein Aufklärungsmangel geltend gemacht wurde (siehe BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 1992 - 4 B 139.91 - juris Rn. 10), kann dahinstehen. Denn auch in diesem Fall genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen. Eine Aufklärungsrüge setzt voraus, dass substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f., vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 19 und vom 12. Mai 2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 14). Hat der Beschwerdeführer - wie hier - nicht bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, muss dargelegt werden, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Dem genügt die Beschwerde nicht. So fehlt u.a. jeglicher Vortrag dazu, warum sich dem Verwaltungsgerichtshof nach Einnahme eines Ortsaugenscheins weitere Ermittlungen in Bezug auf den historischen Zustand des Gebäudes in der S-straße hätten aufdrängen müssen.

11 2. Soweit die Beschwerde so zu verstehen sein sollte, der Kläger mache mit dem Vortrag, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Senats vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 - (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 152) und vom Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. März 2020 - 1 S 29/19 - (KommJur 2020, 385) ab, eine Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend, verfehlt sie jedenfalls die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

12 Eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ist nur dann i.S.d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, gleichermaßen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Senats vom 14. September 1992 ist zu § 34 BauGB ergangen und nicht zum hier maßgeblichen § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG BW. Beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg handelt es sich um kein Divergenzgericht i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

13 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.